Dann - der festen Überzeugung bin ich, Frau Vizepräsidentin erhalten wir mit der Weiterführung dieses Diskussionsprozesses eine aufgeschlossene Atmosphäre und sicherlich auch in der Perspektive weiter gehende, vernünftige Lösungen. - Ich danke.
Recht herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Vietze. - Es spricht nun für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Schulze.
In der Zwischenzeit, in der er an das Rednerpult kommt, begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Neuenhagen. Seien Sie herzlich willkommen bei uns.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Anwesende! Die Debatte über das Abgeordnetengesetz, die wir in den letzten Wochen und Monaten - im Prinzip seit Anfang Februar - öffentlich geführt haben, ist schon geprägt von Missverständnissen für die Rolle, die Funktion, die Aufgabe von Abgeordneten, ist auch geprägt von Doppelzüngigkeit, Doppelbödigkeit und auch ein Stück weit von Missgunst.
Ich habe bei der Einbringungsrede am 5. April schon deutlich gemacht, dass das Abgeordnetenmandat, der Mensch, der es innehat, die Rolle und Funktion, ein Verfassungsorgan ist, und mit allen möglichen Dingen, die ins Gespräch gebracht worden sind, nicht so einfach zu vergleichen.
Ich möchte denjenigen Bürgerinnen und Bürgern, die das auch kritisieren, die das beleuchten, die das aber vielleicht nicht verstehen, ins Gedächtnis rufen, dass die Abgeordneten von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt sind, um dieses Land in ihrem Auftrag und Namen mit zu regieren sowie die Landesregierung, die Verwaltung zu kontrollieren. Insofern müssen sie auch in die Lage versetzt werden, unabhängig zu sein, wie es die Verfassung fordert.
Es ist aber auch richtig, dass mit dem 14. März 2003, dem denkwürdigen Tag der unverhofften Verkündung der Agenda 2010 durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein neues Zeitalter eingeläutet worden ist. Viele Dinge gibt es nicht mehr und Dinge, die man vorher für undenkbar gehalten hat, werden jetzt Realität.
Wir Abgeordnete stehen mitten im Leben und sind das Bindeglied zwischen den Bürgern, der Wirklichkeit da draußen, und dem Apparat der Regierung, der Verwaltung auf der anderen Seite. Unsere Aufgabe ist es, unser Wissen einzubringen. Deshalb können wir uns dieser Sache nicht entziehen, abgesehen davon, dass wir der Verwaltung, der Landesregierung, dem einzelnen Mitarbeiter, ob Angestellter oder Beamter, im Rahmen all dessen, was Agenda 2010 für uns alle als Umwälzungsprozess bedeutet, auch Lasten aufbürden.
Am 5. April 2006 ist der Gesetzentwurf in 1. Lesung hier beraten worden. Am 4. Mai hatten wir dann die schon langfristig angekündigte Anhörung. Sie war bemerkenswert. Es gab einen sehr umfangreichen Fragenkatalog, in dem keine Frage, die in den vergangenen Wochen und Monaten gestellt worden ist, nicht aufgeführt worden wäre. Wir hatten die Anzuhörenden gebeten, sich auf diese Fragen einzulassen, wie es auch die Geschäftsordnung und das Gesetz vorsehen. Bemerkenswert ist, dass mindestens einer der lauten, großen und berühmten Kritiker weder zur Anhörung gekommen ist, noch sich die Mühe gemacht hat, auf den Fragenkatalog schriftlich einzugehen. Ich denke, das spricht für sich. Wenn man Kritik an einer Sache zu üben hat und zu einem Anhörungstermin nicht erscheinen kann, was ja durchaus möglich ist, kann man sich schriftlich einlassen und sozusagen der konkreten Arbeitshypothese, die im Raum steht, seine eigene These entgegensetzen. Das ist nicht passiert. Ich möchte, dass das auch so deutlich wahrgenommen wird. Ich denke, das wird auch seine Gründe haben.
Eine Sache als schlecht zu kritisieren ist das eine, ihr aber etwas Besseres entgegenzusetzen etwas ganz anderes. Es gibt ein schönes deutsches Sprichwort: Beim Zerstören gelten alle
Argumente, beim Wiederaufbau nicht. Was nicht gut ist, baut nicht. - Insofern sage ich allen Kritikern: Wer sagt, dass eine Lösung nicht gut ist, möge bitte eine andere benennen, und dann können wir gut darüber reden.
Wir hatten in den vergangenen Wochen, so auch in der Anhörung, einen Schlagabtausch. Die Anhörung war für die gesamte Diskussion eine Art Brennglas. Es ging nämlich gar nicht um das Gesetz, das wir hier erarbeitet haben, sondern die Anzuhörenden haben sich dort einen „Stellvertreterkrieg“ darüber geleistet, ob nun das so genannte NRW-Modell das bessere Modell wäre oder die „althergebrachten Regelungen des Abgeordnetenrechts“. Sie mussten dann erst darauf hingewiesen werden, dass wir eine Anhörung zu „unserem Gesetz“ durchführen, und ausdrücklich gebeten werden, auf unseren Gesetzentwurf einzugehen. Bemerkenswert ist, dass sie dann auch gesagt haben, dass die Novelle des Gesetzes, die Veränderungen im Recht ein richtiger, sichtbarer und wirksamer Schritt seien.
Ich meine auch, dass es immer Dinge gibt, die man besser machen kann, aber wenn man nach 15 Jahren eine relativ verfestigte Materie anfasst, sich darauf einzulassen beginnt und versucht, sich der zum Teil berechtigten Kritik anzunehmen, kann man nicht erwarten bzw. verlangen, dass in einem Schritt sofort alles aufgelöst wird. Das gilt vor allem, wenn gefordert wird, mit Hast unausgegorene Projekte - das NRW-Modell ist ein unausgegorenes Projekt, weil es darüber keine Erfahrungswerte und keine klaren Zahlen gibt, was es denn kostet - einfach nachzumachen. Das ist stark ideologiebefrachtet. Deswegen sollten wir doch besser über das Abgeordnetenrecht in Brandenburg reden.
Letztendlich ist dann festgestellt worden, dass die Gesetzesnovelle ein guter und ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir sollten nicht nach dem Haar in der Suppe fahnden. Wer ein Haar in der Suppe sucht, wird auch immer eines finden. Wir sollten fragen, ob die Suppe gut ist, und darüber nachdenken, wie wir das Haar herausnehmen können, wenn denn eines darin ist. Man kann auch die Frage stellen, ob das Glas halb voll oder halb leer ist.
Ich möchte in dem Zusammenhang - die letzte Minute läuft, Frau Präsidentin, ich habe es gemerkt - noch einen nicht unbedeutenden Menschen zitieren, Herrn Prof. Dr. Kempen von der Universität Köln, der sich im Rahmen der Föderalismusdebatte zur Besoldungsfrage geäußert hat. Sie wissen, dass es in der Föderalismusfrage ebenfalls einen großen Reformbedarf gibt.
Er hat eine Formulierung gebracht, die wir uns zu Herzen nehmen sollten, auch all diejenigen, die schnell neue Lösungen erarbeiten möchten:
„Die Entdeckung der Langsamkeit steht der deutschen Reformpolitik noch bevor. Bedachtsamkeit gilt leider bei uns als Schwäche, Sorgfalt als Bürokratisierung und Umsicht als Bedenkenträgerei.“
Diese kindliche Freude und Naivität an Schnellschüssen und die dann in rascher Folge produzierten Reformen, Reformen und Reformen der Reformprojekte ist die Unbill, die wir haben.
Ich möchte an dieser Stelle auch dazu aufrufen, die Diskussion jetzt nicht einzustellen - der Entschließungsantrag spricht eine beredte Sprache -, sondern angesichts der Schritte, die getan worden sind, anzuerkennen, dass durchaus Bewegung vorhanden ist, dass wir nicht nur andere mit Forderungen belasten, sondern dass wir selbst auf uns schauen und uns mit der Breite der Bevölkerung ebenfalls solidarisch erklären.
Insofern möchte ich Ihnen, werte Kollegen, die Annahme des Gesetzentwurfs und des Entschließungsantrags empfehlen. Die Anträge der DVU, mit Verlaub gesagt, hätte ich gern im Hauptausschuss gehabt
Recht herzlichen Dank. - Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, wenn sich die Parlamentarischen Geschäftsführer vorher über eine erweiterte Redezeit verständigt hätten. - Jetzt spricht der Abgeordnete Schuldt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade in einer Zeit allgemeinen Reformdrucks im Bereich der sozialen Sicherungssysteme müssen wir endlich die Chance ergreifen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesem Anspruch aber nicht gerecht.
Die Anhörung im Hauptausschuss am 4. Mai war im Ergebnis nicht allzu zielführend. Gerade auch die kontroversen Auffassungen im Hinblick auf das nordrhein-westfälische Modell konnten nicht ausgeräumt werden. Für uns als DVU-Fraktion ist aber entscheidend, auf die Schwachpunkte und Fehler des vorliegenden Gesetzentwurfes hinzuweisen. Hier gibt es Kritikpunkte genug.
Fangen wir mit der vom Präsidenten vorgeschlagenen Neuregelung zur Versorgungsanwartschaft gemäß dem neuen § 11 des Gesetzentwurfs an. Der Erwerb einer Versorgungsanwartschaft bereits nach einem Jahr Landtagsmitgliedschaft ist schon mit dem formulierten Nutzzweck des Gesetzentwurfes nicht vereinbar. Dabei soll es darum gehen, eine wirkungsgleiche Übertragung der Reform der Sozialversicherungs- und Versorgungssysteme der Bevölkerung und der damit auferlegten Mehrbelastung auf die Leistung für Abgeordnete zu erreichen. Davon ist diese Fassung des § 11 weit entfernt.
Weiter ist nicht einzusehen, dass mit § 5 Abs. 3 und 4 des Gesetzentwurfs eine Kopplung der Abgeordnetenentschädigung an eine Einkommensentwicklung hergestellt werden soll, aber die Geringverdiener, Rentner und Arbeitslosen komplett ausgeklammert werden, meine Damen und Herren. Auch dies widerspricht dem Normzweck.
Wir Abgeordneten vertreten aber nicht nur den besser verdienenden Teil der Bevölkerung, sondern schließlich auch die Rentner, Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger in unserem Land. Zumindest entspricht das unserem Demokratieverständnis als DVU-Abgeordnete.
Der gleiche Schwachpunkt zeigt sich in der beabsichtigten Änderung des § 6 Abs. 5 in Form einer Kopplung der Kostenpauschale an die Preisentwicklung. Auch das widerspricht dem im Gesetzentwurf an anderer Stelle formulierten Normzweck.
Insgesamt zeigt der vorliegende Gesetzentwurf der Bevölkerung alles andere als einen sichtbaren Willen zur Bescheidenheit. Das spiegelt sich auch bei den Verhältnisregelungen nach § 30 in der Form wider, dass private Nebeneinkommen nicht zu veröffentlichen, sondern nur beim Präsidenten anzuzeigen sind. Echten Sparwillen zum Beispiel haben letztlich wir als DVU-Abgeordnete gezeigt, indem wir wiederholt eine Absenkung der Grundentschädigung auf 3 799 Euro gefordert haben.
Dies werden wir mit unserem Änderungsantrag, den wir auch schon im Hauptausschuss eingebracht hatten - damit das klar ist -, heute wieder tun. Dies würde sich im Gesetz für jeden nachlesbar in Zahlen ausdrücken und den Bürgern vermitteln, wer es wirklich ernst meint mit einer Anpassung an die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei einer immer ärmer werdenden Bevölkerung.
Dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist und bleibt nichts anderes als eine Mogelpackung, die bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht auf das von den Fraktionen von SPD, CDU und ihrem indirekten Koalitionspartner, Die Linkspartei.PDS, erhoffte Verständnis stoßen wird.
Nur einmal zu Ihrem Verständnis, meine Damen und Herren: In der letzten Sitzung des Hauptausschusses hat ein Vertreter der SPD die Überlegung angestellt, ob man nicht die Kilometerpauschale, da sie schon lange nicht überarbeitet worden sei, anpassen - sprich: erhöhen - sollte.
- Das ist richtig, Herr Klein. Herr Klein war der Einzige von der SPD, der gesagt hat, er mache da nicht mit und widerspreche auch seinen Kollegen aus der eigenen Fraktion.