Sicherlich gibt es in unseren Städten Hilfen und Unterbringungsmöglichkeiten für diejenigen, die sie suchen. Nur ist es leider so, dass Menschen, die Arbeit, Einkommen und schließlich sogar die Wohnung verlieren, damit auch ihr Selbstvertrauen, ihre Würde, die Kraft und die Fähigkeit verlieren, diese Hilfen zu suchen und anzunehmen.
Die Zahl der Menschen, denen durch Arbeitslosigkeit und Armut sozialer Abstieg droht, wächst bedrohlich. Im 2. Armutsbericht der Bundesregierung vom März dieses Jahres musste konstatiert werden, dass immer mehr Menschen in diesem Land in Armut leben. Waren es im Jahr 1998 noch 12 %, so ist ihre Zahl 2003 schon auf 13,5 % gestiegen. Wir haben heute schon einmal über dieses Thema geredet: Arm ist, wer weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Das sind in Deutschland - auch diese Zahl hat heute schon einmal eine Rolle gespielt - 938 Euro im Monat.
Ganz besonders von Armut betroffen sind die Arbeitslosen. So lebten im Jahr 2003 bereits 40 % von ihnen unter der von der Bundesregierung definierten Armutsgrenze. Mit der Durchsetzung von Hartz IV werden sich die Zahlen weiter verschärfen. In Brandenburg - das ist auch Ihnen vielleicht schon aufgefallen - übersteigt die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II inzwischen die Zahl der Menschen, die noch das normale Arbeitslosengeld bekommen. Laut Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit vom Mai dieses Jahres erhalten jetzt rund 100 000 Brandenburger das normale Arbeitslosengeld, 143 000 jedoch das wesentlich niedrigere Arbeitslosengeld II. Da können Sie sagen, was Sie wollen: Das ist und bleibt Armut per Gesetz.
Der Armutsbericht der Bundesregierung vom März dieses Jahres weist aus, dass die hohe Arbeitslosigkeit das größte Armutsrisiko ist. Die Zahl der überschuldeten Haushalte hat gera
de in den letzten Jahren enorm zugenommen. In den westlichen Bundesländern waren 2002 bereits 7,2 %, in den östlichen Bundesländern 11 % der Haushalte von Überschuldung betroffen. Wir reden hierbei nicht von einer zeitweisen Verschuldung, sondern von einer Überschuldung. Das heißt, das Geld reicht nicht aus, um die fälligen Forderungen zu begleichen.
„für den Wechsel von der Verschuldung in die Überschuldung sind Arbeitslosigkeit und dauerhaftes Niedrigeinkommen sowie Trennung bzw. Scheidung und gescheiterte Selbstständigkeit.“
Hinter jeder Zahl stehen Schicksale von Betroffenen. Welche Auswirkungen das Arbeitslosengeld II auf die weitere Verschuldung und Überschuldung der Haushalte haben wird, kann man sich fast ausrechnen. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, um die Schuldenspirale noch rechtzeitig zu bremsen.
In den neuen Ländern, so stellt der Bericht fest, sind insbesondere die Mietschulden ein gravierendes Problem. Das scheint unsere Landesregierung jedoch nicht zu interessieren. Wie komme ich zu dieser Erkenntnis? - Auf unsere mehrfachen Anfragen bezüglich der Gefahr wachsender Mietschulden und damit einhergehender drohender Räumungsklagen sowie wachsender Wohnungslosigkeit hat sich die Landesregierung - insbesondere das Innenministerium - äußerst uninformiert und unwillig gezeigt. Wir haben im April dieses Jahres auf unsere wiederholte Anfrage wieder nur die lakonische Antwort bekommen, es gebe keine Daten, sie habe keine Kenntnisse und schließlich sei es eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung. Mit anderen Worten: Keine Ahnung, aber auch kein Interesse.
Wir meinen, es geht nicht an, dass die Landesregierung vor den gravierenden Problemen der wachsenden Überschuldung und drohenden Wohnungslosigkeit die Augen verschließt. Es geht auch nicht an, dass man die ganze Verantwortung den Kommunen zuschiebt. Schließlich gehören eine sichere Wohnung und selbstbestimmtes Wohnen zu den wichtigsten Bedingungen sozialer Sicherung und Menschenwürde. Außerdem hat das Grundrecht auf Wohnung in der brandenburgischen Verfassung einen fest verankerten Platz. Ich will daran erinnern, was in § 47 Abs. 2 unserer Landesverfassung festgeschrieben ist:
„Die Räumung einer Wohnung darf nur vollzogen werden, wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Bei einer Abwägung der Interessen ist die Bedeutung der Wohnung für die Führung eines menschenwürdigen Lebens besonders zu berücksichtigen.“
Ich frage die Landesregierung: Wie will sie prüfen, ob dieser Verfassungsauftrag erfüllt wird, wenn sie keinerlei Kenntnisse über das Ausmaß der Probleme im Land besitzt, noch einen Beitrag zur Lösungsfindung zu leisten bereit ist?
Bei den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen sind die Mietschulden in den letzten Jahren dra
Die Mietschulden sind nicht geringer geworden. Allein in der kleinen Gemeinde Tauche im Landkreis Oder-Spree gibt es 84 Mietschuldner bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften; es wurden bereits drei Zwangsräumungen vollzogen. Das kommt in letzter Zeit leider immer häufiger vor. Trotz ihres Informationsdefizits - oder vielleicht gerade deswegen? - hat die Landesregierung im vorigen Jahr die von ihr 1997 in Kraft gesetzten „Empfehlungen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und zur Verbesserung der Lage obdachloser Personen in den Kommunen“, welche brauchbare Hinweise und Empfehlungen an die Kommunen zum Umgang mit dem Problem enthielten, außer Kraft gesetzt. Ich frage Sie: Warum? Mit der Bemerkung, das alles werde nicht mehr gebraucht, kann man darauf ja wohl nicht antworten.
Wir fürchten, Hartz IV wird den Anstieg der Mietschulden noch verstärken, weil die Betroffenen mit den 331 Euro zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts nicht auskommen und natürlich auch Kosten für die Unterkunft verbrauchen. In meiner Heimatstadt Eisenhüttenstadt sind die Mietschulden bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften im Januar und Februar um weitere 14 % angestiegen. Das ist sicherlich kein Einzelfall. Nur dem sozialen Gewissen mancher Wohnungsunternehmen, die versuchen, den Mietern mit dem Angebot von Ratenzahlungen und Stundungen zu helfen, die Wohnung zu erhalten, ist es zu verdanken, dass es nicht noch mehr Wohnungsbzw. Obdachlose gibt.
Die Entwicklung darf uns nicht gleichgültig sein. Wenngleich der tragische Tod des Potsdamer Obdachlosen nur ein Einzelbeispiel ist, so dürfen wir uns dennoch nicht über dieses Thema hinwegsetzen. Deshalb erwarte ich: Verschließen Sie sich unserem Anliegen nicht und stimmen Sie unserem Antrag zu! Es geht darum, dass die Landesregierung ab Herbst dieses Jahres regelmäßig Daten erhebt, welche Aussagen über Mietschulden der Haushalte und drohende Wohnungslosigkeit erlauben. Wir wollen das in der Landesverfassung festgeschriebene Recht auch durchsetzen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit Ihnen gemeinsam einmal nachvollziehen, was passieren würde, wenn wir dem Antrag auf statistische Erhebung über Mietschulden und Obdachlosigkeit zustimmen würden. Das zuständige Ministerium würde alle Landkreise und kreisfreien Städte mit der Bitte um Informationen und Daten über die Anzahl von Mietschuldnern, deren durchschnittlicher Schuldenbelastung sowie über die Entwicklung der Obdachlosigkeit, anschreiben. Die Landkreise und kreisfreien Städte würden sich an ihre kommunalen Spitzenverbände wenden. Diese wiederum würden dann ein Schreiben an die Landkreise und kreisfreien Städte verfassen. Der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund würden Bezug auf § 22 Abs. 5 SGB II nehmen. Darin heißt es:
„Mietschulden können als Darlehen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht und hierdurch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde.“
Die kommunalen Spitzenverbände würden Bezug auf § 34 SGB XII - Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen - nehmen; zuständig hierfür: die örtlichen Sozialhilfeträger. Der Paragraph besagt:
„Schulden können nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.“
Beide kommunalen Spitzenverbände würden als letzten Satz formulieren: Wir empfehlen, der Landesregierung bzw. dem zuständigen Ministerium hierzu keine Informationen zu liefern, weil die Zuständigkeit der Landesregierung und damit auch der Landespolitiker nicht gegeben ist.
Das heißt nicht, dass diese Informationen nicht vorliegen müssen; sie müssen den Stellen präsent sein, die zuständig sind, die auch entsprechend Einfluss nehmen können und müssen. Wir als Landtagsabgeordnete müssen dies natürlich in den Wahlkreisen tun. Wir empfehlen, den Antrag abzulehnen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Willen der PDS-Fraktion soll den vielen bereits vorhandenen statistischen Erhebungen nun noch die Erhebung über Mietschulden und Obdachlosigkeit hinzugefügt werden. Die Fraktion der Deutschen Volksunion fragt sich, welchen Nutzen eine solche Erhebung hat, zumal wir davon ausgehen, dass verwertbares Zahlenmaterial bezüglich der Obdachlosigkeit bei den dafür zuständigen Kommunen vorliegt.
Zudem vertreten wir die Auffassung, dass die Problematik Obdachlosigkeit grundsätzlich in die Kompetenz der kommunalen Selbstverwaltung fällt und diese nicht eingeschränkt werden darf.
„Gerade im Hinblick auf die Vermeidung von möglichen Räumungsklagen und Zwangsräumungen wegen Mietschulden auch aufgrund von Hartz IV wird es wichtig, genaue Erkenntnisse über solche Entwicklungen zu erlangen.“
„Gegebenenfalls muss die Landesregierung an bestimmten Punkten vor einer dramatischen Entwicklung gegensteuern, bevor die Obdachlosigkeit durch Hartz IV zu einem großen Problem werden kann. Das ist nur möglich, wenn verlässliche Zahlen zu diesem Thema vorliegen.“
Verehrte Genossen der PDS-Fraktion, glauben Sie ernsthaft, dass diese Landesregierung wirkungsvoll und nachhaltig gegen die von Ihnen prognostizierte Entwicklung steuern würde und könnte? Seit Jahren sind die Arbeitslosenzahlen bekannt. Wie wird dem wirksam gegengesteuert? Was nützen Zahlen, wenn der Handlungsspielraum begrenzt ist? Die Landesregierung lehnt sich zurück und verweist auf die kommunale Selbstverwaltung, womit sie nicht Unrecht hat.
Ein weiterer Punkt, warum wir den vorliegenden Antrag ablehnen müssen, ist die Unrealisierbarkeit der Forderung nach einer statistischen Erhebung von Mietschulden. Man kann die kommunalen Wohnungsgesellschaften eventuell verpflichten, Zahlenmaterial weiterzuleiten, bei den vielen privaten Vermietern und den vielen Wohnungsgenossenschaften sieht das jedoch anders aus.
Auch lässt die Tatsache, dass jemand die Miete nicht bezahlt, nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass dieser dazu nicht in der Lage ist; denn es gibt durchaus Mietschuldner, die keine sein müssten. Das sind zum Teil Menschen, die für ihre Mietzahlungen zwar staatliche Gelder erhalten, diese jedoch nicht an den Vermieter weitergeben.
Vielen Dank, Frau Fechner. - Für die CDU-Fraktion erhält die Abgeordnete Schier das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Böhnisch, Ihre Frage lautete, ob es so weit kommen muss, dass Menschen erfrieren. Nein, es muss nicht so weit kommen. Wohnungsgesellschaften - egal welcher Rechtsform - haben Angestellte, die sich bereits bei erstmaligen Mietrückständen sofort mit den Mietern in Verbindung setzen. Das gilt erst recht für private Vermieter und war bei Ihrem genannten Beispiel mit Sicherheit auch der Fall.
Mit der Einführung von Hartz IV und der Zahlung der Kosten für die Unterkunft durch die Kommunen kann in diesen Fällen sofort reagiert werden. In § 22 Abs. 4 SGB II heißt es:
„Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen von dem kommunalen Träger an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfebedürftigen nicht sichergestellt ist.“
Die von Ihnen geforderte Aufschlüsselung der Mietschuldner durch das MASGF ist nicht möglich. Wie will man beispielsweise die Vielzahl privater Vermieter herausfinden und die
Mit Ihrem Antrag wollen Sie suggerieren, dass Hartz IV die Menschen zwangsläufig zu Mietschuldnern macht. Manche Regelung mag unausgegoren sein, jedoch muss man kein Mietschuldner werden, denn das Geld für Miete und Betriebskosten wird zusätzlich zur Verfügung gestellt.
Nun zum Problem der Obdachlosigkeit: Dass es Obdachlose gibt, wird niemand bestreiten. Jedoch gab es sie auch schon, bevor Hartz IV in Kraft trat. Diese Menschen waren weder in der Vergangenheit gezwungen noch werden sie jetzt oder in Zukunft gezwungen sein, auf der Straße zu leben und unter Brücken oder in Bahnhofshallen zu schlafen.