Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

Jetzt alt werdende Menschen wollen weiter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und ihre Lebenserfahrung an die Jüngeren weitergeben. Die Bedingungen dafür werden zunehmend ungünstiger, da schon das einfache Zusammentreffen auf Festund Feiertage begrenzt ist, weil oftmals ungewollt weite räumliche Entfernungen zwischen den Generationen liegen. Die Großeltern von heute wollen sehr wohl selbstbestimmt weiterleben, aber auch für ihre Familien da sein, was oftmals schwierig ist.

Eine Gesellschaft ist dafür verantwortlich, dass Menschen aktiv und auch motiviert das Rentenalter erreichen. Das kann alles sehr individuell gestaltet werden. Die beste Voraussetzung dafür sind persönliche Entscheidungen und die Bestätigung, auch dann noch gebraucht zu werden. Lange Arbeitslosigkeit deprimiert, lässt Möglichkeiten für eine Weitergabe von Erfahrungen an Nachgeborene völlig ungenutzt.

Die Brandenburgische Seniorenwoche ist sehr wohl Gelegenheit, das Ehrenamt hoch zu würdigen, das ist richtig. Ohne Eh

renamt wäre die Arbeit für und mit Senioren undenkbar. Aber das Ehrenamt kann nicht darüber hinwegtäuschen oder ein Alibi dafür sein, dass sich der Staat immer mehr aus seiner sozialen Verantwortung zurückzieht.

(Beifall bei der PDS)

Das Ehrenamt - auch in der Vereinsarbeit dringend gebraucht kann die rückläufige finanzielle Unterstützung für Vereine und das Schließen von Einrichtungen, weil sie nicht mehr zu finanzieren sind, nicht ausgleichen.

Wir haben gemeinsam dazu beizutragen, dass sich das gesellschaftliche Altersbild verändert. Alter ist nicht nur Makel und Defizit, es ist nicht automatisch mit hohen Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege zu verbinden. Alter ist ein Lebensabschnitt mit eigenständigen Bedürfnissen und Ansprüchen. Alte Menschen sind heute gesünder und aktiver als früher. Ihre Lebenserwartung steigt. Das gilt es auszunutzen.

Zukunft kann nur gestaltet werden, wenn der Dialog zwischen den Generationen und gleichzeitig die Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben möglich sind. Die PDS setzt sich für ein Bundesseniorenvertretungsgesetz ein, um politische Teilhabe gesetzlich zu verankern. Schauen wir uns in unserem Lande um, erkennen wir, wie unterschiedlich in den Kommunen Rederecht für Seniorenvertretungen, Mitsprache- und Mitbestimmungsmöglichkeiten geregelt sind.

Wir können uns einen seniorenpolitischen Beirat beim Bundeskanzler vorstellen. Initiativen dazu können vom Land Brandenburg ausgehen. Dieser Beirat muss dann gemeinsam mit vielen jetzt oder später Betroffenen darauf hinwirken, dass Generationengerechtigkeit zu einer immer höher gewichteten Dimension politischen Handels und Entscheidens wird. Weder die Jungen noch die Alten dürfen auf Kosten der anderen leben und die sozialen Systeme dürfen nicht auf Kosten der einen oder der anderen Gruppe saniert werden.

(Beifall bei der PDS)

Stets muss es um einen fairen sozialen Ausgleich gehen. Nur dann können Jung und Alt gemeinsam gestalten.

Sozialer Frieden und Generationengerechtigkeit sind wesentlich für die Gestaltung der Zukunft. Deshalb unterstützen wir Forderungen nach verlässlichen Perspektiven für die Alterssicherung. Vor allem sollte auf die jetzige demografische Entwicklung nicht mit Kürzungen in den Alterssicherungssystemen reagiert werden.

Die PDS setzt sich dafür ein, die Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West bis 2007 vorzunehmen und noch offene Fragen bezüglich der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften des Rentenversicherungsrechts der DDR in gesamtdeutsches Recht endgültig zu klären. Ein Verschieben der Rentenangleichung bis 2030 wird von uns auf das Schärfste angegriffen.

(Beifall bei der PDS)

Nullrunden und Rentenkürzungen sind ein weiterer Tabubruch für den deutschen Sozialstaat. Sie tragen nicht dazu bei, der Nachkriegsgeneration Gerechtigkeit und Anerkennung zukom

men zu lassen, auch nicht dazu, den Jüngeren Zuversicht zu vermitteln.

Wir werden nicht zulassen - und sind uns hierin mit Sozial- und Wohlfahrtsverbänden einig -, dass sich in den nächsten Jahren das Alterseinkommen immer weiter davon entfernt, den Lebensstandard zu sichern, weiß man doch, dass das Rentenniveau von 70 % auf 50 % sinken wird.

In Würde alt sein können, das heißt gemeinsames Gestalten der Zukunft von Jung und Alt. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. - Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Schier, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde „Jung und Alt gestalten gemeinsam die Zukunft“ und die Begründung, nämlich der Verweis auf die Seniorenwoche, waren etwas widersprüchlich. Ich werde versuchen, beide Themen zu kombinieren.

Gestern sprachen wir über den 2. Bericht der Landesregierung zum demografischen Wandel. Die Lebenserwartung der Menschen ist glücklicherweise gestiegen. Frauen leben heute im Durchschnitt 81 und Männer 74 Jahre. Das liegt zum einen daran, dass sie sich gesünder und bewusster ernähren, sich auf vielfältige Weise geistig und körperlich fit halten. Zum anderen liegt es am medizinischen Fortschritt.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird im Jahr 2020 jeder vierte Brandenburger zu den Senioren zählen. Im Jahr 2050 wird laut Prognose sogar mehr als ein Drittel der Bundesbürger 60 Jahre und älter sein. In einem Sprichwort heißt es: Alt werden ist wie auf einen Berg steigen. Je höher man kommt, desto mehr Kräfte werden verbraucht, aber umso weiter sieht man.

Alte Menschen sind ohne Zweifel ein Gewinn für die Gesellschaft, weil wir von ihren Lebenserfahrungen profitieren. Es ist oft davon die Rede, dass die demografische Entwicklung viele Schwierigkeiten mit sich bringt. Ich bin allerdings der Auffassung, dass sie auch viele Chancen bringt - Chancen für Jung und Alt.

Aufgrund der abnehmenden Geburtenrate leben immer weniger junge Menschen in unserem Land. Diese fragen - und das zu Recht -: Wie soll es weitergehen? Sie sorgen sich darum, wie sie ihren Eltern ein Leben in der Familie weiter ermöglichen können, wollen dabei aber auch ihr eigenes Leben aufbauen und gestalten.

Niemandem ist geholfen, wenn wir in Horrorszenarien bewusst den Konflikt zwischen jungen und alten Menschen schüren. Überschriften wie „Generation Pflege“ suggerieren, dass die ältere Generation ein Ballast ist, der versorgt werden muss. Diese Betrachtungsweise ist schlichtweg falsch und eine Diffamierung. Richtig ist, dass viele junge Menschen oftmals den Weg zu Älteren suchen und sie um Rat fragen. Viele Familien mit Kindern sind froh über Hilfestellungen und die Bereitschaft, sich um die Kinder zu kümmern.

Die ältere Generation ist auch nicht, wie immer wieder behauptet wird, der Grund für die wackelnden Sozialsysteme. Sie haben nämlich in die Systeme schon eingezahlt. Die Schieflage der Sozialsysteme beruht größtenteils darauf, dass zu viele Menschen seit den 68ern kinderlos blieben, sich selbst verwirklichen wollten und heute arbeitslos sind.

Ältere Menschen haben ihre Lebensleistung bereits erbracht. Jüngere müssen sie noch erbringen.

Immer mehr ältere Unternehmer suchen Nachfolger für ihre Firmen. Sie können den jungen Menschen eine Grundlage bieten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich wünschte mir, dass viele Junge dieses Angebot annehmen.

Viele der Älteren sind lange bei guter Gesundheit und bringen sich aktiv in das gesellschaftliche Leben ein. Die vom 5. bis 12. Juni stattfindende Brandenburgische Seniorenwoche ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn wir Seniorenpolitik mit Augenmaß betreiben wollen, halte ich es für unumgänglich, dass in Brandenburg ebenso wie in anderen Bundesländern noch in dieser Wahlperiode seniorenpolitische Leitlinien erarbeitet werden, die die Grundsätze der Seniorenpolitik festschreiben.

Senioren wollen mitgestalten. Senioren gehören nicht in die Schublade „Altes Eisen“. Wir sind gefordert, ihnen die Chance zu geben, ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen in das gesellschaftliche Leben einfließen zu lassen. In unseren Gemeindevertretungen haben wir eine gute Mischung von Jung und Alt. Sind die Jungen manchmal hitzköpfig, vermitteln die Älteren. In der Sacharbeit sehen sie vieles aus einer anderen Perspektive. Hier gestalten Jung und Alt im wahrsten Sinne des Wortes die Zukunft.

Viele ältere Menschen besuchen gezielt Seminare und so mancher ist im Umgang mit dem Internet perfekt. Hier lernt Jung von Alt. Gerade aus der Geschichte unseres Landes heraus sind sie wertvolle Zeitzeugen für unsere jungen Menschen. Für mich sind drei Generationen zu Hause an meinem Tisch immer der beste Lebensunterricht. Dieses Wissen ist unschätzbar für uns und die heranwachsende Generation. Hier hört Jung Alt zu und umgekehrt. So entstehen Gemeinsamkeiten. Im Erfahrungsaustausch profitiert jeder vom anderen.

Die älteren Menschen sind heute länger rüstig. Sie wollen möglichst lange allein ein selbstbestimmtes Leben führen. Wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass sie so lange wie möglich ihr Leben leben können. Dazu gehört auch eine verlässliche Rentenpolitik, denn gerade diese Generation muss sich auf ein sicheres Einkommen verlassen können. Die Rentner müssen jedoch bereits die zweite Nullrunde der rot-grünen Bundesregierung hinnehmen.

Ebenso wie es aktive Senioren gibt, gibt es auch alte Menschen, die auf die Hilfe der Jungen angewiesen sind. Die Politik ist gefordert, dafür zu sorgen, dass das Alter für alle ein erfüllter Lebensabschnitt sein kann. Dazu zählen für mich verlässliche Rahmenbedingungen.

Da es künftig auch hochbetagte und pflegebedürftige Menschen geben wird, halte ich die Diskussion um die Pflege für unumgänglich. Zuallererst denke ich an die Stärkung und die Befähigung der Familien, ältere Menschen zu Hause zu pflegen. Eltern haben ihre Kinder erzogen und versorgt. Nun sind

es die Kinder, die sich der Älteren annehmen. Ich denke an unzählige Möglichkeiten, die heute gegeben sind. Die ambulanten Pflegedienste oder auch die Tagespflege wären hier zu nennen. Die Kinder können beruhigt für einige Tage in den Urlaub fahren, weil sie wissen, dass ihre Eltern in den Kurzzeitpflegeeinrichtungen sehr gut versorgt werden. Ich denke aber auch an spezielle Wohnformen, die jedem alten Menschen in einem Wohnkomplex die eigene Wohnung ermöglichen, aber gleichzeitig die regelmäßige Betreuung sichern mit der Option, wenn nötig eine fachgerechte Pflege zu erhalten.

Wenn wir über ein Gemeinsam von Alt und Jung reden, dürfen wir angesichts der demografischen Entwicklung die Menschen in den Pflegeheimen nicht vergessen. Sie haben ein Recht darauf, ihren Lebensabend in Würde zu verbringen. Es ist oft eine schwere Entscheidung, in ein Altenheim zu gehen. Oftmals fällt auch den Angehörigen die Entscheidung sehr schwer. Fehlender Wohnraum und ungünstige Arbeitszeiten, aber auch schwerwiegende Erkrankungen sind der Grund, aus dem sich Angehörige zwangsläufig zu diesem Schritt entscheiden. Gott sei Dank gibt es in solchen Situationen meist ein starkes Wir-Gefühl. Häufige Besuche und das Nachhauseholen so oft es geht gehören zum Gemeinsam von Jung und Alt. Die Zeiten der Feierabendheime wie in der DDR mit einer jämmerlichen Ausstattung sind Gott sei Dank vorbei. Jung pflegt Alt.

Mit der zunehmenden Zahl älterer Menschen benötigen wir eine ausreichende Zahl an Pflegekräften. Meine sehr geehrte Damen und Herren, Altenpfleger wird man nicht einfach so. Altenpflege ist wie die Krankenpflege eine Berufung. Achtung vor der Würde des Menschen, Einfühlungsvermögen, Geduld und Freundlichkeit sind zwangsläufig Anforderungen an unser zukünftiges Pflegepersonal. Wenn ein junger Mensch die Schule verlässt und diesen Beruf wählt, weiß er oft nicht, was auf ihn zukommt. Ich denke, gerade in diesem Zusammenhang sollten wir noch einmal gemeinsam über ein freiwilliges soziales Jahr nachdenken.

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch einmal betonen: Wo immer es möglich ist, sollten die Kinder die Eltern im Alter auffangen. Das Leben mehrerer Generationen unter einem Dach darf kein Auslaufmodell sein. Es ist erwiesen, dass starke Familienbande, die Erziehung zu Werten wie Achtung und Respekt das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und soziale Verfehlungen weitaus seltener sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Jung und Alt gestalten gemeinsam die Zukunft. Es gibt stets ein Geben und ein Nehmen beider Generationen. Alle Menschen unserer Gesellschaft haben einen gemeinsamen Auftrag. Allen, die sich um die Seniorenarbeit kümmern, Kirchen, Vereine, Verbände, danke ich von Herzen für ihr Engagement.

(Beifall bei CDU und SPD)

Uns und unseren Kindern empfehle ich, unseren Eltern und Großeltern und allen Menschen mit Dank und Respekt für ihre Lebensleistung zu begegnen. Den Älteren empfehle ich, unseren Jugendlichen so manche Marotte nachzusehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme in einer schnelllebigen Zeit bilden die Grundlage für ein harmonisches Zusammenleben. Das Miteinander von Jung und Alt in Familien, Interessengemeinschaften und in der Politik ist spannend und stellt uns bei veränderten Lebensbedingungen immer wieder vor neue Herausforderungen. „Miteinander füreinander“ muss die Devise unseres Handelns in allen Bereichen unseres Lebens sein. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schier. - Wir kommen zum Beitrag der DVU-Fraktion. Es spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Motto der diesjährigen 12. Brandenburgischen Seniorenwoche und das Thema der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Jung und Alt gestalten gemeinsam die Zukunft“. Fast möchte man fragen: Welche Zukunft? Viele Junge sehen hier in Brandenburg überhaupt keine Zukunft mehr und verlassen unser Land. Sie gehen in die alten Bundesländer und neuerdings sogar ins Ausland, nach Österreich oder in die Schweiz. Aber auch die Zukunft der Älteren gestaltet sich nicht nur biologisch bedingt düster.

(Gelächter bei der PDS)

- Wirklich düster!

Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an die von der Bundesregierung verpassten Nullrunden bei den Renten, welche eigentlich keine Nullrunden waren, sondern eine reale Absenkung der Rente für viele Brandenburger bewirkte. Erinnern möchte ich auch an die Äußerung von Philipp Mißfelder, dem Bundesvorsitzenden der Jungen Union. Er hatte die Auffassung vertreten, 85-Jährige sollten keine Hüftgelenksoperationen und Rentner keine Zahnprothesen mehr bezahlt bekommen. Dafür erhielt er volle Rückendeckung von einigen Jungmitgliedern seiner Partei, aber auch einige Schelte von den älteren. Schnell musste nach einem Grund für seine verbale Entgleisung gesucht werden, den man dann auch fand. Mißfelders teils extreme Vorschläge seien eine bewusste Provokation gewesen, um das Thema der Generationengerechtigkeit in den Mittelpunkt zu rücken. Als Reaktion darauf war unter anderem vom Krieg der Generationen, angezettelt durch Mißfelder, die Rede. Aber schön, dass sich die Gemüter hier im Land Brandenburg beruhigt haben und Jung und Alt gemeinsam die Zukunft gestalten wollen.