Protokoll der Sitzung vom 31.08.2005

(Allgemeiner Beifall)

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Lehmann von der SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat uns die 1. Fortschreibung der Landesintegrationskonzeption aus dem Jahre 2002 vorgelegt. Die SPD-Fraktion begrüßt und unterstützt die überarbeitete Konzeption.

Zunächst ist dies ja eine Anpassung an neue bundespolitische Rahmenbedingungen. Ich nenne in diesem Zusammenhang das Zuwanderungsgesetz, aber auch die Arbeitsmarktreform, sprich: SGB II. Beide Gesetze traten bekanntlich zum 1. Januar 2005 in Kraft.

Zum anderen wollen wir im Zuge der Fortschreibung die Rahmenbedingungen für die Zuwanderungsintegration und für die Lebenssituation der Flüchtlinge verbessern durch Vernetzungen auf Landesebene - hierbei kommt dem Landesintegrationsbeirat eine große Verantwortung zu -, durch die Erhöhung des administrativen Stellenwerts des Themas Integration sowie durch Förderung von Akzeptanz und Toleranz. Das ist auch Teil des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“.

Unter Integration verstehen wir unter anderem die Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen. Damit meinen wir, dass in allen gesellschaftlichen Bereichen Teilhabechancen auch eröffnet werden müssen. Grundsätzlich begrüßen wir deshalb den bei der ersten Fortschreibung herausgearbeiteten neuen inhaltlichen Ansatz „Cultural Mainstreaming“ als künftige allgemeine Leitlinie unserer Landespolitik.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der weiteren Entwicklung kommunaler Integrationsstrukturen hin zu einer qualifizierten Migrationsberatung.

Bei der Verbesserung der Lebenssituation der Flüchtlinge konzentrieren wir uns vor allem auf die gesundheitliche Versorgung und die Schaffung einer Clearingstelle für psychisch kranke und traumatisierte Flüchtlinge.

Zum Schluss ist mir wichtig, ein Dankeschön zu sagen, Dank an den Landesintegrationsbeirat, der mit seinen sieben Arbeitsgruppen inhaltlich und fachlich an der Fortschreibung der vorliegenden Konzeption mitgewirkt hat, Dank auch an die Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, Frau Almut Berger, die nicht immer einen leichten Job hat

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Links- partei.PDS)

- gelegentlich kann man das auch in der Presse verfolgen -, Dank aber auch an die Wohlfahrtsverbände, die gerade in diesem Bereich wegfallende Fördermittel oftmals aus Eigenmitteln bzw. aus akquirierten Drittmitteln kompensiert oder die betreffenden Reduzierungen doch zumindest sehr abgeschwächt haben. Ein Dankeschön geht auch an die Landkreise und kreisfreien Städte. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, in diesem Sinne die 1. Fortschreibung der Landesintegrationskonzeption engagiert und in hoher Qualität mit Leben erfüllen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es spricht der Abgeordnete Claus von der DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Integrationskonzept kann nur gut sein, wenn es realitätsbezogen ist. Das gilt für das Konzept der Landesregierung wie für jedes andere. Das Konzept der Landesregierung mag - von gutem Willen getragen - eine bessere Integration bleibeberechtigter Zuwanderer beabsichtigen. Jedoch stimmen hier weder Grundvoraussetzungen noch Grundrahmen.

Zuwanderung ist kein von Gott gegebener Prozess. Das Konzept der Landesregierung legt schon im Abschnitt A sichtbar gescheiterte Multikulti-Vorstellungen zugrunde. Es benutzt den Begriff Zuwanderungsgesellschaft und suggeriert, die Inlandbevölkerung habe Zuwanderung hinzunehmen. Ich frage Sie: Wer bestimmt hier was? - Doch wohl die Inlandgesellschaft die Voraussetzungen für Zuwanderung und nicht umgekehrt. Konkret ausgedrückt heißt das: Die Zuwanderer müssen

sich in Richtung Integration bewegen und nicht die Inlandgesellschaft in Richtung Zuwanderer.

(Beifall bei der DVU)

Alles andere würde den gesellschaftlichen Konsens in Deutschland langfristig gefährden.

Daraus ergibt sich, dass Integration nur in Grenzen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Hier muss - wie im Sozialrecht - das Prinzip der Subsidiarität zur Anwendung kommen. Danach hat zunächst erst einmal jeder Zuwanderer die Pflicht zur Integration; je nach Umfang des Aufenthalts im Inland. Diese Pflicht werden Sie - wie im Teil A unter 3.3 mehrfach unterstellt - nicht erzwingen können. Sie können allenfalls die physische Anwesenheit in entsprechenden Kursen, nicht jedoch den Erfolg erzwingen. Letzteres ist allein vom Willen des Betroffenen abhängig. An diesen sind entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen zu knüpfen.

Schließlich sprechen alle Erfahrungen gegen die auf Seite 17 unterstützte Konzentration der Ansiedlung bestimmter Zuwanderungsgruppen. Das begünstigt lediglich die Gettobildung. Für die Pflege der angesprochenen familiären Kontakte gibt es hierzulande heutzutage - so weit sind wir inzwischen - Verkehrs- und moderne Kommunikationsmittel.

Zur in Abschnitt B in mancher Hinsicht beklagten Lage von Flüchtlingen ist zu sagen, dass auch dafür verfehlte bundesrechtliche Vorgaben verantwortlich sind. Es ist zunächst zu fragen: Wer ist Flüchtling? Erst daran kann sich die Frage nach der notwendigen Integration anschließen. Hauptproblem ist hierbei das nach wie vor viel zu lange dauernde Verfahren. Kurzum: Es können zulasten der Gesellschaft keine Integrationsleistungen für Personen erbracht werden, an deren Begehren - von vornherein erkennbar - nichts dran ist.

All diese Defizite werden Sie vermeiden, wenn Sie den realitätsbezogenen Fünf-Kerne-Gedanken unseres Konzeptes folgen: Deutschland ist kein Einwanderungsland; es ist dafür historisch, geografisch und kulturell nicht geeignet.

Integration muss darauf abzielen, dass sich die Zuwanderer sprachlich, gesellschaftlich und kulturell ins deutsche Gesellschaftsleben einfügen. Hingegen kann der inländischen Bevölkerung nicht abverlangt werden, dass sie ihre Kulturvorstellungen anpasst und ihr die bisherigen Lebensgewohnheiten, Werte- und Kulturvorstellungen fremd werden. Integration lässt sich nicht verordnen. Primär ist der Wille der Zuwanderer zur Integration entscheidend.

(Sarrach [Die Linkspartei.PDS]: Reden Sie von Integra- tion oder von Assimilierung?)

Ist dieser nicht vorhanden, laufen die Integrationsbemühungen ins Leere; das müssten auch Sie wissen, Herr Sarrach. - Für das Zuwanderungsgesetz ergeben sich daraus unabdingbare Konsequenzen: Zuwanderung muss sich auf die Fälle beschränken, in denen dem Einzelnen ein Recht dafür zur Seite steht. Dies ist spätestens unmittelbar nach der Einreise festzustellen, insbesondere bei Flüchtlingen. Eine Aufenthaltsverfestigung darf es nur dort geben, wo die Integrationsanforderungen in sprachlicher, kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht erfüllt wer

den. Hier muss konsequent gehandelt werden. Wer Rechte hat, hat auch Pflichten!

Integrationskosten sind nach dem Verantwortungsprinzip zu verteilen. Wo ein individuelles oder ein betriebliches Interesse an der Zuwanderung besteht, müssen die Kosten individuell bzw. betrieblich aufgebracht werden. Nur dort, wo es um gesellschaftliche Belange geht - zum Beispiel bei deutschstämmigen Spätaussiedlern oder anerkannten und mittellosen Flüchtlingen -, handelt es sich um eine gesellschaftliche Aufgabe. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Frau Abgeordnete Schier spricht für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Brandenburg lebten am 31.12.2004 49 086 Nichtdeutsche. Integration ist eine Aufgabe von großer gesellschaftlicher Bedeutung; denn nur sie schafft die Voraussetzung für ein zukunftsfähiges und friedliches Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Kulturen. Ohne eine entsprechende Integration bleibt es ein Nebeneinander, gegebenenfalls sogar ein Gegeneinander.

Die Fortschreibung der Konzeption der Landesregierung ist unter den in der Konzeption genannten vier Begriffen „strukturelle, kulturelle, soziale und identifikative Integration“ erfolgt.

Die strukturelle Integration betrifft sowohl die Integration in den Arbeitsmarkt als auch das eigenständige Wohnen oder die Beschulung der Kinder in unseren Schulen.

Mindestens ebenso wichtig ist die kulturelle Integration, vor allem das Erlernen der deutschen Sprache. Wenn die Immigranten in Deutschland ankommen, ist die Motivation, die neue Sprache zu erlernen, sehr groß. Je länger die Menschen jedoch hier in ihren Familien leben, desto weniger ist diese Bereitschaft ausgeprägt. Sie sprechen dann in ihrem Familienverband vor allem ihre Muttersprache. Damit ist die Ausgrenzung vorprogrammiert. Das Erlernen der deutschen Sprache ist die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration.

Das aktive Aufeinander-Zugehen ist durch nichts zu ersetzen; denn Integration kann man nicht verordnen. Staatlicherseits kann man lediglich die Rahmenbedingungen und ein günstiges Integrationsumfeld schaffen. Der Zuwanderer muss aktiv werden und sich um seine Integration bemühen. Dazu gehört auch, sich in die neuen Lebensbedingungen mit ihren Werten und Normen einzufügen. Ich rede - damit kein falscher Zungenschlag vorkommt - ausdrücklich von Integration und nicht von Assimilation.

Wir müssen auf die rückläufigen Zuwanderungszahlen - im Jahr 2001 waren es 3 736 und im Jahr 2004 2 256 - reagieren und die Zuweisung an die Landkreise so gestalten, dass kursberechtigte Personen kurzfristig ohne viel Aufwand an vielfältigen Kursen teilnehmen können.

Die soziale Integration erfolgt vor allem in Vereinen, Verbänden, Kirchen, Kommunen sowie über private Kontakte zu deutschen Familien. An dieser Stelle danke ich den Mitarbeitern in den verschiedensten Einrichtungen für ihr Engagement.

Gestatten Sie mir zum Schluss ein Zitat einer Immigrantin, der Publizistin Sonja Margolina, die ihre Gefühle beschreibt und zu einer wesentlichen Erkenntnis kommt:

„Das Bekenntnis zur Gruppe hilft dem Einwanderer vorübergehend zurechtzukommen, hindert ihn aber auf Dauer, der neuen Gesellschaft beizutreten.“

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich beende die Aussprache. - Damit ist die Konzeption der Landesregierung zur Integration bleibeberechtigter Zuwanderer und zur Verbesserung der Lebenssituation der Flüchtlinge im Land Brandenburg zur Kenntnis genommen. Ich schließe Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 3 des Petitionsausschusses

Drucksache 4/1722

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. - Damit ist die Übersicht 3 des Petitionsausschusses zur Kenntnis gekommen. Ich schließe Tagesordnungspunkt 15.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 16:

Erarbeitung eines Konzepts zur sonderpädagogischen Förderung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/427

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport