Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Zusätzliche Öffnungszeiten für den Einzelhandel während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/2267

Die Aussprache eröffnet der Abgeordnete Karney für die CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brasilien gegen Kroatien, Schweden gegen Paraguay, Ecuador gegen Deutschland und die Ukraine gegen Tunesien - das sind die Paarungen, die in der Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im Berliner Olympiastadion gegeneinander antreten werden. Hinzu kommen noch ein Viertelfinalspiel und selbstverständlich das Endspiel um die Weltmeisterschaft.

Es werden also insgesamt sechs Spiele in Berlin ausgetragen. Damit strömen sechsmal Fans aus aller Welt in unsere Region, um sich die Spiele anzusehen. Das sind die wenigen Glücklichen, die eine Eintrittskarte ergattern konnten. Viele tausend Fußballfans werden in Biergärten oder Kneipen sitzen, um sich die Spiele auf Leinwänden und an Fernsehern anzuschauen. Sie werden sich nicht nur die sechs Spiele aus Berlin, sondern alle 64 Begegnungen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 anschauen. Zahlreiche Gäste aus aller Welt werden nicht nur nach Berlin kommen, um sich die Spiele anzusehen, sondern auch die Gelegenheit nutzen, die Region Berlin-Brandenburg kennen zu lernen.

Aus diesen Gründen hat die Koalition aus SPD und CDU dem Landtag diesen Antrag zur Abstimmung vorgelegt. Eine Ausnahmeregelung zum Ladenschlussgesetz für den Zeitraum der

Fußball-Weltmeisterschaft, also vom 9. Juni bis 9. Juli 2006, ist aus unserer Sicht absolut notwendig. Damit schaffen wir nicht nur für die zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland in unserer Region die Möglichkeit, länger einzukaufen, sondern wir geben den Händlern und Geschäftsleuten in Brandenburg auch die Möglichkeit, durch längere Öffnungszeiten ihren Umsatz zu steigern. Damit können wir einem gebeutelten Wirtschaftszweig in Brandenburg einen neuen Schub geben und für - wenn auch nur befristete - Arbeitsplätze sorgen.

Anfang November hat die zuständige Senatsverwaltung in Berlin mitgeteilt, dass sie eine solche Sonderregelung für die Weltmeisterschaft getroffen hat. Danach sollen die Geschäfte werktags von 6 bis 24 Uhr und an den fünf Sonntagen von 14 bis 20 Uhr öffnen können. Unser Antrag sieht vor, dass sich das Land Brandenburg diesen Kriterien aus Berlin grundsätzlich anschließt. Damit kommen wir auch den Wünschen aus der Wirtschaft entgegen. Die Unternehmer in Brandenburg sollen während der Fußball-Weltmeisterschaft selbst entscheiden, wann sie ihre Läden öffnen; sie sollen selber entscheiden, wann sie etwas „unternehmen“. Das trifft aber auch auf die Gäste und Bürger Brandenburgs zu. Sie sollen selbst entscheiden, wann sie einkaufen gehen. Wir Politiker würden in dieser Sache eine flexible und unbürokratische Lösung schaffen.

Die neue Bundesregierung unter der Führung der CDU hat im Koalitionsvertrag konstatiert, dass in puncto Ladenschlussrecht eine Kompetenzverlagerung auf die Länder erfolgte. Meine Hoffnung ist, dass dies mit der Wiederaufnahme der Arbeit der Föderalismuskommission, die zwischen Bund und Ländern eingerichtet wurde, endgültig geklärt wird. Dann könnten wir uns solche Ausnahmeregelungen sparen und den Ladenschluss in Brandenburg grundsätzlich selbst regeln.

Ich verhehle hierbei nicht, dass sich die CDU-Fraktion in diesem Hause dann für eine Freigabe der Ladenöffnungszeiten an den Werktagen einsetzen würde; denn der Staat hat kein Recht, die Entscheidungsfreiheit seiner Bürger, zu welcher Zeit Waren und Dienstleistungen angeboten bzw. nachgefragt werden, zu beschneiden. Allerdings trete ich dafür ein, einen arbeitsfreien Sonntag zu schaffen, um diesen kulturellen und für unsere Familien wichtigen Wert in unserem Lande zu erhalten und damit auch das „C“ in unserem Parteinamen zu vertreten.

Wenn wir einen Blick über den Tellerrand wagen und ins benachbarte Ausland schauen, so wird schnell klar, dass wir uns ein enges Ladenschlussgesetz eigentlich nicht länger leisten können. Grundsätzlich muss jeder Unternehmer und jeder kleine Händler für sein Unternehmen und für seinen Laden das Risiko tragen. Die Politik hat aber für gerechte Rahmenbedingungen, auch im europäischen Kontext, zu sorgen. Im Verhältnis zum benachbarten Ausland halte ich die jetzige Regelung für hinderlich, wettbewerbsverzerrend und veraltet. In Polen, Dänemark, Frankreich, Schweden und Irland, um nur einige Beispiele zu nennen, können die Menschen von Montag bis Freitag - und teilweise auch am Samstag - rund um die Uhr einkaufen. Die Freigabe der Öffnungszeiten ist nicht nur ein Beitrag gegen die zunehmende Verödung der Innenstädte, sondern trägt auch den veränderten Lebensgewohnheiten der Bevölkerungsmehrheit Rechnung.

Ich hoffe, dass die Föderalismuskommission ihre Arbeit schnell wieder aufnimmt und diese zu einem positiven und erfolgreichen Ergebnis führt.

„Die Welt zu Gast bei Freunden“ ist das Motto der FußballWeltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Lassen Sie uns dieses Motto zu Eigen machen und unseren bescheidenen Beitrag zum umfassenden Gelingen der Fußball-Weltmeisterschaft leisten! Die Gäste sollen unsere Region in guter Erinnerung behalten und anderen von ihr erzählen. Aus diesem Grunde sollten wir dem Einzelhandel und unseren Bürgern und Gästen während der WM die Möglichkeit geben, eine solche Sonderregelung zu nutzen und davon zu profitieren. Handeln wir also gegen die drohende Ungerechtigkeit im Einzelhandel zwischen Berlin und Brandenburg! Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Linkspartei.PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor rund acht Monaten wurden im Gebäude der ILB durch das Organisationskomitee die Standorte und Hotels vorgestellt, an und in denen die Teilnehmer der Weltmeisterschaft - in Abstimmung mit Berlin in Brandenburg Quartier beziehen.

In diesem Zusammenhang wurde bereits darüber debattiert, dass die Freigabe der Ladenöffnungszeiten während der Austragung der Weltmeisterschaft eine unverzichtbare Bedingung ist, weil das einfach internationaler Standard ist. Ich habe den Antrag nicht ganz verstanden, weil ich bis jetzt immer davon ausgegangen bin, dass sich die Landesregierung bereits mit Berlin abgestimmt und über die Freigabe letztendlich schon entschieden hat.

Unabhängig davon kann natürlich ein politischer Beschluss des Landtags in solchen Entscheidungsfindungsprozessen nur hilfreich sein. Wir als Bundesland Brandenburg sollten uns nicht blamieren, sondern gemeinsam mit Berlin einheitliche Regelungen schaffen und damit einem internationalen Standard bei Weltmeisterschaften entsprechen. Ich empfehle die Annahme dieses Antrags.

Bei der weiterführenden Debatte bezüglich des Ladenschlussgesetzes darf ich daran erinnern, dass wir bereits einen Prüfauftrag beschlossen haben, bei dem unter der Bedingung, dass die Arbeitnehmerschutzrechte in das Arbeitszeitgesetz des Bundes überführt werden, eine Freigabe des Ladenschlussgesetzes auch in Brandenburg erfolgen könnte bzw. sollte.

Insofern, meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte für eine vernünftige Weltmeisterschaft sorgen. Lassen Sie uns gemeinsam mit Berlin Regelungen finden, die dem internationalen Standard entsprechen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion setzt der Abgeordnete Müller die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Christoffers, eine Antwort sind Sie eben schuldig geblieben. Sie haben gesagt, wir müssten für eine vernünftige Weltmeisterschaft sorgen. Was verstehen Sie denn darunter? Wie wollen wir dazu beitragen, dass zum Beispiel die deutsche Nationalmannschaft erfolgreich ist? Diese Frage müssten Sie noch beantworten.

Die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land wird ein wesentliches Highlight sein. Sie wird vielleicht nicht unbedingt ein sportliches, aber auf jeden Fall ein wirtschaftliches Highlight sein.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS sowie Zuruf des Ab- geordneten Vietze - Bochow [SPD]: Das war jetzt zu viel!)

Wir haben - und das ist das Interessante - immer mehrere Perspektiven.

(Birthler [SPD]: Sie müssen die Frauen von Potsdam spielen lassen! - Vereinzelt Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

- Ja, das wäre auch eine Variante. - Wir haben mehrere Perspektiven. Die, über die wir heute reden, ist eben nicht die sportliche, sondern die wirtschaftliche Perspektive.

Wir sind wieder beim Thema und können frei von jeder Emotion darüber nachdenken. Weshalb wir den heutigen Antrag eingebracht haben, ist meines Erachtens, sehr plausibel. Wir leben in einem Wirtschaftsraum; darüber haben wir heute Morgen gesprochen. Nun steht dieser Region ein Event, ein Highlight bevor, das Touristen in erheblichen Größenordnungen zu uns bringen wird. Die Touristen werden zum einen den Fußball und zum anderen das Drumherum erleben. Das Drumherum besteht nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Brandenburg. Wir müssen das anbieten, was von einer Weltstadt, von einer Metropolenregion erwartet wird. Dort, wo es sinnvoll ist, sollten die Türen der Geschäfte offen stehen.

Im Übrigen - das sei an dieser Stelle erwähnt - passiert in Brandenburg vielerorts etwas, von dem die Öffentlichkeit noch gar keine Notiz nimmt. Zum Beispiel wird in Paaren-Glien eine Zeltstadt aufgebaut. Sie könnte den Fußballfans die Gelegenheit bieten, sich zusammenzufinden und die Spiele auf Großleinwänden zu verfolgen; dazu reichen die Kapazitäten der Berliner Hotels möglicherweise nicht aus. Die Gäste können darüber hinaus in der Region wirtschaftlich aktiv werden. Sie schauen sich nicht nur die Spiele an, sondern gehen einkaufen oder zum Essen in die Gaststätten; unternehmen all die Dinge, die zum Fußballspaß dazu gehören.

Insofern ist es nur konsequent, wenn wir uns den Berliner Regelungen anschließen. Nach meiner Kenntnis war das noch nicht richtig durchgestellt. Im Übrigen ergänzt das unseren vor kurzem gefassten Beschluss, dass Gaststätten im Außenbereich in den Sommermonaten bis 24 Uhr öffnen dürfen. Ich glaube, wir sind auf dem Weg, ein bisschen weltoffener zu werden, als wir es vielleicht in der Vergangenheit waren. Dies ist gut so. Deswegen freue ich mich, dass auch die Linkspartei.PDS unserem Antrag folgt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Die Meinung der DVU-Fraktion bringt uns der Abgeordnete Schuldt zu Gehör.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fußballweltmeisterschaft steht vor der Tür und der Einzelhandel freut sich über die längeren Öffnungszeiten; bis jetzt allerdings nur in Berlin. Es wird Zeit - ich freue mich, dass die CDU- und die SPD-Fraktion diesen Antrag eingebracht haben -, dass auch in Brandenburg die Öffnungszeiten so gestaltet werden, dass wir unsere Gäste so begrüßen können, wie es eigentlich üblich ist, und damit Weltoffenheit zeigen können. Danach sollten wir weiterhin über die Öffnungszeiten insgesamt sprechen. Denn an ihnen zeigt sich unter anderem, wie ein Staat, wie ein Land seine Gäste empfängt. Ich denke, da sind wir auf dem richtigen Weg. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir hören die Position der Landesregierung von Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ball ist rund und wieder einmal hat er uns fest im Griff. Zweifelsohne werden die vier Wochen vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 das wichtigste sportliche Ereignis in Deutschland wie auf dem ganzen Globus sein und wohl vor allem die Männer in ihren Bann ziehen. Zehntausende Gäste werden auch in der Region Berlin-Brandenburg willkommen geheißen. Während sie hier unterwegs sein werden, wollen sie einkaufen sowie touristisch und kulturell unterhalten werden. Durch verlängerte Öffnungszeiten im Einzelhandel könnte der Umsatz gesteigert und könnte auch die Weltoffenheit unserer Region gestärkt werden.

Das alles hatten die Koalitionsfraktionen im Blick, als sie diesen Antrag einbrachten. Da Berlin zum Hauptaustragungsort avanciert ist und sowohl Mannschaften als auch Offizielle dort und wahrscheinlich auch in unserer Region logieren werden, ist die Landesregierung grundsätzlich dafür, dem Handel erweiterte Öffnungszeiten zu ermöglichen. Die Wege dafür sind geebnet. Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik beschloss Rahmenvorschläge für die Ladenöffnung anlässlich der Fußball-WM. Diese waren auch die Leitschnur für die Berliner Regelung.

Die Freigabe erweiterter Öffnungszeiten erfolgt danach im Wege einer Allgemeinverfügung nach § 23 des Ladenschlussgesetzes. Allerdings verlangt § 23 für die Erteilung einer Ausnahmeregelung das Vorhandensein eines dringenden öffentlichen Interesses. In jedem Fall haben die Austragungsstädte - wie eben Berlin - einen Bedarf, die Öffnungszeiten zu verlängern. In Brandenburg finden zwar keine Spiele statt, aber die Unterbringung von Spielern, Offiziellen, Schiedsrichtern, Gästen usw. würde den Bedarf an längeren Öffnungszeiten durchaus rechtfertigen.

Natürlich wollen auch wir die Regelung so großzügig wie möglich gestalten und uns als weltoffene Gastgeber etablieren.

Doch über die geltenden Regeln können wir bei allem Für und Wider nicht hinaus. Diese Regel lautet: Nach der Arbeitsschutzzuständigkeitsverordnung sind im Land Brandenburg die Kreisordnungsbehörden für die Erteilung von Ausnahmen nach § 23 des Ladenschlussgesetzes zuständig.

(Bochow [SPD]: Stimmt!)

Das MASGF übt die Fachaufsicht aus. Wir werden die Ordnungsbehörden der Kreise deshalb anschreiben und ihnen empfehlen, in Anlehnung an die Rahmenvorschläge des LAS Ausnahmen zuzulassen. Für eine Landesregelung fehlt die Rechtsgrundlage.

Eine konkrete Aussage, in welchen Regionen des Landes erweiterte Öffnungszeiten zugelassen werden können, ist deshalb jetzt noch nicht möglich. Es haben sich erst 19 von 32 Turnierteilnehmern für ein Quartier entschieden. Mit Ausnahme der deutschen Mannschaft, die in Berlin-Grunewald logieren will, wollen alle Mannschaften in Westdeutschland Quartier beziehen. Bekannt ist, dass sich bislang vier brandenburgische Hotels als Wohn- und Trainingsquartiere beworben haben. In Paaren-Glien soll eine Campingstadt für 5 000 Fußballfans aufgebaut werden. Es ist also noch nichts endgültig entschieden.

Gemeinsam mit dem Wirtschaftsressort und der Staatskanzlei werden wir im Februar Gespräche mit allen Interessengruppen, nämlich dem Handel und seinen Verbänden, den Gewerkschaften, den Landkreisen und den Kirchen führen und die dann aktuelle Situation erläutern. Wir hoffen, dass bis dahin klar ist, welche Mannschaft wo wohnen und trainieren wird und mit wie viel Touristen und Fußballfans zu rechnen ist. Dann werden wir den Bedarf an zusätzlichen Öffnungszeiten klarer erkennen können und die Landkreise können dementsprechend Ausnahmeregelungen treffen. Ich meine, es ist ein guter Weg, den wir vorgesehen haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU sowie des Abgeordneten Christoffers [Die Linkspartei.PDS])

Damit sind wir am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Leider übersteigt es meine Befugnisse, Sie beschließen zu lassen, dass Deutschland Weltmeister wird.

(Schulze [SPD]: Aber probieren könnten Sie es, Herr Prä- sident!)

Also begnügen wir uns damit, über die Drucksache 4/2267 abzustimmen. Wer dieser seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Solch ein Ergebnis haben wir sonst nur bei der Abstimmung über die Tagesordnung.