Die Diskussion, die momentan geführt wird, ist ehrlich und aufrichtig, auch wenn sie jetzt wegen des Wahlkampfes ein bisschen ins Hintertreffen geraten ist. Ich freue mich darauf, dass wir nach dem 18. September wieder durchs Land fahren, mit den Menschen - den Bürgermeistern, den Gemeindevertretern, den Vereinsvorsitzenden, Sportchefs usw. - reden und uns ihre Ideen anhören werden, wie sie das Land voranbringen wollen und wie wir als Koalition dabei helfen können. - Schönen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Baaske und gebe der CDU-Fraktion das Wort. - Frau Abgeordnete Richstein, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Enkelmann, mir scheint, Sie haben zwischen der Beantragung der Aktuellen Stunde und der heutigen Debatte ein bisschen den Mut verloren. Sie sind schon mehrfach auf den Unterschied zwischen dem, was in Ihrem Antragstext steht, und dem, was Sie heute ausgeführt haben, angesprochen worden. Das Thema der Aktuellen Stunde ist sicherlich mit Bedacht gewählt: Es geht Ihnen um die öffentliche Wirkung; Sie sind nicht um Lösungen bemüht, sondern wollen nur ein Podium für Populismus, Spaltung und Desinformation schaffen.
Die dieser Aktuellen Stunde zugrunde liegenden Rahmenbedingungen sind bekannt und teilweise auch schon genannt worden. Bei fast allen Bezugsleistungen erhalten die Menschen im Osten weniger. Diese Zustände kann niemand von uns gutheißen. Sie zeigen deutlich, dass es in unserem Land unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen gibt, sind aber nicht dazu geeignet, instrumentalisiert zu werden.
Genau dies tun Sie aber: Zum einen streuen Sie den Menschen in Brandenburg Sand in die Augen, indem Sie suggerieren, dass es die Landesregierung, das Land Brandenburg oder der Landtag allein in der Hand hätten, gleichwertige Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen. Sie
wissen ganz genau, dass diese Rahmenbedingungen nur auf Bundesebene, nicht aber auf Landesebene geändert werden können. Zum anderen instrumentalisieren Sie die Lebensbedingungen der Brandenburger, um zu spalten, und zwar noch mehr, als es der Innenminister und der bayerische Ministerpräsident mit ihren Äußerungen taten.
Mir sagte in der letzten Woche eine Brandenburgerin, dass auch sie sich durch diese Äußerungen beschwert fühle. Aber es sei nun ein Umstand eingetreten, der seit der Wiedervereinigung einmalig sei und den sie sehr begrüße: Zum ersten Mal werde im Westen in der Presse und in der Öffentlichkeit, aber auch in privaten Gesprächen über die Verdienste der Menschen im Osten, über die Lebensbedingungen und die Errungenschaften im Osten sowie über die Umbrüche gesprochen, die überwunden werden mussten. Es ist schade, dass wir einen solchen Anlass brauchten. Aber wir müssen in der Tat mehr darüber reden, was wir geschaffen haben, und dürfen nicht darüber philosophieren, was sich alles noch nicht ergeben hat.
Wichtig ist, dass wir die herausragenden Ergebnisse und Leistungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger anerkennen und darüber reden. Wir können selbstbewusst auf das Erreichte blicken. Wir haben auch eine Perspektive für die Zukunft. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren, und nicht darauf, wieder Sozialneid zu schüren und neue Gräben auszuheben.
Wir können nicht von der Hand weisen, dass es durchaus unterschiedliche Lebensbedingungen in Deutschland gibt und sich die soziale Lage in Deutschland in den letzten Jahren verschlimmert hat. Dies ist nun einmal die traurige Bilanz von Rot-Grün; ich muss es so sagen, auch wenn wir im Land eine große Koalition haben. Drei Zahlen reichen, um das Ausmaß zu beschreiben: Jeden Tag verlieren wir 1 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze - in Brandenburg sind es pro Tag 60 Arbeitsplätze, alle 15 Minuten geht ein Betrieb pleite und in jeder Stunde kommen 6 Millionen Euro neue Schulden hinzu. Diese Ergebnisse der Bundespolitik der letzten Jahre haben ganz konkrete Auswirkungen auf die Menschen. Fast 5 Millionen Menschen ohne Arbeit sind zuallererst 5 Millionen individuelle Schicksale. Davon sind aber nicht nur die Arbeitsuchenden selbst betroffen, sondern auch ihre Familien. Dies bedeutet zugleich weniger Einkommen für die Sozialkassen und weniger Steueraufkommen. 40 000 Firmenpleiten bedeuten weniger Ausbildungs- und Arbeitsplätze und 80 Milliarden Euro Schulden allein des Bundes bedeuten für uns und vor allen Dingen für die kommende Generation, dass der Spielraum für Investitionen in Bildung und Forschung, in Infrastruktur und vieles andere immer kleiner wird.
Sie haben über den Angleichungsprozess gesprochen und wissen selbst, wie schwer er war. Meines Erachtens erkennen Sie nicht an, was die Menschen geleistet haben. Sie schreien nach dem, was versprochen wurde, achten dabei aber nicht darauf, dass sich die Rahmenbedingungen eventuell verändert haben. Vielmehr suggerieren Sie den Menschen, dass der Staat ein
(Frau Dr. Enkelmann [Die Linkspartei.PDS]: Aber Sie haben den Menschen etwas versprochen, was Sie nicht gehalten haben!)
Dort werden viele leere Versprechungen in der weisen Voraussicht gemacht, dass Sie sowieso nicht an die Regierung kommen. Das halte ich für verantwortungslose Politik.
Gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland wünschen wir uns alle. Aber es ist zu kurz gesprungen, zu sagen, dazu brauche man nur eine Angleichung zwischen Ost und West. Es gibt auch ein Nord-Süd-Gefälle. Es gibt Regionen im Ruhrgebiet, denen es nicht besser geht als uns. Deswegen ist Ihre pauschale Forderung nach Angleichung oder sogar noch Aufstockung von ALG II etwas, was selbst dann, wenn es sich überhaupt realisieren ließe, nicht wirksam wäre. Wir müssen hier eine regionale Umstrukturierung erreichen. Es geht nicht um eine pauschale Ost-West-Angleichung.
Frau Enkelmann, Sie sprachen davon, dass Sie positiv in die Zukunft schauen. Dies lese ich zumindest in Ihrem Antragstext nicht. Ich kann nicht erkennen, dass Sie eine Politik des Gestaltens an den Tag legen. Meines Erachtens ist es eine destruktive Politik, die nur darauf gerichtet ist, den Menschen zu suggerieren, dass sie keine Zukunftsperspektive hätten - dies führen Sie wortwörtlich aus - und benachteiligt würden. Sie geben den Menschen nicht das Selbstvertrauen, das sie brauchen, um hier in Brandenburg auch glücklich leben zu können.
- Ich habe Ihnen sehr wohl zugehört. Aber Sie haben weder in klaren Worten gesagt noch zwischen den Zeilen erkennen lassen, dass Sie eine Perspektive für unser Land wollen und den Menschen zugestehen, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Hier müssen wir einen anderen Weg gehen. Wir sind dazu bereit. Wir haben viele Vorschläge auf den Tisch gelegt, die wir nach dem 18. September realisieren wollen. Sie werden zwar sagen, es seien nur leere Versprechungen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir den richtigen Weg für Deutschland und auch für Brandenburg einschlagen werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Ansicht der Linkspartei.PDS soll also die Brandenburger Landesregierung für gleichwertige Arbeits- und Lebensbedingungen sorgen, um die Zukunft Brandenburgs zu sichern. Das Thema wurde - nach Aussage von Frau Dr. Enkelmann - vor 15 Jahren aktuell; aus der Sicht der PDS ist es das noch heute.
Es gehört zwar mehr als nur die Erreichung gleichwertiger Arbeits- und Lebensbedingungen dazu, um die Zukunftsfähigkeit Brandenburgs zu sichern,
Nach Aussage der SED/PDS/Linkspartei - oder wie immer sie sich in Zukunft nennen werden -, also nach Ansicht der Genossen, ist die Landesregierung sogar durch das Grundgesetz und die Landesverfassung verpflichtet, für gleichwertige Arbeitsund Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland zu sorgen. Ich habe die Landesverfassung noch einmal zur Hand genommen, nach der entsprechenden Stelle gesucht und diese auch gefunden.
„Das Land gewährleistet eine Strukturförderung der Regionen mit dem Ziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten.“
Nach diesem Artikel ist die Landesregierung verpflichtet, für gleichwertige Arbeits- und Lebensbedingungen zu sorgen. Doch tut sie es auch? Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an die neuen Leitlinien der Landesregierung zur Wirtschaftsförderung. Gleichwertige Arbeits- und Lebensbedingungen werden damit mit Sicherheit nicht geschaffen.
Ich würde dieser Landesregierung empfehlen, sich noch einmal ausführlich mit der Landesverfassung zu beschäftigen und darüber nachzudenken, wie sie in Zukunft verfassungskonform agieren möchte - nicht dass Sie eines Tages überrascht sind, wenn Sie sich im Verfassungsschutzbericht als „verfassungswidrige Gruppierung“ wiederfinden.
Wie realistisch ist die Forderung nach gleichwertigen Lebensund Arbeitsbedingungen? Gab es diese jemals? Ich sage: Es gab sie nie wirklich. Es wird sie auch nicht geben, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit und nicht mit diesen Politikern!
Selbst im real existierenden Sozialismus, als die PDS, damals noch unter ihrem Namen „SED“, regierte, gab es keine gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ausgerechnet die Genossen stellen sich heute hin und fordern diese! Im Übrigen finde ich es sehr bemerkenswert, dass es der SED/PDS/Links
partei - wie auch immer - heute um gleichwertige und nicht um gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen geht. Sie sind also ein Stück weit in der Realität angekommen. Ich begrüße Sie recht herzlich!
Wie sahen denn die gleichwertigen Arbeits- und Lebensbedingungen zu Zeiten der SED-Diktatur aus? Regimetreue Anhänger hatten ganz andere berufliche Möglichkeiten und damit Arbeitsbedingungen als Regimekritiker. Den meisten dürfte noch bekannt sein, welche Voraussetzungen galten, wenn man beruflich aufsteigen wollte. Man musste zumindest Mitglied der SED sein. Diejenigen, die es nicht waren, blieben auf einer unteren Stufe stehen. Die Qualifikation war nicht so wichtig; wichtig war das Parteibuch. Aber all das sind typische Begleiterscheinungen, wenn Sozialisten das Sagen haben. Das war bei den Nationalsozialisten so, das war bei den Sozialisten der SED so und das ist heute auch noch so.
(Beifall bei der DVU - Zuruf von der Linkspartei.PDS - Frau Dr. Enkelmann [Die Linkspartei.PDS]: Herr Präsi- dent!)
Auch Arbeitslose gab es zu Zeiten der SED-Diktatur. Das wissen viele nicht, doch es gab sie. Fragen Sie einmal Ihren Genossen Hammer. Nach eigener Aussage war er zu Zeiten der SEDDiktatur arbeitslos, weil er zu den Regimekritikern gehörte.