Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nehmen wir unseren Bundespräsidenten beim Wort. - Er erklärte bekanntlich am 29. Dezember letzten Jahres in einem Interview mit der Illustrierten „Stern“:
„Außerdem halte ich die Zeit für gekommen, die Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer oder ihre Beteiligung am Produktivvermögen wieder auf den Tisch zu bringen. In der Globalisierung können solche Kapitalbeteiligungen in Arbeitnehmerhand dazu beitragen, einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken.“
Wir als DVU-Fraktion als konsequente Vertreterin der Interessen der mittelständischen Betriebe und der Arbeitnehmerinteressen hier in Brandenburg haben Bundespräsident Köhler mit dem vorliegenden Antrag beim Wort genommen.
Meine Damen und Herren, Sie wissen so gut wie wir, dass die Eigenkapitaldecke der Brandenburger Betriebe und hierbei insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen völlig unzureichend ist. Gerade kleine und mittelständische Betriebe müssen einerseits häufiger mit weniger als 10 % Eigenkapital auskommen. Andererseits sind - auch das wissen Sie alle - infolge des von einer verantwortungslosen Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik noch verstärkten Globalisierungsdrucks immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Brandenburg und in ganz Deutschland von Arbeitslosigkeit bedroht, sei es durch zunehmende Rationalisierung und Automation hier in Deutschland, sei es durch Insolvenzen oder durch Betriebsverlagerungen ins Ausland.
Andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen - daran ändern bei offiziell über 6 Millionen Arbeitslosen auch gewerkschaftliche Forderungen nichts - zunehmende Lohneinbußen hinnehmen. Das Ergebnis sind lohnpolitische Nullrunden, Kürzung von Sonderzahlungen, Einschränkung von Arbeitnehmerrechten, regelrechte Bedrohung durch Billigkonkurrenz von innerhalb und außerhalb der EU und ein zunehmender Kaufkraftschwund, der die Wirtschaft weiter in die Deflation führt.
Die Stärkung der Eigenkapitalbasis ist neben der Innenfinanzierung insbesondere für die mittelständischen Unternehmen im Bereich von 1 bis 5 Millionen Euro Jahresumsatz durch Eigenfinanzierung im Rahmen von Minderkapitalbeteiligung möglich. Zur vermehrten Schaffung von wirtschaftlich bzw. volkswirtschaftlich wünschenswertem Mitarbeiterbeteiligungskapital sind wesentlich wirkungsvollere monetäre staatliche Anreize als bisher erforderlich. Neben individuellen monetären Vorteilen bietet die Mitarbeiterkapitalbeteiligung darüber hinaus die Chance, die letzten Klassenkampfrelikte über Bord zu werfen, um im wirtschaftlichen Ringen in einer globalisierten Welt künftig besser aufgestellt zu sein.
Gelingt es, aus dem Gegeneinander ein Miteinander innerhalb der betrieblichen Gemeinschaft zu formen, so wird ein entscheidender Schatz der persönlichen Ressourcen unseres Landes leichter zu heben sein, der in der Motivation der Mitarbeiter liegt. Denn qualifizierte Mitarbeiter werden nur durch Motivation zu Erfolgsgaranten.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, es mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Rechten ebenso wie mit der mittelständischen Wirtschaft hier in Brandenburg gut meinen, können Sie aus den genannten Gründen unserem hier vorliegendem Antrag eigentlich nur geschlossen zustimmen; darauf hoffe ich. - Ich bedanke mich.
Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Koalitionsfraktionen fort. Es spricht der Abgeordnete Schulze.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum mittlerweile ungezählten Male wird eine Bundesratsinitiative beantragt.
Was ist das Problem in Deutschland und auch hier in Brandenburg? Warum sind wir an manchen Stellen, in allen möglichen politischen Themenfeldern noch nicht so weit, wie wir sein könnten? Das liegt unter anderem daran, dass sehr viele sehr häufig mit dem Finger auf andere zeigen. Ich kann folgende Worte nicht mehr hören: man müsste, man könnte, man sollte.
Aber mit „man“ meint man nicht sich selbst, sondern meint, dass andere das tun sollten. Andere sollen politische Verantwortung übernehmen, sollen etwas tun.
Wenn ich in Bürgerversammlungen draußen im Land bin, dann höre ich, wie der Bürgermeister über den Landrat herzieht oder wie die Kreisverwaltung kritisiert, was die Gemeinden nicht richtig machten. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Bund und Ländern: Wenn in einem Bundesland eine politische Kraft am Ruder ist, die es vorher nicht war und zu jener Zeit kritisierte, was in der Landespolitik vermeintlich schlecht gelaufen sei, dann ist auf einmal nur die Bundesregierung schuld. Wenn man dann in der Bundesregierung ist, dann sind auf einmal die Vereinten Nationen und die Europäische Union schuld. Ich sage den Leuten dann immer: Wenn jeder seinen Job da erledigte, wohin er gestellt ist, dann sähe es überall viel besser aus.
Es geht nicht an, immer von anderen etwas zu verlangen, was man an der Stelle, an der man steht, selbst nicht zu leisten bereit oder in der Lage ist.
Um genau dieses Vorgehen handelt es sich auch bei dem vorliegenden Antrag. Es geht nicht darum, was wir hier im Land Brandenburg besser machen können, sondern es wird wieder einmal verlangt, der Bundestag oder die anderen Länder oder der Bundesrat sollten doch irgendetwas tun.
Aber befassen wir uns trotzdem mit diesem Antrag und seinem Inhalt. Es geht - zumindest wird es so vorgetragen - um die Mitarbeiterbeteiligung am Produktivvermögen. Das ist ein schöner Satz, ein hehres Anliegen. Das wird dann mit der Motivation der Mitarbeiter begründet; so führte es jedenfalls der Abgeordnete Schuldt hier aus. Ich kenne weder ein kleines noch ein mittelständisches oder großes Unternehmen, in dem die Motivation der Mitarbeiter zu wünschen übrig lässt. Ich kenne nur Unternehmen, in denen alle das Beste geben, was sie geben können, weil jeder ein Interesse an seinem Arbeitsplatz hat. Die Motivation von Mitarbeitern ist vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein Problem, aber mit Sicherheit nicht in der Wirtschaft.
Wenn es bei der Mitarbeiterbeteiligung am Produktivvermögen um irgendetwas geht, dann um den Aspekt der sozialen Sicherheit und Geborgenheit, um Zukunftssicherung. In Bezug darauf kann man mit Sicherheit nicht sagen, dass die Bundesregierung, weder die letzte noch die jetzige, die Zeichen der Zeit nicht erkannt und verschlafen hätte. Es gibt sehr viele Vorsor
gemöglichkeiten; auf die entsprechenden gesetzlichen Regelungen will ich hier nicht weiter hinweisen. Es gibt die Riesterrente, die der Bund steuerlich subventioniert, in die er Milliarden hineinpumpt, um genau diese Vorsorge zu schaffen.
Der Antrag ist auch aus verschiedenen anderen Gründen abzulehnen, nicht nur deshalb, weil wir uns dann hier über Tage, Wochen und Jahre mit Bundesratsinitiativen beschäftigen könnten und dennoch für jeden Tag eine volle Tagesordnung hätten; vielmehr bedeutete seine Umsetzung auch einen Eingriff in das Tarifrecht.
Nach Artikel 9 Grundgesetz sind alle Tarifvertragsparteien entsprechend Tarifvertragsgesetz frei. Man muss wissen, wie man zu dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, ob man möchte, dass die Tarifvertragsparteien Angelegenheiten allein regeln oder ob da eingegriffen werden soll.
Im Übrigen setzt sich der Antrag, so schön er hier auch klingen mag, nicht damit auseinander - das gilt auch für seine politische Philosophie -, was er im Zweifelsfall ebenso bewirken kann. Was passiert denn, wenn Unternehmen wirtschaftlich nicht erfolgreich sind? Auch das ist nun einmal eine Seite des Kapitalismus und eine Möglichkeit der Marktwirtschaft in der Form eines sozial abgefederten Kapitalismus. Da gehen Firmen in die Insolvenz. Das ist ein völlig natürlicher Prozess, der jetzt in sehr starkem Ausmaß abläuft - 40 000 Insolvenzen pro Jahr, der uns nicht gefallen kann und den alle beklagen, nicht zuletzt Ihre Fraktion. Was geschähe in einem solchen Fall mit der von Ihnen angestrebten Beteiligung am Produktivvermögen? Sie verfiele.
Wenn man Dinge anstrebt, muss man sich genau überlegen, ob sie wirklich zeitgemäß sind. Das sind sie in diesem Fall nicht. Mich würde auch interessieren, ob Sie sich mit der Frage der Kosten, die das verursachte, wenn man es vertreten und durchsetzen würde, auseinander gesetzt haben. Dazu haben Sie sich mit keinem Satz geäußert.
Wir sehen die Mitarbeiterbeteiligung also aus einem ganz anderen Blickwinkel. Insofern lehnen wir diesen Antrag ab. Er ist wie immer zu kurz gegriffen. Wir bedauern, dass leider nichts Substanzielles dazu kommt, wie man bestimmte Dinge in Brandenburg besser regeln könnte. Es gibt ja die so genannte konkurrierende Gesetzgebung. Ich wäre auf einen interessanten Vorschlag gespannt; den gibt es aber nicht. - Ich bedanke mich.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der DVU-Fraktion geht am eigentlichen Problem vorbei. Mitarbeiterbeteiligung am Produktivvermögen erfordert starke Gewerkschaften und eine starke Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben. Dort funktioniert Arbeitnehmerbeteiligung schon jetzt mit hoher Sicherheit für die Einlagen.
80 % der Brandenburger Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte und nur in ca. 35 % der Unternehmen gibt es Arbeitnehmervertretungen. Unter diesen Bedingungen und bei sinkenden Reallöhnen will die DVU-Fraktion den Eindruck erwecken, sie setze sich für die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhänden und für den Mittelstand ein. Ein Schelm, wer das glaubt - bei der geistigen Nähe zur NPD.
Die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhänden ist so alt wie die Bundesrepublik. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen waren bisher immer zusätzliche Instrumente. Ihr Antrag zielt darauf, mehr Lohnbestandteile in Mitarbeiterbeteiligungen umzuwandeln. Der Binnenmarkt wird somit geschädigt, Kaufkraft wird ihm entzogen und die eigentlich zu begünstigenden kleinen und mittelständischen Unternehmen haben erhebliche Probleme, ihre Produktion auf dem Markt zu realisieren. Gleichzeitig soll die freie Verfügbarkeit eingeschränkt werden; mindestens acht Jahre soll die Bindefrist betragen. Die Frage, wie damit rechtlich Kontroll-, Informations- und Stimmrechte ausgestaltet werden, wird in Ihrem Vorschlag natürlich nicht beantwortet. Wie soll zum Beispiel ein Mitarbeiter in einem Unternehmen von fünf bis 20 Beschäftigten das realisieren? Wie sollen Mitarbeiter vor Verlusten geschützt werden, und zwar nicht nur im Insolvenzfall, sondern auch im laufenden Geschäft?
Damit kommen wir nicht umhin festzustellen: Ihr Vorschlag überwindet nicht die schon gegenwärtig vielfach kritisierte einseitige Auslegung der Mitarbeiterbeteiligung für Großunternehmen, auch nicht das Problem für die kleinen und mittelständischen Unternehmen oder das Problem für die in diesen Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter. Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab.
Die Landesregierung hat Redeverzicht signalisiert, sodass das Wort noch einmal der Abgeordnete Schuldt erhält.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Otto, um Ihre Frage zu beantworten: Das soll und wird selbstverständlich im Unternehmen selbst geklärt. Dazu braucht man zum Beispiel keinen Parteisekretär.
Zu Ihnen, Kollege Schulze: Es geht darum, dass die Arbeitnehmer in ihr Unternehmen gehen, dort vernünftig arbeiten, also nicht nur einen Job machen, und auch etwas für sich schaffen.
- Wahrscheinlich bin ich Deutschland, weil Sie es nicht sind; sonst würden Sie in Ihrer Partei eine andere Politik machen. Das ist der kleine Unterschied zwischen uns beiden und zwischen meiner und Ihrer Politik.
- Gehen Sie doch bitte ans Mikrofon; dann können Sie so viele Fragen stellen, wie Sie wollen. Ich werde sie gerne beantworten.
Meine Damen und Herren, Sie haben ganz Recht: einen Ruck muss es in Deutschland geben; denn nur so kann die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung kommen. Doch das, was die neue schwarz-rote Bundesregierung in Berlin mit ihrem durch Mehrwertsteuererhöhung finanzierten Minikonjunkturprogramm plant, ist eine Luftblase. Unsere Forderung, die wir mit dem vorliegenden Antrag stellen, ist dagegen eine echte Alternative zum bisherigen ruinösen wirtschafts- und finanzpolitischen Trott und ein sozialpolitischer Meilenstein.