Protokoll der Sitzung vom 19.05.2005

Die CDU-Fraktion hat bereits in den Koalitionsverhandlungen deutlich gemacht, was sie will: weg mit Investitionshemmnissen, Verkürzung von Genehmigungsverfahren, Öffnungs- und Experimentierklauseln, eine mittelstandsfreundliche Verwaltung. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Müller, hat es mich gefreut, in einem Artikel vom 09.05.2005 mit der Überschrift „Die Frösche rühren sich nicht“ lesen zu dürfen, dass gerade Sie - ich gehe davon aus, dass Ihre Stimme als Wirtschaftsexperte, als Sprecher und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Landtags in Ihrer Fraktion Gewicht hat - im Zusammenhang mit der Frage, wie wir die Bürokratie in Brandenburg künftig schneller und besser in den Griff bekommen, gesagt haben, dass Sie nicht mehr so recht daran glauben, dass die Verwaltung - die Exekutive - das auf die Reihe bekomme; sie habe es in zehn Jahren nicht geschafft. Das müsse nun einen neuen Schwung bekommen. Ich zitiere:

„Seit mehr als zehn Jahren warten wir vergeblich darauf, dass Regierung und Verwaltung bei der Entbürokratisierung Ergebnisse vorlegen. Müller plädiert für brachiale Maßnahmen. Er will neue Gesetze und Verordnungen zeitlich befristen und alten Regelungen nur noch eine Restlaufzeit einräumen. Damit werde die Verwaltung unter Zugzwang gesetzt und sie müsse überzeugend erklären, warum eine Vorschrift Bestand haben soll.“

Ich unterstütze Sie, Herr Müller.

Ich mache Ihnen einen Vorschlag - wir beide sind ja Mitglied im Wirtschaftsausschuss -: Wir setzen uns heute für eine halbe Stunde zusammen - länger brauchen wir vermutlich nicht - und haben dann einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht; das ist eigentlich ganz einfach. Anschließend, Herr Müller, werben wir in unseren Fraktionen - Sie in Ihrer, ich in meiner - für diesen Antrag. Dann brauchen wir auch keinen Ausschuss,

(Beifall des Abgeordneten Schippel [SPD])

für den mein Kollege Lunacek, unser Fraktionsvorsitzender, kämpft.

(Schippel [SPD]: Fachbezogen, jawohl!)

Damit haben wir etwas Gutes für Brandenburg getan.

Ich will damit Folgendes deutlich machen: Alle Fraktionen, die SPD, die CDU - auch bei der PDS-Fraktion würden wir wohl Unterstützung bekommen -,

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

wissen, dass in Brandenburg etwas geschehen muss.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Wenn sich Landrat Gieseke öffentlich darüber freut, dass seine Kreisverwaltung die Baugenehmigung für das Verteilerzentrum der Volkswagen AG in Ludwigsfelde innerhalb von nur sieben Wochen erteilen konnte,

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

dann fordere ich ein solches Tempo für alle Unternehmen in Brandenburg, ob Großkonzern oder Handwerker, ob Mittelständler oder Einzelhändler.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Auf allen staatlichen Ebenen muss ein Umdenken einsetzen. Damit verkünde ich keine Neuigkeiten. Wir alle wissen, dass die Zeit drängt. Meine Hinweise zu den Vorschlägen von Heiko Müller habe ich gar nicht ironisch gemeint. Über diese Vorschläge und über den Kommentar dazu habe ich mich wirklich gefreut, weil das zeigt, dass in der SPD wie letztendlich in allen Fraktionen der Druck mittlerweile so groß ist, dass sich in dieser Frage etwas Entscheidendes bewegen könnte.

Kürzlich zeigte mir der Inhaber einer brandenburgischen Bäckerei, und zwar nicht einer kleinen, sondern einer der größten im Lande, ein Schreiben, das er von der zuständigen Ordnungsbehörde erhalten hatte. Hintergrund dafür ist Folgendes: Der Inhaber der Bäckerei möchte vor einer seiner Filialen zwei Tische und zwei Stühle aufstellen und dort einen kleinen Imbiss anbieten - vielleicht auch einen halben Arbeitsplatz schaffen. Dieser Brandenburger Bäckermeister, ein gestandener Unternehmer, der mehrere Filialen aufgebaut und hart gearbeitet hat, bekam von dem zuständigen Ordnungsamt ein Schreiben des Inhalts, was nach dem Gaststättengesetz und nach weiteren Gesetzen dazu alles gefordert wird: drei Grundrisszeichnungen sämtlicher zum Gewerbebetrieb gehörenden Räume, Maßstab 1 : 100, drei Betriebsbeschreibungen der Räume, drei Lagepläne, Führungszeugnis des Antragstellers, Auskunft aus dem Gewerbezentralregister, Unterrichtsnachweis der Industrie- und Handelskammer, Gesundheitszeugnis des Antragstellers, Unbedenklichkeitsbescheinigung der zuständigen Stadtund Amtsverwaltung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts.

Glauben Sie, meine Damen und Herren, dass ein Unternehmer in Brandenburg noch Lust hat, zwei Tische aufzustellen und einen kleinen Imbiss anzubieten? Ich frage Sie, liebe Kollegin

nen und Kollegen: Wäre es nicht vernünftiger gewesen, wenn der Chef des Ordnungsamts mit dem Bäckermeister ein Gespräch geführt hätte nach dem Motto: „Wie bekommen wir das gemeinsam gebacken, dass du deinen kleinen Imbiss aufmachst, deinen Kaffee anbietest, wie kann das Amt dabei helfen?“ - Solche Schreiben wie das gerade vorgetragene sind frustrierend.

Ich meine, wir dürfen nicht länger nur darüber reden, sondern müssen solche Hemmnisse für unsere Unternehmen aus dem Weg schaffen, wobei der gute Wille manchmal schon der halbe Weg ist. Deshalb ist es auch sehr wichtig - wir sollten die Landesregierung dabei unterstützen -, dass die zentrale Normenprüfstelle endlich auf den Weg kommt und ihre Arbeit aufnehmen kann.

Der Unternehmer hat im täglichen Wettbewerb zu bestehen und kann Diskussionen über Personalstellen nicht verstehen. Es ist unser erklärtes Ziel als Koalition, den Normenbestand des Landes abzubauen und die Standards zu reduzieren. Geben wir unseren Unternehmen endlich die notwendige Unterstützung, sodass sie die besten Bedingungen zum Wirtschaften haben, hier in Brandenburg Erfolg haben, dass Kapital hierher kommt, dass sie auch die Gewissheit haben, willkommen zu sein, und dass die jungen Leute unser Land nicht mehr verlassen. Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit - wir alle wissen es -: Es tut weh, dass jährlich 20 000 junge Leute unser Land verlassen. Wir müssen alles dafür tun, was unsere Möglichkeiten als Parlamentarier hergeben - wir können eine ganze Menge tun -, dies so weit wie möglich zu verhindern. Darum geht es mir. Das ist mein Anliegen. Ich meine, es lohnt sich, dafür leidenschaftlich zu kämpfen. Die Chancen stehen gut. Ich bitte um Ihre Unterstützung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Beschlussfassung über die vorliegenden Anträge.

Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der DVU-Fraktion, Drucksache 4/1200, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist ohne Enthaltung mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Der nächste Änderungsantrag ist ebenfalls von der DVU-Fraktion gestellt worden und findet sich in der Drucksache 4/1201. Wer diesem Änderungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist ohne Enthaltung mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 4/1170, und in Verbindung damit den Änderungsantrag in Drucksache 4/1171 auf. Wer diesen beiden Änderungsanträgen folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen sind diese beiden Änderungsanträge abgelehnt worden.

Der folgende Änderungsantrag ist wiederum von der DVU

Fraktion gestellt worden und findet sich in der Drucksache 4/1202. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist ohne Stimmenthaltung mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

In der Drucksache 4/1235 findet sich ein weiterer Änderungsantrag der DVU-Fraktion. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ohne Stimmenthaltung ist dieser Änderungsantrag mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Nun steht der Änderungsantrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 4/1244 zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist dieser Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Der Änderungsantrag in der Drucksache 4/1203 ist wiederum von der DVU-Fraktion gestellt worden. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist ohne Enthaltung mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Jetzt steht der Änderungsantrag der DVU-Fraktion, Drucksache 4/1204, zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist ohne Enthaltung mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der DVU-Fraktion, Drucksache 4/1205. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ohne Stimmenthaltung ist dieser Änderungsantrag mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen zum Einzelplan 08, Drucksache 4/1108. Der Ausschuss empfiehlt die Annahme des Einzelplans 08 mit den beschlossenen Änderungen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ohne Stimmenthaltung ist die Beschlussempfehlung mit Mehrheit angenommen worden.

Damit schließe ich die Aussprache zu Einzelplan 08.

Wir sind weiterhin bei Tagesordnungspunkt 2 und ich rufe auf:

Einzelplan 10 - Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 4/1110

Die Aussprache hierzu wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion eröffnet. Für den erkrankten Abgeordneten Folgart spricht die Abgeordnete Lieske.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich von dieser Stelle aus zunächst einen Gruß an unseren Kollegen Udo Folgart, der im Krankenhaus liegt, richte. Ich hoffe, dass es ihm bald besser geht und er unsere Reihen dann wieder bäuerlich stärken kann.

(Allgemeiner Beifall)

Er wird uns heute gerade bei der Debatte über den Einzelplan 10 aus fachlicher Sicht besonders fehlen.

Die heutige Zeit erfordert es, dass die ländlichen Räume für die Landwirtschaft und die Verbraucher durch die Politik entsprechend ausgestaltet werden. Die ländlichen Räume unseres Landes sind die etwa 1 400 kleinen Städte und Dörfer, die Gemarkungen, die Landschaften, die knapp 7 000 landwirtschaftlichen Betriebe und die forstwirtschaftlichen und sonstigen Betriebe außerhalb der Ballungszentren.

Die ländlichen Räume werden von etwa 900 000 Einwohnern geprägt, von denen immerhin noch etwa 40 000 in der Landund Forstwirtschaft sowie Fischerei arbeiten. Jedoch hängt bundesweit jeder achte Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Land- und Forstwirtschaft ab. Vor dem Hintergrund der Stärkung und Entwicklung der ländlichen Räume ist die Stärkung des Kernbereichs Landwirtschaft unerlässlich. Die Verabredung der Agrarwirtschaftsinitiative für unser Land zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft ist der richtige Ansatz zur richtigen Zeit. Das Ziel ist - wie überall - die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen mit Zukunftschancen.

Zu den Inhalten der Agrarwirtschaftsinitiative nenne ich einige Beispiele: Beibehaltung der Finanzrahmen der Förderprogramme, wobei der Status quo zu sichern ist, keine Kürzung der Haushaltsansätze für Investitionen bei der Ausgleichszulage und beim KULAP, Rückfluss der Modulationsmittel in die produzierenden Betriebe, Erhalt der Gemeinschaftsaufgabe „Agrar- und Küstenschutz“ und - für alle Programme - die Kofinanzierung. Die Bundes- und EU-Rahmengesetzgebung muss 1 : 1 - zum Beispiel in der Dünge- und Tierhaltungsverordnung - ohne deutsche, aber auch ohne Brandenburger Alleingänge umgesetzt werden.

Die positive Begleitung von Investitionen durch die Schaffung eines positiven Investitionsklimas in Politik und Verwaltung ist weiterhin zu stärken, wie aus dem Bereich der Wirtschaft bereits zu hören war.

Bei der Bioenergiegewinnung und Verwertung nachwachsender Rohstoffe sind neue Standbeine für die Land- und Forstwirtschaft zu schaffen. Zum Beispiel müssen Biogas, Bioethanol, Biodiesel und die Holzverwertung einen immer breiteren Raum einnehmen.

Die Multifunktionalität wird in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum durch den Tourismus gesichert. Sehr wichtig - gerade für den Bereich der Landwirtschaft - sind die Werbung von Nachwuchs und die Ausbildung. Ein Generationswechsel, der angezeigt ist, muss abgesichert werden. Das Programm „Land aktiv“, das Kinder und Jugendliche für den ländlichen Raum und für die Landwirtschaft begeistern soll, ist eine tolle Sache und wird durch die Förderung des Ministeriums für

Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz begleitet. Fünf Regionalbeauftragte sind im Land unterwegs und sollen in den folgenden drei Jahren diese Zielstellung verfolgen.