Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr EU-Osterweiterung und die daraus resultierenden bzw. sich abzeichnenden Folgen für die Entwicklung von Landwirtschaft und Umweltschutz ist ein Thema, das nicht nur für die DVU-Fraktion von Interesse sein dürfte. Diese Problematik berührt sämtliche Lebensbereiche unserer Bürgerinnen und Bürger, weil das Land Brandenburg von der Fläche und seiner Struktur her über wesentliche agrarwirtschaftliche Zweige verfügt.
Die Große Anfrage der DVU-Fraktion unter anderem zu den Problemen der Landwirtschaft und des Umweltschutzes im Ergebnis der EU-Osterweiterung ist also von großer Wichtigkeit. Bereits in der Anfangsphase dieser neuen Entwicklung gilt es, Schwachpunkte zu erkennen und Schlussfolgerungen zu ziehen, um rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen einleiten zu können. Tatsache ist doch, dass mit dieser Osterweiterung ein Agrarland mit hohem landwirtschaftlichen Potenzial hinzukam. Gemeint ist das an Brandenburg unmittelbar angrenzende Polen. Gerade diesbezüglich sehen wir einen absoluten Schwerpunkt für die brandenburgische Landwirtschafts- und Umweltpolitik.
Wenn man die in der Antwort der Landesregierung zu dieser Frage veröffentlichten Wirtschaftszahlen genauer betrachtet, kommt man eindeutig zu dem Schluss, dass erste Negativauswirkungen auf den Agrarsektor Brandenburgs sichtbar werden. Das sind die Fakten, das belegen die Zahlen.
Während sich das Volumen der Brandenburger Ausfuhr von Erzeugnissen der Ernährungswirtschaft im Zeitraum 1995 bis 2004 von 5,8 Millionen Euro auf 17,8 Millionen Euro entwickelt hat, stieg die Brandenburger Einfuhr solcher Erzeugnisse aus Polen im gleichen Zeitraum von 5,9 Millionen Euro auf immerhin 46,8 Millionen Euro. Allein hieraus ist schon ein nicht zu unterschätzendes Missverhältnis zu erkennen. Ohne Wenn und Aber sind wir der Auffassung, dass ein regulierendes Eingreifen der Landesregierung zugunsten der brandenburgischen Landwirtschaftsbetriebe zwingend erforderlich ist, zumal ein solches Missverhältnis zwischen Ein- und Ausfuhr auch insgesamt, Polen inbegriffen, zu verzeichnen ist. Auch hier nur ein kurzer Vergleich: Ausfuhr im Jahre 1995 10,2 Millionen Euro, Einfuhr 1995 20,5 Millionen Euro, Ausfuhr im Jahr 2004 30,1 Millionen Euro, Einfuhr im Jahre 2004 67,1 Millionen Euro.
Belief sich die Negativbilanz im Jahre 1995 noch auf 10,3 Millionen Euro, hatte sie 2004 bereits einen Stand von fast 40 Millionen Euro erreicht. - In der Antwort auf die Große Anfrage stehen diese Zahlen, daher habe ich sie.
Anhand dieser Zahlen muss zwangsläufig auch die Frage nach dem Stand der Lebensmittelüberwachung gestellt werden. Mehr Einfuhr aus den neuen EU-Mitglieds- und Kandidatenländern bedeutet schließlich auch mehr Risiko für den Verbraucher. Wenn die Landesregierung erklärt, dass über den Stand der Lebensmittelüberwachung in den neuen EU-Mitgliedsstaaten noch keine konkreten Erkenntnisse vorliegen, so ist das für unsere Fraktion keinesfalls befriedigend. Allein der Hinweis auf die unternommenen großen Anstrengungen der neuen Länder ist nicht ausreichend. Wie heißt es doch so schön in einem bekannten Werbespruch: „Fakten, Fakten, Fakten!“ oder in einem alten Sprichwort: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“
Was nun die Umweltproblematik betrifft, so ist auch hier die Antwort der Landesregierung auf unsere entsprechende sachbezogene Frage alles andere als befriedigend. Auch wenn die Europäische Kommission für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zuständig ist, muss doch berücksichtigt werden, dass Brandenburg der direkte Nachbar Polens ist
und demzufolge unsere Bürgerinnen und Bürger wohl die Ersten wären, die bei eventuellen Umweltsünden unseres Nachbarn die Folgen zu tragen hätten. Herr Klocksin, das verhindern Sie auch nicht. Hier gilt es, gemeinsam mit dem Bund unter Hinweis auf den Föderalismus direkten Einfluss zu nehmen. Allein daraus ist ersichtlich, welche Bedeutung das Wissen um die gegenwärtige Situation mit Blickrichtung Perspektive für den landwirtschaftlichen Bereich in Brandenburg hat. - Ich bedanke mich vorerst.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die atypische DVU-08/15-Begründung für alle sechs Großen Anfragen macht trotz unterschiedlicher Problem- bzw. Politikbereiche eines klar: Es geht der DVU nicht um eine sachdienliche Erörterung der Chancen und Probleme nach einem Jahr EU-Osterweiterung für den Bereich Landwirtschaft und Umweltschutz. Nein, Dreh- und Angelpunkt ist für sie die so genannte Ausländerfrage, die nach DVU-programmatischen Abhandlungen der Zukunft des deutschen Volkes und der Entlastung von Kriminalität, Drogen, Gewalt und Massenarbeitslosigkeit entgegensteht. Sie täuschen uns nicht, wenn Sie als Wolf im Schafspelz daherkommen, denn Ihre vermeintlich sozialen, politischen und kulturellen Fragen werden durch diese Anschauungen prismatisch gebrochen und waren im Wahlkampf in den Formen „Ausländer raus“ und „Arbeit nur für Deutsche“ deutlich erkennbar.
Sie wollen Ängste schüren und damit die Alltagsmentalität und das Weltbild besonders junger Menschen prägen. Ihre einseitige Begründung der Großen Anfrage ist beredter Ausdruck dafür und zeigt in bekennender Weise, wes Geistes Kind Sie sind.
Mit dem EU-Beitritt Polens rückt Brandenburg geografisch weiter ins Zentrum der EU. Daraus erwächst uns eine besondere Verantwortung, dieses Zusammenwachsen zu befördern.
Mit Ihren Großen Anfragen tun Sie das krasse Gegenteil. Wie Ihre Fragen zeigen, ist an Ihnen die gemeinsame Veranstaltung unseres Fachministeriums mit dem Landesbauernverband zur EU-Osterweiterung folgenlos vorbeigerauscht. Auch die Studie des Instituts für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa zu den Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Landwirtschaft hat bei Ihnen keinen Niederschlag gefunden. Sie wollen nicht die positive Bilanz deutscher und brandenburgischer Unternehmen nach einem Jahr EU-Osterweiterung zur Kenntnis nehmen, die sich in dem DIHK-Umfrageergebnis widerspiegelt.
Befürchtungen, wonach die EU-Osterweiterung zu Marktverwerfungen gerade auf dem deutschen Agrarmarkt führen würde, haben sich nicht bestätigt. Nach dem Beitritt hat sich zwar der Zustrom von Waren aus den Mitgliedsstaaten erhöht,
gleichzeitig aber hatte die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft bessere Möglichkeiten, auch ihre Marktpräsenz in Osteuropa auszubauen.
Die Milchquoten, die den Beitrittsländern zugestanden wurden, entsprechen etwa deren derzeitigem Inlandsverbrauch und ermöglichen somit nur einen begrenzten Export. Da der Inlandsverbrauch gerade bei Molkereierzeugnissen weiter im Zunehmen begriffen ist, werden die auf Dauer weiter entstehenden Versorgungsdefizite nur durch Importe gedeckt werden können, woraus sich auch für die Brandenburger Unternehmen eher zusätzliche Marktchancen ergeben.
Aber über die Chancen der EU-Osterweiterung will die DVU mit uns ja nicht reden. Das würde die Zielrichtung Ihrer Großen Anfrage, die Ausländerfeindlichkeit, konterkarieren. Auch deshalb fragen Sie nicht nach den deutlichen Strukturvorteilen der Brandenburger Land- und Ernährungswirtschaft gegenüber dem polnischen Agrar- und Ernährungssektor.
Warum klammern Sie die vorhandene Betriebsgrößenstruktur in Brandenburg völlig aus? Warum verschweigen Sie die vorhandene Ausstattung mit Sach- und Humankapital? Warum negieren Sie das Vorhandensein einer gut ausgebauten Infrastruktur? Warum schätzen Sie die bereits gewonnenen Brandenburger Erfahrungen auf dem gemeinsamen Binnenmarkt derart gering? Weil Sie die EU-Osterweiterung auf „Kriminalität, erhebliche Anpassungsprobleme, Kosten und Belastungen“, wie es in Ihrer Begründung steht, reduzieren, damit den Sozialneid schüren wollen, um Ihrer gelebten Ausländerfeindlichkeit auch in der Öffentlichkeit neuen Zündstoff zu geben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das wird Ihnen nicht gelingen.
Brandenburg hat mit Polen eine rund 250 km lange Grenze. Die Zusammenarbeit mit Polen genießt in Brandenburg Verfassungsrang; siehe Artikel 2 Abs. 1. Mit Ihrem Tun stellen Sie sich in eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ecke. Das sollte an dieser Stelle auch ausgesprochen werden.
Vielen Dank. Die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung verzichten auf ihr Rederecht. Das Wort erhält noch einmal der Abgeordnete Schulze. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir in aller Ruhe angehört, was meine Vorrednerin hier vorzutragen hatte. Das hat wieder sehr deutlich gezeigt, dass man eigentlich nicht gewillt ist, die Hauptprobleme zu erkennen oder zu lösen.
Im Gegensatz zu Ihnen bleiben wir bei der Wahrheit und nennen sie auch. Über Umfang und Bedeutung der hier behandelten Problematik gibt es sicher keinen Zweifel. Es dürfte auch klar sein, dass der zeitliche Rahmen dieses Plenums zur umfassenden Behandlung nicht ausreicht.
Im ersten Teil hatte ich in Auswertung der Antwort der Landesregierung einige konkrete Fakten angesprochen. Unser einziges Anliegen ist es, Schaden von den Brandenburgerinnen und Brandenburgern abzuwenden.
Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, Sie müssten doch diesen Teilsatz zumindest noch in Erinnerung haben.
Die Antwort der Landesregierung ist insgesamt gesehen eine Art Analyse zu Fragen der EU-Osterweiterung. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber die beste Analyse ist wertlos, wenn daraus nicht konkrete Schlussfolgerungen gezogen und Maßnahmen festgelegt werden. Nicht nur Feststellen von Gegebenheiten, sondern aktives Handeln ist für die Menschen unseres Landes von äußerster Wichtigkeit.
Probleme wie zum Beispiel die Gestaltung der Milchpreise, die Zuckermarktreform, der zunehmende Konkurrenzdruck auf dem europäischen Arbeitsmarkt durch Billiglohnkräfte - das alles sind Dinge, die unsere Bürgerinnen und Bürger interessieren, weil es oftmals um Existenzen von Betrieben bis hin zu Familien geht, meine Damen und Herren. Das sind doch Themen, mit denen sich jeder Volksvertreter auseinander zu setzen hat. Wir müssen abkommen von der Phraseologie.
Dass dem nicht so ist, kann man anhand einer Vielzahl von Beispielen untermauern. EU-Richtlinien, -Verordnungen und -Beschlüsse sind allzu oft einfach nicht mehr nachvollziehbar.
Die Landesregierung stellt hinsichtlich der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union fest, dass die Gefahr nicht zu leugnen ist, dass Tierbestände weiter abgebaut und bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen an Grenzstandorten in größerem Umfang aus der Nutzung genommen werden, was wiederum einen weiteren Verlust von Arbeitsplätzen nach sich ziehen würde.
Was den Handel von Agrarprodukten mit den mittel- und osteuropäischen neuen Mitgliedsstaaten angeht, wird zwar davon gesprochen, dass dies keinesfalls eine Einbahnstraße sei. Es wird jedoch sofort festgestellt, dass die Beitrittsländer vor allem im Marktfruchtanbau sowie in der Obst- und Gemüseerzeugung Kostenvorteile und somit auch Wettbewerbsvorteile haben. Dadurch wird der Absatz in Brandenburg erzeugter Pro
dukte unweigerlich erschwert. Logische Folge also: Entweder brandenburgische Erzeuger senken die Kosten, verändern ihre Produktionsstrukturen oder aber ganze Produktpaletten werden in die Beitrittsländer verlagert. Das Ergebnis lautet in jedem Fall, dass ein wirtschaftlicher Rückgang brandenburgischer Betriebe absehbar ist.
Ein weiteres Problem sind der Anbau und der Vertrieb gentechnisch veränderter Pflanzen und Produkte. Wenn auch festgestellt wird, dass in Brandenburg von derartig manipulierten Produkten nur wenig Gebrauch gemacht wird, stellt sich doch die Frage: Wer garantiert die naturelle Sauberkeit bei den aus den Beitrittsländern eingeführten Produkten bzw. deren für jedermann verständliche Kennzeichnung?
Abschließend fasse ich zur EU-Osterweiterung mit einem alten Sprichwort zusammen: Wer auf Vernunft und Frieden hofft, der wird enttäuscht nur allzu oft. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Debatte zur Antwort auf die Große Anfrage 12 der DVU angelangt und Sie haben die Antwort der Landesregierung zur Kenntnis genommen.