Das Bündnis „Gesund Aufwachsen in Brandenburg“ wurde bekanntlich im Jahr 2003 auf Initiative des MASGF gegründet. Nun also, meine Damen und Herren, wollen die Fraktionen von SPD und CDU endlich Nägel mit Köpfen machen. Ich unterstelle Ihnen dabei nicht einmal wahlkampftaktische Gründe; nein, ich frage ganz einfach: Weshalb werden in diesem Land für die Durchsetzung von Gesetzen und Verordnungen mit notorischer Regelmäßigkeit Initiativen, Arbeitsgruppen usw. benötigt? Wir von der DVU-Fraktion sind der Auffassung, dass es sinnvoll wäre, die dafür aufgewendete Zeit und das dafür aufgewendete Geld im Interesse der Sache einzusetzen.
Betrachtet man den hier zur Debatte stehenden Antrag der Fraktionen von SPD und CDU, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, das Parlament solle wieder einmal als Gehhilfe für die Landesregierung fungieren. Wenn dem so sein sollte, muss die Frage gestattet sein, weshalb wir uns dann so kostenintensive Fachministerien leisten. Die DVU-Fraktion vertritt die Meinung, dass der Antrag überflüssig ist, wenn die Regierung die ihr gestellten Aufgaben ordnungsgemäß entsprechend ihrer Kompetenz realisiert.
Abschließend ist zu dem Antrag Folgendes festzustellen: Es geht doch um nichts anderes als darum, dass die Antragsteller ihre eigene Landesregierung auffordern, die kommunalen Spitzenverbände und die Verbände der Krankenkassen zu veranlassen, das zu tun, wozu sie ohnehin seit Jahren per Bundesgesetz verpflichtet sind.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin für diesen Antrag der Koalitionsfraktionen dankbar. Kinder und Jugendliche wachsen in Brandenburg unter gesunden Lebensbedingungen auf - so lautet das Leitziel des Bündnisses „Gesund Aufwachsen in Brandenburg“. Man kann sagen, dass an ihm fast alle derjenigen, die für die Kindergesundheit Verantwortung tragen, beteiligt sind.
Die Landesregierung unterstützt dieses Bündnis mit Nachdruck. Es ist wirklich ein hervorragendes Instrument, um die gesundheitlichen Probleme unserer Kinder und Jugendlichen aufzuzeigen, diese Probleme ehrlich auf den Tisch zu packen und das koordinierte Handeln auf gemeinsame Ziele auszurichten. Deshalb dränge ich darauf, dass sich die Krankenkassen und insbesondere die Kommunen daran noch aktiver als bisher beteiligen.
Das Bündnis hat in jüngster Zeit wichtige Hinweise zu Kernproblemen in der gesundheitlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen gegeben, darunter die wohl wichtigste Erkenntnis: Entwicklungsauffälligkeiten und -störungen werden in der Regel viel zu spät erkannt, gemessen am länderübergreifenden und internationalen Standard in der Regel zwei Jahre zu spät. Die betroffenen Kinder erreichen das Versorgungssystem im Durchschnitt erst nach ihrem vierten Geburtstag. Die Folgen sind bekannt: Knapp ein Fünftel der Eingeschulten hat Sprachstörungen, beinahe jeder zehnte Eingeschulte Wahrnehmungs- oder psychomotorische Störungen. Damit sich solche Störungen nicht zu chronischen Behinderungen und Erkrankungen entwickeln können und den schulischen Erfolg nicht behindern, müssen alle Maßnahmen der Früherkennung und Frühförderung effizient genutzt und vorgezogen werden.
Der Gesetzgeber hat vor vier Jahren mit der Verabschiedung des SGB IX und vor zwei Jahren mit dem Inkraftsetzen der Frühförderungsverordnung hierfür alle notwendigen rechtlichen Regelungen vorgenommen; denn Frühförderung kann helfen, Kinder in die richtigen Bahnen zu bringen und sie zu gesunden, in Schule und Berufsausbildung erfolgreichen Jugendlichen zu machen. Das ist nicht nur für die persönliche Entwicklung wichtig, sondern auch von großer gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Schließlich spart es auch Kosten, die man später nicht aufbringen muss, um chronisch gewordene Störungen in den Griff zu bekommen.
Auch von daher ist es nicht zu verstehen, warum die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozial- und Jugendhilfe und die Krankenkassenverbände in Brandenburg bisher keine Rahmenvereinbarung zur Frühförderung und keine Vereinbarung über Entgelt- und Kostenteilung unterzeichnet haben. Andere Länder sind viel weiter. Rahmenempfehlungen zur Ausgestaltung der interdisziplinären Frühförderung gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen und in Hamburg. Weitere Abschlüsse sind demnächst in Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zu erwarten.
Weil frühere Vereinbarungen gekündigt wurden und eine neue Vereinbarung nicht geschlossen wird, zeigen sich heute schon spürbare Defizite in der Versorgung. 13 Kreise und kreisfreie Städte haben die bisherigen Verträge mit den Sozialpädiatrischen Zentren gekündigt und verweigern die anteilige Zahlung in Höhe von 15 % der Kostenpauschalen. Physiotherapie und Logopädie müssen behelfsweise nach SGB V verordnet werden. Damit können über vier Fünftel der bisher in Kitas erbrachten therapeutischen Leistungen dort nicht mehr angeboten werden. Zwei Landkreise bewilligen keine spezifische Frühförderung für sinnesbehinderte Kinder, wenn diese in eine Integrations-Kita gehen.
Nach dem Grundsatz: „Kein Kind darf zurückgelassen werden“ wird mein Haus auch den Landtagsbeschluss zum Anlass nehmen, die Beteiligten im „Rehabilitationssystem Frühförderung“ zu einem intensiven weiteren Gespräch mit dem Ziel eines zügigen Abschlusses einer Rahmenvereinbarung einzuladen.
Ein weiterer wesentlicher Hinweis der Experten im Bündnis „Gesund Aufwachsen in Brandenburg“ ist, dass einzelne Maßnahmen zur Früherkennung nur noch unzureichend wahrgenommen werden, insbesondere die regelmäßigen Untersuchungen von Kindern in Kitas und Tagespflegestellen. Hier sind die Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge besonders in der
Pflicht. Erst wenn mindestens 80 % der Kinder im zweiten bis vierten Lebensjahr jährlich von den Kinderärzten und Gesundheitsämtern untersucht werden, lassen sich die meisten Entwicklungsstörungen, Erkrankungen und Behinderungen hinreichend erkennen oder ausschließen.
Mein Haus stellt sich das Ziel, die regelmäßige Untersuchung von Kindern in Kitas und Tagespflegestellen durch Ärzte der Gesundheitsämter im Rahmen der Sonderaufsicht sicherzustellen.
Meine Damen und Herren des Parlaments, stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel! Eine parlamentarische Diskussion wird eine öffentliche Diskussion und erzeugt Druck bei den Beteiligten. Deshalb bin ich den Koalitionsfraktionen für diesen Antrag sehr dankbar. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, damit ist die Debatte zum Tagesordnungspunkt 9 beendet. Wir kommen zur Abstimmung.
Die Fraktion der Linkspartei.PDS beantragt die Überweisung dieses Antrags der Koalitionsfraktionen, Drucksache 4/1779, an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Überweisungsantrag ist ohne Stimmenthaltungen mehrheitlich abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Antrag in Drucksache 4/1779 in der Sache ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.
Wahl des brandenburgischen Mitglieds und seines Stellvertreters im Ausschuss der Regionen (AdR) für die 4. Mandatsperiode 2006 bis 2009
Der Abgeordnete Vietze hat die Teilung des Abstimmungsvorganges beantragt, was er nach § 65 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung darf, sofern keine Bedenken dagegen erhoben werden. - Ich kann nicht feststellen, dass dies der Fall ist, und teile den Abstimmungsvorgang in die Abstimmung über den Beschluss zur Wahl des ordentlichen Mitglieds und die Abstimmung über den Beschluss zur Wahl des stellvertretenden Mitglieds im Ausschuss der Regionen.
„Der Landtag möge beschließen: Aufgrund des Vorschlags der Landesregierung wird Herr Staatssekretär Dr. Gerd Harms als Mitglied in den Ausschuss der Regionen gewählt.“
Das ist der erste Abstimmungsgegenstand. Wer diesem Antrag folgt, den bitte ich um sein zustimmendes Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei fünf Stimmenthaltungen ist dieser Antrag angenommen.
„Der Landtag möge beschließen: Aufgrund des Vorschlags der Landesregierung wird Herr MdL Dieter Dombrowski als stellvertretendes Mitglied in den Ausschuss der Regionen gewählt.“
Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein zustimmendes Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen und einigen Stimmenthaltungen ist auch dieser Antrag positiv beschieden worden. Damit ist Herr Dr. Gerd Harms Mitglied und Herr Dieter Dombrowski stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen.
Herr Präsident! Ich möchte meine Verwunderung und auch meinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen, dass Kollege Vietze nolens volens kurz vor der Abstimmung die Teilung des Abstimmungsvorgangs über den Antrag beantragt hat. Das haben wir in der PGF-Runde nicht besprochen und es ist auch nicht angezeigt worden. Man kann in diesem Verfahren hier gar keinen Widerspruch gegen diese Teilung äußern, wenn das Stöckchen so kurz nur hingehalten wird. Ich möchte nur sagen, dass das kein Fairplay ist und dass das nicht einreißen sollte.
Ich werte das einmal als persönliche Erklärung des Abgeordneten Schulze, da ich nicht weiß, wie ich es sonst in die Geschäftsordnung einordnen soll.