(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Frau Hesselbarth [DVU]: Das müssen Sie schon mir überlassen, Frau Mächtig!)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Sehr geehrte Frau Mächtig, wenn Sie mich mit Ihrer Aussage gemeint haben, muss ich Ihnen sagen: Ich habe keine Kleine Anfrage zum Sonderausschuss gestellt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Antrag des Sonderausschusses ist das folgerichtige Ergebnis einer Arbeit, die zwar ein hehres Ziel vor Augen hat, im Grunde jedoch das Rad neu erfindet; denn es werden Forderungen aufgestellt, die zum großen Teil sinnvoll und vernünftig sind - etwa die Überprüfung von Gesetzen auf ihre Wirksamkeit, die Aufhebung überflüssiger Vorschriften oder das Beseitigen von belastenden Nebenwirkungen. Braucht es jedoch einen Sonderausschuss? Muss dieser wirklich erst sechs Monate lang arbeiten? - Man sollte diesbezüglich an die Folgen für die Gesetze denken.
In unseren Augen offenbart der vorliegende Antrag die Hilflosigkeit des Sonderausschusses, dem es allein um die Rechtfertigung seiner Existenz zu gehen scheint. Wie sonst ist es zu erklären, dass das vorgelegte Papier nur vorwortartige Thesen und Selbstverständlichkeiten enthält? Wie ist es mit der Forderung des Antrags nach einem Verfahren zur Messung von Bürokratiekosten? - Ein solches Verfahren wurde in den Niederlanden längst entwickelt und braucht nicht neu erfunden zu werden. Es hätte wohl auch keinen Sonderausschuss gebraucht, um ein solches Verfahren in Brandenburg vorzuschlagen.
Am 05.12.2005 führte die Staatskanzlei ein Seminar durch, bei dem dieses Thema eine große Rolle spielte. Die Staatskanzlei unter der Führung des Staatskanzleichefs Appel befürwortete dieses Verfahren aus den Niederlanden wohlwollend.
Die Lektüre einiger Fachbücher über Gesetzgebung und Verwaltungswissenschaften hätte genügt, ein wesentlich gehaltvolleres Papier als diesen Antrag auf den Weg zu bringen. Stattdessen hält es der Sonderausschuss für ein Ruhmesblatt seiner Tätigkeit zu verkünden, man möge doch Rechtsvorschriften abschaffen. Ein Blick, werte Kolleginnen und Kollegen, ins Amtsblatt - das erscheint ziemlich oft - hätte genügt, um festzustellen, dass dies schon seit Jahren geschieht und dort auch veröffentlicht wird.
Es gibt noch eine weitere Passage des Antrags, die kennzeichnend für den Sonderausschuss ist, die Forderungen nach den so genannten Better Regulations, also nach besserer Gesetzgebung. Wer als Politiker ernsthaft behauptet, dass es für diese
Feststellung der sechsmonatigen Tätigkeit eines Sonderausschusses bedarf, sollte wirklich ernsthaft darüber nachdenken.
Aus Sicht der DVU-Fraktion ist dieser Antrag vor allem dem Gedanken geschuldet, als Sonderausschuss im Parlament darauf aufmerksam zu machen: Wir sind auch noch da. - Dies ist jedoch Augenwischerei.
Die Ministerien erhielten vom Sonderausschuss eine Aufgabe, die sie bis Februar und März 2006 abzuarbeiten haben. Das daraus folgende Ergebnis haben sie dem Sonderausschuss zu überreichen.
Die aufgestellten Forderungen sind jedoch bereits seit Jahrzehnten bekannt, sodass der Sonderausschuss kein Recht hat, sich mit ihnen zu schmücken. Der Sonderausschuss war von Anfang an ein teures Projekt, was ich bei seiner Einsetzung bereits erwähnte. Zudem verdeutlicht der vorliegende Antrag, dass die gepflegte Rhetorik nicht darüber hinwegtäuschen kann.
Meine Damen und Herren, wir sind auch nicht dagegen. Da es in der DVU-Fraktion keinen Fraktionszwang gibt, überlasse ich es meinen Kollegen, wie sie über den Antrag abstimmen. Ich jedenfalls werde mich bei diesem Antrag der Stimme enthalten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Claus, ich möchte Sie zunächst direkt ansprechen. Sie sind Mitglied dieses Sonderausschusses. Ich verstehe Ihre heutige Anmerkung überhaupt nicht,
weil sie im krassen Gegensatz zu dem steht, wie Sie sich im Sonderausschuss eingelassen haben - wenn Sie sich beteiligt haben. Aufgrund dessen sind Sie bei Ihrem Beitrag - Herr Claus, ich schätze Sie persönlich sehr - deutlich unter Ihren Möglichkeiten geblieben.
Meine Damen und Herren, Bürokratieabbau wurde und wird in deutschen Parlamenten immer wieder gefordert. Unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung der Regierung konnte diese Forderung bisher jedoch kaum oder lediglich punktuell eingelöst werden. Ein Übermaß an Normen und Standards beeinträchtigt die Freiheit und die Möglichkeiten wirtschaftlicher und bürgerlicher Entfaltung sowie kommunaler Selbstbestimmung. Die Koalitionsfraktionen haben deshalb das Thema Bürokratieabbau auf Ihre Fahnen geschrieben und die Einsetzung des Sonderausschusses zur Prüfung von Normen und Standards im Landtag zur Abstimmung gebracht.
Bei diesem Ausschuss wird insbesondere das klar definierte Ziel verfolgt, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Brandenburg zu stärken und die Unternehmen von überflüssigen
Verwaltungspflichten zu entlasten. Bürokratie soll vorwiegend dort abgebaut werden, wo sie für Wachstum und Beschäftigung besonders hemmend ist.
Laut einer aktuellen Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft Köln vom 23. Januar dieses Jahres könnte ein durchgreifender Bürokratieabbau in Deutschland die Wirtschaftsleistung um mehr als 30 Milliarden Euro - das entspricht 1,5 % oder 600 000 Arbeitsplätze - steigern. Mehr muss man zur Bedeutung dieses Themas nicht sagen.
Wenn es uns gelingt, Wirtschaft und Mittelstand von oftmals überbordender Bürokratie zu befreien, wirkt sich das auf Wachstum und Beschäftigung auch in Brandenburg positiv aus. Jeder Dreiklang - wirtschaftliches Wachstum durch weniger Bürokratie für mehr Beschäftigung - ist angesichts der prekären Haushaltslage und der schwierigen Rahmenbedingungen im Land Brandenburg eine wichtige Aufgabe.
Deshalb ließen wir uns im Sonderausschuss bei der konkreten Vorgehensweise von folgenden Prämissen leiten: Erstens Konzentration auf ausgewählte, besonders wichtige Handlungsfelder, zweitens gezielte und spürbare Entlastungen für Unternehmen, Kommunen und möglichst viele Bürgerinnen und Bürger, drittens Nutzung moderner Instrumente und Verfahren zur Vereinfachung der Geschäftsprozesse und Verwaltungsabläufe.
Jedoch bedarf es eines übergreifenden Ansatzes, um diese Ziele auch praktisch umsetzen zu können. Deshalb betont der hier in Rede stehende Antrag besonders das konstruktive Miteinander von Landtag, Landesregierung und Verwaltung. Die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen in diesem Ausschuss würdige ich als außerordentlich positiv und konstruktiv.
An dieser Stelle möchte ich nicht auf Detailfragen eingehen und verzichte darauf, konkrete Beispiele für Bürokratie in Brandenburg darzulegen; denn sie sind bekannt und es gibt genug von ihnen.
Wichtiger sind die Probleme und Schlussfolgerungen, die sich im Zuge unserer Arbeit im Sonderausschuss herauskristallisierten. Erstens brauchen wir eine kritische Überprüfung der bestehenden Normen und Standards, woran der Sonderausschuss arbeitet. Es wurden den Mitgliedern der Landesregierung bereits viele Prüfaufträge und Hinweise auf den Weg gegeben; beispielhaft nenne ich das Naturschutzgesetz, die Bauverordnung oder das Denkmalschutzgesetz. Diese umfangreichen Regelungswerke befinden sich - teils mit externem Sachverstand zurzeit in der Evaluation.
Zweitens brauchen wir eine bessere Regulierung bei neuen Gesetzen und Verordnungen - zum einen verständliche und klare Regelungen, zum anderen jedoch nicht mehr zu regeln als unbedingt erforderlich.
Drittens brauchen wir ein neues Bewusstsein, einen Mentalitätswechsel. Man spricht häufig von einer neuen Verwaltungskultur. Unsere Ausschussvorsitzende hat den Eindruck kundgetan, dass dies auch angekommen ist und sich alle Häuser sehr engagiert beteiligen.
Jedoch kann man solche Veränderungsprozesse den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung nicht aufzwingen - dies wäre der falsche Weg -, sondern Mittun ist angesagt.
Der richtige Weg ist es, Perspektiven zu eröffnen und dadurch ein Umdenken anzuregen. Dafür hat der Sonderausschuss gemeinsam mit der Staatskanzlei das viel versprechende Projekt „Standardkostenmodell zur Folgekostenanalyse“ initiiert, welches die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes und der Verordnung für die Unternehmen in konkrete Zahlen fasst. Man kann eben nicht nur auf andere verweisen, sondern muss es schon selbst an dem eigenen Land nicht nur ausprobieren, sondern wollen; denn es ist nicht alles übertragbar.
Viertens ist bei der Normensetzung Transparenz angesagt, wobei wir noch erhebliche Anstrengungen vorzunehmen haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Hinweis geben. Im Laufe der Arbeit wurde mir deutlich, dass die Abgeordneten in der Situation, in der sie sich der großen Verwaltung gegenübersehen, nicht nur sehr viel Zeit investieren müssen. Das ist kein Thema und das machen wir gern. Es ist auch der geballte und auswärtiger Sachverstand mit einzubeziehen. Ich hielte es deshalb für eine große Erleichterung der Arbeit des Parlaments - in diesem wie in anderen Bereichen -, wenn wir zukünftig verstärkt auf einen wirkungsvollen wissenschaftlichen Dienst zurückgreifen könnten, der uns besser in die Lage versetzt, unsere Arbeit zu organisieren. - Danke schön.
Damit sind wir beim Beitrag der Landesregierung. Ich bitte den Chef der Staatskanzlei, Herrn Staatssekretär Appel, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, wie intensiv über den Antrag des Sonderausschusses zur Überprüfung von Normen und Standards diskutiert wird. Die Debatte dokumentiert, dass das Politikziel - Reduzierung von Normen und Standards - in diesem hohen Hause einen außerordentlich hohen Stellenwert hat.
Der Ministerpräsident hat Mitte Dezember in einer Regierungserklärung das Kernstück dieser Politik vorgestellt: die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik. Es geht darum, die wirtschaftlichen Stärken auszubauen und die in unserem Land schlummernden Potenziale zu wecken. Heute morgen ging es um den Einsatz der EU-Finanzmittel in der kommenden Strukturfondsperiode. Das Geld aus Brüssel wird auch zukünftig dafür eingesetzt, die Förderkonzeption wirkungsvoll umzusetzen. Auch das Innovationskonzept dient diesem Ziel. Die Innovationspolitik ordnet sich nahtlos in die Neuausrichtung der Brandenburger Wirtschaftsförderung ein. Damit erhält die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung eine zusätzliche wichtige Facette.
Gegenwärtig wird die Außenwirtschaftskonzeption überarbeitet. Sie wird derselben Philosophie folgen wie unsere neue Förderstrategie insgesamt. Sie fragen jetzt sicherlich: Was hat das alles mit der Reduzierung von Normen und Standards zu tun? Bei alledem, was ich erwähnt habe, und bei der Reduzierung von Normen und Standards geht es darum, unser Land gut aufzustellen, damit die Brandenburger Wirtschaft im zunehmenden internationalen Wettbewerb dauerhaft mithalten kann. Zu
kunftsfeste Arbeitsplätze kann nur eine moderne und wettbewerbsfähige Wirtschaft schaffen. Umgekehrt gilt genauso: Modern und wettbewerbsfähig wird unsere Wirtschaft nur dann sein, wenn sie nicht durch übermäßige Bürokratie behindert wird.
Die Diskussion im Land um die Förderpolitik hat eines deutlich gemacht: Es ist eine seit Monaten zu beobachtende eindrucksvolle Selbstaktivierung und Selbstmobilisierung in den Regionen ausgelöst worden. Dies und den von Frau Fischer angesprochenen Mentalitätswandel müssen wir weiter fördern. Auch deshalb gehört zum strategischen Gesamtansatz der Brandenburger Wirtschaftsförderung das Bekenntnis zu konsequenter Deregulierung und Entbürokratisierung. Die Landesregierung hat sich auf den Weg gemacht. Die Leitstelle für Bürokratieabbau arbeitet nunmehr mit Hochdruck. Noch in dieser Woche werden wir den Entwurf eines Bürokratieabbaugesetzes in die Ressortabstimmung geben.
Lassen Sie mich vorab nur eines sagen: Ich höre jetzt schon die Auguren sagen: Es ist sehr wenig geworden, was in diesem Gesetz steht. - Ich glaube, es sind eine ganze Menge Bereiche in dem Gesetz angesprochen und für einen ersten Aufschlag kann es auch ein Erfolg werden, auch in dem Sinne, dass wir andere in der zweiten oder dritten Runde dann vielleicht noch mitnehmen können.
Zwei Modellprojekte zur Messung von Bürokratiekosten sind nunmehr auf den Weg gebracht worden. Ein Gesprächskreis „Bürokratieabbau“ ist etabliert. Er soll den Diskurs über die Regelungsdichte befördern und mit dazu beitragen, Problembewusstsein sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Verwaltung zu schaffen, und an der Erarbeitung strategischer Ziele für den Bürokratieabbau mitwirken.
Die Arbeit der Landesregierung zum Thema Bürokratieabbau beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Leitstelle in der Staatskanzlei. Die Ressorts - die einen weniger, die anderen mehr - haben sich selbstinitiativ auf den Weg gemacht und Vorschläge zur Deregulierung unterbreitet. Dass sich der Landtag dieses Themas heute angenommen hat, ist dem politischen Ziel Bürokratieabbau in höchstem Grade dienlich.
Mit dem Sonderausschuss zur Überprüfung von Normen und Standards arbeitet die Landesregierung vortrefflich zusammen. Über die Ziele und Wege dorthin besteht weitestgehend Einigkeit. Der vorliegende Antrag dokumentiert das in seinen wesentlichen Aussagen. Selbstverständlich wird die Landesregierung mit dem Sonderausschuss auch weiterhin eng und konstruktiv zusammenarbeiten und den dort festgehaltenen Auskunfts- und Prüfbitten nachkommen, wobei ich Frau Fischer und den anderen Mitgliedern bestätigen kann: Sie fördern uns zwar, fordern uns aber auch ganz schön.
Bei der wesentlichen Übereinstimmung mit dem uns vorliegenden Antrag gestatten Sie mir einige wenige Anmerkungen aus den Erfahrungen meiner beruflichen Tätigkeit. Es heißt dort:
Ich frage mich: Soll diese apodiktisch formulierte Aussage wirklich immer zutreffen? Kann es nicht doch Einzelfälle geben, die das Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich machen? Die jüngst bekannt gewordenen schrecklichen Fälle von
Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch haben uns alle, glaube ich, alarmiert. Wie Frau Ministerin Ziegler gestern ausführte, gibt es hier möglicherweise durchaus noch Handlungsbedarf. Auch der Gesetzgeber sollte sich dem nicht verschließen. Richtig ist natürlich eins, dass nicht immer zuerst und zuvörderst nach neuen Gesetzen gerufen wird, sondern zunächst das vorhandene Instrumentarium abgeklopft werden sollte, ob es die Ziele nicht doch abdeckt.
Alle zwei Jahre sollen neu erlassene Gesetze und Rechtsverordnungen evaluiert werden. Mit Verlaub: Ich halte das in Anbetracht der Erfahrungen mit Evaluierungsprojekten der Landesregierung für ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Ich halte die Zielsetzungen in der Generalität für kaum realisierbar, lasse mich aber gern mit guten Argumenten vom Gegenteil überzeugen.