- Ja, die Opposition hat sich in der Haushaltsdebatte zum Thema Europa überhaupt nicht geäußert. Von daher kann ich das auch nur zurückweisen.
Ich weiß, dass alle Ressorts der Landesregierung große Anstrengungen unternehmen, um europafit zu werden. Aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Die Vertretung des Landes bei der Europäischen Union wird engagiert geleitet und die dort tätigen Mitarbeiter sind hoch motiviert. Dennoch ist weder die räumliche, die finanzielle noch die personelle Ausstattung ausreichend, um wirklich Toparbeit abzuliefern. Hier appelliere ich nochmals an alle Ressorts, auch eigene Mitarbeiter an die Vertretung zu entsenden und abzuordnen.
Die wichtigste im Land zu verwirklichende Perspektive ist selbstverständlich die finanzielle Hilfeleistung der Europäischen Union. Derzeit debattieren wir im Land, im Bund und in Brüssel über die Ausgestaltung der Förderperiode 2007 bis 2013. Auch hier erkennen wir nicht das Positive an, dass Brandenburg im laufenden Förderzeitraum 4 Milliarden Euro erhält, sondern diskutieren nur das Negative und schreien, wie schlecht es demnächst in Brandenburg aussehen wird.
Ja, wir sind als Region, die an ein neues Mitgliedsland angrenzt, das ein viel niedrigeres Lohnniveau aufweist, in einer
besonderen Situation. Wir sind in einer besonderen Situation, weil die Landesregierung im Jahr 2002 die Entscheidung getroffen hat, das Land in zwei statistische Hälften aufzuteilen. Wir sind auch in einer besonderen Situation, weil wir unsere eigene Position nicht direkt in Brüssel vertreten können, sondern auf den Bund und die Bundesregierung angewiesen sind.
Was jedoch tun wir in dieser besonderen Situation? Wir nehmen keine Detailanalyse vor, warum unser Bruttonationaleinkommen teilweise noch unter dem Niveau von 75 % des EUDurchschnitts liegt. Wir verfallen noch immer in Diskussionen, ob die Zweiteilung des Landes rückgängig gemacht werden kann, und wir machen dem Südwesten falsche Hoffnungen, dass Brüssel die Zweiteilung vielleicht nicht anwenden werde. Wir müssen aber das Beste aus der Situation machen.
Wir konnten bereits bisher - gemeinsam mit anderen neuen Ländern - in Brüssel durchsetzen, dass es eine Sonderregelung für Regionen gibt, die vom statistischen Effekt betroffen sind, ein Begriff, den ich an dieser Stelle wohl nicht näher erläutern muss. Aber wir müssen bei der Bundesregierung weiter intervenieren, alle Möglichkeiten auszuloten, damit Brandenburg auch in der nächsten Förderperiode die bestmögliche Förderung bekommt und die Disparität aus zwei Fördergebieten entweder aufgefangen oder generell ausgeschaltet werden kann.
Dazu müssen wir jeden Strohhalm ergreifen. Wenn manchmal davor gewarnt wird, dies zu tun und sich damit in Brüssel lächerlich zu machen, dann meine ich: Wenn das Ergebnis das richtige ist, dann machen wir uns auch gern in Brüssel lächerlich, sofern wir auf diesem Weg trotzdem die Höchstförderung für ganz Brandenburg bekommen.
In diesem Punkt betrifft uns natürlich auch die Verweigerungshaltung der Bundesregierung in Bezug auf die Höhe der Zahlungen. Erstens wird Brandenburg als eine Region, die vom statistischen Effekt betroffen ist, als allererste davon berührt sein. Zweitens scheint sich momentan abzuzeichnen, dass eventuell sogar die Zeitplanung der Beratungen gefährdet ist. Wenn nicht im Juni in Brüssel entschieden wird, wie die Förderperiode gestaltet werden kann, dann werden wir auch nicht die Zeit haben, die notwendigen Programme bis 2007 zu erarbeiten. Deswegen ist hier wirklich Eile geboten.
Der Bundesregierung fällt im Moment nur ein, den so genannten Briten-Rabatt zum Thema zu machen; sie macht überhaupt nicht deutlich, dass die Festschreibung der zu hohen und außerdem problematischen Agrarsubventionen ein Geschenk an Frankreich ist. Jedes Land vertritt in Europa seine nationalen Interessen. Aber wie - diese Frage ist durchaus legitim - werden eigentlich die deutschen nationalen Interessen angesichts der Zahlung von 26 % des Gesamtbudgets durch Deutschland vertreten?
Aber lassen Sie mich zusammenfassen: Die Referenden in Frankreich und in den Niederlanden haben den Integrationsprozess in Europa abgebremst - das müssen wir leider feststellen -, aber nicht zum Stillstand gebracht. Wir haben nur dann eine realistische Chance, unsere Ziele zu realisieren, wenn wir die vermeintliche Krise rasch und effizient meistern. Wir müssen uns auf die vor uns liegenden Aufgaben konzentrieren, anstatt neue zu suchen, wir müssen unsere Hausaufgaben machen, anstatt neue Heldentaten zu begehen. Das Wichtigste ist: Brandenburg hat viele Chancen und es liegt in unseren Händen, dem Land auch eine Perspektive zu geben. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der PDS-Fraktion fort. - Frau Abgeordnete Stobrawa, Sie haben jetzt Gelegenheit, die Erwartungen von Frau Richstein zu erfüllen oder es auch sein zu lassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Erwartungen nicht erfüllen. Natürlich ist die Verfassung von Europa ein wichtiges Thema, Frau Richstein. Aber Sie erinnern sich sicherlich, dass auch Bundestagsabgeordnete mit CDUMandat gegen die Verfassung gestimmt haben. Ich gehe zwar davon aus, dass sie aus anderen Gründen als ich zum Beispiel gegen diese Verfassung aufgetreten sind. Trotzdem kommt bei mir keine Häme auf, weil ich einfach eine vertane Chance sehe.
Dieses Europa hatte mit der Vorlage eines Verfassungsvertrages tatsächlich die Chance, ein soziales, ein friedliches und ein demokratisches Europa zu werden. Diese Chance ist verspielt, weil ein Verfassungsvertrag vorgelegt wurde, der diesen Ansprüchen nicht genügt. Deshalb bin ich gegen diese Verfassung.
Der Bundeskanzler will nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden eine Denkpause einlegen, um eine Grundsatzdebatte über die Zukunft der EU in Gang zu setzen. Ich bin gespannt, ob er danach unter dem Motto „Mehr Demokratie, mehr Mitsprache auch für die Bürger der Bundesrepublik“ in den Bundestagswahlkampf eintreten wird. Noch mehr interessiert uns allerdings, was die hiesige SPD zu diesem Thema meint. Bisher kennen wir dazu nur die Meinung eines einzelnen Herrn.
Für die drittstärkste Fraktion im Landtag ist scheinbar alles klar. Mit Ihrem Antrag auf Aktuelle Stunde breiten Sie sozusagen alle irgendwie denkbaren europapolitischen Themen aus. Selbst den Beitritt der Türkei sparen Sie nicht aus, obwohl Sie jetzt dazu nichts gesagt haben. Wer hat denn von 1999 bis 2004 hier in diesem Haus den Europaminister gestellt? Wer hat mit der SPD im Herbst 2004 eine Koalitionsvereinbarung unterschrieben, in der Europapolitik nicht einmal als Wort vorkommt? - Das waren Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU.
Wenn Sie jetzt davon sprechen, dass wir eine Eingangspforte, ein Tor sind und dass sich Brandenburgs geographische Lage gut darstellt, dann reicht das nach meiner Meinung nicht aus. Die Bürgerinnen und Bürger auch dieses Landes brauchen andere Antworten auf ihre Fragen.
Haben nicht auch Ihre Minister die Hand gehoben, als die Zweiteilung des Landes in einer Nacht- und Nebelaktion durch das Kabinett ging? Wurden nicht Ihre sieben Abgeordneten diszipliniert, als sie im Landtag mit einem eigenen Antrag dagegen vorgehen wollten? Die Hoffnung, von der Sie sagten, sie solle nicht immer genährt werden, hat auch eine ehemalige Ministerin für Europaangelegenheiten in der vergangenen Legislaturperiode sehr gehegt und gepflegt, bis wir gesagt haben: Vergessen Sie es, es gibt in dieser Richtung keine Hoffnung mehr! - Wir erleben seit dem Ausscheiden von Minister Schelter aus dem Amt de facto eine europapolitische Lethargie in den Koalitionsfraktionen, die sich in Zukunft scheinbar etwas anders gestalten soll.
Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD und der CDU, haben sich hier für einen mit Ach und Krach hinbekommenen 20-Millionen-Euro-Haushalt feiern lassen.
- Entschuldigung, Milliarden. Die Milliarden aber, die Brandenburg hoffentlich auch in der nächsten Förderperiode wieder aus Brüssel bekommen wird, sind für Sie nicht einmal einer parlamentarischen Erörterung wert. - Herr finanzpolitischer Sprecher der SPD, ich meinte eben natürlich die 20 Millionen Euro, die Sie in sehr intensiver Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD umverteilt haben, was Sie dann großartig feierten.
Wäre es nach Ihnen von der Koaltion gegangen, dann hätte dieser Landtag bis heute keine europapolitischen Anträge verhandelt: weder über die europäische Verfassung noch über die Aufhebung der Zweiteilung Brandenburgs noch über die EUDienstleistungsrichtlinie oder über die Strukturpolitik ab 2007. Dies alles sind Fragen, die nicht nur originäre Landespolitik sind, sondern vor allem die Kommunen, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, viele Vereine und Verbände und selbst einzelne Menschen hier in Brandenburg ganz unmittelbar betreffen. Selbst für aktuelle Übersichten über den Abfluss der Strukturfonds interessiert sich im Haushaltsausschuss nur die PDS. Unsere morgen zur Diskussion stehenden Anträge zur Bestimmung der finanziellen Rahmensetzung für die Strukturpolitik ordnen sich hier gut ein. Gut, dass es eine Opposition gibt, muss ich hier mit Selbstlob sagen.
Ihre einsamen Rufe in der Haushaltsdebatte, Frau Kollegin Richstein, finden an dieser Stelle natürlich unsere Unterstützung.
Nach den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden wird von vielen Politikern eine Krise der Europäischen Union beschworen. Ich teile diese Auffassung ausdrücklich nicht. Aus meiner Sicht sind die Referenden und die danach begonnene europaweite Diskussion über die Zukunft der Ge
meinschaft eine riesige Chance für ein wirklich demokratisches, soziales und wirtschaftlich starkes Europa. Vergessen wir nicht: Nach jüngsten Umfragen von Infratest-dimap will eine Mehrheit in der Bundesrepublik, wollen 54 % der Deutschen, dass die europäische Verfassung überarbeitet wird. Ich habe in Frankreich an einer ganzen Reihe von öffentlichen Veranstaltungen im Vorfeld der Volksabstimmung teilgenommen, wie es auch mein Kollege Gehrcke getan hat. Da war im Unterschied zu Deutschland keine Politikverdrossenheit zu spüren. Da gab es hoch politisierte Menschen, die die Entwicklung in ihrem Heimatland selbstverständlich in den europäischen Kontext stellten. Die Französinnen und Franzosen kennen diese Verfassung. Ich habe den Eindruck, dass sie sie viel besser als mancher hier in diesem hohen Haus und in anderen hohen Häusern kennen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einen Exkurs in das Jahr 1996. Damals schob eine große Mehrheit in diesem Landtag die Bedenken der Brandenburgerinnen und Brandenburger gegen die undemokratische Art und Weise der Vorbereitung der Fusion mit Berlin beiseite und erlitt dann in der Abstimmung am 5. Mai eine Niederlage. Die Fraktionen von SPD und CDU wollten nicht wahrhaben, was sie täglich von den Bürgern auf den Straßen hörten: „Non“, „Nee“ und „Nein“ zu diesem Vertrag. Die Ablehnung des Fusionsvertrages war damals in etwa gleich groß wie die beim Referendum in den Niederlanden. Angesichts dieser Erfahrung fordere ich Sie auf: Beginnen Sie endlich, darüber nachzudenken, was hinter den Voten in Frankreich und den Niederlanden tatsächlich steht! Hören Sie auf, die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik und damit im Lande Brandenburg für unmündig zu erklären! Genau dies tun Sie nämlich mit Ihrer bisherigen Art, Europapolitik zu machen.
Damit, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, stärken Sie europafeindliche Stimmen in Deutschland. Europa kann nicht über die Köpfe der Menschen hinweg aufgebaut werden; Europas Zukunft ist nur mit den Menschen zu gestalten. Darüber sollten wir jetzt reden. Nur so kann man auch den dumpfen antieuropäischen Parolen von NPD, DVU, Republikanern und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen den Nährboden entziehen. - Danke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn wir Europa voranbringen, dann bringt uns Europa voran. Das ist die Erfahrung aus 60 Jahren Frieden und über 50 Jahren europäischer Integration. Ohne diese 50 Jahre europäischer Integration hätten wir nicht 60 Jahre lang Frieden in Europa. Uns allen fehlt die Erfahrung von Krieg. Wohlstand und Wachstum sind uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden, Europa ebenfalls. Manche denken, wir hätten genug Europa. Manche
haben mittlerweile auch genug von Europa und glauben, man könnte jetzt auch ein bisschen kürzer treten.
Europa ist noch nicht in Gefahr; das stimmt. Aber die Gefahren für Europa wachsen. Wenn zwei Gründungsländer „Non“ und „Nee“ sagen, die Briten die Abstimmung über diese Frage aussetzen und die Abstimmung über den EU-Haushalt in der nächsten Woche in Luxemburg vielleicht nicht zustande kommt, dann reden wir keine Krise herbei, sondern dann sind wir in einer Krise.
Natürlich nimmt der harte und täglich härter werdende Wettbewerb um Arbeitsplätze, aber auch um Wohlstand mit den anderen großen Wirtschaftsräumen dieser Erde, mit den USA und dem fernöstlichen Raum rund um Japan, zu.
Die Erreichung der im Rahmen des Lissabon-Prozesses vorgegebenen Reformziele bzw. des Wohlstandsziels bis 2010 haben wir aufgegeben - das ist viel zu wenig bekannt und uns viel zu wenig bewusst -, weil wir bei der Halbzeitbilanz 2005 genau gesehen haben, dass die Voraussetzungen für die Zielerreichung in den ersten fünf Jahren nicht geschaffen worden sind.
Als Beispiel für den Blick von außen nenne ich den großen amerikanischen Denker Jeremy Rifkin. Er sagt: Diese leise Supermacht hat ein riesiges Potenzial, um den Menschheitstraum, Wohlstand und Lebensqualität mit Frieden in der Welt zu versöhnen und zu leben, zu verwirklichen. Aber dieser europäische Traum muss, damit er organisiert und gelebt werden kann, von uns gemeinsam geträumt werden.
Wir brauchen mehr Leidenschaft für Europa. Darin liegt eine der zentralen Antworten auf die Frage, warum die Referenden gescheitert sind bzw. die noch folgenden scheitern könnten. In vielen Diskussionen wird argumentiert: Die Erfolge von Politik kommen aus den Nationalstaaten, die Probleme werden in Brüssel organisiert. - Solange diese Aufteilung im Denken der Menschen vorherrscht, werden sich die Menschen für das Menschheitsprojekt der Europäischen Union, für das, was in Brüssel für uns und mit uns organisiert wird, nicht begeistern können.
In der Europäischen Kommission arbeiten viele exzellente Leute an diesem Menschheitsprojekt. Was bisher durch Kriege erreicht worden ist - die Ausweitung von Macht- und Rechtsräumen -, wird erstmals in der Menschheitsgeschichte durch Gespräche und durch die Übernahme von Standards gegen den Transfer finanzieller Mittel erreicht. Die Nationalstaaten allein sind nicht fähig, die Probleme und die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen. In den Köpfen der Menschen ist viel zu wenig die Einsicht angekommen - weil wir es ihnen zu selten sagen -, dass die Probleme von heute bestenfalls von Europa gelöst werden. Ich erinnere an die sich aus der Globalisierung ergebenden Probleme, an die Umweltprobleme und an das, was in Bezug auf einen grassierenden Kapitalismus, der sich kaum eingrenzen, kaum bestimmen lässt, mit "Heuschrecken" beschrieben worden ist. All das löst bestenfalls Europa. Hätten wir weniger Probleme, könnten wir uns auch weniger Europa leisten. Aber weil wir moderne Probleme haben, brauchen wir moderne Antworten. Diese können wir nur gemeinsam in Europa entwickeln.