Protokoll der Sitzung vom 13.04.2005

In dieser Hinsicht sind wir noch weiter zurück. Diesbezüglich gibt es keinen Vergleich zu den Hochschulen. Das, Frau Große, schließt auch die Verantwortung der Schulen ein. Die Schulen bzw. Lehrer sind insgesamt verantwortlich für die Schüler, nicht nur für das eigene Fach. Es besteht die Erwartungshaltung, dass die Lehrer diesbezüglich aktiv werden. Es gibt bereits jetzt Schulen, die Interesse an Studienwerbung zeigen. Dort passiert jede Menge. In anderen Schulen haben unsere Hochschulen Probleme, überhaupt einmal etwas anbieten zu können. Diese Verantwortung kann den Schulen und Hochschulen nicht abgenommen werden, sondern auf diesem Gebiet müssen sie Entsprechendes leisten.

Wenn ich die Verzahnung Schule/Hochschule nenne, ist das ein großer Komplex. Singuläre Maßnahmen wie Kinder-Uni führen wir durch. Es gibt jetzt zum Beispiel eine neue Kampagne mit der Telekom diesbezüglich. Ich denke, der entscheidende Schwerpunkt der Verzahnung liegt nicht auf den Einzelmaßnahmen, die wir weiter pflegen bzw. entwickeln, sondern generell auf der Schnittstelle des Erwerbs der Hochschulreife einerseits sowie der Studienwahl und Aufnahme eines Hochschulstudiums andererseits.

Wenn ich auf die Verantwortung der Hochschulen eingehe, muss ich auch das neue Auswahlrecht ansprechen, das Sie ja etwas kritisch sehen. Ab Herbst können sich die Hochschulen sehr viel stärker, in viel höheren Prozentsätzen ihre Studenten aussuchen. Das wollten sie ja immer. Wenn man das qualifiziert handhabt, macht es sehr viel Arbeit. Man kann es so durchführen, dass man entweder alle einen Test schreiben lässt oder nach der Abiturnote geht, zum Beispiel bei Lehrerstudenten. Oder der Professor macht sich in der Semesterpause die Mühe und setzt sich mit einem Bewerber eine halbe Stunde hin, um ihm im Gespräch einiges zu vermitteln und zu erkennen, ob dieser geeignet ist oder nicht. Die Verantwortung liegt bei den Hochschulen.

Von diesen Dingen gehe ich nicht ab, auch nicht durch Reglements, wobei die Hochschulen jetzt unter Druck stehen. Wenn sie sich gute Leute, die für die Studiengänge passen, aussuchen, dann haben sie auch eher qualifizierte Absolventen, dann bekommen sie auch mehr Geld. Dieses System haben wir in der Schule noch nicht; das ist ganz klar. Diesbezüglich ist der Zusammenhang mit Belohnung noch nicht so gegeben.

Einige Beispiele zur Illustration, nicht, um irgend etwas zusammenzufassen, was auch nicht die Intention des Antrags war: Gerade die Berufsorientierung ist keineswegs auf den Hochschulbereich beschränkt, sondern auch sehr stark mit der Landesregierung abgestimmt. Zum Beispiel hat das Bildungsministerium das so genannte Praxislernen für Schulen verbindlich eingeführt und ist Partner in dem landesweiten Netzwerk „Zukunft Schule und Wirtschaft“, in dem alle Hochschulen vertreten sind. Das Arbeitsministerium hat eine Kampagne für das bedarfsorientiert aufeinander abgestimmte System der Berufsorientierung und Ausbildung auch für Jugendliche mit schlechten Startchancen angestoßen.

Wenn wir für das Studium werben, wird hinsichtlich der Wahrnehmung der Schüler immer ganz klassisch gesagt, dass die Lehrer relativ wenig tun. Alle Analysen zeigen, dass bezüglich des Einflusses auf den Studienwunsch an erster Stelle Eltern oder Großeltern zu nennen sind und die Lehrer hierbei sehr weit hinten stehen. Sehr interessant ist, dass die Arbeitsämter,

die Berufsberater auf dem dritten Platz stehen. Das war allerdings vor einigen Jahren und kann sich leicht modifiziert haben. Ich habe zum Beispiel als Rektorin natürlich den Kontakt mit den Arbeitsämtern gepflegt, die Leute eingeladen und ihnen erklärt, welche neuen Studiengänge und welche Strukturen wir haben. Ein solches Vorgehen zahlt sich aus.

Das alles sind Dinge, die bereits jetzt möglich sind. Dafür braucht man auch nicht mehr Geld. Ich nenne als Beispiel für die Berufsorientierung das MASGF, welches Ausbildungsprojekte für junge Mütter fördert, damit sie zum Studium kommen. Das ist sehr wichtig, um Begabungsreserven zu erschließen.

Exemplarisch nenne ich das neue Projekt „Invest Brandenburg“. Sehr viele Schulen im Westen Brandenburgs, die gewillt sind, mit der Fachhochschule zusammenzuarbeiten, haben konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Übergangsquote beschlossen. Das Projekt wird vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.

Abschließend kann festgestellt werden: Das ist eine wichtige Frage. Einfache Kausalzusammenhänge gibt es nicht. Warum studiert man in Brandenburg? Wir verzeichnen eine Zunahme der Zahl der Studienbewerber aus allen Bundesländern, nur nicht aus Brandenburg selbst. Dafür gibt es keine einfache Erklärung. Eine Ursache ist allerdings das Schlechtreden, durch das das Image geprägt wird.

Wir haben eine ganze Menge getan - dazu gehört eine gute Kooperation innerhalb der Landesregierung -, müssen uns aber in dieser Legislaturperiode noch wesentlich mehr erarbeiten. Ich freue mich auf eine konstruktive Begleitung durch die Opposition.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort erhält noch einmal die beantragende Fraktion. Es spricht Herr Jürgens von der PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Zukunft, das ist die Zeit, in der du bereust, dass du das, was du heute tun kannst, nicht getan hast!“ So lautet ein amerikanisches Sprichwort. Wenn wir daher heute nicht Maßnahmen im sekundären und tertiären Bildungsbereich ergreifen, wird Brandenburg als Wissenschaftsland Ihre Untätigkeit bereuen.

Frau Geywitz, es ist völlig klar, dass Sie als Vertreterin der Koalition die Maßnahmen der Regierung nicht geißeln können. Wir haben einige kritische Anmerkungen sowie produktive Vorschläge zu den Maßnahmen, die Frau Ministerin Wanka angeregt hat.

Um auf Frau Große zurückzukommen: Das sind nicht nur Vorschläge aus der DDR-Zeit, sondern auch solche, die der Wissenschaftsrat in seiner Expertise zum Hochschulzugang unterbreitet hat. Dazu werde ich noch einige Worte verlieren.

Dass wir in Deutschland und speziell in Brandenburg zu wenige Akademiker haben, ist eine Binsenweisheit. Frau Große hat

vorhin schon die dramatische Entwicklung skizziert. Lassen Sie mich nur eine Zahl ergänzen, um die Situation zu verdeutlichen: 2002 haben nur 22,7 % eines Jahrgangs junger Menschen ein Studium begonnen. Das entspricht der so genannten Studienanfängerquote. Damit bildet Brandenburg im Deutschland-Vergleich das Schlusslicht.

Darum ist die PDS-Fraktion der Ansicht, dass ressortübergreifend ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden muss; es gibt ihn schon, wie Frau Wanka soeben gesagt hat. Im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes, vor allem als Wissenschaftsstandort, müssen wir mehr junge Menschen zum Abitur, zum Studium und zu einem Abschluss führen. Neben der Vorbereitung auf ein Studium in der Sekundarstufe II ist der Übergang von der Schule zum Studium entscheidend. Hier muss wesentlich besser als bisher informiert und geworben werden, insbesondere bei den jungen Menschen in den peripheren Regionen. Kooperative Beratungsstrukturen zwischen Hochschulen, Berufsverbänden und Arbeitsagenturen sind ebenso notwendig wie die Schaffung von Stellen, die explizit für Studienund Berufsberater an den Schulen selbst ausgewiesen sind.

Die Hochschulen sind gefordert, detaillierte Anforderungs- und Inhaltsprofile der Studiengänge zu entwerfen. Auch die Einführung einer Kollegstufe zwischen Schule und Hochschule mit Orientierungs- und Qualifizierungsfunktion wäre denkbar.

Der nächste entscheidene Schritt ist der Zugang zur Hochschule. Die derzeit rigorosen Auswahlverfahren, von denen schon gesprochen wurde, sind der völlig falsche Ansatz. Eine Selektierung von angeblich ungeeigneten Studierenden, bevor sie überhaupt ein Seminar besucht haben, spricht jungen Menschen die Lern- und Entwicklungsfähigkeit von vornherein ab. Insofern sollten die Auswahlverfahren ihren ultimativen Charakter verlieren und mehr eine Beratungs- und Aufklärungsfunktion haben. Der Wissenschaftsrat führt übrigens in seiner Expertise aus, dass Auswahlgespräche die soziale Selektivität erhöhen können.

Ein drittes entscheidendes Kriterium auf dem Weg zum Studienerfolg sind die Studienbedingungen. Da über den Zustand unserer Hochschulen sicherlich noch zu diskutieren ist und wir unterschiedliche Auffassungen haben, was die Qualität der Lehre und die Ausstattung der Hochschulen in Brandenburg angeht, will ich mich heute auf die Betreuung beschränken. Diese muss nicht nur insgesamt ausgebaut, sondern um einen psychologischen Anteil ergänzt werden. Prüfungen, Stundenplan und Nebenjobs sind oft unterschätzte Stressfaktoren, die zur Studienverzögerung oder sogar zum Studienabbruch führen können. Vor allem unter dem Beratungsaspekt wäre eine Orientierungsphase in den ersten zwei Semestern sinnvoll, in der ohne Angst hinsichtlich der Regelstudienzeit die Struktur der Hochschule und des Faches ausgetestet werden kann.

Ein letzter Aspekt darf nicht unterschätzt werden: Nur wer keinem finanziellen Risiko entgegengeht, beginnt ein Studium. Studiengebühren, ob nachgelagert oder nicht, wirken in jedem Fall abschreckend. Um die soziale Selektivität des Bildungssystems zu senken, dürfen in keinem Fall Gebühren eingeführt werden. Dafür muss die Studienfinanzierung verbessert werden.

Wir als PDS-Fraktion halten diese und weitere Maßnahmen für nötig, um mehr Schülerinnen und Schüler zum Abitur und mehr Abiturientinnen und Abiturienten zum Studium zu be

wegen. Nur so können wir dem Weg in die demographische Falle in Brandenburg entgegensteuern, den Wissenschaftsstandort Brandenburg sichern und müssen in Zukunft in diesem Punkt nichts mehr bereuen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Die Koalitionsfraktionen haben noch Redezeit. Wird sie beansprucht?

(Lunacek [CDU]: Es ist alles gesagt!)

- Okay.

Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der PDS-Fraktion „Studierendenquote steigern - Mehr Abiturientinnen und Abiturienten zum Studium“, Drucksache 4/957, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Es ist von hier oben nicht zu entscheiden; wir müssen durchzählen lassen.

Ich wiederhole die Abstimmung und bitte um das Zählen der Stimmen, damit uns hinterher nichts vorgeworfen werden kann. Es muss korrekt zugehen. Wer dem Antrag der PDSFraktion „Studierendenquote steigern - Mehr Abiturientinnen und Abiturienten zum Studium“, Drucksache 4/957, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Damit ist das Ergebnis der Abstimmung eindeutig: Der Antrag ist abgelehnt worden.

(Schulze [SPD]: Eindeutig!)

- Herr Schulze, eindeutig, weil wir zweimal abgestimmt haben.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 16 und wir kommen zum Tagesordnungspunkt 17:

Erhöhung der Ausbildungsquote in der Landesverwaltung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/960

Für die beantragende Fraktion erhält Herr Abgeordneter Görke das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der letzten Vollversammlung der IHK Potsdam hat der Ministerpräsident zu den Perspektiven Brandenburgs in der neuen Legislaturperiode Stellung genommen. Dabei appellierte er an die Wirtschaft, mehr betriebliche Ausbildungsplätze anzubieten, um jungen Brandenburgern eine berufliche Perspektive zu geben.

Recht hat er! Nur hat er der interessierten Öffentlichkeit nicht

erklärt, dass die Anzahl der Ausbildungsplätze in der Landesverwaltung in den letzten Jahren nicht nur stagniert hat, sondern sogar rückläufig gewesen ist. In der Landesverwaltung das wissen Sie - wird auf drei großen Feldern ausgebildet: zu Beamten des mittleren, gehobenen oder höheren Dienstes, in den Berufen des öffentlichen Dienstes und in den so genannten Kammerberufen.

Im Ergebnis einer parlamentarischen Anfrage musste die Landesregierung einräumen, dass die Ausweisung von Lehrstellen in den Berufen des öffentlichen Dienstes im aktuellen Ausbildungsjahr gegenüber dem Jahr 2002 um 23,9 % und damit um ein Viertel zurückgegangen ist.

Nicht anders sah es bei den so genannten Kammerberufen aus. So hat man im Innenministerium in den Kammerberufen wie Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation im Jahr 2000 noch 47 Azubi-Stellen ausgewiesen; in diesem Ausbildungsjahr sind es nur noch 27. Bei den Informations- und Kommunikationstechnikern waren es im Jahr 2000 noch 23 Stellen; diese Zahl ging auf jetzt neun Ausbildungsplätze zurück. Nicht anders sieht es im MASGF aus. Im Ausbildungsgang Sozialversicherungsangestellte, Frau Ministerin, gab es im Jahr 2000 noch 34 Ausbildungsplätze; diese Zahl wurde in diesem Jahr auf neun reduziert. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Zumindest bis ins Jahr 2003 konnte die Landesregierung diese Fehlentwicklung korrigieren, indem sie vermehrt Ausbildungsplätze für Anwärter des mittleren und gehobenen Dienstes auswies. Auch das hat sich spürbar geändert. Mit dem beschlossenen Haushaltssicherungsgesetz 2003 kann die Ausbildung von Anwärterinnen und Anwärtern nur noch vorgenommen werden, wenn eine spätere Übernahmemöglichkeit besteht. Was war und ist die Folge zum Beispiel in Bezug auf die Ausbildung von Steuerfachangestellten in der Finanzverwaltung? Diese wurde massiv, die Ausbildung der Anwärter für den Polizeivollzugsdienst stark zurückgefahren, da eine spätere Übernahme nicht möglich ist.

Werte Kollegen von SPD und CDU, wenn Sie schon nicht die Kraft haben, dieses Haushaltssicherungsgesetz in der entsprechenden Form zu ändern, dann muss zumindest die Ausbildung in den Berufen des öffentlichen Dienstes verstärkt werden. Dazu haben wir in der Landesverwaltung a) personell und b) finanziell die erforderlichen Voraussetzungen. Ich denke hierbei an die aufgeblähten Personalverstärkungsmittel, die uns in den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen noch beschäftigen werden.

Nun werde ich sicherlich bald das Argument von Ihnen hören, angesichts des vorgesehenen Stellenabbaus in der Landesverwaltung könne nur so viel Personal ausgebildet werden, wie später auch übernommen werde. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir bereits seit 1997 bedarfsunabhängig ausbilden, sodass dieses Argument ins Leere läuft. Noch nie konnten alle Auszubildenden mit einer Übernahmegarantie rechnen. Das kann man bedauern und das muss man auch ändern, aber es ist immer noch kein ernsthaftes Argument dafür, sich aus der beruflichen Erstausbildung zurückzuziehen.

Aus Sicht der PDS müssen in der Landesverwaltung alle Möglichkeiten eröffnet werden, um auszubilden, das heißt, der jungen Generation hier in Brandenburg im Bereich der Landesverwaltung eine Chance zur Ausbildung zu geben. Eine spätere

Übernahme wird zunächst - Letzteres betone ich - zu einer nachgeordneten Frage. Eine gute Ausbildung ist eben, wie der Innenminister kürzlich in den Medien sagte, das beste Rüstzeug für den Start ins Berufsleben. So sind im Jahr 2003 zum Beispiel 80 % der Beamtenanwärter des mittleren Justizdienstes in andere Bundesländer vermittelt bzw. von diesen übernommen worden. Das ist ein Zeichen dafür, dass man durchaus ausbilden sollte.

Meine Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag zu, bis zum Ausbildungsjahr 2007/08 die Ausbildungsquote in der Landesverwaltung einschließlich der nachgeordneten Bereiche schrittweise von 4,68 auf 7 % anzuheben. Meine Damen und Herren von der SPD, das ist Ihre Quote, die Sie mit Beschluss des Bundestages zum Berufsbildungssicherungsgesetz als Messlatte festgelegt haben. Sorgen Sie für eine verstärkte Ausbildung in der Landesverwaltung, und dies schon deshalb, weil dem öffentlichen Dienst hierbei eine Vorbildrolle zukommt. Vielen Dank.