Protokoll der Sitzung vom 31.08.2005

Also sage ich: Der Konsens war Beratung, Qualifizierung für kleine und mittlere Unternehmen in Brandenburg. Das sind Familienfirmen, die eine passgenaue Weiterbildung brauchen. Sie alle sagen und alle wissen, dass der Erhalt bestehender Arbeitsplätze in Ostdeutschland, also auch in Brandenburg, derzeit die Hauptaufgabe bei der Bekämpfung weiterer Massenarbeitslosigkeit ist. Dass Sie das tatsächlich wollen, bezweifle ich aufgrund dieses kleinen Beispiels. Ich meine, Sie wollen das nicht, Sie wollen die Beratungsstellen nicht.

Wir können Ihrem Antrag nur schwer zustimmen, weil er, wie gesagt, dem Gegenstand nicht gerecht wird. Ich hoffe sehr, dass Sie unserem Antrag doch noch zustimmen. Die terminliche Schiene und der Inhalt mögen Sie überzeugen. Wer die Weiterbildungs- und Informationsberatungsstellen der LASA und ihre Aufgabe erhalten will - dass das nötig ist, haben wir nachgewiesen -, liegt auf der Linie der EU-Förderstrategie. Sie würden damit im Sinne Ihrer eigenen Politikschwerpunkte handeln. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu! Ich sehe keine Alternative.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir sind am Ende der Rednerliste zum Tagesordnungspunkt 20 angekommen. Ich stelle den Antrag der Linkspartei.PDS in der Drucksache 4/1760 zur Abstimmung. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dies ist bei drei Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich stelle den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 4/1814 zur Abstimmung. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen und Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 20 und wir kommen zu Tagesordnungspunkt 21:

Einmalige Bedarfe für Bezieher/-innen von Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Sozialhilfe

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/1763

Die Debatte wird von der Abgeordneten Kaiser eröffnet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befürchte, dass der laufende Wahlkampf dem Anliegen des nun vorliegenden Antrags nicht gerade hilft. Lassen Sie uns dennoch versuchen, bei diesem Thema weiter sachlich zu bleiben und an die Betroffenen zu denken. Denn es ist ein Fakt: Jedes fünfte Kind lebt in Brandenburg auf dem Niveau der Sozialhilfe. Nicht binnen eines Jahres, sondern genau genommen über Nacht, nämlich mit dem In-Kraft-Treten des Hartz-IV-Gesetzes, hat sich diese Zahl vervielfacht. Mit diesen Daten hat uns eine Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in der vergangenen Woche konfrontiert und - zumindest nehme ich das für mich in Anspruch - schockiert. Armut - Herr Schulze, ich nehme dabei Bezug auf eine von Ihnen gestellte Kleine Anfrage - ist kein Kampfbegriff. Ich hoffe, dass wir uns hierin einig sind. Armut ist auch im Land Brandenburg leider Realität.

Es ist bekannt, dass meine Fraktion und die Koalitionsfraktionen in der Bewertung der sozialen Folgen von Hartz IV doch sehr weit auseinander liegen. Einer der grundsätzlichen Meinungsunterschiede besteht über die Frage, ob die Höhe der Leistungen geeignet ist, soziale Ausgrenzung zu verhindern, Chancengleichheit zu gewährleisten und das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern.

Das ist aber nicht der Punkt des vorliegenden Antrags. Ziel dieses Antrags ist es vielmehr, eine Möglichkeit zu schaffen, auch außerhalb der Regelleistungen bestimmte besondere Bedarfe abzudecken. Im alten Sozialhilferecht gab es eine Reihe so genannter einmaliger Leistungen. Das waren Leistungen zum Beispiel zur Beschaffung langlebiger Gebrauchsgüter, von Bekleidung, von Schuhen, von Brennstoffen, von besonderen Lernmitteln, auch der Zuschuss für die Einschulung oder die Jugendweihe. Ein typischer Fall für den entsprechenden Bedarf ohne die Möglichkeit, entsprechende Hilfe zu gewähren, ist jetzt die Einschulung. Vor einigen Tagen wurden wir aus den Städten und Gemeinden heraus alarmiert, dass die Familien, die von Arbeitslosengeld II leben, ihren Kindern die Schulranzen, Schultüten, Turnbeutel, Turnkleidung, Federmappen und Schreibhefte nicht im erforderlichen Umfang besorgen konnten. Wir alle wissen, dass sich diese Ausgaben schnell auf einen Betrag summieren, der in der Nähe des monatlichen Regelsatzes für ein sechsjähriges Kind liegt. Im Osten sind das 199 Euro.

Herr Petke - es ist richtig schade, dass er nicht anwesend ist müsste sich noch erinnern. Er hat auch gerade ein Kind eingeschult. Auch wir als Abgeordnete werden von Steuermitteln dauerfinanziert und wir bekommen das Kindergeld dazu. Die Leute aber, die von Arbeitslosengeld II leben, bekommen es nicht dazu. Wie soll also eine Familie von Arbeitslosengeld II eine Anschaffung, wie sie zum Schulanfang nötig ist, finanzieren, um ihr Kind entsprechend auszustatten? Erklären Sie mir das! Ich kann es nicht nachvollziehen. Es ist auch nicht möglich.

Nach dem nunmehr geltenden System gibt es einmalige Leistungen nur für wenige Fälle, etwa für die Erstausstattung einer Wohnung, bei der Geburt eines Kindes oder für mehrtägige Klassenfahrten. Zum Glück gibt es das noch. Grundsätzlich sind alle anderen einmaligen Bedarfe in den Regelsatz einbezogen bzw. angeblich eingerechnet worden. Der Regelsatz des Arbeitslosengeldes II, des Sozialgeldes oder der Hilfe zum Lebensunterhalt liegt allein aus diesem Grund um rund 50 Eu

ro über dem alten Sozialhilferegelsatz. Die Konsequenz ist, dass für die so genannten Wechselfälle des Lebens Rücklagen gebildet werden müssen. Wenn Sie sich aber noch einmal anschauen, in welchem Umfang zum Beispiel langlebige Gebrauchsgüter heute selbst von Haushalten mit normalem Einkommen auf Kredit gekauft werden, dann können Sie vielleicht ermessen, wie schwierig die Bildung von Rücklagen ist, wenn man von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld lebt.

Es ist im Übrigen auch höchst umstritten, in welcher Höhe bestimmte Bedarfe in die Regelsatzberechnung einbezogen worden sind oder eben nicht. Ich erinnere nur an den berühmt-berüchtigten Pelzmantel oder die Sportboote. Obwohl die Vergleichsgruppen der Haushalte - das untere Fünftel nach dem Einkommen wird bei der Berechnung dieses Regelsatzes einbezogen - über Sportboote und Pelzmäntel wahrscheinlich nicht verfügen, wurde das aber bei der Bedarfszumessung noch einmal abgezogen.

(Zuruf des Abgeordneten Karney [CDU])

Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Vergangenheit anhand einer ganzen Reihe konkreter Beispiele beurteilt, ob Ausgrenzung besteht oder droht. Es bejaht ausdrücklich die Gefahr einer Ausgrenzung, wenn ein Kind bei der Einschulung keine Schultüte erhält, wenn ein Haushalt ohne Waschmaschine oder Fernseher auskommen muss oder wenn jemand zu Weihnachten nur Empfänger von Gaben ist, selbst aber gar nichts schenken kann.

In der Systematik des Sozialhilferechts waren einmalige Leistungen eine Art letztes Auffangnetz, um akute individuelle Notlagen und insbesondere die Ausgrenzung von Kindern zu verhindern. Ich kenne durchaus Familienhelferinnen oder Mitarbeiter in Jobcentern oder Ämtern für Grundsicherung, die bestätigen, dass in manchen Fällen in der Familie eben kein Geld für die Reparatur der Waschmaschine mehr da ist. Sie halten einmalige Leistungen für eine sehr sinnvolle Möglichkeit, in solchen Situationen helfend einzugreifen.

Vielfach - vor Ort im Lande und erst gestern hier im Hause haben die Mitglieder der Fraktion der Linkspartei.PDS den Menschen zugehört, die von Arbeitslosengeld II leben, damit zurechtkommen müssen. Wir haben klare Sätze gehört. Sie haben gesagt: Die Ignoranz gegenüber unserer Lage muss aus den Köpfen der Politiker.

Nicht von ungefähr spricht sich auch der Paritätische Wohlfahrtsverband dafür aus, dass die Einmalleistungen wieder möglich gemacht werden, dass also die Ämter vor Ort den Ermessensspielraum haben, in diesen Fällen zu helfen.

Mit dem Arbeitslosengeld II sollte für die Bezieher von Sozialhilfe - das haben Sie wenigstens immer betont - alles besser werden: Arbeitsvermittlung und auch ihre soziale Situation. Es kann sein, dass Ihrer Meinung nach für sie alles besser geworden ist, aber gut ist es nicht geworden.

Ich hoffe, wir sind uns einig, dass insbesondere die Situation der Familien, die von Arbeitslosengeld II leben und Kinder haben, so nicht mehr haltbar ist. Ich hoffe deshalb auch sehr, dass Sie unserem vorliegenden Antrag zustimmen. Wir sollten nicht nur die Lippen spitzen und nicht nur bedauern, sondern wir

sollten auch handeln, wo wir handeln können, und dies wäre eine Möglichkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Kaiser. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Dr. Schröder, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linkspartei.PDS will mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung auffordern,

„im Bundesrat für gesetzliche Änderungen in den Sozialgesetzbüchern II und XII initiativ zu werden. Ziel der Initiative soll die Verbesserung der materiellen Situation Hilfebedürftiger in Form von Leistungen für einmalige Bedarfe sein.“

In der Tat, mehr steht da nicht drin.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS: Es ist Wahlkampf und Sie versuchen eben doch - entgegen allen Beteuerungen -, erneut mit dem Thema Hartz IV zu punkten.

(Zuruf der Abgeordneten Weber [Die Linkspartei.PDS])

Dabei geben Sie sich nicht einmal die Mühe, Ihre Anträge klar, deutlich und präzise zu formulieren. Welche Paragraphen in den SGB II und XII sollen denn konkret wie verändert werden?

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Das werden Sie uns jetzt sagen!)

Was verstehen Sie unter einmaligen Bedarfen? Das SGB II kennt nur Mehrbedarfe nach § 21 oder die abweichende Erbringung von Leistungen nach § 23. Im Einzelnen werden zusätzlich zu Regelleistungen Mehrbedarfe bei Schwangerschaft für allein Erziehende mit einem Kind oder mehreren minderjährigen Kindern, für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen gezahlt. Das verschweigen Sie gern.

Zusätzlich übernehmen die Träger der Grundsicherung Leistungen für Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattung für die Kleidung bei Schwangerschaft und Geburt sowie Kosten für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Auch das verschweigen Sie.

All diese zusätzlichen Leistungen sind von der Regelleistung nicht umfasst. Die Regelleistung selbst wird entsprechend § 20 SGB II regelmäßig überprüft und angepasst. Die Neubemessung ist im SGB XII geregelt.

Frau Dr. Schröder, es gibt Bedarf für eine Zwischenfrage.

Frau Dr. Schröder, möglicherweise haben Sie das nicht verstanden. Aber geben Sie zu, dass die Mehrbedarfe, wie sie früher im Sozialhilferecht geregelt waren, jetzt ausdrücklich - das war der Sinn der Reform von Hartz IV - in die Grundbedarfe einberechnet wurden und dass damit solche Dinge, die gerade Kindern im schulpflichtigen Alter zukommen, bis hin zur Kleidung, und auch Haushaltsgüter eben nicht mehr entsprechend geregelt sind? Geben Sie also zu, dass diese nicht mehr finanziert werden?

Meine zweite Frage ist eine Bitte, da wir Ihre Kompetenz schätzen. Sehen Sie sich in der Lage, wenn Sie der Intention unseres Antrags folgen, vielleicht einen entsprechenden Entschließungsantrag mit den ausgeklügelten Paragraphen gleich hier vorzulegen?

Alles ist in den SGB II und XII geregelt. Ihr Antrag bezieht sich ja nicht auf früheres Sozialhilferecht,

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Doch, genau!)

- Nein. Lesen Sie noch einmal nach! - Ihr Antrag bezieht sich auf die SGB II und XII. SGB II gab es vor Hartz IV nicht. Sie müssen also schon wissen, was Sie nun eigentlich wollen.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Warum haben Sie keinen Änderungsantrag gestellt?)

Die Neubemessung der Regelleistung ist im SGB XII geregelt. Darüber und über die damit im Zusammenhang stehenden Initiativen der Landesregierung haben wir mit Ihnen bereits ausführlich auf der letzten Landtagssitzung im Juni gesprochen. Ich muss mich hier auch nicht ständig wiederholen, Sie können hierzu alles im Protokoll nachlesen, auch im Hinblick auf die von uns geforderte Ost-West-Angleichung der Regelsätze.

Mit der Angleichung der Regelsätze folgt die Bundesregierung einem Vorschlag des Ombudsrates und auch dem Nachdruck des Landes Brandenburg. Wir haben immer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich eine Differenzierung der Regelleistungen zwischen Ost und West nicht mehr rechtfertigen lässt.

Meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS, Sie müssen sich, glaube ich, endlich besser auf Landtagssitzungen vorbereiten;

(Gelächter bei der Linkspartei.PDS)

denn eine Forderung in Ihrer Begründung - hören Sie zu! -, nämlich die nach der Sonderleistung für Lernmittel, offenbart, dass Sie als Landespolitiker offenbar nicht im Stoff stehen. Den Beweis hat Ihr Kollege Görke heute Morgen in der Fragestunde angetreten. Ich halte es wirklich für ziemlich unseriös, hier zu behaupten, dass die Lernmittelfreiheit für ALG-II-Bezieher nicht geregelt sei. Das mit einem Schreiben zu begründen, das zwei Tage vor Verabschiedung der Verordnung geschrieben wurde, ist unseriös und ist Angstmache in der Bevölkerung. Das lehnen wir ab.