Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Die drei Staatsgewalten Parlament, Regierung und Rechtsprechung bilden den Dreiklang, der den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland die Wahrung ihrer Rechte sichert.

Als eines der altüberlieferten klassischen Grundrechte kommt dem Petitionsrecht die Bedeutung zu, den Bürgerinnen und Bürgern außerhalb gerichtlicher Verfahren einen weitgehenden form- und kostenlosen Rechtsbehelf an die Hand zu geben.

Bereits zur Zeit der Ständeversammlung - noch vor der Französischen Revolution im Jahr 1789 - begann sich in Deutschland das Recht herauszubilden, den Bürgerinnen und Bürgern einzeln oder in Gruppen die Möglichkeit zu eröffnen, sich direkt an die Volksvertreter zu wenden.

Das alte preußische Landrecht aus dem Jahr 1794 gilt als eine der ersten normativen Grundlagen für die Einrichtung von Gesuchen. Jedem sollte das Vorbringen von Zweifeln, Einwendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andere Anordnungen im Staat freistehen.

Als um 1815 in Süddeutschland neue Verfassungen entstanden, fand vereinzelt das Recht Eingang, die Stände anzurufen. Diese wiederum konnten ihrerseits an den Monarchen herantreten. Den Bundestag des deutschen Bundes von 1815 bis 1866

konnten Bürgerinnen und Bürger allerdings nur bemühen, wenn ihre Eingaben keine öffentlichen, sondern private Probleme betrafen.

Von 1820 bis 1830 befassten sich süddeutsche Ständeversammlungen regelmäßig mit Petitionen. Die Praxis der preußischen Provinzialstände dagegen reichte nicht so weit. Im Jahr 1848 legte die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche den Grundstein für das heute geltende Eingaberecht.

Im Deutschen Reich von 1871 wurde unter Bismarck das Petitionsrecht zwar nicht ausdrücklich in der Verfassung erwähnt, war jedoch praktisch anerkannt. Der Reichstag konnte an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrat respektive der Reichskanzlei überweisen. Die Weimarer Verfassung von 1919 verankerte das Petitionsrecht in Artikel 126 als Grundrecht, das nur für deutsche Bürger galt. Für Soldaten enthielt es bestimmte Einschränkungen.

Nach dem Jahr 1933 wurde das Eingaberecht abgeschafft und Petenten drohte gerichtliche Verfolgung. NS-Juristen schlugen sogar vor, hartnäckige Beschwerdeführer als Querulanten anzuprangern.

Im Jahr 1949 stellte der Parlamentarische Rat das Petitionsrecht wieder her und erhob es zu einem Grundrecht. Artikel 17 des Grundgesetzes bestimmt Folgendes:

„Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“

Auch in Bezug auf die DDR sei gesagt, dass Artikel 103 der Verfassung jedem Bürger das Recht zusicherte, sich mit Eingaben - das wird darin näher erläutert - an die Volksvertretung, ihre Abgeordneten oder die staatlichen und wirtschaftlichen Organe zu wenden. Das Verfahren hierzu regelte ein Eingabengesetz. Ich lege jedem nahe, sich dieses Eingabengesetz aus dem Internet herunterzuladen, um zu erkennen, dass es mit dem derzeit geltenden Petitionsrecht inhaltlich wenig zu tun hat.

Im Jahr 1975 wurde das Eingaberecht auf bundesrepublikanischer Ebene noch stärker untermauert. Der Petitionsausschuss des Bundestages, dessen Arbeit bis zu jenem Zeitpunkt nur in der Geschäftsordnung erwähnt war, erhielt einen festen Platz in der Verfassung. Im Grundgesetz wurde der Artikel 45 c eingefügt:

„Der Bundestag bestellt einen Petitionsausschuss, dem die Behandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt.

Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden regelt ein Bundesgesetz.“

An dieser langen Entstehungsgeschichte mit all ihren Etappen wird für mich das hohe Gut des derzeitigen Petitionsrechtes sehr deutlich. Durch die hohe Anzahl von Petitionen in den Landtagen und im Bundestag wird dies noch unterstrichen.

Der Petitionsausschuss des Landtages Brandenburg wird auf der Grundlage des Artikels 17 des Grundgesetzes, der Artikel 24 und 71 der Landesverfassung und des Petitionsgesetzes

des Landes Brandenburg vom 13. Dezember 1991 - an diesem Datum können Sie erkennen, dass dieses Recht wenigen Änderungen unterliegt - tätig.

Das Petitionsrecht hat den am weitesten ausgedehnten Anwendungsbereich als Behelf gegen staatliche oder sonstige öffentliche Organe.

Zum Wesen der Petition gehört, dass es sich um eine Bitte oder Beschwerde handelt. Dabei muss der Inhalt der Zuschrift darauf gerichtet sein, die angesprochene Stelle zum Tätigwerden zu veranlassen.

Der Inhalt umfasst sowohl Bitten, Anregungen, Forderungen und Vorschläge für Gesetzesinitiativen als auch Anträge, Dienstaufsichts- und Verwaltungsbeschwerden. Nicht beinhalten sollen Petitionen bloße Meinungsäußerungen, Mitteilungen, Hinweise und Vorwürfe. Letzteres ist allerdings auch gängige Praxis. Die Mitglieder des Petitionsausschusses können über solche unsachgemäße Vorlagen ein Lied singen.

Bei der erforderlichen Auslegung der Petition ist Maßstab nicht der buchstäbliche Wortlaut, sondern ist der wirkliche Wille des Absenders zu erforschen, was nicht immer einfach ist.

Das in Artikel 17 des Grundgesetzes gewährleistete Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden, steht jedermann zu. Rechtsträger sind somit alle natürlichen und juristischen Personen, auch Ausländer und Staatenlose. Minderjährigen steht das Recht ebenso zu, wobei ein gesetzlicher Vertreter die Petition gegenzeichnen sollte.

Das Recht, eine Petition gemeinsam mit anderen einzureichen, erstreckt sich auch auf die Sammlung von Unterschriften für eine gemeinschaftliche Petition, was ebenfalls grundgesetzlich gesichert ist.

Die Petition muss schriftlich abgefasst sein und bedarf grundsätzlich der eigenhändigen Namensunterschrift des Petenten oder der eines bevollmächtigten Vertreters.

Im Deutschen Bundestag ist seit dem 1. September 2005 auch das elektronische Einreichen von Petitionen - bei Verwenden des im Internet zur Verfügung gestellten Formulars - möglich.

Die formellen Anforderungen an eine Petition sind in Brandenburg ausgesprochen gering gehalten. Sie muss dem Schrifterfordernis entsprechen, den Antragsteller erkennen lassen und eigenhändig unterschrieben sein.

Nach Briefsendung und Telefax machen in letzter Zeit auch in Brandenburg immer mehr Petenten von der Zusendung einer Petition per E-Mail Gebrauch. Da das elektronische Unterschriftsverfahren in Brandenburg noch nicht zum Einsatz kommt, ist die rechtswirksame Zusendung einer Petition per E-Mail aber noch nicht möglich. Hierüber werden die betreffenden Petenten entsprechend unterrichtet. Wenn eine beim Bundestag per E-Mail eingereichte Petition zuständigkeitshalber an den Landtag Brandenburg abgegeben wird, dann muss die Unterschrift hier nachgeholt werden. Dies stößt bei den Petenten oft auf Unverständnis. Das diesbezügliche Verfahren zwischen dem Bundestag und den Landesparlamenten sollte vereinheitlicht werden. Hier besteht Handlungsbedarf.

Petitionen sind grundsätzlich in deutscher Sprache einzureichen. Beleidigende Petitionen sind unzulässig, kommen in der Praxis aber vor.

Adressat einer Petition sind Volksvertretungen und zuständige Stellen. Diese sind der Bundestag, die Länderparlamente, aber auch Kreis- und Kommunalvertretungen.

Zuständig ist eine Stelle, wenn sie örtlich, sachlich und funktionell zuständig ist, die Amtshandlung vorzunehmen, die durch eine positive Erledigung der Petition erforderlich würde. Die Unzuständigkeit der angegangenen Stelle berechtigt diese in der Regel jedoch nicht, die Petition einfach zurückzuweisen. Da im Regelfall davon auszugehen ist, dass der Petent eine sachliche Prüfung durch die zuständige Stelle wünscht, ist die Eingabe dieser zuzuleiten. Eine Abgabennachricht an den Absender ist nicht nur eine Regel des Anstandes, sondern eine Verpflichtung für die entsprechende Behörde.

Ist die Petition dann in der zulässigen Form beim richtigen Adressaten eingereicht - wir haben gehört, dass dies gar nicht so schwer ist - bzw. entsprechend weitergeleitet worden, hat der Petent einen Anspruch darauf, dass sie sachlich geprüft und beschieden wird.

Mit dem vorliegenden ersten Bericht des Petitionsausschusses werden Sie darauf hingewiesen, dass bisher 911 Petitionen eingegangen sind - der Bericht ist allerdings nicht mehr ganz topaktuell -, von denen in der 19. Sitzung bereits 576 als abschließend bearbeitet galten. In der nächsten Woche trifft sich der Ausschuss schon zu seiner 22. Sitzung. An den Zahlen können Sie ablesen, dass die Beratung von Petitionen zeitaufwendig ist, dass aber auch eine große Zahl der Petitionen erledigt wird, und zwar zum Teil im Sinne des Anliegens der Petenten.

Die Aufteilung der Petitionen nach Sachgebieten wird aus den vierteljährlich dem Plenum vorzulegenden Übersichten zu den Petitionen ersichtlich und ist in dem jetzigen Bericht nicht wiedergegeben.

Über Petitionen an den Landtag Brandenburg entscheidet nach Artikel 71 Abs. 1 der Landesverfassung ausschließlich der Petitionsausschuss, sofern sich nicht der Landtag die Entscheidung vorbehält. Der Landtag Brandenburg hat also die Möglichkeit, selbst über Petitionen abschließend zu entscheiden.

Zur Erledigung seiner Aufgaben hat der Petitionsausschuss sowohl durch Grundgesetz als auch Landesverfassung bzw. Landesgesetzgebung eine umfangreiche Rechtsausstattung erfahren. Es können von der Landesregierung und all ihren Mitgliedern sowie allen Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen mündliche und schriftliche Auskünfte eingeholt sowie die Gestattung von Ortsbesichtigungen und die Vorlage von Akten verlangt werden. Diese Rechte fordert der Petitionsausschuss des Landtages Brandenburg auch regelmäßig und aus gebotener Sachlage vielfältig ein. Im Bericht sind hierzu umfangreiche Hinweise und Erläuterungen enthalten. Beispielhaft seien genannt: Besuche in Haftanstalten, Vor-Ort-Besuche zur Klärung straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen, aber auch - da spreche ich Herrn Domres aus dem Herzen - Besuche der Petenten in den Bürgerbüros.

Die Berichterstattung der Behörden gegenüber dem Petitionsausschuss zu den angesprochenen Sachverhalten erfolgt sehr

ausführlich und zum größten Teil auch fristgerecht. Die Akte eines Petenten umfasst in der Regel nicht nur eine Stellungnahme einer örtlichen oder öffentlichen Behörde, sondern mehrfache Stellungnahmen. Besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle dem Innenministerium aussprechen, das bei besonders eilbedürftigen Petitionen zum Ausländerrecht - eine sehr sensible Angelegenheit - in kürzester Zeit sehr umfänglich Bericht erstattet hat. Ich meine, das ist einen kleinen Applaus wert.

(Beifall bei SPD und CDU - Minister Schönbohm: Ge- nau!)

Doch auch das Negativbeispiel, das Herr Domres angesprochen hat, ist, glaube ich, an keinem Mitglied des Petitionsausschusses spurlos vorbeigegangen. Es soll hier noch einmal Erwähnung finden: Eine Bürgermeisterin fühlte sich trotz mehrfacher Mahnungen nicht in der Lage, eine Reaktion auf die Bitte zur Berichterstattung im Ausschuss zu zeigen. Auch ein persönliches Gespräch hat nicht zu einer Klärung geführt. Eine dann gesetzte Frist zur Stellungnahme ließ sie ebenfalls verstreichen. Erst die Kommunalaufsicht und der Dienstvorgesetzte haben die Bürgermeisterin zu einer geringen Einsicht geführt und eine Stellungnahme hervorgebracht, die inhaltlich allerdings nicht sehr hilfreich für die Arbeit des Petitionsausschusses war. Ich hoffe, das bleibt ein bedauerlicher Einzelfall und die positive Arbeit der anderen Behörden setzt sich durch.

Obwohl mir angezeigt wird, dass meine Redezeit abgelaufen ist, möchte ich noch kurz auf einen Sachverhalt zu sprechen kommen, der mir sehr wichtig ist; Herr Domres hat ihn auch schon angesprochen. Dabei geht es um gesetzliche Neuregelungen im Bereich des SGB II zum 1. Januar 2005 und die Zuständigkeiten im Bereich der Arbeitsgemeinschaften, bei denen die Rechts- und Fachaufsicht zwischen dem Bund und den Ländern geteilt ist. Aus unserer Sicht - das können Sie auch unserem Bericht entnehmen - besteht in diesem Bereich dringender Handlungsbedarf. Wir fordern die Bundesregierung bzw. das zuständige Fachministerium auf, der sachgerechten Forderung der Länder, eine einheitliche Rechts- und Fachaufsicht durch die Länder zu schaffen, Rechnung zu tragen, mit einer entsprechenden Gesetzesnovelle die Möglichkeit der Optimierung des SGB II zu nutzen. Die Unterstützung durch unser Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie haben wir; wir können nur dafür werben, dass auch andere Landesministerien dieses Anliegen unterstützen und dem Bund eindeutig sagen: Eine Klarstellung ist erforderlich, damit die entsprechenden Petitionen gerade von einer Stelle abschließend bearbeitet werden können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Frau Lieske, wir überlegen uns anschließend, wie Sie die überzogene Zeit abarbeiten. - Nun spricht die Abgeordnete Weber für die Linkspartei.PDS. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Jede Petition ist Ausdruck dessen, dass Bürger mit staatlichen Regelungen oder mit Verwaltungshandeln nicht einverstanden sind bzw. dies nicht nachvollziehen können. Deshalb ist es erforderlich, darüber nachzudenken, wie die Ver

waltung so funktionieren kann, dass es immer weniger Bürger für notwendig erachten, Petitionen einzureichen.

Bei einigen Petitionen des vergangenen Jahres stand das Bestreben im Vordergrund, subjektives Rechtsempfinden durch die Veränderung gesetzlicher Regelungen oder behördlicher Verordnungen zu geltendem Recht werden zu lassen. Vereinzelt konnten Anregungen in die parlamentarische Arbeit eingebracht werden.

Einem großen Teil der Petenten musste jedoch mitgeteilt werden, dass das Handeln der Verwaltung den gegebenen gesetzlichen Bedingungen und Verordnungen entsprach. Petitionen, die in dem Sinne sachlich unbegründet waren, wurden aber nicht formal zurückgewiesen, sondern die Rechtslage wurde für den Petenten nachvollziehbar dargestellt.

Hier, wie auch bei den meisten sachlich begründeten Petitionen, waren häufig die übergroße Regeldichte und restriktive Einschränkungen durch die Verordnungen ursächlich für Fehlentscheidungen oder Fehlinterpretationen. Beispiele: der Berechnungsbogen von ALG II, unklare Angaben bei der Berechnung von Bezügen, Vergütung von Mehrarbeit, Entscheidungen im Bau- und Planungsrecht etc. Durch Entflechtung von Verordnungen und Aufhebung restriktiver Maßnahmen entsprechend den Arbeitszielen des Sonderausschusses für Bürokratieabbau könnte man hier Abhilfe schaffen.

Der Abbau von Regeln darf aber nicht mit dem Abbau von Standards, insbesondere nicht von solchen im sozialen Bereich, einhergehen. Fehlende Standards können nämlich zu ungleichen Leistungen innerhalb des Landes Brandenburg führen. Schon jetzt ist deutlich erkennbar, dass der Rechtsanspruch, zum Beispiel auf Leistungen der Frühförderung, in den einzelnen Landkreisen sehr unterschiedlich realisiert wird, weil die entsprechende Verordnung bereits seit Jahren überfällig ist. Mehrfach musste der Petitionsausschuss gerade in diesem Bereich tätig werden.

Wenn wir uns in diesem Jahr mit der Zusammenlegung von ambulanten und stationären Eingliederungshilfen befassen, sollten wir uns darauf verständigen, dass auch hier Standards festgelegt werden und somit die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Land gefördert wird. Damit könnte auch die Notwendigkeit von Petitionen vorausschauend herabgesetzt werden. Auch durch die Stärkung anderer demokratischer Gremien kann erreicht werden, dass sich Bürger nicht erst an den Petitionsausschuss zu wenden brauchen, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Ein wesentlicher Teil der Beschwerden und Anfragen aus dem Bereich des angeordneten Aufenthalts in Justizvollzugsanstalten könnte sich durch die sich zurzeit neu konstituierenden Gefängnisbeiräte, zu denen auch Mitglieder des Landtages gehören, klären lassen und somit orts- und zeitnah ausgeräumt werden.