„Kein anderer Aspekt der Gentechnologie ist hierzulande so umstritten wie die Grüne Gentechnologie - die Züchtung und der Anbau von genetisch veränderten Pflanzen.“
Diese sehr interessante Feststellung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in ihrem erstmals veröffentlichten deutschen Gentechnologiebericht vom September vergangenen Jahres zeigt mit aller Deutlichkeit den Zwiespalt in diesem Teilstück der Genforschung.
Unsere DVU-Fraktion vertritt die einhellige Meinung, dass solange sich die Wissenschaftler nicht grundsätzlich einig sind - die Grüne Gentechnologie nur zu Forschungszwecken angewendet werden und nicht zu einem umfassenden praktischen Einsatz kommen darf.
Wir haben bekanntlich schon oft klargestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eventuelle Folgen für Mensch und Natur nicht abzusehen sind. Risiken können und dürfen nicht zugelassen werden, solange anerkannte Wissenschaftler auch nur den geringsten Zweifel äußern. Um dies zu gewährleisten, müssen Überwachungs- und Kontrollinstrumentarien geschaffen werden, die auch wirklich unabhängig sind. Im Vordergrund muss in jedem Falle der Verbraucher - oder verallgemeinert: der Mensch - stehen.
Deshalb sagt unsere Fraktion hier und heute unmissverständlich: Allein mit einer Berichterstattung durch die Landesregierung ist es bei weitem nicht getan, meine Damen und Herren. Wir können nur immer wieder betonen, dass Berichte ohne konkrete Schlussfolgerungen und zielgerichtete Maßnahmen nur Sachstandsfeststellungen darstellen und nichts, aber auch gar nichts wert sind.
Eine gute Grundlage für die Berichterstattung, Konsequenzen und Maßnahmen könnte unserer Auffassung nach die vom Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz im August 2005 herausgegebene Broschüre mit
dem Titel „Gentechnik und Koexistenz in Brandenburg - eine Bestandsaufnahme“ sein; Kollege Folgart hat sie bereits erwähnt. In dieser Broschüre treffen die Meinungen von Befürwortern und Gegnern der Grünen Gentechnik mit aller Deutlichkeit aufeinander. Dazu den Standpunkt der Landesregierung mit den erforderlichen Konsequenzen für das Land Brandenburg zu erfahren wäre durchaus interessant und sinnvoll.
Die Linkspartei.PDS-Fraktion setzt mit ihrem Antrag etwas auf die Tagesordnung, was sie auch aus einschlägigen Fachbeiträgen zur Grünen Gentechnik in Erfahrung bringen könnte, wie beispielsweise beim biologischen Arbeitskreis und dem NABU, der kürzlich in Luckau stattfand; an dem auch Vertreter unserer Fraktion teilnahmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schulze, Frau Steinmetzer, Sie haben Recht: Unsere Meinungen gehen in dieser Frage völlig auseinander.
Sie stellen einen Antrag zu Dingen, zu denen es keinen neuen Erkenntnisstand gibt; zu Dingen, die bekannt sind. Ein Bericht der Landesregierung im April - das ist übrigens viel zu kurzfristig -, kann nichts anderes hervorbringen, als das, was bereits bekannt ist, sodass wir also darauf verzichten können.
In Ihrem Antrag schreiben Sie, die Agrargentechnik greife tief in die Grundbausteine des Lebens ein. Frau Steinmetzer, welche Grundbausteine meinen Sie? Sie unterstellen, dass quasi unkontrollierbar neues Leben entsteht. Im Antrag heißt es, die Folgen seien unbekannt. - Das ist schlichtweg falsch, denn bevor eine gentechnisch veränderte Sorte oder Art das Licht dieser Welt erblickt, sind die Risiken und die Folgen, die sich daraus ergeben könnten, wie beim Bt-Mais intensiv geprüft. Die von Ihnen aufgestellte Behauptung ist haltlos; die gesetzlichen Vorschriften sind eindeutig.
Es ist bedenklich, dass Sie mit Ihren Nachfragen immer wieder Informationsbedarf anmelden und somit beim Verbraucher Unsicherheit und Zweifel säen, wo wir eigentlich Optimismus in der Anwendung der Grünen Gentechnik verbreiten müssten. Das ist unsere Aufgabe.
Der Antrag erwähnt in seiner Begründung im zweiten Absatz die gentechnikfreien Regionen. Haben Sie das Gefühl, dass diese Vorstellung in Zeiten der allgemeinen globalisierten Mobilisierung noch realistisch ist?
Herr von Arnim, ich vertrete in dieser Frage eine eindeutige Position. So genannte gentechnikfeie Zonen sind für mich Wunschdenken. In letzter Konsequenz gibt es sie nicht mehr. Wenn in diesen Zonen Tierproduktion oder Tiermast stattfinden, müssten diese Betriebe grundsätzlich auf den Einsatz von Sojafuttermitteln verzichten. Auf dieser Welt gibt es fast keine unveränderten Soja-Futtermittel mehr. Das ist eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Oder sie verzichten zum Beispiel auf den Bt-Mais in Biogasanlagen. Es wird sich zeigen, dass wir zukünftig ohne Gentechnik nicht mehr klarkommen. Das ist eine Frage der Ökonomie. Aber insgesamt gesehen liegt es im freien Ermessen eines Jeden, sich daran zu beteiligen oder auch nicht. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ich kann mir vorstellen, dass gerade in der Uckermark - Sie kommen ja von dort - wo sehr große Schutzgebiete vorhanden sind, natürlich eine andere ideologische Ausrichtung existiert, dass es dort Unternehmen gibt, die sich unter wirtschaftlichen Aspekten etwas davon versprechen oder der Meinung sind, dadurch wettbewerbsfähiger zu werden. Das ist eine irrige Annahme. Ich als Unternehmer und Landwirt handle nach der alten chinesischen Weisheit: Was sich nicht vermeiden lässt, sollte man gleich begrüßen. - Das heißt nichts anderes als dass das, was Fortschritt bedeutet, von Anfang an begleitet und unternehmerisch umgesetzt werden muss, da man ansonsten davon überrollt wird.
Herr Kollege, könnten Sie zum besseren Verständnis Ihrer Rede einem Laien mit wenigen Worten erklären, was beispielsweise unter Bt-Mais zu verstehen ist, und - falls Sie weitere Fachbegriffe verwenden - zuvor eine Erklärung dazu liefern?
- Da die Beantwortung der Fragen nicht auf meine Redezeit angerechnet wird, gehe ich gern darauf ein. Es ist jedoch nicht so leicht, kurz und verständlich zu erklären, was unter Bt-Mais zu verstehen ist. Die Abkürzung Bt steht für „Bacillus thuringiensis“; dies stand heute übrigens in der „MAZ“. Es handelt sich dabei um einen Krankheitskeim, der Schmetterlingslarven be
fällt, wobei ein toxisches Eiweiß an ihre Darmwände angelagert wird, was die Larven zum Absterben bringt.
Dieser Bazillus wird von der Pflanze nicht direkt aufgenommen. Hierfür brauchen wir die Gentechnik, mit deren Hilfe ein anderes Bakterium, ein Bodenbakterium, benutzt wird, um die DNA mit dem toxischen Gen zu verändern und dann über das Bodenbakterium in die Pflanze einzuschleusen - anders geht es nicht -, sodass die Pflanze dieses Gen in ihre DNA aufnimmt. Wenn die Raupen an der Pflanze fressen, nehmen sie das Gen auf und es entsteht der gleiche Effekt wie bei einer direkten Infektion der Raupe durch den Bazillus. So sieht die gentechnologische Kette, die wir dort aufbauen, in etwa aus.
Ich füge hinzu: Die Frage der Risikoabschätzung - da haben Sie völlig Recht - ist hierbei entscheidend; denn diese toxische Wirkung könnte ja auch bei Tieren oder Menschen auftreten, wenn sie die Produkte verzehren. Genau das ist geprüft und zweifelsfrei festgestellt worden, dass dies nicht möglich ist. Die toxische Wirkung tritt nur bei dieser Raupe auf, nur bei diesem einen Schädling des Maises und nirgendwo sonst. Das ist unter Risikoabschätzung zu verstehen. Ansonsten wäre das hier überhaupt nicht relevant.
Selbstverständlich, Frau Präsidentin. - Für mich ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Chancen der Gentechnologie, die ihren Ursprung in Europa - unter anderem in Deutschland haben, bei uns in Zweifel gezogen werden. In der Welt lacht man übrigens über unsere Ängstlichkeit und freut sich, dass wir anderen im Wettbewerb um eine der Zukunftstechnologien das Feld überlassen.
Das Meinungsbild unserer Gesellschaft ist von der Situation des satten Bauches auf der Insel der Glückseligen geprägt. Sicherlich haben jene Recht, die sagen, dass wir bei unserer Ernährungssituation auf gentechnisch veränderte Produkte verzichten können - wohlgemerkt: noch. Denn es gibt keine Steigerungsform der Ernährung, die wir hier haben. Für mich ist dies aber auch Ausdruck von Ichbezogenheit bzw. Kirchturmmentalität. Die Probleme der Welt gehen an Deutschland nicht vorüber. Warum setzen wir die großen Potenziale unseres Humankapitals - inklusive der Züchtung - nicht ein, um den Hunger, weltweit eine der größten Geißeln der Menschheit, zu bekämpfen? Das geht nur mithilfe der Gentechnologie, natürlich im Rahmen enger moralischer und rechtlich strenger Grenzen.
Die Biotechnologie hat die Gegenwart verändert und wird die Zukunft bestimmen. Biotechnologie ist inzwischen überall auf der Welt Allgemeingut. Je größer unsere Handlungsmöglichkeiten dabei sind, desto größer wird auch der Bereich der Ver
antwortlichkeiten. Dabei geht es nie nur darum, ob wir etwas, das wir können, tun dürfen, sondern immer auch darum, ob wir es als hoch entwickeltes Industrieland unterlassen dürfen. Die Entwicklung auf der Welt zwingt uns dazu, es nicht zu unterlassen. Zigmillionen Hungertote, 840 Millionen Hungernde auf dieser Welt, mehrere Milliarden Menschen mit ernährungsbedingten Mangelerscheinungen zwingen uns zum Handeln; denn wenn es nicht gelingt, den Hunger vor Ort zu bekämpfen - dies ist der einzig gangbare Weg der Problemlösung -, dann machen sich die Hungernden auf den Weg, was viel mehr Probleme - auch für uns - mit sich bringt. Hier sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, vor Ort helfen zu können.
Ich rufe Ihnen auch Folgendes in Erinnerung: In den nächsten 30 Jahren verdoppelt sich der Nahrungsbedarf, der Bedarf an Kilokalorien auf der Welt. Die verfügbare Anbaufläche reduziert sich um ein Drittel, nämlich von 0,26 auf 0,17 Hektar pro Kopf der Bevölkerung. Die Bevölkerung wächst um 90 Millionen Menschen pro Jahr. Die Anbaufläche nimmt um 7 Millionen Hektar pro Jahr ab. Die Schere klafft vollständig auseinander. Vor der Kenntnis dieses Hintergrundes die Grüne Gentechnologie als Mittel zum Zweck - nämlich den Zweck, die Nahrungsgrundlage der Weltbevölkerung zu sichern - anzuzweifeln ist für mich zutiefst unchristlich und unmoralisch.
Positiv ist zu bewerten, dass die Bundesregierung die Novellierung des Gentechnikgesetzes so vorzubereiten plant, dass Forschung und Anwendung in Deutschland wieder stattfinden. Es freut mich ganz besonders, dass unsere Bundeskanzlerin auf dem Wirtschaftsgipfel in Davos auch die Gentechnik als einen Rahmen genannt hat, in dem der Wettbewerb der besten Köpfe stattfindet. Genau das brauchen wir und nicht das Säen von Zweifeln und Ängsten beim Verbraucher; das hilft uns nicht weiter. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Dieter Helm, ich habe die ganze Zeit überlegt und mir schließlich gedacht: Das nächste Mal müssen wir dafür sorgen, dass eine Tafel mit einem Stück Kreide bereit steht, denn so fachlich fundierte Vorträge hört man sehr selten.
Meine Damen und Herren, Gentechnik war und ist - und wird es nicht nur im Landtag bleiben - ein deutschlandweites, europaweites, weltweites Thema. Wir haben der Öffentlichkeit und natürlich auch dem Landtag - in den vergangenen Monaten alle uns zur Verfügung stehenden Informationen zugänglich gemacht. Es wurde eine Website des Ministeriums eingerichtet, auf der die Informationen tagaktuell nachzulesen sind, übrigens auch das heute veröffentlichte Standortregister. Wir be
richten im Agrar-Umweltjournal - zuletzt geschah dies im Dezember 2005 - über den Stand der Grünen Gentechnik in Brandenburg. Die bereits gezeigte Broschüre „Gentechnik und Koexistenz in Brandenburg“ wurde im Jahr 2005 aufgelegt. Wir wollen 2006 eine Auswertung des in Brandenburg im Jahre 2005 erfolgten Erprobungsanbaus - um nicht mehr und nicht weniger handelt es sich hierbei - vornehmen, sobald die erforderlichen Daten und Kennziffern vorliegen und die Auswertung Sinn macht. Dies erfolgt nicht nur, um Ja oder Nein zur Gentechnik zu sagen, sondern soll auch den Landwirten eine Hilfe bei ihrer Entscheidung für oder gegen Grüne Gentechnik sein.
Zwei Dinge sind jedoch nicht leistbar. Erstens können wir gentechnikfreie Zonen nicht von oben, per Order des Ministers, des Staatssekretärs oder eines Präsidenten des Landesamtes verordnen. Das geht deshalb nicht, weil wir hier europaweit zugelassene Sorten haben und jeder Landwirt ein Recht darauf hat, diese Sorten, sofern er dies möchte - in dem Falle Mais -, anzubauen.