Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Wanka, ich habe die Beamtinnen und Beamten, das heißt die Mitarbeiter Ihres Ministeriums, mit keinem Satz beleidigt. Im Gegenteil, ich habe sogar herausgestellt, dass das Ministerium die Große Anfrage sehr fleißig beantwortet hat. Mein Vorwurf ging dahin, dass die Landesregierung - Sie als Ministerin sind inhaltlich und politisch für die Beantwortung der Fragen verantwortlich - bei der Beantwortung mangelhafte Sorgfalt an den Tag gelegt hat. Das betrifft nicht die Beamten in Ihrem Ministerium.

Sie können Ihre Sorge über die Verwendung der Großen Anfrage zwar äußern; aber Sie können sicher sein: Wir werden die Große Anfrage und die dazugehörige Antwort durchaus verwenden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank. Frau Ministerin, Sie haben die Möglichkeit zu reagieren. - Sie verzichten.

Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt. Sie haben die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 9 der Fraktion der PDS zur Kenntnis genommen. Tagesordnungspunkt 10 ist geschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Ein Jahr EU-Osterweiterung, II.Verkehrsinfrastruktur und grenzüberschreitender Verkehr

Große Anfrage 11 der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1393

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/1933

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Frau Abgeordnete Hesselbarth, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Via vita - an der Straße ist das Leben. So hieß es bei den alten Römern, die schon in der Antike beachtliche Fortschritte bei der Erschließung grenzüberschreitender Verkehrswege gemacht haben.

Mit der EU-Osterweiterung nahm das Land Brandenburg als Grenzregion eine Schnittstellenfunktion zwischen der bisherigen EU und den Beitrittsstaaten ein, insbesondere in der Verkehrsinfrastruktur. Deren Qualität dient nicht nur der Integration der Wirtschaftsräume; sie hat zugleich die überragende Aufgabe der Förderung unserer Wirtschaft gerade in den strukturschwachen Grenzregionen Brandenburgs, die lange Jahre im Abseits der transeuropäischen Verkehrsströme lagen.

Welche Erwartungen an die Landesregierung haben wir mit den Fragen verknüpft und warum? Von der Landesregierung erwarten wir, dass sie - erstens - über die Verkehrsentwicklung stets detailliert Auskunft geben kann und - zweitens - für eine Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur im Land Brandenburg eintritt, welche den künftigen Entwicklungen und den speziellen Bedürfnissen unseres Landes sowie den tatsächlichen Möglichkeiten der verschiedenen Verkehrsträger entspricht.

Umso befremdlicher ist es, dass sie nicht einmal konkrete aktuelle Umschlagszahlen zum grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr nach Polen vorgelegt hat. Gleiches gilt für die Fahrgastzahlen im Schienenpersonenfernverkehr. Spätestens bei Frage 2, die sich auf die Entwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs nach Polen in den Jahren bis 2015 bezieht, kapituliert die Landesregierung; sie weiß es einfach nicht.

Zu bejubeln gibt es auch nichts; denn der Stau an der Grenze hat sich auf die Fern- und die Landesstraßen verlagert. Ausreichende grenzüberschreitende alternative Verkehrsträger gibt es nicht. Deren Kapazitäten, insbesondere die der Schiene, werden nur so lange ausreichen, wie sich das Unternehmen Eisenbahn im Postkutschentempo bewegt und keine konkurrenzfähige Alternative zur Straße darstellt.

(Beifall bei der DVU)

Eine jährliche Steigerung um 8,3 % bedeutet eine Verdoppelung des Verkehrsaufkommens bis zum Jahre 2015. Auch das haben Sie offenbar ignoriert.

Zwischen Brandenburg und Polen gibt es derzeit so wenige regionale Zugverbindungen wie nie seit 1990. Zwischen Frankfurt (Oder) und Posen verkehren nur noch drei regionale Zugpaare täglich. Auf der Strecke Berlin-Küstrin-Gorzow, auf der bis vor einigen Jahren durchgehende Züge fuhren, gibt es heute lange Wartezeiten beim Umsteigen. Wer mit dem Zug auf den Grenzbahnhöfen in Frankfurt (Oder), Guben oder Forst ankommt, hat auch meist schon die Endstation erreicht; denn die regionalen Schienenverbindungen lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Selbst in Küstrin, wo wenigstens ab und an noch Anschlusszüge fahren, muss man auf diese stundenlang warten, weil deutsche und polnische Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt sind. Das ist die Realität, Herr Minister Szymanski!

Es wundert mich nicht, dass Sie auch vor den Fragen, wie Sie den heutigen Ausbauzustand der grenzüberschreitenden Schienenwege beurteilen, kapitulieren. Sie erwähnen nur einen „vorrangigen Bedarf“ bei der Angleichung der Leit- und Sicherungstechnik, die Erhöhung der Leitgeschwindigkeiten auf den grenzüberschreitenden Schienenwegen und dass zum Beispiel die Elektrifizierung des Eisenbahnabschnitts Passow-Tantow-Grenze Deutschland/Polen mit dem prognostizierten Betriebsprogramm für die DB Netz AG gegenwärtig nicht planerisch verfolgt wird.

Wie üblich verstecken sie sich hinter Kompetenzgerangel. Für uns als Opposition zählen nur die Fakten. Wir werden weiterhin den Finger in die verkehrspolitischen Wunden legen, damit endlich Bewegung ins Spiel kommt.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linkspartei.PDS-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Tack, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linkspartei.PDS-Fraktion hat kein Interesse, sich mit der Großen Anfrage der DVU zur Verkehrsinfrastruktur im grenzüberschreitenden Verkehr auseinander zu setzen, weil dieser Großen Anfrage ein Text vorangestellt ist, der in der Sache das Thema diskreditiert, da in ihm deutlich gemacht wird, dass Sie von der DVU Ängste gegen die EU-Osterweiterung schüren, dass Sie den Menschen sowohl in Deutschland als auch in den Erweiterungsländern jede Chance absprechen, die mit dieser EU-Osterweiterung im Zusammenhang steht, weil Sie ausgrenzend und menschenverachtend argumentieren und weil Sie rechtspopulistisch sind und mit Ihrem Text Deutschtümelei - davor strotzt er - zum Ausdruck bringen. Deshalb wollen wir die Auseinandersetzung mit Ihnen, meine Damen und Herren von der DVU, nicht, zumal die Fragestellung eine rein statistische ist. Daher hätten Sie auch das Landesamt für Statistik bemühen können. Ansonsten ist Ihrer Fragestellung wirklich nicht entnehmbar, wozu Sie diese Fragen stellen.

Dennoch will ich im Namen meiner Fraktion an die Landesregierung und den Verkehrsminister gerichtet noch einmal deutlich sagen, dass wir es für dringend notwendig erachten und es geboten ist, für den grenzüberschreitenden Verkehr ein gemeinsames integriertes Verkehrskonzept auf die Tagesordnung zu setzen. Wir werden uns in die diesbezügliche Auseinandersetzung begeben bzw. uns dafür einsetzen, hier aktiv zu werden.

(Vereinzelt Lachen bei der DVU)

Ich will in diesem Zusammenhang noch daran erinnern, dass Bundesverkehrsminister Stolpe im Frühjahr dieses Jahres sagte, dass es eine Peinlichkeit ist und diese sehr schnell abgestellt werden sollte, dass also „der Schaden“ im grenzüberschreitenden Verkehr auf der Schiene über Frankfurt (Oder) - das Thema ist bekannt - behoben werden soll. Da reicht es, meine Damen und Herren, jedoch nicht aus, auf den Bundesminister zu zeigen, sondern da steht das Land Brandenburg in Verantwortung.

Wir werden uns mit diesem Thema weiter auseinander setzen und - je nachdem, wie der Minister und die Landesregierung reagieren - gegebenenfalls einen Antrag einbringen, Herr Minister. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank. Für die Koalition möchte der Abgeordnete Schulze nicht reagieren. Die Landesregierung hat ebenfalls Redeverzicht erklärt. Frau Abgeordnete Hesselbarth, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Tack, wenn Sie sich mit Großen Anfragen der DVU-Fraktion nicht befassen wollen - warum reden Sie dann? Ihnen ist doch jede Plattform recht, oder?

(Beifall bei der DVU)

Im ersten Teil meiner Rede habe ich vorrangig auf die reale Situation des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs zwischen Brandenburg und Polen hingewiesen, weil dieser bezeichnend ist für die Notwendigkeit, entlang der Grenze zu Polen unverzüglich eine leistungsfähige grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Veraltete Strecken, marode Grenzbrücken, fehlende Staatsverträge und Abstimmungen sind dafür mit Sicherheit nicht die angemessene Voraussetzung. Dies schon gar nicht, solange Sie sich zum Beispiel der Beantwortung der Frage nach einer Beendigung des problematischen Zustands der Strecke Berlin-Frankfurt (Oder)-Grenze Deutschland/Polen im Hinblick auf den Zustand der Eisenbahnbrücke über die Oder entziehen. Dass hierfür der Abschluss eines Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik und Polen erforderlich ist, ist allen bekannt. Die Antwort auf die Frage, inwieweit sich die Landesregierung beim Bund bisher darüber informiert und dafür eingesetzt hat, bleibt Ihre Beantwortung bezeichnenderweise aber schuldig.

Angesichts der Tatsache, dass die Landesregierung derzeit laut ihrer Antwort auf Frage 2 keine Prognosedaten zur Entwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs hat, und angesichts der katastrophalen technischen Situation bezüglich der Vereinbarkeit der Bahnverbindungen beider Länder ist es umso widersprüchlicher, dass zu Frage 6 a nur lax behauptet wird, für das derzeitige und prognostizierte Verkehrsaufkommen im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr reichen die vorhandenen Kapazitäten aus. Das alles ist meiner Meinung nach Schönfärberei.

Es ist zum Beispiel auch nicht hinnehmbar, dass sich der Ausbau der Teilstrecke der Trasse zwischen Berlin und Warschau nämlich der Abschnitt zwischen Berlin und der Oder -, der schon im Bundesverkehrswegeplan von 1992 vorgesehen war, laut Bundesverkehrsministerium noch mindestens bis zum Jahr 2011 hinziehen soll.

Noch dramatischer sieht es auf der Strecke von Berlin über Cottbus nach Breslau und Krakau aus. Hier gibt es auf polnischer Seite nicht nur klapprige Streckenabschnitte, sondern auch 14 unbeschrankte Bahnübergänge, an denen die Züge ihr Tempo bis auf 20 km/h drosseln müssen. Wie sieht denn hier Ihre ständig beschworene positive Zusammenarbeit mit der Republik Polen aus, Herr Minister? Die 335 km lange Zugfahrt zwischen Berlin und Breslau dauert heute mit fünfeinhalb Stunden mehr als doppelt so lange wie vor über 60 Jahren.

Ebenso gravierend sieht es mit dem zweigleisigen Ausbau der Strecke von Berlin über Eberswalde und Angermünde nach Stettin aus. Er wurde schon 2003 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Wann und ob da etwas passiert, hängt nach Ihrer Antwort vom Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsstudie und davon ab, ob sich die Arbeitsgruppe der Verkehrsministerien in Berlin und Warschau auf einen Vertrag einigen kann.

Positive Zusammenarbeit mit der Republik Polen? - Fehlanzeige! Es gibt wirklich keinen Anlass zur Euphorie. Dass die Situation bei anderen Verkehrsträgern nicht besser ist, zeigt die Antwort der Landesregierung zu notwendigen Verkehrsprojekten im Bereich der grenzüberschreitenden Binnenschifffahrt.

Laut Bundesverkehrswegeplan ist der längst überfällige Vertrag mit Polen über den Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße die Voraussetzung für den Ausbau der uckermärkischen Wasserstraßen. Dafür, dass aus diesem Projekt überhaupt noch etwas wird, ist ein ganz neuer Anlauf in den stockenden Verhandlungen mit Polen erforderlich. Aber auch hier versteckt sich die Landesregierung wieder hinter der Kompetenzfrage.

Angesichts der begrenzten Redezeit kann ich die prekäre Situation lediglich beispielhaft darstellen. Aber eines sei noch gesagt: Der konkurrenzfähige Ausbau von Schienen- und Wasserstraßen ist für uns die einzige Möglichkeit, einen wesentlichen Teil des rasch wachsenden Transitverkehrs von der Straße weg zu verlagern. Natürlich muss sich das für Unternehmen rechnen. Es ist aber der einzige Weg, unsere Städte und Dörfer zu entlasten. Exakt das muss aus Sicht meiner Fraktion wesentliches Anliegen des bislang fehlenden Konzeptes sein. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Damit sind wir am Ende der Rednerliste zu Tagesordnungspunkt 11 angelangt und Sie haben die Antwort auf die Große Anfrage 11 der DVU-Fraktion zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Ein Jahr EU-Osterweiterung, III. Entwicklungen in Landwirtschaft und Umweltschutz

Große Anfrage 12 der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1394

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/1934

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Norbert Schulze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr EU-Osterweiterung und die daraus resultierenden bzw. sich abzeichnenden Folgen für die Entwicklung von Landwirtschaft und Umweltschutz ist ein Thema, das nicht nur für die DVU-Fraktion von Interesse sein dürfte. Diese Problematik berührt sämtliche Lebensbereiche unserer Bürgerinnen und Bürger, weil das Land Brandenburg von der Fläche und seiner Struktur her über wesentliche agrarwirtschaftliche Zweige verfügt.