Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Was gentechnikfreie Zonen betrifft, die „von unten kommen“, freue ich mich sehr, dass es sie gibt, weil uns dies hilft, viele Diskussionen in einigen Regionen auch mit Blick auf die Koexistenz konventionell und ökologisch wirtschaftender Bauern zu begrenzen.

Was wir des Weiteren nicht leisten können, ist, heute schon einen umfassenden Bericht zum seit einem Jahr in Kraft befindlichen Gentechnikgesetz abzugeben, das übrigens nach wie vor auch im Hinblick auf die ergänzenden Verordnungen durch eine Reihe von Lücken „glänzt“. Ich sage es hier, wie es ist: Es fehlen nach wie vor wichtige Verordnungen, die auf Bundesebene zu erlassen sind.

Die Landesregierung ist sehr an Fragen zur Grünen Gentechnik interessiert, gerade weil wir aus den Diskussionen Beurteilungen für unser künftiges Abstimmungsverhalten bei den anstehenden Novellen zum Gentechnikrecht in Deutschland ableiten wollen. Auch wir wollen wissen, was unseren Bürgern, was unserer Wirtschaft und was unserer Landwirtschaft nützt oder schadet. Dazu brauchen wir belastbare Aussagen und nachvollziehbare Bewertungen. Das geht nur über einen längeren Zeitraum. Wir müssen über den Tellerrand Brandenburgs hinausgucken und sehen, was in Europa und vor allem in Deutschland passiert. Das ist für uns nicht ganz ohne Belang.

Ich bin sehr froh, dass Bundesminister Seehofer für das Frühjahr 2006 eine Konferenz zur Grünen Gentechnik einberufen will. Einer der Hauptgründe dafür ist - das hat Herr Abgeordneter Helm heute im Landtag in hervorragender Art und Weise geleistet -, über fachliche Hintergründe aufzuklären und nach der Konferenz eine möglichst sachliche Diskussion zur Novelle des Gentechnikrechts in Deutschland zu führen.

Wir als Land Brandenburg haben uns immer dafür eingesetzt, in diesem Gesetz mindestens drei Punkte zu regeln.

Erstens: Es muss Koexistenz wie auch Wahlfreiheit geben. Es kann nicht nach dem Motto gehen: Einer trage des Anderen Last. Ein Ökolandbauer kann nicht dafür bestraft werden, dass nebenan ein konventionell arbeitender Bauer gentechnisch veränderte Organismen einsetzen will. Hier muss es klare Regelungen geben, die beiden die freie Entscheidung ermöglichen.

Zweitens: Wir wollen die Deklarationspflicht für Futtermittel weiterhin aufrechterhalten. Jeder Landwirt wie auch jeder Verbraucher soll frei entscheiden können, welches Produkt er wählt. Diese Deklarationspflicht, die erst eine freie Entscheidung ermöglicht, macht natürlich nur dann Sinn, wenn Dinge nachgewiesen werden können.

Ich habe gestern Abend einen Bericht im „rbb“ über einen milchverarbeitenden Betrieb in Brandenburg gesehen, der aus einem einfachen Grund fachlichen Blödsinn enthalten hat: Ich kann nur das deklarieren, was ich auch nachweisen kann oder was ich im umgekehrten Fall nicht finde. Wenn an eine Milchkuh beispielsweise gentechnisch veränderter Mais verfüttert wird, ist diese DNA in der Milch nicht nachweisbar. Das ist eine Tatsache, die auf ernährungsphysiologische Grundzusammenhänge zurückzuführen ist. Falls es dazu näherer Erläuterung bedarf: Ich habe früher einmal versucht, dies Studenten beizubringen. Das ist allerdings schon ein paar Jahre her und ich will mich nicht weiter damit aufhalten.

(Beifall bei der SPD)

Solche Kampagnen - ich rede hier ganz bewusst von Kampagnen - helfen uns in dieser Diskussion überhaupt nicht weiter. Sie verunsichern den Verbraucher, weil der sich sagt: Es wird schon etwas dransein. Jetzt kaufst du die Milch nicht mehr von ihm. - Herr Abgeordneter Helm hat vorhin zu Recht gesagt, in Deutschland gebe es de facto keinen einzigen Milchviehbestand mehr, an den kein Soja verfüttert wird. Soja wird zu großen Teilen aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt. Weltweit bestehen 80 % der gesamten Sojaproduktion aus GVOs.

Wir machen bei der Grünen Gentechnik keine Politik aus dem Bauch heraus. Wir begründen, was wir tun oder lassen, und dies mit der gebotenen Sorgfalt ohne Zeitdruck wie auch mit der gebotenen Sachlichkeit. Einen Bericht im zuständigen Ausschuss über aktuell vorliegende Erkenntnisse und Einschätzungen geben wir jederzeit gern. Wir können ihn bereits in der nächsten Ausschusssitzung geben. Den aber jetzt von der Linkspartei.PDS im Antrag geforderten Bericht der Landesregierung halte ich - wie auch die anderen Redner der Koalition für verfrüht.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. Da auch der Minister das rote Lämpchen ignoriert hat, hat er die Redezeit um drei Minuten überschritten. Ich frage die Abgeordneten der einzelnen Fraktionen, ob sie ihre dadurch entstandene zusätzliche Redezeit nutzen wollen. Mir wird von allen Seiten ein „Nein“ signalisiert.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über diesen Antrag der Linkspartei.PDS, Bericht der Landesregierung zur Grünen Gentechnik, Drucksache 4/2376. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Aufhebung von Ausschlussgründen

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2411

Das Wort erhält Frau Abgeordnete Weber.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Mit der Einrichtung der Härtefallkommission hat die Landesregierung ein wichtiges Instrument zur Vermeidung menschlicher Härten geschaffen. Nach dem Aufenthaltsgesetz darf unter Inanspruchnahme der Härtefallkommission die oberste Landesbehörde Ausländern, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, abweichend eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS hatte die Einsetzung der Härtefallkommission frühzeitig gefordert und begrüßt, dass die Landesregierung als eine der ersten Landesregierungen in der Bundesrepublik die Rechtsverordnung erlassen hat, die Kommission sich zügig konstituiert und ihre Arbeit aufgenommen hat.

Die Besonderheit, dass hier Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Institutionen der Regierung einen Entscheidungsprozess in Zusammenarbeit gestalten, halten wir für einen guten Schritt in Richtung Demokratisierung und Partizipation bürgerschaftlichen Engagements.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass schon nach zehnmonatiger Tätigkeit der Kommission ein Bericht über die bisherige Tätigkeit der Härtefallkommission des Landes Brandenburg vorgelegt wurde. Dies ermöglicht es, die Arbeitsweise der Kommission einzuschätzen und auftretenden Problemen zeitnah zu begegnen.

Dieser Bericht spiegelt eine positive Bilanz wider. Nicht nur die Regelmäßigkeit der Beratungen, sondern auch das Zusammentreffen zu außerordentlichen Sitzungen bei besonderer Dringlichkeit belegen, dass sich die Mitglieder der Härtefallkommission ihren Aufgaben mit einem hohen Grad an Verantwortungsbewusstsein stellen.

Stellt man in Rechnung, dass jede Entscheidung eine Einzelfallentscheidung darstellt und in jedem Fall eine Vielzahl von rechtlichen Sachverhalten zu prüfen ist, muss man anerkennend feststellen, dass die inhaltliche Befassung mit 25 Anträgen, die 95 Personen betreffen, ein gutes Stück geleistete Arbeit ist. Hinzu kommt, dass jedes Mitglied den Antrag schon einer umfangreichen Überprüfung unterzogen hat, bevor es ihn in die Beratung der Kommission einbringt.

Im Tätigkeitsbericht der Härtefallkommission wird nachvollziehbar dargestellt, welche Diskussionsprozesse zur Verständigung in einzelnen Grundfragen, insbesondere bezüglich von Ausschlussgründen für die Befassung in der Härtefallkommis

sion, stattgefunden haben und in welchen Punkten sie nicht zu einmütigen verallgemeinerten Formulierungen und Auslegungen finden konnten.

Ausgehend davon, dass es sich bei der Befassung grundsätzlich um von den Mitgliedern der Kommission vorgeprüfte Vorgänge handelt und jeder einzelne Sachverhalt unterschiedlich und nicht bis ins Einzelne in Verordnungsrahmen abzubilden ist, vertritt die Fraktion der Linkspartei.PDS grundsätzlich den Standpunkt, dass man auf die Festlegung von Ausschlussgründen verzichten sollte. Die Arbeitszeit, die darauf verwandt wird zu prüfen, ob denn ein Ausschlussgrund vorliegt oder nicht, könnte unseres Erachtens sinnvoller für die Prüfung des eigentlichen Sachverhalts verwandt werden. Da dies aber im Moment nicht mehrheitsfähig erscheint, sollte zumindest geprüft werden, ob die Ausschlussgründe aus dem § 5 Nr. 4 und 9 verzichtbar sind. Ich möchte das wie folgt begründen und schließe mich weitgehend der Argumentation aus dem Bericht der Härtefallkommission an. Unter Nummer 4 heißt es:

„Ausschlussgründe im Sinne des § 23 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen vor bei Ausländern, die im Rahmen des ausländer- oder asylrechtlichen Verfahrens falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt haben.“

Hiermit sollte dem Grundgedanken Rechnung getragen werden, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich an die Mitwirkungswilligkeit des Ausländers geknüpft ist.

Es kann jedoch beispielsweise vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt, wo die neu eintreffenden Flüchtlinge unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland - oftmals nach einer beschwerlichen Flucht - ausführlich befragt werden, zu unvollständigen Angaben kommen.

Gründe dafür liegen darin, dass sich Flüchtlinge in dieser Anfangssituation nicht sicher fühlen, Angst vor Rückschiebungen haben, die Befragungen nicht richtig einschätzen können, Dolmetschern nicht vertrauen oder einfach nur falsch beraten sind und infolgedessen unvollständige, unwahre Angaben machen.

Nach einiger Zeit können die Beratungsstellen feststellen, dass sich die betreffenden Flüchtlinge umfassend zu ihren Fluchtgründen äußern und zunächst falsch gemachte Äußerungen korrigieren. Dies darf ihnen nicht zum Nachteil gereichen und vor allem kein Ausschlussgrund für die Befassung in der Härtefallkommission sein.

Ausländer, die beharrlich bei ihren Falschaussagen bleiben, sind demgegenüber deutlich anders gestellt. Auch wenn man Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussagen hat, können sie gegebenenfalls die Härtefallkommission in Anspruch nehmen.

Des Weiteren verlieren auch diejenigen jeglichen Anspruch, deren falsche Angaben in Bereichen liegen, die zum Asylverfahren keinen Bezug haben und auch keine Auswirkungen auf das Ergebnis des Verfahrens gehabt hätten.

In Nr. 9 heißt es:

„Ausschlussgründe liegen bei Ausländern vor, für die der Termin einer Rückführung bereits feststeht.“

Hiermit soll verhindert werden, dass jemand nach einem negativ beschiedenen Asylverfahren die Härtefallkommission ausschließlich dazu gebraucht, eine weitere Verlängerung des Verfahrens zu erreichen, obwohl schon eine Vielzahl an Formalitäten und Aktivitäten zur Vorbereitung der Ausreise erledigt worden sind.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Ausländerbehörden Rückführungstermine bereits unmittelbar nach Eintreten der vollziehbaren Ausreisepflicht festlegen und somit den Betroffenen jegliche Möglichkeit, sich an die Mitglieder der Härtefallkommission zu wenden, verwehrt wird.

Die Härtefallkommission darf zurzeit erst dann angerufen werden, wenn gerichtliche Verfahren, die einer Abschiebung entgegenstehen, abgeschlossen sind. Dies bedeutet, dass genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Härtefallkommission angerufen werden kann, zeitgleich Abschiebungen eingeleitet und Rückführungstermine angekündigt werden. Dann kommt es zu Überschneidungen, die dazu führen, dass Härtefälle von der Kommission nicht angenommen werden dürfen, weil der Rückführungstermin bereits geplant war.

Die Mitglieder der Härtefallkommission, die in ihrer überwiegenden Mehrheit ehrenamtlich arbeiten, benötigen Zeit, um die betroffenen Menschen kennen zu lernen, ihre Geschichte aufzuarbeiten und zu entscheiden, ob die Angelegenheit ein Härtefall ist und in die Kommission eingebracht werden soll. Drohende Rückführungstermine dürfen diese Arbeit nicht beeinträchtigen.

Im Übrigen ist es so, dass die Ausländerbehörden bereits angekündigte Rückführungstermine in den meisten Fällen ohne finanzielle Einbußen und Nachteile auf einen späteren Zeitpunkt verlegen können. Deshalb sollte auch dieser Ausschlussgrund gestrichen werden. Er ist nicht sachdienlich. Für die Frage, ob ein Härtefall vorliegt oder nicht, ist es völlig unerheblich.

Im Bericht der Härtefallkommission werden verschiedene Vorschläge zur Veränderung der betreffenden Formulierung gemacht, die eine Flexibilisierung der Ausschlussgründe bewirken sollen, zum Beispiel „in der Regel“, „im besonderen Falle“ usw.

In Ihrer Stellungnahme zum Bericht, Herr Minister, räumen Sie ein, dass Ihre Mitarbeiter zurzeit eine Veränderung der Härtefallkommissionsverordnung in den Nummern 4 und 9 des § 5 prüfen. Sie stellen gleichzeitig nachvollziehbar dar, dass Flexibilisierungen der Regeln die Gefahr weiterer Konflikte beinhalten, deren Lösung eher zu einer weiteren Komplizierung der Situationen führen könne.

Aus diesen Gründen und auch im Hinblick auf das gezeigte verantwortungsbewusste Handeln der Mitglieder der Härtefallkommission bitten wir die Regierung zu prüfen, inwieweit die Ausschlussgründe 4 und 9 im § 5 der Härtefallkommissionsverordnung verzichtbar sind.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Wert des Asylrechts ist ein hohes demokratisches Gut, das wir vor Missbrauch und Verunglimpfung schützen müssen. Wir sollten aber auch verhindern, dass eine bürokratische Regeldichte den gesunden humanistischen Menschenverstand ersetzt und somit Menschen aus Regelungszwang heraus dieses hohen

Gutes der Demokratie beraubt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Stark. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Weber, ich möchte zu dem vorliegenden Antrag etwas sagen. Sie fordern in diesem Antrag, dass der Landtag die Landesregierung auffordern soll, eine Prüfung dahin gehend vorzunehmen, ob die Ausschlussgründe gerechtfertigt sind. Sie würden es wissen, wenn Sie im Innenausschuss wären. Diesbezüglich frage ich mich, ob die Kommunikation geklappt hat. Seit dem 27. Dezember liegt ein umfangreicher Bericht vor, Sie haben ihn zum Teil zitiert. Der Bericht bezieht zu diesen Fragen Stellung und sagt, dass sich die Probleme im Prüfverfahren befinden und dass die Landesregierung - in diesem Fall ist der Innenminister federführend - diese Verordnung mit den Mitgliedern der Härtefallkommission Punkt für Punkt noch einmal durchgeht. Das heißt, dass wir mitten im Verfahren sind.

Nun stellen Sie sich hier hin und wollen erwirken, dass der Landtag den Beschluss fasst, ein Verfahren in Gang zu bringen, das eigentlich schon läuft. Sie sind anscheinend zu spät gekommen oder haben die Situation zu spät wahrgenommen. Wir reden darüber. In der Januarsitzung hat der Innenminister gesagt, dass wir uns mit diesem Thema im Innenausschuss noch einmal befassen können. Aus meiner Sicht gingen Sie heute zu sehr ins Detail und haben die Entscheidungsfindung vorweggenommen.