Protokoll der Sitzung vom 20.05.2005

Die Aussprache wird eröffnet vom Abgeordneten Dr. Niekisch von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein großer und wichtiger Tag für die Demokratie in Brandenburg; denn wir gehen heute daran, das Herzstück der Demokratie, nämlich das Parlament, verändern zu wollen. Wir wollen ihm einen neuen Sitz, ein neues Haus geben. Wir haben uns mit unserem Antrag dafür entschieden, in das Herz der Landeshauptstadt zu gehen, das Herz von Potsdam, auf den Alten Markt, weil wir denken, dass das Parlament dort am besten aufgehoben ist und dass der Ort, an dem wir jetzt sind, die alte kaiserliche Kriegsschule, das Reichsarchiv oder die SED-Bezirksleitung, nicht die Tradition und auch nicht die Ausstrahlung hat und auch nicht den Ort in unserer Landeshauptstadt darstellt, der zukunftsträchtig ist.

(Beifall des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Ich habe mit Freunden schon vor zehn Jahren begonnen, dies zu propagieren, dafür zu werben. Damals, 1995, waren zwei junge Minister, Platzeck und Reiche, auch dafür. Die Unterstützung war nicht kontinuierlich, aber sie hat immerhin darin gemündet, dass im Herbst 2004 in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden ist, dass zur Unterbringung des Parlaments eine Entscheidung zu treffen ist. Ich bin froh, dass wir uns jetzt so weit bewegt haben, dass wir entscheiden können.

Wir wählen einen Ort, der einen wunderbaren Geist hat. Dort ist 1685 das berühmte Toleranzedikt von Potsdam verabschiedet worden, das Edikt des Großen Kurfürsten, um „Glaubensgenossen evangelisch reformierten Herkommens“ wegen ihrer starken Verfolgung, wegen Pogromen eine Rechtssicherheit, Schutz zu geben. Man hat ihre Not gelindert, sie in Brandenburg aufgenommen, ihnen unter anderem Orte wie Stendal, Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder), auch Potsdam und Rathenow zugewiesen, an denen sie sich vor allen Dingen so ansiedeln konnten, dass sie für ihre Familien wirtschaftlich tätig sein, ihre Manufakturen und ihre Techniken entfalten konnten.

Dieses Haus war vor allen Dingen durch den Umbau von Knobelsdorff geprägt. Auch viele Architekten und Planer in der DDR haben es damals in den 60er Jahren nicht für gut gehalten, diesen Knobelsdorff-Bau abzureißen. In den 20er Jahren war das Gebäude sogar Sitz der Stadtverordnetenversammlung von Potsdam. Auch bekannte KPD-Abgeordnete wie Leonard Hausmann oder Hermann Elflein, nach denen Straßen in Potsdam benannt worden waren, haben dort ihre parlamentarische Tätigkeit ausgeübt.

Das Schloss ist im Krieg sehr stark zerstört worden. Es war aber in einem viel besseren Zustand als etwa das Charlottenburger Schloss in Berlin, das nur noch ein Trümmerhaufen war. Das Potsdamer Schloss war aufbaufähig; das haben viele Wissenschaftler auch in der DDR kundgetan - viele von ihnen haben auch das SED-Parteibuch getragen. Ich erinnere an Wissenschaftler wie Prof. Otto Liebknecht, den Bruder von Karl Liebknecht, Präsident der Deutschen Bauakademie in Berlin, in einem alten Adressbuch sogar mit Wohnort Stubenrauchstraße in Potsdam-Babelsberg erwähnt, Dipl.-Ing. Dieters, Leiter des Instituts für Denkmalpflege der DDR, er hat sich gerade auf seine Verantwortung als Genosse berufen, als er sich gegen den Abriss wandte, oder die Dekane der Fakultäten für Städtebau und Architektur der Technischen Universität Dresden oder der Bauhochschule in Weimar.

Einen Dekan der Architekturfakultät aus Weimar möchte ich kurz zu Wort kommen lassen. Er schrieb in einem Brief, der an Bezirksleitungen, auch an die SED-Führung und an Wilhelm Pieck gegangen ist, dass es unverständlich sei, die Beseitigung eines Kulturdenkmals von übernationaler Bedeutung zu beschließen und so etwas abzureißen. Unterschrieben ist der Brief von Prof. Speer, Dekan der Architekturfakultät in Weimar.

Es gab auch junge Potsdamer Ingenieure und Architekten wie Herrn Vandenherz und Herrn Wendlandt - heute ältere Männer - die gegen den Abriss gekämpft haben und dafür viele Nachteile hinnehmen mussten.

Als ich das alles noch einmal durchgesehen habe, ist mir klar geworden, dass man bei der Betrachtung der Geschichte der DDR differenzieren muss und dass SED nicht gleich SED war. Das sieht man auch heute. In Ihrem Urteil sind Sie bei der PDS zwar nicht zu einem wirklich zukunftsträchtigen, ganz progressiven Entschluss gekommen, aber es gibt Einzelne, denen man wirklich Nachdenklichkeit bescheinigen muss. Der Sprung, den Sie hin zum Alten Markt gewagt haben, ist bemerkenswert, wenn auch nicht ganz konsequent.

Es geht um das Zentrum unserer Landeshauptstadt, um das Herz der Demokratie. Ich glaube, es gibt nichts Schöneres für Parlamentarier, die im Land Brandenburg frei gewählt sind, als das eigene Herz - das eigene Zentrum - dem Zentrum der Landeshauptstadt zu schenken. Das Gebäude wird nicht allein vom Parlament genutzt werden, sondern zu 30 bis 40 % von der Öffentlichkeit.

Die Entscheidung für den Alten Markt ist auch eine Entscheidung für den Parlamentarismus in Brandenburg und in Potsdam. Er ist nicht gerade sehr traditionsreich. Potsdam steht für Schlösser und Gärten, für Militärgeschichte, für das Königshaus, aber nicht so stark für Parlamentarismus und Demokratie. Ich denke, wenn wir am Alten Markt bauen, werden wir uns mit unserem Parlament selbst behaupten können, auch bei ei

ner Vergrößerung unseres Landes mit Berlin. Wir machen etwas Traditionelles und gleichzeitig etwas sehr Modernes, indem wir die Wurzeln der Demokratie fest in den märkischen Boden hier inmitten unserer Landeshauptstadt versenken.

Ich möchte zum Schluss meiner Rede noch zwei Dinge tun. Zum einen möchte ich aus dem Toleranzedikt von Potsdam, das 1685 vom Großen Kurfürsten gegeben worden ist, zitieren. Er sagte, dass die bedrängten Menschen Hilfe und Glaubensfreiheit erfahren sollten. Sie durften sich ansiedeln und eigene Kirchen bauen. Er sagte, dass das alles zur Hilfe, zur Freundschaft geschehe. Man wollte Liebe erweisen und Gutes.

Meine Damen und Herren, wir werden damit auch der Wirtschaft und vielen Familien in Brandenburg Hilfe erweisen. Wir sind mit dieser Entscheidung Freunde der Demokratie. Wir tun Gutes für viele Menschen in diesem Lande und wir tun es letztlich auch aus Liebe zu unserer Landeshauptstadt, die uns allen gehört, auch den Prignitzern und den Lausitzern.

Meine letzte Bemerkung: Ich habe mit Erlaubnis des Präsidenten heute etwas abzugeben. Ich habe einen Bronzebuchstaben. Dieser gehörte einmal zum Stadtschloss von Potsdam. Eine ältere Dame hat ihn mir vor fünf Jahren gegeben und gesagt: Herr Niekisch, wenn Sie das Stadtschloss wieder aufbauen wollen, werden Sie ihn brauchen. Er stand bisher immer auf meinem Schreibtisch. Aber mit der heutigen Entscheidung - ich hoffe darauf, dass sie positiv ausgeht - gehört er mir nicht mehr, sondern er gehört jetzt dem Bauherren, dem Parlament von Brandenburg. Das trägt etwas zur Kostensenkung bei, ist aber nur ein kleiner Teil. Daneben gibt es die Figuren auf der Humboldt-Universität und die vielen Teile im Schirrhof sowie am Kaiserbahnhof. Das ist der erste Beitrag. Ich kann sagen, es werden viele in vielen Teilen und in vielen Spenden folgen.

Meine Damen und Herren, wir sind der Bauherr und können entscheiden. Ich habe nicht umsonst die Architekten und Professoren der DDR-Zeit benannt, denn es ist richtig und gut, den Knobelsdorffbau in wesentlichen Teilen wiederzugewinnen, gerade auch aufgrund der Intervention der Architektenkammer. Wir als Bauherr dürfen sagen, was wir bauen, den Rahmen setzen und in diesem Rahmen soll es einen Architekturwettbewerb geben.

Hier ist das erste Teil, Herr Präsident. Es ist der Vizepräsident, eigentlich sollte der Präsident hier sitzen, aber das macht nichts,

(Heiterkeit)

Sie sind jetzt der Präsident und vertreten dieses hohe Haus. Vielleicht hat es eine Symbolwirkung, wenn ich es gerade Ihnen übergebe.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Dr. Niekisch, ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen. Wir werden es in Ehren aufbewahren.

Bevor ich jetzt das Wort Frau Dr. Enkelmann gebe, möchte ich

ganz herzlich den Oberbürgermeister der Stadt Potsdam begrüßen. Er lauscht unserer Debatte. Seien Sie willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Enkelmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht heute nicht darum, was sich die Herren Joop oder Jauch wünschen, sondern es geht um den Landtag Brandenburg, um den zukünftigen Sitz des Landesgesetzgebers. Insofern sollten wir heute zuallererst über die Arbeitsfähigkeit des Parlaments reden, über die Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten und vor allen Dingen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses.

Meine Damen und Herren, bleiben wir Abgeordnete,

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

mutieren wir nicht zu Schlossgespenstern, Herr Homeyer.

Einig sind wir uns sicherlich quer durch alle demokratischen Fraktionen dieses Hauses in einer Frage: In Sachen Landtag muss etwas passieren, wollen wir nicht Gefahr laufen, dass dieses Haus wieder einmal gesperrt wird und wir gar nicht hier arbeiten können.

(Dr. Klocksin [SPD]: Immerhin seit 14 Jahren!)

- Dazu wollte ich gerade kommen, Herr Klocksin. - Die immerhin seit 1991 andauernde Geschichte um den Sitz des Parlaments gibt genügend Anlass, kritisch und selbstkritisch festzustellen: Die Entscheidung, wo und wie der Landtag seinen endgültigen Sitz haben soll, ist von allen Fraktionen ausgesessen und verdrängt worden. Die Verantwortung dafür tragen wir alle. Ich schließe meine Fraktion, die Fraktion der PDS, ausdrücklich ein.

Worüber haben wir heute zu entscheiden? Die Frage lautet konkret: Bleiben wir am Standort Brauhausberg mit den entsprechenden Kosten für Sanierung und Neubau? Ich weise nochmals darauf hin, dass es auch an diesem Standort, wenn man ihn ertüchtigen will, um Neubau geht. Geht es also um Sanierung oder Neubau an diesem Standort oder entscheiden wir uns für einen Neubau in der Potsdamer Stadtmitte?

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben sich, obwohl noch keine verlässlichen Kostenschätzungen vorliegen, entschieden: Sie wollen trotz klammer Staatskasse - darüber haben wir heute sozusagen abschließend beraten - ein als Landtag kaschiertes Schloss. Herr Niekisch hat eben noch einmal gesagt: Wir wollen das Stadtschloss. Er hat ein Teil für dieses neue Stadtschloss abgegeben. Sie wollen also ein Stadtschloss. Dann bekennen Sie sich aber auch dazu!

Wie selbstverständlich gießen Sie dafür das Füllhorn aus. Mindestens 120 Millionen Euro soll das Prestigeobjekt kosten, davon 15 Millionen Euro allein für die historische Fassade. Dazu kommen noch einmal 31 Millionen Euro für eine Verkehrslösung, die auf gewachsene Strukturen keinerlei Rücksicht nimmt.

(Zuruf der Abgeordneten Funck [CDU])

- Ein erneutes Verkehrschaos, Frau Funck, im Bereich der Langen Brücke ist vorprogrammiert.

Das wollen Sie nun auch noch mit öffentlichen Geldern fördern. Ihr Landtagsschloss könnte finanziell zum Fass ohne Boden werden.

(Zuruf der Abgeordneten Funck [CDU] - Weitere Zurufe von der CDU)

So verwundert es auch nicht, dass sich Ihr Antrag - ich komme ja gleich dazu, ganz ruhig bleiben - über die absehbaren Risiken ausschweigt. Er sagt nichts darüber aus, woher das Geld für den Landtag kommen und in welchem Zeitraum das Projekt errichtet werden soll.

Im Antrag der Koalition findet sich auch kein Wort darüber, wie der Landtag im Schloss arbeiten und funktionieren soll. Dafür wird detailverliebt über Putz- und Fassadengliederungsflächen, über Attika und Figurenschmuck fabuliert.

Das spricht im Übrigen auch von wenig Vertrauen in eine der heutigen Zeit angemessene Architektur und Ingenieurbaukunst. Ein solch handwerklich schlechter und wenig überzeugender Antrag hat keine Chance, die Zustimmung der PDSFraktion zu bekommen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, es ist auch öffentlich bekannt geworden, dass es sich die PDS-Fraktion mit ihrer Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Wir haben gemeinsam mit Experten von der Architekten- und der Ingenieurkammer sowie mit Vertretern von Vereinen, aus Potsdam, der Landeshauptstadt - auch der Oberbürgermeister von Potsdam war dankenswerterweise in der Fraktion -, das Für und Wider der verschiedenen Lösungen gründlich abgewogen. Es gibt auch für den Standort Brauhausberg durchaus gute Gründe für eine Sanierung und Ergänzung durch einen Neubau. Damit würde ein verkehrsgünstiges und ein das Stadtbild prägendes Wahrzeichen weiterentwickelt werden. Die entsprechenden Entwürfe, die dazu von Architekturstudenten vorgelegt wurden, sprechen für sich.

(Lunacek [CDU]: Am besten, Sie bleiben hier!)

Ich muss Sie enttäuschen. Ich vermute, auch Sie wissen sehr gut, dass wir noch viele Jahre in diesem Haus bleiben müssen. So schnell wird es nämlich auch mit einem neuen Landtag nichts werden.

Wenn sich die Investoren, wie Sie, meine Damen und Herren von der Koalition erzählen, angeblich um den Standort Brauhausberg reißen, weil er so attraktiv und begehrenswert ist warum eigentlich sollte der Landtag dann dieses Filetstück nicht selbst nutzen?

Dennoch hat sich die Mehrheit der PDS-Fraktion für einen Neubau in Potsdams Mitte ausgesprochen. Entscheidend dafür waren für uns folgende Gründe: Zum einen geht es darum, dass die Kosten, Frau Gregor, für die Sanierung des hiesigen Gebäudes, das zu keiner Zeit den Funktionen eines Parlamtssitzes entsprochen hat, schwer kalkulierbar sind. Das wissen wir. Des Weiteren ist es so, dass ein notwendiger ergänzender Neubau mit mindestens 42 Millionen Euro zu Buche schlagen würde

und dass zu den Kosten für die Sanierung weitere Kosten, unter anderem für die Neuregelung der Parkmöglichkeiten, möglicherweise für ein Parkdeck, für eine zweite Zu- und Abfahrt und anderes, kommen. Zum Beispiel geht es auch um Zwischenlösungen.

Geht man seriös an die Sache heran, dann würde auch eine akzeptable Lösung auf dem Brauhausberg mindestens 80 Millionen Euro kosten.