Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Das viele Geld, das ja vorhanden ist, wird anderweitig verbraten, zum Beispiel für fremde Kriege. Mindestens 2 Milliarden Euro Kosten entstehen durch Auslandseinsätze der Bundeswehr in Kriegs- und Krisengebieten fernab der Heimat. Gelder sind da für Denkmale deutscher Schuld und Sühne. Circa 5 Milliarden Euro macht der Wiedergutmachungskomplex mit all seinen Verästelungen aus.

(Widerspruch bei der SPD sowie Zurufe: Jetzt hören Sie aber auf! - Sie sind primitiv!)

- Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Ihnen nicht recht ist, wenn Sie einmal die Wahrheit hören.

Gelder sind da für Mitgliedsstaaten der EU. Für alle, die es

nicht wissen: Deutschland ist wieder einmal größter Nettozahler dieser Gemeinschaft. Das heißt, wir zahlen jährlich ca. 10 Milliarden Euro mehr ein, als wir herausbekommen. Wir geben diese Gelder unseren europäischen Partnern, von denen uns mancher hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung längst eingeholt oder sogar überholt hat.

Circa 7 Milliarden Euro gehen an so genannter öffentlicher Entwicklungshilfe in alle Welt. Auch in diesem Bereich gibt es Missbräuche und Zweckentfremdung ungeheuerlichen Ausmaßes.

(Widerspruch bei der SPD)

Circa 3 Milliarden Euro kosteten uns im Schnitt der letzten Jahre die diversen Schuldenerlasse gegenüber anderen Staaten.

(Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

Gelder sind also da, meine Damen und Herren. Es sind sogar Gelder für inkompetente und zum Teil korrupte Politiker vorhanden. Gelder sind da für Planungen wie für das NiemeyerBad in Potsdam, für Großprojekte wie CargoLifter, Lausitzring und Chipfabrik.

(Zuruf von der SPD: Nun kriegen Sie sich mal wieder ein!)

Diese Liste ließe sich unendlich lang fortsetzen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also selber, dass Gelder vorhanden sind. Man muss lediglich die Prioritäten anders setzen.

(Beifall bei der DVU)

Doch solange dieser Staat das Wohl, die Sicherheit, die Bildung, die Zukunft unserer Kinder nicht als oberste Priorität setzt, so lange wird sich hier in diesem Lande nichts tun.

Frau Abgeordnete, Sie sind am Ende

(Beifall bei der SPD - Schulze [SPD]: In der Tat!)

Ihrer Redezeit.

(Zuruf von der SPD: Herr Präsident, Sie haben Recht!)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Es spricht der Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn in unserem Landtag eines Kontinuität hat, dann die Tatsache, dass den Abgeordneten der DVU zuhören zu müssen, für jeden eine Zumutung war, ist und bleibt. Das muss ich einmal ganz klar sagen.

(Beifall bei SPD, CDU und Linkspartei.PDS – Schuldt [DVU]: Tatsachen unerwünscht?)

Liebe Kollegen von der Linkspartei.PDS, da es bei Ihnen fröhliches Gemaunze gab, als der Landtagspräsident zu Beginn der Sitzung über An- und Abwesenheiten gesprochen hat, merke ich zu diesem Thema Folgendes an: Ihr Vorsitzender fand es dringend nötig, noch einmal öffentlich kund und zu wissen zu tun, dass ich im Dezember bei Landtagssitzungen zeitweise nicht anwesend war. Er hat das mit meiner Funktion als Bundesvorsitzender der SPD in Zusammenhang gebracht. Nur der Vollständigkeit halber möchte ich dazu sagen: Wenn er den Plan gelesen hätte, der ja öffentlich ist, hätte er klüger werden können.

Es stimmt, ich war beim Dezember-Plenum zeitweise nicht hier. Stattdessen war ich bei der Ministerpräsidentenkonferenz, gemeinhin eine Veranstaltung, die nicht für Parteivorsitzende offen ist, sondern für Ministerpräsidenten. An dem damaligen zweiten Plenartag habe ich eine Weile fehlen müssen, weil ich als Ministerpräsident an der Kranzniederlegung zur Ehrung der Opfer des Nationalsozialismus unter den Sinti und Roma in Sachsenhausen teilgenommen habe.

Kritik brauchen wir im Umgang miteinander; sie sollte aber auf ehrlicher Grundlage erfolgen. Vielleicht lernen Sie das noch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinder und Familien erleben in diesen Wochen in Deutschland eine Konjunktur wie niemals zuvor; ich halte das auch für gut. Es ist deshalb gut, weil vielen jetzt endlich klar wird, dass es auf diesen Feldern wahrlich nicht um irgendwelche weichen Themen geht - wir unterteilen unsere Themen in der Gesellschaft ja gern in so genannte weiche und harte -, sondern um knallharte Zukunftsfragen unserer Gesellschaft.

Der Zusammenhang ist relativ einfach: So gut oder so schlecht, wie wir heute für die Entwicklung unserer Kinder und unserer Familien sorgen, so gut oder so schlecht wird es morgen unserem Lande ergehen. Schon deshalb müssen wir alles, was wir nur können, dafür tun, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden. Wir müssen alles dafür tun, dass Menschen ihren Beruf und ihre Familie besser unter einen Hut bekommen können. Wir müssen alles dafür tun, dass Kinder ihre Potenziale besser und vollständig entfalten können. Wir müssen auch alles dafür tun - dazu ist schon einiges gesagt worden -, dass kein einziges Kind vernachlässigt oder gar misshandelt wird.

(Zuruf von der DVU)

Dass sich diese Einsichten jetzt zunehmend durchsetzen und von immer mehr Menschen vertreten werden, ist durchaus ein Erfolg für all diejenigen, die sich nicht erst seit heute bemühen, Öffentlichkeit für Kinder und Familien, für demografische Fragen und auch für Bildung herzustellen.

Der Landtag Brandenburg beschäftigt sich heute gleich in mehreren Tagesordnungspunkten mit genau diesem Thema, mit Kindern und Familien. Wer sich nicht so genau auskennt, könnte daraus den Schluss ziehen, dass nun ganz plötzlich in Brandenburg eine Begeisterung für dieses Thema ausgebrochen sei. Wer mit offenen Augen die Politik der letzten Monate und Jahre hier in Brandenburg verfolgt hat, der weiß aber, dass dies

wahrlich nicht der Fall ist, sondern dass diese Themen in unserem Landtag und in unserem Lande schon seit langem Staatsthemen geworden sind. Das ist gut so, meine Damen und Herren; das hat sich unsere Koalition auf die Fahnen geschrieben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Beide Koalitionspartner haben sich hier mit Absicht hohe Ziele gesetzt. Wir haben uns vorgenommen, alles zu tun, damit Brandenburg eine der kinderfreundlichsten und familienfreundlichsten Regionen in Deutschland wird, denn wir werden Lebensqualität und wirtschaftliche Dynamik auf Dauer nur erlangen und erhalten, wenn wir die Bedingungen beharrlich weiter verbessern, unter denen Kinder bei uns in Brandenburg, wenn sie denn geboren sind, aufwachsen, wobei ihre Zahl höher sein sollte.

Zugleich müssen wir bei allen Debatten darüber, was wir in Zukunft noch besser als bisher machen können, aber sehr genau darauf achten, dass uns die Maßstäbe zur Bewertung der Gegenwart nicht völlig durcheinander geraten. Ich sage sehr deutlich: Brandenburg ist im Vergleich mit den anderen Bundesländern ein armes Land. Unser Land hat ungleich schwierigere ökonomische Voraussetzungen als Hessen, Bayern oder BadenWürttemberg; ich könnte weitere nennen. Aber dorthin, wo wir in Brandenburg mit unseren viel geringeren finanziellen Mitteln im Hinblick auf Kinder- und Familienfreundlichkeit heute stehen, wollen viele andere überhaupt erst kommen. Auch das muss man einmal klipp und klar sagen.

(Beifall bei der SPD)

Brandenburg belegt hinsichtlich der Kindertagesbetreuung bundesweit einen absoluten Spitzenplatz und braucht, wie uns die OECD bestätigte, auch den internationalen Vergleich wahrlich nicht zu scheuen. Brandenburg wendete für die Kindertagesbetreuung im Haushaltsjahr 2005 einen Landeszuschuss von 123 Millionen Euro auf. Pro Kind ist das mehr, als jedes westdeutsche Flächenland im gleichen Jahr aufbringt. Auch das gehört zur Wahrheit und zur Debattenlage in unserem Land.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Brandenburg hat bei den unter Dreijährigen eine Versorgungsquote von 40 %. Kein westdeutsches Flächenland erreicht auch nur ein Viertel dieses Wertes. Brandenburg weist bei den Kindern im Kindergartenalter einen stabilen Versorgungsgrad von über 90 % auf und in Brandenburg nehmen fast 98 % aller Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung ein Angebot der Tagesbetreuung wahr. Auch das sind Zahlen, die in anderen Bundesländern nicht annähernd erreicht werden, verehrte Abgeordnete.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus besteht in Brandenburg ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für alle Kinder im Alter von null bis zwölf Jahren, um Beruf und Elternschaft - egal, ob für Ehepartner oder Alleinerziehende - miteinander vereinbar zu machen. Wir verstehen unsere Kitas wahrlich nicht erst seit heute als Bildungseinrichtungen mit der Aufgabe, die großen Bildungspotenziale unserer Kleinsten zu heben und zu pflegen.

Das sind beträchtliche Erfolge eines Landes, das ökonomisch wirklich nicht zu den starken Ländern der Bundesrepublik ge

hört, Erfolge, auf die wir zu Recht stolz sein können. Ich meine, wir sollten uns vor dem Hintergrund dieser Errungenschaften durchaus gelegentlich über die Maßstäbe der Kritik verständigen, die uns hier in Brandenburg entgegengehalten werden, denn das Leben spielt sich in Relationen ab. Ich sage es deshalb gern noch einmal deutlich: Wir sind da, wohin andere wollen. Wir haben das zentrale familienpolitische Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und frühkindlicher Betreuung, um das sich die familienpolitische Debatte in Deutschland dreht, in hohem Maße bereits heute verwirklicht.

Wir alle wissen: Es bleibt immer noch etwas zu tun; das ist überhaupt keine Frage. Aber über eines sollten wir uns im Klaren sein: Unsere Brandenburger familienpolitischen Auseinandersetzungen führen wir vor dem Hintergrund ganz anderer, nämlich bei weitem günstigerer Verhältnisse, als sie anderswo in Deutschland derzeit zu finden sind.

Wir werden weiter vorankommen müssen und wir wollen auch vorankommen. Wir werden weiter für einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitäts- und Wertewandel hin zu positiven Einstellungen gegenüber Kindern und Familien arbeiten.

Wir werden die pädagogische Qualität unserer Einrichtungen frühkindlicher Betreuung und die Bildungs- und Erziehungskompetenzen von Eltern, Familien, Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern beständig und engagiert weiter verbessern. Wir werden daran arbeiten, in Brandenburg eine integrierte Politik für Kinder und Jugendliche zu gestalten, bei der Familien-, Bildungs- und Sozialpolitiker sowie ehrenamtliche Akteure systematisch am gleichen Strang ziehen. Da gibt es noch eine Menge nachzuarbeiten, wie uns aktuelle Fälle in praxi immer wieder zeigen. Wir entwickeln neue Lösungen und Netzwerke - Sylvia Lehmann hat darüber geredet -, um der Vernachlässigung von Kindern, wo irgend möglich, bereits im Ansatz entgegenzuwirken. Frau Ministerin Ziegler wird dazu noch einige zentrale Gesichtspunkte darstellen. Mit anderen Worten: Es bleibt noch genug zu tun.

Wir haben allen Grund, die noch vor uns liegenden Aufgaben als einen kontinuierlichen Prozess der Verbesserung zu begreifen, als einen Prozess, bei dem wir bessere Lösungen nicht immer unbedingt damit erreichen, dass wir mehr Geld aufwenden. Die Haushaltslage unseres Landes ist mittlerweile jedem bekannt. Deshalb gilt: Das Ausmaß der Kinder- und Familienfreundlichkeit unserer Gesellschaft kann und darf nicht davon abhängen, ob wir Jahr für Jahr mehr Geld für diese Aufgaben aufwenden.

Wie gewöhnungsbedürftig diese Einsicht ist, zeigt die aktuelle Debatte in diesem Hause. Gerade den Damen und Herren von der Opposition möchte ich deshalb sagen: Politik handelt nicht davon, dass man Ziele benennt, die man mit noch mehr Geld noch besser erreichen kann. Politik handelt davon, dass sich nicht alle wünschenswerten Ziele gleichzeitig erreichen lassen, sonst bräuchten wir keine Politik. Gebraucht wird deshalb in verantwortungsvoller Politik Abwägung und Kompromiss, gebraucht wird der Ausgleich zwischen Interessen, zwischen verschiedenen erstrebenswerten Zielen. Genau das macht erst Politik aus.

Meine Damen und Herren, es ist das Privileg der Opposition und wird es auch bleiben, dass sie die Addition von Wünschen und Forderungen bereits für Politik ausgeben darf. Wer nicht in

Verantwortung steht, der braucht auch nicht zu unterscheiden zwischen dem Wünschbaren und dem Machbaren, zwischen hehren Zielen und tatsächlichen Möglichkeiten,

(Beifall bei SPD und CDU)