Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Entschuldigung, Herr Präsident. Ich hätte noch viel mehr dazu zu sagen, aber es soll nun reichen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das hatte ich befürchtet. Nichtsdestotrotz freuen wir uns jetzt auf den Beitrag der Landesregierung, gegeben von Minister Dr. Woidke.

Verehrter Herr Präsident! Ich habe mich etwas gewundert, denn ich hätte nicht gedacht, dass wir zu diesem Thema eine derart emotionale Debatte erleben würden. Das ist jedoch schön und ich als der für die Landwirtschaft zuständige Minister freue mich ganz besonders darüber, dass so viele Leute ein Herz für die Landwirtschaft haben und mit Vehemenz für ihre Interessen kämpfen.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Schäden durch Hagel, Sturm, Überschwemmungen, Feuer, Frost, Hitze und Schädlingsbefall in ungefähr 1 500 Varietäten - unter anderem Rapsglanzkäfer, aber auch Heuschrecken - sollen durch eine Mehrgefahrenversicherung abgedeckt werden. Ich habe die vielfältigen Gefahren, die in dieser Versicherung subsumiert werden sollen, bewusst noch einmal zusammengefasst, damit man sich einen Begriff davon machen kann, was hier angedacht ist.

Die Diskussion läuft seit vielen Jahren. Im Landtag hatten wir solche Anträge schon zweimal; letztmalig ist im Mai 2003 in diesem Hohen Hause darüber diskutiert worden. Es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar keine wesentlichen neuen Aspekte, aber Zahlenangaben. Mittlerweile liegen nämlich Informationen über die Erfahrungen aus anderen Bundesländern und Berechnungen des Bundes vor.

Ich möchte mit der Grundlage beginnen, dass eine Versicherung landwirtschaftlicher Unternehmen - denn um eine solche handelt es sich hier im Grundsatz - gegen die Folgen von Witterungsunbilden und bestimmten Tierseuchen unbestritten ein sinnvoller Ansatz der Wahrnehmung von Eigenverantwortung im Bereich der Minderung des wirtschaftlichen Risikos wäre; denn das Risikomanagement ist in jedem Betrieb zunächst Sache der Geschäftsführung des Betriebes und des Unternehmens in Summe. Eine derartige Versicherung kann allerdings nur dann tragen, wenn sich eine hinreichend große Anzahl Landwirte an ihr beteiligt.

In Sachsen lief ein regionales Modellprojekt einer Mehrgefahrenversicherung. Da die Landwirte nur eine sehr begrenzte Bereitschaft zum Abschluss einer solchen Versicherung zeigten, wurde das Modellprojekt abgebrochen.

Auch in Brandenburg scheint die Auffassung über die Einführung einer solchen Versicherung im Berufsstand - vorsichtig ausgedrückt - gespalten zu sein. Ganz offensichtlich ist eine solche Mehrgefahrenversicherung ohne erhebliche Zuschüsse der öffentlichen Hand zu akzeptablen Prämienhöhen nicht zu realisieren.

Die Versicherungswirtschaft insgesamt hält sich bei Aussagen zur Prämienhöhe nach wie vor bedeckt. Nach Berechnungen des Bundesministeriums wären Versicherungsprämien zumindest zu 50 bis 60 % staatlich zu subventionieren, um dem Landwirt überhaupt die Möglichkeit zu eröffnen, in der wirtschaftlichen Lage zu sein, eine solche Versicherung abzuschließen. Dazu wären allein im Bereich der Pflanzenproduktion - hier ist der Bereich der Tierseuchen, der Tierproduktion und sonstige Dinge, die da eine Rolle spielen, nicht erfasst - jährlich 180 bis 250 Millionen Euro Zuschüsse der öffentlichen Hand notwendig. Es dürfte klar sein, dass derartige Summen - ganz egal, ob von europäischer Ebene, von der Bundesebene oder der Landesebene finanziert - zumindest in Teilen zulasten anderer, der Landwirtschaft zukommenden Beihilfen erschlossen werden müssten.

Wenn ich Ihnen noch sage, dass wir im ELER-Programm für die gesamte ländliche Entwicklung, die gesamte Förderung der Produktion und die Agrarumweltmaßnahmen ca. 230 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung haben, dann erkennen Sie, dass die für die Finanzierung der Versicherung notwendige Summe allein schon die Summe übersteigt, die in Brandenburg in einem Jahr insgesamt zur Verfügung steht.

Aus diesen Gründen lehnen wir derzeit eine intensive Diskussion über diese Versicherung ab.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Frau Wehlan.

Herr Dr. Woidke, wenn wir schon einmal die Chance haben, hier zur Agrarpolitik zu sprechen, sollten wir sie nutzen.

Sie haben noch einmal geschildert, welch großer Berg an finanziellen Problemen zu erwarten ist, ein Großteil der Kosten müsste notwendigerweise von der öffentlichen Hand getragen werden. Deswegen die Frage, die in der Kleinen Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion auch schon einmal thematisiert wurde, aus deren Beantwortung Sie ein Stück weit die finanzielle Situation reflektiert haben, nämlich inwieweit Sie das Instrument der Modulation als ein mögliches Finanzierungsinstrument erkennen, um zukünftig über diesen Weg Mehrgefahrenversicherungen zu unterstützen.

Wenn wir an Modulation denken, werden wir beim Bauernverband nicht viele bzw. überhaupt keine Freunde mehr finden, weil das Geld ist, das in die Betriebe der Landwirte fließt, und was dann nach dem Prinzip linke Tasche - rechte Tasche wieder aus den Betrieben herausfließen würde. Den Bauern wird etwas weggenommen und versucht, damit eine Versicherung zu finanzieren.

Eine Anmerkung dazu: Wir haben in Brandenburg Erfahrungen mit der Waldbrandversicherung gesammelt, die Wolfgang Birthler folgerichtig abgeschafft hat, weil die öffentliche Hand in Brandenburg drei Jahre lang allein über den Zuschuss mehr Geld bezahlt hat, als die Behebung der im Land Brandenburg aufgetretenen Schäden gekostet hätte.

Was wir tun müssen - das wird im Ausschuss geschehen - ist erstens, darüber zu reden, wie die Schäden in Zukunft gemindert werden können. Dazu gehört die Diskussion: Wie kann ich Schadensereignisse vermeiden oder zumindest ihre Auswirkungen mildern? Was passiert beispielsweise im Pflanzenschutzbereich und was im Bereich Wasserhaushalt, Gewässer zweiter Ordnung?

Ich habe mit Interesse gelesen, dass der SPN-Kreisbauernverbandsvorsitzende Egon Rattei festgestellt hat: Da, wo die Stauanlagen funktioniert haben, war der Ertrag besser. - Also ist hier die Verantwortung der Landwirte, aber auch des Landes einzufordern. Natürlich sind auch die Möglichkeiten der Hilfe für die betroffenen Betriebe - vor allen Dingen für die durch die diesjährige Dürre, aber teilweise auch durch den Raps

glanzkäferbefall in ihrer Existenz bedrohten Betriebe - zu prüfen. Darüber werden wir im Ausschuss ausführlich informieren. - Danke.

Damit sind wir am Ende der Rednerliste zum Tagesordnungspunkt 16 angelangt. Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/3355 - Mehrgefahrenversicherung - an den Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz beantragt. Wer diesem Begehr Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag ohne Stimmenthaltungen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ich lasse über den Antrag in Drucksache 4/3355 in der Sache abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag ohne Stimmenthaltungen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 16 und rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beauftragte/Beauftragter für Migration und Integration des Landes Brandenburg beim Landtag

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/3356

Für die beantragende Fraktion spricht die Abgeordnete Weber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, an dieser Stelle die Arbeit von Almuth Berger kurz zu würdigen. Frau Berger zählt zu den landesweit bekannten Persönlichkeiten des politischen Lebens. Wo auch immer ich in Brandenburg politische Gespräche führte, der Name dieser an sich kleinen Frau wurde überall groß geschrieben.

Durch ihr Wirken an einer politisch hochsensiblen Stelle hat sie sich Achtung und Akzeptanz bei vielen Bürgern unseres Landes erarbeitet. Als Frau Berger ihre Aufgabe als Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg übernahm, betrat sie Neuland, auf dem sie deutliche Zeichen setzen konnte. Mit persönlichem Engagement, Zivilcourage und Kreativität entwickelte sie Ideen und baute Strukturen auf, die es den Zuwanderern ermöglichen sollen, in Brandenburg eine Heimstatt zu finden.

In oft schwierigen Situationen für Zugewanderte traf sie optimale politische Entscheidungen, ohne die Interessen der deutschen Bevölkerung aus den Augen zu verlieren. Dabei scheute sie weder die öffentliche Diskussion noch die politische Auseinandersetzung.

Auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linkspartei.PDS danke ich Almuth Berger für ihre der Humanität verpflichteten Arbeit und wünsche ihr für den nun

bevorstehenden Lebensabschnitt des Ruhestandes viele unruhige Jahre und das Gefühl, gebraucht zu werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für Frau Berger war das bevorstehende Ausscheiden aus dem Amt Anlass, Reflektionen über ihre Arbeit anzustellen und besonders anhand der Tatsache des Zuwanderungsgesetzes Schlussfolgerungen zu formulieren. Unter anderem warb sie bei öffentlichen Veranstaltungen, aber auch bei ihren abschließenden Besuchen in den verschiedenen Fraktionen um eine neue Beschreibung der Funktion der Verantwortlichen für Fragen der Zuwanderung und um eine Stärkung der Position durch die Anbindung der Funktion an den Landtag.

Interfraktionelle Gespräche und auch die im Sommer bekundete Meinung des Präsidenten, dass eine Ansiedlung der Funktion im Landtag wünschenswert wäre, ließ die Erwartung in uns keimen, dass den Schlussfolgerungen Almuth Bergers Rechnung getragen würde. Leider mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass dies, ohne die Möglichkeit einer parlamentarischen Debatte zu nutzen, verworfen wurde.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS beantragt daher, die Funktionsbezeichnung der „Ausländerbeauftragten des Landes Brandenburg“ in „Beauftragte oder Beauftragter für Migration und Integration“ zu ändern sowie diese aus dem Geschäft der laufenden Verwaltung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie herauszunehmen und entsprechend der Beauftragten für den Datenschutz beim Landtag anzusiedeln.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahre 2005 ist Deutschland auch rein rechtlich ein Zuwanderungsland. Haben wir das als Politiker aber auch schon so verinnerlicht? Verhalten wir uns in der Politik entsprechend? Überwiegt nicht bis heute bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Auffassung, dass Zuwanderer in erster Linie Problemfälle sind, die zusätzliche Probleme erzeugen? Wenn auch etwas vorsichtiger und relativierender in der Formulierung kommt der Fachberatungsdienst für Zuwanderung, Integration, Toleranz im Land Brandenburg in seinem Bericht aus dem Jahre 2005 zu folgender Auffassung:

„Brandenburg muss die Türen für qualifizierte Zuwanderung weiter öffnen und die Ansätze einer produktiven Zuwanderungspolitik vergrößern. Dies folgt nicht aus der Not des Bevölkerungsrückganges, sondern Öffnung und Internationalisierung erweisen sich schon jetzt als Voraussetzung für Wachstum, Lebensqualität und Innovation. Es muss darum gehen, Menschen, die Brandenburg für sich als neue Heimat wählen, das Ankommen und Bleiben leicht zu machen.“

Zweifellos ist das eine sehr komplexe Aufgabe. Dabei kann es nicht nur darum gehen, dass man den Zuwanderern Integrations- und Sprachkurse zubilligt, Unterkunft und Verpflegung zuteilt oder über fördernde Instrumente den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Ziel muss für die Zuwanderer eine gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens sein, um zu dieser Gesellschaft dazuzugehören - gleich welcher Hautfarbe, Herkunft, Kultur und Religion.

Integration bedeutet auch, dass sich die aufnehmende Gesellschaft verändert und sich dieser Aufgabe stellt, und zwar in allen Bereichen. Es geht vor allem darum, unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass Menschen aus anderen Ländern und anderen Kulturen mit uns leben können und die Bürger im Land Brandenburg erfahren, welche Potenziale Zugewanderte besitzen, deren Eindringen in unsere Gesellschaft diese auch für uns schöner und reicher macht.

Wir alle, die wir am politischen Willensbildungsprozess mit unserem Mandat in unseren Parteien und mit unserem bürgerschaftlichen Engagement beteiligt sind, tragen für diesen Prozess Verantwortung. Immer deutlicher wird, dass Integrationsbelange eine Vielzahl von Politikbereichen durchdringen. Integration sollte künftig keine isolierte Angelegenheit der Ausländerbeauftragten, sondern eine fachministerienübergreifende Aufgabe sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Integration von Zugewanderten muss als interministerielle Querschnittsaufgabe definiert werden. Das heißt: In jedem ministeriellen Ressort liegt die Verantwortung für die Aufgabenstellung der Integration. Daher sind die verschiedenen Aufgabenträger auf der Regierungsebene, aber auch auf den politischen Ebenen für integrative Aufgaben zu sensibilisieren, die Umsetzung zu koordinieren.

Wir sprechen hier also von einer neuen Qualität der Aufgabenstellung, der die Bezeichnung „Beauftragter für Migration und Integration“ besser gerecht wird. Die Anbindung dieser Funktion an die Legislative wäre die entsprechende Konsequenz. Aufgabenstellung und Berichtspflicht der oder des Beauftragten für Migration und Integration liegen dann beim Parlament. Er hätte Ombudsfunktion. Im Übrigen hat auch Bundeskanzlerin Merkel die neuen Herausforderungen angenommen und die Beauftragte für Migration und Integration des Bundes als Staatsministerin im Bundeskanzleramt angesiedelt. In den Kommunen des Landes werden die Beauftragten von den gewählten Vertretern bestellt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns dem sensiblen Problem parteiübergreifend mehr Aufmerksamkeit widmen und im Hauptausschuss über entsprechende Lösungsmöglichkeiten beraten. Dann könnte die Hoffnung Almuth Bergers, die sie am 14.07.2006 in der „Lausitzer Rundschau“ geäußert hat, doch noch Realität werden:

„Ich erhoffe mir, dass das Thema Integration an oberster Stelle behandelt und damit deutlich gemacht wird, dass das eine ganz wichtige Aufgabe für die Bundesregierung insgesamt und für alle Länder ist, eine Schlüsselaufgabe, wie es in der Positionsbestimmung der Bundesregierung heißt.“

Ich bitte um Ihre Unterstützung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.