Die unter den Bedingungen einer geringeren Lebenserwartung zwangsläufig das Bild vom alten Menschen prägende Hilfeund Pflegebedürftigkeit kennzeichnet heute weitgehend nur die letzten Lebensjahre - die Lebensphase der Hochaltrigkeit. Während von den über 85-Jährigen 20 % in Pflegeheimen leben, sind es bei den über 75-jährigen 5 % und bei den über 65-Jährigen ist es nur 1 %.
Gesellschaftliche Veränderungen und medizinischer Fortschritt haben in den Industrieländern nicht nur zu einer längeren Lebenszeit, sondern auch zu einer längeren Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit der Menschen geführt. Die so genannten jungen Alten möchten aktiv sein, mitwirken und sich einmischen. Seniorenwochen mit je 1 000 Veranstaltungen und jeweils etwa 100 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigen beispielhaft die Vorstellung der Alten über ihre aktive Einmischung. Ihre Mottos in den letzten Jahren hießen 1998 „Den Jahren Leben geben - älter werden in Brandenburg lohnt sich“, 1999 „Eine Gesellschaft für alle Lebensalter“, 2002 „Angepackt und mitgemacht im Lande, wo der Adler lacht“, 2003 und 2004 „Aktiv und selbstbewusst mitten im Leben“ sowie 2005 „Jung und Alt gestalten gemeinsam die Zukunft“.
Die von den Alten mitgebrachten Voraussetzungen für ihre Aktivität konnte in diesem Maße keine Seniorengeneration vor ihnen vorweisen. In der Mehrheit sind sie materiell gesichert, ökonomisch unabhängig und gut ausgebildet.
Es bereitet uns große Sorge, dass dies angesichts von Vorruhestand und Arbeitslosigkeit auf die folgende Rentnergeneration nicht mehr zutreffen wird. Das Einkommen der gegenwärtigen Brandenburger Rentnergeneration basiert auf der vorwiegend aus der Sozialversicherung gezahlten Rente.
Obwohl jeder einzelne Fall bereits heute ein Fall zu viel ist sowie fehlender Inflationsausgleich und steigende Abgaben in den letzten Jahren eine reale Kürzung der Renten für alle Rentnerinnen und Rentner mit sich brachten, ist Altersarmut in Brandenburg gegenwärtig noch selten. Lediglich 1 % der 460 011 Rentner über 65 Jahre erhalten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Alarmierend sind dabei - bezogen auf die Rente - die ungleichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern. Männer erhalten höhere Renten. Der Anteil der Rentnerinnen, die weniger als 500 Euro im Monat an Rente
ohne Witwenrente - beziehen, ist mit 13,7 % wesentlich höher als der entsprechende Anteil der Rentner mit 4,6 %. Nahezu bei der Hälfte der Frauen liegt der Rentenzahlbetrag zwischen 500 und 900 Euro; die Hälfte der Männer liegt dagegen mit 900 bis 1 300 Euro im Monat deutlich darüber.
Gute Lebensbedingungen alter Menschen sind jedoch mehr als ein auskömmliches Einkommen. Sie fürchten in der Regel nicht, alt zu werden, sondern im Alter nicht mehr gebraucht zu werden. Wir wollen ein sinnerfülltes Leben führen und sicher sein, dass für uns gesorgt wird, wenn wir nicht mehr für uns selbst sorgen können.
Der Seniorenrat hat die diesjährige Seniorenwoche unter das Motto „Sozial gesichert, würdevoll leben - heute und morgen“ gestellt. Ein sozial gesichertes Leben muss für die ältere Generation einschließen, dass ihre Lebensleistung anerkannt wird und sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen in der gesellschaftlichen Mitwirkung und politischen Teilhabe nutzen kann. Die Seniorinnen und Senioren wollen im Zusammenwirken mit den Schulen und als Großeltern ihren besonderen Beitrag für die Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen leisten.
Junge und Alte sollen die gleichen Chancen der individuellen Entwicklung haben. Lasten und Chancen des demografischen Wandels müssen solidarisch auf alle Generationen verteilt werden.
Wir müssen uns um die künftige Gestaltung der Lebensbedingungen in den ländlichen Gebieten sorgen. Die Bewohnerzahl in den berlinfernen Gebieten Brandenburgs nimmt sichtbar ab und in den Dörfern bleiben die Alten übrig.
Wie werden sich deren Lebensbedingungen in Zukunft gestalten? - Auch hier haben wir den politischen Anspruch der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen, die den Alten ein selbstbestimmtes Leben garantieren und die natürlichen altersbedingten Nachteile kompensieren. Unser humanistisches Anliegen ist die Wahrung und Erleichterung des Zugangs zu sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen für ältere Menschen.
Kluge Lösungen für die Versorgung mit Konsumgütern sowie erreichbare und bezahlbare Transportmittel müssen gefunden werden und die medizinische Betreuung muss gesichert sein.
Frauen und Männer, die ihr Leben aktiv gestaltet haben, wollen auch im Alter selbstbestimmt leben und über ihre Lebensführung selbst entscheiden. In der Diskussion über die beiden Demografieberichte der Landesregierung ist vieles in Bewegung gekommen. Nennenswert sind vor allem die Bemühungen der Gemeinden und der Wirtschaft um altersgerechten Wohnraum und Pflegeeinrichtungen, die eine angemessene ambulante und stationäre medizinische und pflegerische Betreuung garantieren.
Die demografische Entwicklung zwingt uns, gemeinsam mit den Alten nach neuen Lösungen zu suchen. Die vielen regionalen Erfahrungen mit vorhandenen unkonventionellen Angeboten für Wohnen und Pflege müssen verbreitet und miteinander besser vernetzt und ein Beratungssystem muss ausgebaut werden. Mobile Pflegedienste und Angebote des Hauswirtschaftsservice sowie Nachbarschaftshilfe und andere ehrenamtliche Initiativen schaffen die Voraussetzungen für ein langes Verweilen alter Menschen in ihrer eigenen Wohnung.
In Brandenburg entstanden Projekte, in denen Junge und Alte neben der abgeschlossenen eigenen Wohnung - Gemeinschaftseinrichtungen gemeinsam nutzen und einander helfen. Eines dieser Projekte trägt den wunderbaren Titel „Glücksmomente“. Ich denke, das wird sich auch hier entwickeln.
Einig sollten wir uns darüber sein, dass eine - aufgrund des zu erwartenden wachsenden Pflegebedarfs - wachsende Zahl von Pflegeheimen weder ökonomisch möglich noch sozial wünschenswert ist. Für die Lebensbedingungen der steigenden Zahl alter Menschen gibt es weder schnelle Lösungen noch eine Formel für die sofortige Lösung aller Probleme. Wollen wir künftig im umfassenden Sinn barrierefrei leben, sollten wir vor allem mit barrierefreiem Denken beginnen und dabei auf den Rat, die Lebenserfahrung und Aktivität der Alten vertrauen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lebenssituation von Senioren ist ein sehr geeignetes Thema, um optimistisch in die Zukunft zu sehen.
Ja, ich meine optimistisch - nicht: wir werden zu alt, zu krank, zu pflegebedürftig, sondern: wir leben länger, sind gesünder und agiler. Dies stellt uns durchaus vor neue Herausforderungen, über die wir sprechen müssen.
Sieht man sich jedoch die Begründung zur Aktuellen Stunde an, könnte leicht Endzeitstimmung aufkommen. Unseren Senioren geht es nach Meinung der Antragsteller finanziell schlecht, sie stehen im sozialen Abseits und es wird ihnen immer schlechter gehen.
Diese Botschaft entspricht nicht der Wirklichkeit, sie ist polemisch und ich weise sie vehement zurück.
In Brandenburg beträgt der Anteil der Menschen, die 60 Jahre und älter sind, etwa 20 % der Bevölkerung. Durch den medizinisch-technischen Fortschritt, eine gesündere Lebensweise und nicht zuletzt durch ein gutes soziales System sind die Senioren von heute mit ihren Vorgängergenerationen nicht mehr vergleichbar.
Rüstige Senioren sind ein wachsender Wirtschaftsfaktor. Wo sich Regionen bewusst auf Senioren und Behinderte einstellen, kann man einerseits deren Bedürfnissen nach Freizeit und Erholung gerecht werden und andererseits schafft dies Arbeitsplätze.
Wirtschaft und Industrie haben längst erkannt, dass unsere Senioren gute und qualitätsbewusste Konsumenten sind, wofür
das Seniorenkaufhaus in Großräschen ein gutes Beispiel ist. Schon längst werden Senioren in die Entwicklung von Oberbekleidung einbezogen, die diese auf eine leichte Handhabung prüfen.
Handys mit großen Tasten und das speziell für Senioren entwickelte Dreitastenhandy geben einerseits Sicherheit und andererseits ein Gefühl von Mobilität.
Die Wohnstrukturen entwickeln sich neu. Das „Wohnen im Alter“ erfordert besondere Konzepte. Es gibt Beispiele für Wohngemeinschaften, teils für erkrankte, teils für rüstige, agile Senioren. Sie schließen sich zusammen und nutzen die Gemeinschaft auf vielfältige Weise: Geselligkeit, gegenseitige Hilfe, Kontakte, Kostenersparnis usw. Wir unterstützen dies ausdrücklich.
Die demografische Entwicklung stellt uns vor Herausforderungen, deren sich Bund, Land und Gemeinden annehmen müssen. Gerade im Bereich der Stadtentwicklung brauchen wir die Weitsicht der Stadtväter und Abgeordneten. Veränderter Wohnungsbau, Barrierefreiheit und leicht erreichbare Infrastruktur sind für alle Planungen wichtig.
Die ambulante Grundversorgung in Gesundheitszentren muss altengerecht gestaltet werden. Ärzte und Krankenkassen sind gut beraten, sich darauf einzustellen. Krankenhäuser müssen ihre Strukturen im Bereich der Grundversorgung auf die wachsende Anzahl altersbedingter Erkrankungen ausrichten. Das „Investitionsprogramm Pflege“ ist nach zehn Jahren abgeschlossen. Das Land hat ca. 1,36 Milliarden Euro investiert. Im Land Brandenburg gibt es 282 stationäre Einrichtungen und etwa 500 ambulante Pflegedienste in vielfältiger Trägerschaft. In diesem Bereich ist in den 15 Jahren seit der Wende im Vergleich zur DDR, aber auch im europäischen Maßstab Vorbildliches entstanden.
Ich habe noch Bilder von Seniorenheimen vor Augen, die mich mein Leben lang begleiten werden. Ich war gerade in der letzten Woche in Strausberg in einem Seniorenheim. Dieses Niveau hätten wir zu DDR-Zeiten nie erreicht.
Alt sein bedeutet nicht, gleich pflegebedürftig zu sein. Wir wissen aber, dass aufgrund der steigenden Zahl alter Menschen die Hilfsangebote zur Pflege steigen müssen. 73 % der Pflegebedürftigen werden von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt. 73 %, das ist eine enorm hohe Zahl. Allen, die sich dieser schweren Aufgabe annehmen, gebührt großer Respekt.
Diese Menschen benötigen aber auch unsere Unterstützung. Der Ausbau niederschwelliger Angebote wie des Familienentlastenden Dienstes ist unerlässlich. Sie ermöglichen den Pflegenden, einmal für sich zu sein, abzuschalten und neue Kräfte zu sammeln. Wir müssen neue Hilfsdienste organisieren und bürgerschaftliches Engagement fördern.
Junge Menschen wissen, dass sie mit dem Beruf des Altenpflegers gute Berufsaussichten haben. Dieser Beruf ist aber eine Berufung und nicht jeder ist geeignet. Unsere jungen Menschen brauchen Verständnis und Einfühlungsvermögen. Dies wiederum können sie nur haben, wenn wir den Dialog zwischen den Generationen organisieren und leben. Ein Sprichwort sagt: „Was ein Alter im Sitzen sieht, sieht ein Junger nicht einmal im Stehen.“ Um diese Einsicht zu bekommen, müssen wir erst einmal einsehen, dass das Leben nur gemeinsam von Jung und Alt zu meistern ist.
Leben ist Lernen und ein langes Leben bringt viele Erfahrungen mit sich, trägt zur Reife, zur Gelassenheit, vielleicht auch zu einer gewissen Abgeklärtheit und vor allem zu Weisheit bei. All dies bringen wir nur in Erfahrung, wenn in unseren Familien über unsere Wünsche und Vorstellungen gesprochen wird. Erwartungen unserer Eltern und Großeltern können wir nur erfüllen, wenn wir ihr Leben kennen. Nur wenn wir gemeinsam die Höhen und Tiefen des Lebens miteinander teilen, können wir uns gegenseitig verstehen. Deshalb ist für mich für alle Belange des Lebens die Stärkung der Familie das Wichtigste.
Oft höre ich: Wir müssen unsere Senioren mehr in die gesellschaftlichen Strukturen einbinden. - Warum erst, wenn unsere Eltern Senioren sind? Viele engagieren sich schon lange in Seniorenräten, Kreistagen, Vereinen, in Kultur und Freizeit. Viele Aktivitäten sind ohne ihr Engagement gar nicht möglich. Darüber bin ich froh und dankbar. Zwischen den verordneten Organisationen in der DDR und dem Aufbau neuer Verbandsstrukturen lag eine Durststrecke. Heute müssen wir zweifelsohne anerkennen, dass wir uns auf unsere Senioren verlassen können.
Zur Lebenssituation der Senioren gehört auch die Rentenpolitik. Es war die Regierung unter Dr. Helmut Kohl, die sich nach der Wiedervereinigung als Erstes um die Finanzierung der Renten gekümmert hat.
Die meisten verfügen über eine auskömmliche Rente. Auch zukünftige Renten sollen und müssen das Leben sichern. Etwa 33,9 Millionen Beschäftigten stehen 20 Millionen Rentner gegenüber. Es wird eine schwierige Aufgabe sein, zwischen der immer größer werdenden Zahl von Rentnern und der aufgrund des Geburtenrückgangs immer kleiner werdenden Zahl von Erwerbstätigen Verständnis zu erzeugen.
Wenn man heute in Rente geht, hat man noch mehr als ein Viertel seines Lebens vor sich. Wenn wir älter werden und dabei gesünder bleiben, warum sollen wir dann nicht auch länger arbeiten? Das bedarf allerdings einer grundlegenden Änderung unserer Einstellung zur Gesellschaft. Unsere Berufsbiografien ändern sich. Darauf muss sich der Arbeitsmarkt einstellen.