In Berlin hat man vernünftigerweise trotz KJHG die Horte wieder personell und räumlich bei den Schulen angebunden. Dort
können Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf beispielsweise wieder von Fachkräften betreut werden, was hierzulande ganz schwierig ist, weil der festgestellte Förderbedarf nur in der Schule umgesetzt wird.
Ihre Antwort auf die Qualitätsprobleme in der Grundschule heißt vor allem Test und Vergleichsarbeit, inzwischen immerhin auch individuelle Lernstandsanalyse und individuelle Lehrpläne, was wir sehr begrüßen, und flexible Eingangsphase.
An die Schaltstelle zur weiterführenden Schule in der Jahrgangsstufe 6 setzen Sie aber wieder einen Test, eine zentrale schriftliche Arbeit. Von den unglaublichen Auswahlverfahren für die Leistungs- und Begabungsklassen will ich heute gar nicht reden. Sie wollen die Übergänge so gestalten, dass sie die Durchlässigkeit verbessern, wie Frau Kollegin Siebke gesagt hat. Sie wollen das tun, aber Sie verschärfen die Selektionsmechanismen. Das ist nicht nachvollziehbar. Sie stärken mit der 16. Novelle des Schulgesetzes das gegliederte System erheblich und wissen doch, dass die Übergangsprobleme auch in diesem gegliederten System begründet sind.
Herr Schleicher von der OECD hat völlig Recht, wenn er sagt: Ein Bildungssystem, das im 19. Jahrhundert konzipiert wurde, kann im 21. Jahrhundert nicht mehr optimiert werden. - Sie aber glauben offensichtlich noch daran. Sie wollen die Oberschule stärken. Sie geben den Gymnasien zwei Schülerwochenstunden zur Realisierung der verkürzten Zeit zum Abitur und nehmen der Oberschule die Durchlässigkeit, weil man nach der 10. Klasse eben nicht mehr an ein Gymnasium wechseln kann. Sie geben den Oberschulen ESF-Mittel in Höhe von 19 Millionen Euro für berufsvorbereitende Projekte - übrigens nicht den Gesamtschulen, die doch bitte schön auch die Aufgabe haben, auf den Beruf vorzubereiten -, nehmen aber 1 139 Lehrerstellen seit 2005 heraus. In diesem Jahr waren es 529.
An den Oberschulen gibt es enorme Bemühungen, durch Kooperationsmodelle beim Praxislernen, beim produktiven Lernen oder im Rahmen des Ganztagsunterrichts die Verbindung zur Wirtschaft aufzubauen. Erfreulich sind solche Leuchttürmchen wie das neu zu bauende geophysische Institut, bei dem zum Beispiel Schülerarbeitsplätze eingerichtet werden, oder dieses in Potsdam neu entstandene Exploratorium. Oft aber betrifft dieser Praxisbezug nur wenige Lehrkräfte an einer Schule. Die Kapazitäten für die Fortbildung der Lehrkräfte, für das „Draufgucken“, was in Berufsbildung passieren muss und was von unseren Lehrern eigentlich erwartet wird, sind absolut unzureichend.
Am problematischsten stellt sich die Situation in der Berufsausbildung dar. Hier ist mit Abstimmung wirklich nicht mehr viel zu machen. Wir gehen davon aus, dass die Ausbildungsfähigkeit auch instrumentalisiert wird, um von fehlenden Ausbildungsplätzen abzulenken. Dennoch möchten wir hier einige Ursachen aufzeigen, die diese Problematik belichten:
Eine ganz schwere Hypothek bezüglich der Übergänge ist mit dem Berufsbildungsgesetz aus dem Jahr 1969 gegeben. Die konsequent rechtliche Isolierung der betrieblichen Berufsausbildung - das ist Bundesrecht - von der Berufsschule, was Landesrecht ist, hat die Berufsschule in eine Randständigkeit hineinmanövriert. Die Gleichheit beider Partner im dualen System ist nicht gegeben. Das hat sich auch beim novellierten BBG
von 2005 nicht geändert. Das ist eine große Barriere für Lernkooperation zwischen Schule und Betrieb.
Derzeit gibt es in den Berufsschulen aufgrund der äußerst heterogenen Schülerschaft einen riesigen Verdrängungswettbewerb. Dieser Verdrängungswettbewerb führt an den OSZ zu Abbrüchen. Oft sind OSZ Schulen in sozialen Brennpunkten, die keine Unterstützung von Schulsozialarbeitern bekommen. Inzwischen verlassen mehr als 20 % der Schüler das Oberstufenzentrum, das für sie zuständig ist, ohne Berufsabschluss. 43 % der jugendlichen Arbeitslosengeld-II-Empfänger unter 25 Jahren haben keine Berufsausbildung.
Bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA, ist eine Art Abnehmermentalität festzustellen. Ich zitiere Frau Dorn, Leiterin der Abteilung Bildung beim BDA, die bezüglich der fehlenden Ausbildungsreife sagt:
„Die Anstrengungen müssen weitergehen. Die Schule steht hier in Verantwortung. Die Arbeitgeber sind bereit, ihren Beitrag zu leisten.“
Ich meine, auch die Arbeitgeber stehen in Verantwortung. Sie könnten einer grundlegenden Bildungsreform Impulse geben, einer Reform für eine Schule, bei der keiner durchgereicht und keiner zurückgelassen werden kann.
Wir haben mit dem gestrigen Bildungsbericht der OECD präsentiert bekommen, dass Brandenburg bezüglich der Absolventenquote an den Hochschulen mit 13,8 % bundesweit den allerletzten Platz belegt. Auch hier besteht noch einiger Handlungsbedarf.
Schließlich noch eine übergreifende Betrachtung: Die Dimension des Problems der fehlenden Schul- und Ausbildungsfähigkeit - bei aller Kritik an dem Begriff - ist eine ganz andere. Eigentlich ist Armut das Hauptproblem, Armut als Mangel von Verwirklichungschancen, die nicht nur mit geringem Einkommen zu tun haben. Für die Verteilung von Verwirklichungschancen und gesellschaftlicher Inklusion spielt Bildung eine wesentliche Rolle. Bildung und Armut stehen in einem Wechselverhältnis. Wenn Kinder in Armut aufwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie in ihrer Schullaufbahn - und nicht nur dort - Benachteiligungen erfahren. Umgekehrt vermindert eine geringe Bildung die Verwirklichungschancen von Menschen. Solange es in Deutschland 2,5 Millionen Kinder gibt, deren Lebenslage von relativer Armut geprägt ist, so lange wird es weiter Debatten um Schul- und Ausbildungsreife geben. Die Antwort auf dieses Problem sind Sie, verehrte Kollegin Siebke und die anderen Antragsteller, schuldig geblieben. In dieser Dimension müssen wir das Problem aber betrachten.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Lebenschancen der Menschen in Brandenburg und darüber
hinaus sind immer sehr eng mit einem gerechten Bildungssystem verbunden. Nichts ist für die Menschen enttäuschender, als Ungerechtigkeit zu erleben. Das zerstört Vertrauen in die Politik und in die Institutionen.
Deswegen sage ich ganz klar: Wir haben in Brandenburg noch große Herausforderungen zu bewältigen, wenn es darum geht, Bildungspolitik weiterhin gut zu gestalten, für Jugend Zukunft zu bringen und für Eltern und Großeltern die Chancen ebenfalls zu öffnen.
Chancengerechtigkeit wird möglich, indem wir allen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, ihren Begabungen entsprechend Unterricht zu erhalten. Durch die Einführung der Oberschule hier in Brandenburg, die, wie ich gern betone, ein Gewinn ist für unsere Schüler, Eltern und Lehrer, haben wir in Brandenburg ein dauerhaft tragfähiges Schulsystem neben Grundschule und Gymnasium geschaffen. Jetzt geht es um die Inhalte und die Leistungsorientierung.
Liebe Frau Große, es geht hier nicht um den Kulturkampf der Schulstrukturen; Ihr Noch-Koalitionspartner in Berlin hat ihn erst vor wenigen Stunden für beendet erklärt. Also wissen auch Sie, dass es an dieser Stelle um die Struktur, sondern um inhaltliche Fragen geht.
Mit dem neuen Schulgesetz werden wir den Kurs der Leistungsorientierung und der Sicherung der Unterrichtsqualität konsequent fortsetzen. Zu einer stärkeren Leistungsorientierung und damit zu einer besseren Ausbildungsfähigkeit unserer Jugendlichen zählen Fördermaßnahmen; es werden aber auch Anforderungen gestellt. Ich betone gern, dass wir im neuen Schulgesetz mit der Benotung ab Klasse 2, mit Schulpflicht, Kopfnoten, Ganztagsschulen und einem leistungsgerechten Übergangsverfahren von der Grundschule auf die Oberschule oder das Gymnasium all die Anforderungen erfüllen werden, die die heutige Zeit an uns stellt.
Ich betone ferner mit aller Deutlichkeit, insbesondere in Richtung unserer Opposition: Wenn es die Leistungen rechtfertigen, dann ist die Möglichkeit des Wechsels eines Schülers an eine andere Schulform zu jeder Zeit gesichert. Alles andere, was Sie sagen, ist also nicht richtig. Neben dem Leistungsprinzip und dem Thema Bildung und Erziehung ist dies die dritte Säule unserer neuen Schulreform in Brandenburg.
Die Koalition hat, wohl wissend um ihre Verantwortung - das ist nicht immer einfach für uns gewesen -, ein paar Vorschläge erarbeitet, die sich am Jahresende im Schulgesetz wiederfinden werden; vorher stehen noch Beratungen mit Experten an. Ich möchte heute zwei weitere konkrete Vorschläge einbringen, die uns dabei helfen können, noch besser zu werden.
Stichwort Unterrichtsgarantie. Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Die Schule hat eine Bildungs- und eine Erziehungsverantwortung, aber auch eine Dienstleistungspflicht. Wenn für einen Arbeitnehmer ein Acht-Stunden-Tag auch ein Acht-Stunden-Arbeitstag ist, dann muss für einen Schüler ein SiebenStunden-Tag tatsächlich auch einen Sieben-Stunden-Unterrichtstag bedeuten, und zwar jeden Tag.
- Herr Schippel, hören Sie doch einmal zu! - 8 % des Fachunterrichts fallen aus. Das können wir uns in Brandenburg nicht leisten - Herr Schippel, bei Ihnen in Lübbenau nicht, aber auch in Potsdam und woanders nicht. Es geht um die Gerechtigkeit des Bildungssystems.
Die Verwirklichung der Vorschläge, die wir gemacht haben, ist mit Sicherheit nicht eine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Konzeptes. Unser Antrag liegt Ihnen vor. Sie können ihm am Ende des Tages gern zustimmen.
Stichwort Ostercamps! Im Schuljahr 2004/05 haben 3 397 Schüler in Brandenburg die Schule ohne Abschluss verlassen. Im selben Jahr haben 6 893 Schüler gesagt: Wir wiederholen freiwillig die Klassenstufe, in der wir uns gerade befinden. - Das kostet das Land nicht nur viel Geld, sondern es beraubt jeden einzelnen Jugendlichen ein Stück weit seiner Lebensperspektive. Deswegen sagen wir: Ostercamps - analog dem Beispiel, das die Große Koalition in Bremen verwirklicht hat - sind ein Angebot für die genannten Schüler, freiwillig Nachhilfeunterricht zu nehmen. Das hilft allen Beteiligten - in der Schule, aber auch außerhalb davon. Das Modell in Bremen hat dafür gesorgt, dass die Hälfte aller Schüler, die vorher versetzungsgefährdet waren, dies nicht mehr sind. Nach eigenen Angaben sind bei 40 % der betreffenden Schüler die Noten besser geworden.
Sie von der Opposition betrachten die Vorschläge der Union meist skeptisch. Viele davon sind aber schon in die Realität umgesetzt worden. Ich bitte Sie auch um eine freundliche Kenntnisnahme unserer heutigen beiden Vorschläge, zum einen, weil sie konkret sind, zum anderen weil sie sich nicht an der ideologischen Diskussion zwischen unseren Parteien, sondern an den Interessen der Menschen, insbesondere der Schüler im Land Brandenburg, orientieren. Das ist der Kern unserer Aufgabe. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht etwa die aktuellen Streckenstilllegungspläne der Landesregierung sind heute ein Thema, nein, wir reden heute zu einem Thema, welches schon wesentlich länger aktuell ist. Das Thema wurde bereits vor 14 Jahren aktuell und wird es auch noch in den nächsten Jahren sein, jedenfalls solange das Bildungsressort in den Händen der Sozialdemokraten liegt.
Ausgerechnet die SPD beantragt das Thema „Verbesserung der Schul- und Ausbildungsfähigkeit“. Seit 1992 stellt diese Partei die für Schule zuständigen Minister in Brandenburg. Im Jahre 2006 stellt sich die gleiche SPD hin und beklagt, es gebe Abstimmungsschwierigkeiten in diesem SPD-Ressort, die einen „verheerenden Einfluss auf den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler haben können“. Im Klartext heißt das
doch, dass endlich auch die SPD-Landtagsfraktion gemerkt hat, welche verheerenden Auswirkungen eine SPD-Bildungspolitik auf die Schüler in Brandenburg hat. Jetzt, nachdem in 14 Jahren SPD-Herrschaft das Bildungswesen so weit heruntergekommen ist, will ausgerechnet die SPD darüber diskutieren, wie man von der SPD verursachte Probleme beheben kann.
Meine Damen und Herren der SPD, Sie hatten 14 Jahre lang Zeit, eine vernünftige Schulpolitik, eine vernünftige Bildungspolitik hier im Land Brandenburg zu installieren, um den jungen Menschen in unserem Land das geistige Rüstzeug für eine erfolgreiche Zukunft zu geben. Stattdessen haben Sie hier nur Ihre SPD-Politik betrieben. Sie haben Ihre Zeit und Energie verschwendet, sich mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen.
Sie haben sich einen Dreck um die Zukunft der jungen Brandenburger gekümmert. Im Gegenteil, Sie haben sie sogar als Versuchskaninchen für Ihre Sozi-Experimente verheizt.
Jetzt beantragen ausgerechnet die Sozis, dass wir hier darüber diskutieren, wie wir die Suppe, die Sie uns eingebrockt haben, wieder genießbar machen können. Vielen Dank auch!
An dieser Suppe gibt es nichts mehr zu retten. Man kann sie nur noch wegschütten und eine neue Suppe kochen.
Für eine gute Suppe und eine zukunftsfähige Bildungspolitik hat meine DVU-Fraktion folgendes Rezept:
Erstens ist der SPD der Bereich Schule gänzlich zu entziehen; denn was Sie bisher für die Brandenburger Schüler gebracht haben - bzw. nicht gebracht haben -, wissen seit PISA alle Leute hier im Land.