Protokoll der Sitzung vom 20.05.2005

Wir wissen sehr wohl, dass auch im Nordosten diese Projekte nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein sind. Arbeitslosigkeit dauerhaft abzubauen erfordert ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass sie nicht allein vom Land zu bewältigen sind. Zu diesen Maßnahmen gehören ein öffentliches Investitionsprogramm, die Stärkung der Binnennachfrage, Arbeitszeitverkürzung mit zumindest teilweisem Lohnausgleich genauso wie Bildungs- und Qualifizierungsangebote. Dass Sie sich aber, meine Damen und Herren von der Koalition, von jedweder aktiven Arbeitsmarktpolitik verabschieden, nenne ich vor den Problemen zu kapitulieren, die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten allein zu lassen.

Nicht nachvollziehbar ist an dieser Stelle auch, warum die Landesregierung bewährte Strukturen wie die Weiterbildungsberatungsstellen der LASA abwickeln will. Die PDS hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass ein Ausbildungsangebot für jeden Jugendlichen unverzichtbar ist. Auch wenn wir unsinnige Warteschleifen, in die junge Menschen „geparkt“ werden, und geschönte Ausbildungszahlen kritisieren, so hat die PDS bislang jede Ausbildungszusage der Landesregierung - jedes Angebot, jede Initiative - eingefordert und unterstützt.

Aber es ist kein Naturgesetz, dass der Staat die Mittel dafür bereitstellt. Immerhin stellt das Land Brandenburg rund 50 Millionen Euro pro Jahr für die Ausbildung junger Menschen zur Verfügung. Die Umlagefinanzierung zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Unternehmen wäre eine sinnvolle und vor allem gerechte Alternative. Die Chance dazu wurde von den Regierungen in Bund und Ländern für unverbindliche - und wie sich mittlerweile herausstellt - nicht eingehaltene Zusagen der Wirtschaft vertan.

Landesregierung und Koalitionsfraktionen scheuen eine ernsthafte Debatte um die Ausbildungsumlage. Das hat einen Grund: Die Ausbildungsbereitschaft der Landesverwaltung ist nicht besonders groß. Seit 2002 sank die Zahl der von ihr angebotenen Lehrstellen in Berufen des öffentlichen Dienstes um ein Viertel. Von einer Vorbildwirkung gegenüber der Wirtschaft kann also wahrlich keine Rede sein.

(Beifall bei der PDS)

Neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik zu gehen heißt für uns auch, Beschäftigungs- und Wirtschaftsförderung besser miteinander zu verknüpfen. Dies kann am besten dort geschehen, wo die Betroffenen leben: vor Ort in den Regionen, in den Städten, Gemeinden und im ländlichen Raum. Dort fließen Beschäftigungs-, Regional- und Strukturpolitik zusammen. Um hier größtmögliche Potenziale für Wertschöpfung zu erschließen, wollen wir Regionalfonds aus nicht abgeflossenen EU-Mitteln bilden. Das war in den Redebeiträgen der letzten Tage mehrfach Thema. Unser Antrag, die Regionalfonds betreffend, wur

de im Wirtschaftsausschuss seitens des Ministeriums abgelehnt. Zur Begründung hieß es, er sei mit geltendem EU-Recht nicht kompatibel und eine entsprechende Rechtsänderung sei in der laufenden Förderperiode nicht möglich. Dann verstehe ich nicht, weshalb das Sozialministerium ein Modellprojekt - Regionalbudgets - mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds aufgelegt hat, bei dem zusammen mit den Landkreisen versucht wird, Weiterbildung für Langzeitarbeitslose anzubieten. Warum geht ein Regionalbudget mit ESF-Mitteln und warum soll das mit EFRE-Mitteln nicht gehen? Ich mache Ihnen den Vorwurf: Sie haben es nicht geprüft.

(Beifall bei der PDS)

In eine ähnliche Richtung wie die Regionalfonds zielen auch die Vorschläge der PDS-Fraktion, um die Finanzkraft der Kommunen zu stärken. Gewachsene Finanzkraft heißt: gestärkte Investitionskraft. Die Vergabe öffentlicher Aufträge an Kommunen ist Wirtschaftsförderung pur - sie sichert Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region.

Zwar können sich einige Brandenburger Kommunen wachsender Gewerbesteuereinnahmen erfreuen - die kommunale Finanzlage insgesamt bleibt jedoch weiterhin bedrohlich. Sie klagen hier ständig über die Schulden des Landes. Werfen Sie einen Blick auf die Gemeinden dieses Landes. Ende 2003 hatten sie Schulden in Höhe von mehr als 1,8 Milliarden Euro. Viele Kommunen sind kaum noch in der Lage, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, tun alles, um die kommunalen Schulden weiter nach oben zu treiben.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Den Kommunen werden im kommenden Jahr mal eben 50 Millionen Euro zugunsten des Landes geklaut. Sie versündigen sich an den Lebensadern unseres Landes!

Die Forderung der PDS nach einer grundlegenden Gemeindefinanzreform bleibt auf der Tagesordnung. Das Argument, dass ein diesbezüglicher Anlauf im Bundesrat gescheitert ist, kann dabei nicht gelten. Auch die Föderalismuskomission ist zunächst gescheitert. Nun unternimmt man einen zweiten Anlauf. Es macht Sinn, darüber nachzudenken und sich im Bundesrat dafür einzusetzen. Dazu fordere ich die Brandenburger Landesregierung auf.

Mit dem Mut des Verzweifelten versucht die Koalition, positive Botschaften über ihre zupackende Bildungspolitik zu vermitteln - sei es die Hals über Kopf eingeführte Oberschule oder die Ankündigung von Kopfnoten. Erst heute hat Herr Lunacek erstaunlicherweise wieder erklärt, es gebe Kopfnoten. Meine Damen und Herren von der SPD, wie stehen Sie nun eigentlich zu diesem Thema? Herr Minister, welche Position haben Sie? Darf Ihr Koalitionspartner einfach erklären, es gebe Kopfnoten?

Der zuständige Minister beklagt, dass er bei nahezu allen öffentlichen Auftritten mit Protesten konfrontiert wird. Offensichtlich wird Ihre Bildungspolitik vor Ort anders wahrgenommen, als Sie es wahrhaben wollen. Einem Interview mit dem Juso-Vorsitzenden, Tobias Mörike, habe ich entnehmen können, dass die Jusos andere Vorstellungen über eine zukunftsfähige Bildungspolitik haben als Sie.

Angepackt haben Sie mit Konsequenz nur in einer Hinsicht: beim rigorosen Abbau der schulischen Infrastruktur. Die sinkenden Schülerzahlen werden in erster Linie zum Abbau von Lehrerstellen genutzt. Die hier vorgesehene Kürzung um 1 900 Stellen wurde von der Koalition in den Haushaltsberatungen sanktioniert. Den Antrag der PDS-Fraktion, 900 Stellen über den Landeshaushalt zu finanzieren und zu einem Drittel für Schulsozialarbeit zu nutzen, haben Sie abgelehnt. Dabei wissen auch Sie sehr genau: Trotz sinkender Schülerzahlen besteht ein erhöhter Bedarf an Schulsozialarbeit. Diesen haben wir zu decken, wenn wir nicht zukünftig höhere Kosten im Bereich der Justizministerin riskieren wollen.

Bildung für Kinder und Jugendliche genießt bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, entgegen Ihren vollmundigen Ankündigungen keine Priorität. Herr Lunacek, die von Ihnen vorhin genannten Zahlen sind Milchbubenrechnerei, denn Sie beziehen die Zahlen des Bundes ein. Fakt ist: Die Landeszahlen sind deutlich gesunken.

Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes hat Brandenburg, was die Personalausgaben je Schüler angeht, bundesweit die rote Laterne. Das Land gab dafür im Jahr 2002 durchschnittlich 3 200 Euro aus. Das sind immerhin 400 Euro weniger als im Schnitt der ostdeutschen Länder. Bei den Bildungsausgaben insgesamt liegt Brandenburg bundesweit auf dem vorletzten Platz. Aber Sie kürzen immer weiter. Das ist katastrophal für eine Region, die nach einhelliger Ansicht der Experten ihre Zukunftschancen vor allem auch in Bildung und Wissenschaft hat. Dass zudem die Bildungschancen junger Brandenburger inzwischen davon abhängen, ob sich deren Eltern den Schulbus leisten können - das, meine Damen und Herren, ist der Gipfel Ihrer unsozialen Bildungspolitik.

(Beifall bei der PDS)

Wenn man Ihren Reden glauben soll, beschäftigt Sie, Herr Ministerpräsident, die Frage des Wissens- und Technologietransfers „ganz persönlich“. Dafür haben Sie Ende April auch einen zwölfköpfigen Beirat „Wissens- und Technologietransfer“ berufen, der - weil ehrenamtlich tätig - das Land vermutlich nicht allzu viel Geld kosten wird. Das ist sicher gut so.

Wissens- und Technologietransfer braucht aber eine Basis. Sollen die Hochschulen zu wirklichen Zukunftsschmieden Brandenburgs werden, sind dort stärkere finanzielle Anstrengungen dringend notwendig. Die PDS hatte dazu für jedes Haushaltsjahr 5 Millionen Euro zusätzlich beantragt. Auch das haben Sie abgelehnt. So wird Brandenburg das ewige Schlusslicht im Ländervergleich der Hochschulfinanzierung bleiben.

Die Finanzpolitik dieses Landes ist nicht zuletzt kulturlos. Höhepunkt dabei ist das abgeschmackte Spiel um das Babelsberger Filmorchester. Ohne Not haben Sie das weltbekannte Orchester, das das Profil des traditionsreichsten Filmstandorts entscheidend prägt, auf null gesetzt. Dagegen hätten Sie, Herr Wirtschaftsminister, doch Krach schlagen müssen. Oder gehört ein solches Orchester nicht zur Zukunftsbranche Medien? Nun sollen es - wie bei vielen anderen gestrichenen Projekten auch Lottomittel richten. So viel Lotto können die Brandenburgerinnen und Brandenburger gar nicht spielen, wie Sie hier schon im Voraus verteilen.

Die Koalition hätte auch unserem Vorschlag folgen und das überzogene Budget zum Tag der Deutschen Einheit absenken

können. Mit dem so frei werdenden Geld, Frau Funck, wäre das Filmorchester zu einem guten Teil gerettet.

Dass diese Koalition Versprechen notorisch nicht hält, ist bekannt. Inzwischen gibt es sogar den „doppelten Wortbruch“. Sowohl vor dem Haushalt 2003 als auch vor dem vorliegenden Doppelhaushalt sicherten Sie, Herr Ministerpräsident, den sorbischen Bürgerinnen und Bürgern ausdrücklich zu: Die finanzielle Unterstützung für die nationale Minderheit wird nicht gekürzt.

Frau Dr. Enkelmann, erlauben Sie die Zwischenfrage des Kollegen Werner?

Ich bin zwar gerade mitten im Thema, aber bitte sehr.

Würden Sie sich bitte einmal bei den Kulturausschussmitgliedern Ihrer Fraktion erkundigen, wie die Gespräche hinsichtlich des Filmorchesters verlaufen sind, und würden Sie bitte unterlassen, Dinge zu verbreiten, die zum Teil nicht den Tatsachen entsprechen?

Ich habe mich erkundigt. Darüber hinaus haben wir einen Antrag zur Finanzierung eingebracht. Ich meine, Sie sollten innerhalb Ihrer Fraktion darüber nachdenken, warum Sie diesen Antrag abgelehnt haben.

(Beifall bei der PDS)

Zurück zum Thema: finanzielle Unterstützung der Sorben. Das war wohl kein Wahlversprechen, sondern ein Wahlversprecher. Die von Ihnen verfügten Einschnitte sind nun so maßlos, dass die Vertreter der Sorben eine Verfassungsklage erwägen.

Auch beim Kampf gegen Rechtsextremismus wird diese Regierung erneut wortbrüchig. Dieses hohe Haus hat sich unlängst in einer einmütigen Willensbekundung dem Kampf gegen den Rechtsextremismus verpflichtet. Wie notwendig das ist, zeigen Nazikundgebungen - unter anderem die am 27. April in Bernau - oder das Anwachsen rechtsextremer Straftaten insgesamt. Dagegen muss ein breites demokratisches Bündnis geschmiedet werden, welches von einem hohen Maß an ehrenamtlichem Engagement lebt.

Gleichwohl sind stabile Basisstrukturen unverzichtbar, die auf einer entsprechenden stabilen Finanzierung beruhen. Durch die Kürzung der Mittel beim Täter-Opfer-Ausgleich sowie beim Aktionsbündnis „Tolerantes Brandenburg“ werden diese Strukturen erheblich gefährdet.

Wie ernst meinen Sie es mit der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus wirklich? Den hehren Worten in diesem Hause müssen Taten folgen. Die Chance dazu haben Sie in den zurückliegenden Haushaltsberatungen vertan.

(Zuruf der Abgeordneten Funck [CDU])

Sie haben nicht nur die Chance vertan, im Kampf gegen den Rechtsextremismus ein deutliches Zeichen zu setzen, sondern auch die Chance eines Politikwechsels in Sachen Haushaltskonsolidierung. Sie haben nicht zum ersten Mal die Chance vergeben, mit neuen Prioritäten den Kurs auf eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung unseres Landes einzuschlagen.

Was Sie, Herr Finanzminister, einen anspruchsvollen Haushalt nennen, nenne ich einen mit heißer Nadel zusammengefügten Flickenteppich.

Wir befinden uns mitten in den abschließenden Beratungen zum Haushalt und Sie kündigen bereits an, über eine Haushaltssperre nachzudenken. Das ist absurd.

(Minister Speer: Böse Unterstellung! - Zuruf der Abge- ordneten Funck [CDU])

Sie reden vom Sparen mit sozialem Augenmaß. Aber sparen Sie auch? Was ist Sparen? Heben Sie im positiven Sinne etwas auf? - Nein. Was Sie den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes antun, ist kein Sparen, sondern simples Kürzen bis zum Gehtnichtmehr.

Von sozialem Augenmaß kann angesichts der Streichungen bei Bildung, Jugendarbeit und Kommunen keine Rede sein. Das ist eher unsoziale Augenwischerei. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zeichnen Ihr Zahlenwerk jedenfalls nicht aus. Sie lügen sich und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern in die Tasche und sind dabei, die Zukunft des Landes Brandenburg zu verspielen. Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich allerdings an die Zukunft des Landes Brandenburg.

Herr Lunacek, es geht nicht darum, jemandem Angst und Bange zu machen, sondern darum, endlich zuzupacken. Wir haben eine Vision von diesem Land.

(Zuruf des Abgeordneten Schrey [CDU])

Wir hegen Hoffnungen und haben in die Haushaltsberatungen - auch in puncto Haushaltskonsolidierung - realistische, finanzierbare Vorschläge dazu eingebracht, was uns wichtig ist.

(Zuruf von Minister Speer)

Meine Damen und Herren, es gibt eine Alternative zu Ihrer Politik. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Enkelmann. - Wir setzen mit dem Redebeitrag der SPD-Fraktion fort, für die ihr Vorsitzender, Herr Abgeordneter Baaske, spricht. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schönen guten Morgen!

(Zuruf von der PDS: Es ist halb zwölf!)

- Im europäischen Raum ist es üblich, bis zwölf Uhr „Guten Morgen“ zu sagen.