Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

- Hören Sie gut zu!

Wenn unsere Brandenburger Kinder schon dumm gehalten werden - ich erinnere an PISA -, sollten sie wenigstens körperlich fit sein. Sie können zwar nicht lesen und schreiben, aber schwere Säcke tragen

(Beifall bei der DVU)

und sind somit bestens für die Zukunft in einem zugrunde gerichteten Brandenburg gerüstet. Sie wären auf alle Fälle in der Lage, ihre Koffer selbst zu tragen, wenn sie unser Land verlassen.

Unter diesem Gesichtspunkt wären wir fast geneigt gewesen, dem Antrag zuzustimmen, denn die PDS möchte einen Bericht über den Schulsport im Land Brandenburg und Vorschläge für seine Verbesserung. Die Genossen haben nämlich erkannt, dass ein verbessertes Schulsportangebot die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Schüler fördern kann. Auch der Sport gehört zu den Dingen, die in den Brandenburger Schulen verbesserungswürdig sind. Dennoch habe ich meinen Fraktionskollegen empfohlen, diesen Antrag abzulehnen, weil er überflüssig ist.

Die von der Antragstellerin in der Begründung erwähnte Schulsportstudie des Deutschen Sportbundes gibt die Zielsetzungen vor, nach denen auch der brandenburgische Schulsport verbessert werden könnte.

Die Lösung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Auch für das Unterrichtsfach Sport benötigen wir mehr und besser ausgebildete sowie motivierte Fachlehrer. Dafür benötigen wir keinen aufwändigen Bericht der Landesregierung. Außerdem hätte eine Bitte an den Bildungsminister sicherlich ausgereicht, den Bildungsausschuss mit den angefragten Informationen zu versorgen. Dieser Antrag ist überflüssig und deshalb abzulehnen.

Ich habe aber meinen Fraktionskollegen auch aus einem anderen Grund empfohlen, diesen Antrag abzulehnen: weil er, selbst wenn er hier Mehrheiten im Plenum fände, wirkungslos wäre, denn mehr besser ausgebildete und motivierte Fachlehrer wird es für das Fach Sport genauso wenig geben wie für all die anderen Unterrichtsfächer.

Die Landesregierung hat dafür kein Geld, weil sie es anderweitig verbraten hat. Bildung spielt nur in Sonntagsreden und im Wahlkampf eine Rolle. In der Praxis werden die Schüler dumm gespart. Was wir hier nie vergessen sollten, meine Damen und Herren: Die Brandenburger Schulkinder haben nicht trotz, sondern wegen dieser Landesregierung bei der PISA-Studie so schlecht abgeschnitten.

Aus all den genannten Gründen wird unsere DVU-Fraktion diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Worten der Kollegin Geywitz an und möchte Folgendes ergänzen:

Zum einen sind in der letzten Zeit - zum Ende der vergangenen Legislaturperiode - eine ganze Reihe von Kleinen Anfragen gestellt worden. Ich verlese hier nur ganz wenige: Sportanlagen dem Verfall preisgegeben, Ergebnisse der Sportstudie, Lottomittel, Landessportförderung, Schwimmkompetenz von Kindern und Jugendlichen in Brandenburg, Lehramtsausbildung, Sport an der Universität Potsdam, Förderung des Sports. Wenn ich weiter gesucht hätte, hätte ich noch mehr gefunden.

Damit habe ich noch einmal unterstrichen, was Frau Geywitz schon gesagt hat: Es liegt bereits eine ganze Menge Material vor. Wir wissen aber auch, dass eine ganze Menge noch nicht dort ist, wo wir es gern haben wollen, nämlich in Sack und Tüten.

Meine zweite ergänzende Bemerkung: Herr Görke, ich gehöre zu den Greisinnen, die sich im 55. Lebensjahr befinden und die bereits über mehr als 30 Jahre Erfahrung als Sportlehrerin verfügen. Das bedeutet, dass ich nicht nur 14 Jahre als Sportlehre

rin in der Bundesrepublik Deutschland, sondern bereits davor 17 Jahre als Sportlehrerin in der DDR erlebt habe. Ich möchte dazu Folgendes erzählen:

Als ich im Jahre 1973 in Friedrichshain als Sportlehrerin begann, fand ich katastrophale Sport- bzw. Turnhallenverhältnisse in der Schule vor.

Von 1975 bis 1980 war ich von Staats wegen in die Prignitz versetzt worden. Herr Bisky weiß das noch, ich habe das einmal recherchieren lassen. Die Turnhalle an jener Schule war eine Scheune, kleiner als ein Volleyballfeld, das bekanntlich 9 x 18 m groß ist. In der Mitte dieser Scheune stand ein Heißluftofen mit den bekannten Kacheln. Wenn einer der Zehntklässler einen Ball darauf geworfen hat, dann waren die Kacheln kaputt. So wurde dort Sport gemacht. Anlagen dafür gab es nicht.

Frau Hartfelder, möchten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Görke beantworten?

Gern. Aber ich möchte zunächst noch den Gedanken zu Ende führen.

Zwischen 1991 und 1994 habe ich am Gymnasium in Luckau gearbeitet. Dort gab es zwei Klassen im Sportunterricht, 60 Schüler und eine Turnhalle - Frau Lehmann kennt diese Halle sicherlich noch; heute gibt es sie nicht mehr - von 9 x 18 m, also wiederum ein Volleyballfeld. Das waren 60 Schüler im Alter von 18 oder 19 Jahren, zum großen Teil mit einer Körperlänge von rund 1,95 m. Wir haben dort Sportunterricht gemacht, und zwar guten Sportunterricht. - Das heißt: Wir haben schwer am Erbe der DDR zu tragen, und zwar immer noch.

Jetzt bitte Ihre Frage, Herr Görke.

Bitte!

Frau Kollegin Hartfelder, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass solche Verhältnisse, wie Sie sie gerade geschildert haben, auch wir nicht rechtfertigen wollen?

Aber jetzt geht es eben um das, was vor uns liegt. Dazu möchte ich Ihnen eine weitere Frage stellen. Sie sagten, aus den Antworten auf die betreffenden Kleinen Anfragen ergebe sich bereits ein rundes Bild. Können Sie mir sagen, wie viele Studentinnen und Studenten im Rahmen der Lehramtsausbildung im Bereich Sport an unserer Universität zurzeit pro Jahr aufgenommen werden können und wie groß die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ist? - Wenn Sie mir das nicht sagen können, dann kann ich Ihnen das gern nachher übermitteln.

Herr Görke, ich verweise auf die Kleine Anfrage 1935 aus der letzten Legislaturperiode: Lehramtsausbildung im Fach Sport an der Universität Potsdam. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank, Frau Hartfelder. - Den Beitrag für die Landesregierung liefert uns der Sportminister. Bitte, Herr Rupprecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lasse das jetzt mal mit der Vergreisung; anderenfalls müsste ich mich hier auch noch outen. Für eine Tätigkeit als Sportlehrer wäre ich dann nicht mehr geeignet. Aber Sportlehrer bin ich ja jetzt auch nicht mehr. Das heißt aber nicht, dass das nicht ein interessantes Thema ist. Wie Frau Hartfelder bin auch ich in dem Job groß geworden. Als Sportlehrer interssiert mich natürlich, was aus dem Schulsport in diesem Land geworden ist und zukünftig werden soll.

Gleich zu Beginn meiner Ausführungen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich zu der Frage, ob ein Auftrag für einen Bericht über den Schulsport an die Landesregierung gegeben wird, als derjenige, an den sich ein solcher Auftrag dann richtete, nicht Stellung nehmen werde. Ich möchte einen anderen Aspekt ansprechen und dabei auf einiges von dem eingehen, was Herr Görke gesagt hat, wobei ich im Gegensatz zu ihm keine Zahl nennen werde. Am Schluss meiner Ausführungen werde ich noch einen Tipp bezüglich der Studie geben, die hier erwähnt worden ist.

Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass es im Schulsport im Land Brandenburg keine Probleme gibt. Herr Görke, Sie haben einige Probleme genannt, wofür ich Ihnen dankbar bin. Wir kennen diese Probleme aber bereits. Das eine oder andere Problem habe ich im Ausschuss bereits dargestellt.

Grundsätzlich orientiert sich der Schulsport im Land Brandenburg an dem ersten und zweiten Aktionsprogramm für den Schulsport, das von der KMK, vom Deutschen Sportbund und von den kommunalen Spitzenverbänden beschlossen worden ist. Darin sind zum Beispiel drei Schulstunden Sport für die Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen in unserem Schulsystem vorgesehen. Sicherlich fallen hier und da Sportstunden aus. Aber der Schwarzmalerei, dass Sport vom Stundenausfall deutlich mehr betroffen sei als andere Fächer, möchte ich mich nicht anschließen. Dazu bedürfte es eines Beweises.

Wichtig ist für mich etwas anderes, nämlich Lehrpläne; denn diese legitimieren ein Fach, geben ihm Orientierung und haben eine Steuerungsfunktion. Deshalb kommt der Entwicklung von Lehrplänen ein besonderes Augenmerk zu.

Für die Sek I wurde mit Beginn des Schuljahres 2002/2003 ein neuer Rahmenlehrplan Sport eingeführt, der dem Konzept der körperlich-sportlichen Grundbildung folgt und mehr perspektivisch angelegt ist.

Für die Grundschule wurde mit Beginn des Schuljahres 2004/2005, also ganz aktuell, ein gemeinsam mit den Ländern Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern erarbeiteter Rahmenlehrplan Sport eingeführt, der durch eine Handreichung des LISUM ergänzt wurde.

Daran sehen Sie, dass wir auf dem Gebiet der Lehrplanentwicklung sicherlich nicht zu den Schlusslichtern in Deutschland gehören können.

Zur Realisierung gehören des Weiteren die materiellen Bedingungen. Was Frau Hartfelder hier vorgetragen hat, könnte ich aus meiner eigenen Erfahrung bekräftigen. Das möchte ich Ihnen hier aber ersparen; denn das ist Schnee von gestern und es ist - das muss ich wirklich so sagen; mein herzlicher Dank gilt in diesem Zusammenhang allen Trägern, die dafür gesorgt haben - bei der Bereitstellung geeigneter Sportstätten und bei der Ausstattung mit Geräten, die die Grundvoraussetzung für einen qualitativ hochwertigen Sportunterricht darstellen, Enormes geleistet worden. Dass es auch insoweit noch Probleme und Mängel gibt, weiß jeder von uns. Ich denke dabei zum Beispiel an die Hallensituation in der Landeshauptstadt, in der ich mich ja gut auskenne. Gleichwohl muss man anerkennen, dass die Schulträger seit Beginn der 90er Jahre ganz entscheidend daran gearbeitet haben, die Defizite der Vergangenheit abzubauen.

Zum Thema Nachwuchsförderung im Bereich Leistungssport brauche ich wohl nicht viel zu sagen, denn Herr Görke hat das bereits beschrieben. Ich selbst war auch dabei und kenne zum Beispiel die Sportschule Potsdam sehr gut. Inzwischen war ich auch in Cottbus und in Frankfurt (Oder). Die Erfolge sprechen für das System, das dort besteht, nämlich für das Verbundsystem von Schule und Leistungssport, in dem auch die Schule ihren Platz hat, was ich immer als besonders wichtig darstelle, wenn ich in einer solchen Schule bin.

Auf die hier genannten Zahlen möchte ich jetzt nicht eingehen. Vielmehr möchte ich verdeutlichen, dass Schwarzmalerei nicht das richtige Mittel ist. Wir sind auf einem guten Weg. Es gibt Reserven, viele Reserven; das gebe ich zu. Das Alter der Sportlehrer macht auch mir Sorgen; auch das gebe ich zu.

Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich noch einen Tipp zu der Studie geben, die hier erwähnt worden ist. Eigentlich wird diese Studie erst am 5. Juli 2005 veröffentlicht, wie Sie, Herr Görke, auch schon gesagt haben. Ich bin auf die Veröffentlichung schon gespannt. Meine Kabinettskollegin Prof. Dr. Wanka und der Präsident des Deutschen Sportbundes, Herr von Richthofen, werden diese Studie also am 5. Juli veröffentlichen. Ich möchte all diejenigen, die das vielleicht nicht wissen, darüber informieren, dass Brandenburg nicht zu den untersuchten Ländern gehört. Das bedeutet, dass es insoweit keine landesspezifischen Informationen gibt, die Sie hier erwarten könnten. Ich möchte das nur vorsorglich sagen, falls es insoweit allzu hohe Erwartungen gibt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen über den Antrag der PDS-Fraktion zum Schulsport, Drucksache 4/1269, ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Gibt es Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist ohne Stimmenthaltungen abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Statistische Erhebung über Mietschulden und Obdachlosigkeit

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/1270

Die Reihe der Rednerinnen und Redner eröffnet die Abgeordnete Böhnisch von der PDS-Fraktion. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erinnern wir uns an die letzten Februartage dieses Jahres. Das ist noch gar nicht so lange her. Ein 41-jähriger Mann wird nach einer Frostnacht im Babelsberger Park in Potsdam tot aufgefunden. Nur einen Tag zuvor hatte man ihn aus seiner Wohnung räumen lassen. Mietschulden führten dazu, dass der Mann seine Wohnung verlor. Der Gerichtsvollzieher war da, hatte die Möbel abtransportieren und die Tür versiegeln lassen. Der Mann stand auf der Straße, verbrachte die Nacht im Park und überlebte sie nicht.