Protokoll der Sitzung vom 22.05.2006

Die Toten von Halbe können sich gegen einen solchen Missbrauch nicht wehren. Das müssen wir tun, und zwar mit aller Kraft am 18. November.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS - Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Ich bin froh, dass Herr Schuldt - wahrscheinlich ungewollt eben gesagt hat: An einem Tag der Demokraten machen wir nicht mit! - Recht so, Herr Schuldt, das ist die einzige Wahrheit, die Sie ausgesprochen haben.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Ich bin froh, dass sich Parteien und gesellschaftliche Kräfte gemeinsam - in einem Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Bürgern, Verbänden und Parteien - auf diesen Tag geeinigt haben, damit die Rechtsextremisten am 18. November nicht unwidersprochen aufmarschieren.

Dieser Tag der Demokraten wird aber auch entscheiden, wie unser Land in der Welt wahrgenommen wird. Sind wir Menschen, die für eine engagierte, weltoffene und streitbare Zivilgesellschaft eintreten, oder geben wir den Nazis Raum, für ihre menschenfeindliche Gesinnung aufzutreten? - Die Sache ist aus meiner Sicht ernst. Beim Tag der Demokraten geht es um viel, unter anderem um die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs und um das Selbstverständnis unseres Gemeinwesens.

Toleranz ist und bleibt die Grundlage, um Politik und Wirtschaft weiter gestalten zu können. Ohne Toleranz wird sich künftig auch in unserem Land kaum ein Unternehmer, Student, Kreativer oder Künstler niederlassen und zudem kein Tourist unser Land bereisen. Aber genau diese Menschen brauchen wir. Sie müssen in unser Land kommen und bleiben. Jedoch werden sie nur in eine offene Gesellschaft kommen.

(Zuruf des Abgeordneten Nonninger [DVU])

Wir müssen den Wunsch formulieren, dass wir an der Vielfalt der Kulturen auf diesem Planeten und am Austausch in Europa

und der ganzen Welt teilhaben wollen. Wenn ich von Toleranz spreche, meine ich nicht die Toleranz gegenüber der unsäglichen Ideologie von DVU und NPD.

Herr Landtagspräsident, ich bin Ihnen für diesen Aufruf dankbar. Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute das Versammlungsgesetz verabschiedet haben, weil es wichtig ist.

Noch besser wäre jedoch, wenn die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus weit über gesetzliche Maßnahmen hinausginge. Demokratie bleibt nur lebendig, wenn Menschen engagiert aufstehen und klare Signale aussenden, was Raum haben darf und was nicht.

Ich bin zuversichtlich, dass viele Brandenburgerinnen und Brandenburger am 18. November den Weg nach Halbe finden werden. Ich appelliere von hier aus noch einmal an jeden Einzelnen in unserem Lande - in Berlin und anderswo -: Kommen Sie zum Tag der Demokraten und verdeutlichen Sie, dass es schlicht und ergreifend unanständig ist, Nazis zu wählen oder Nazis gewähren zu lassen! Zeigen Sie Gesicht! - Danke schön.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank. - Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.

Ich rufe den Entschließungsantrag des Präsidenten des Landtages - Tag der Demokraten am 18. November 2006 -, der Ihnen in der Drucksache 4/3492 vorliegt, zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag ohne Enthaltungen und bei wenigen Gegenstimmen angenommen.

Meine Damen und Herren, damit ist der Entschließungsantrag des Präsidenten eine Entschließung des Landtages. Behandeln Sie ihn so! Danke.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Tierschutzgesetzes

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/3495

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Schulze, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tierversuch ist keine wissenschaftliche Methode. Tierversuche sind daher nicht geeignet, die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit, die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit, die Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit von Substanzen für den Menschen und seine Umwelt zuverlässig festzustellen. Tierversuche sind noch viel

weniger geeignet, die Krankheiten der Menschen wissenschaftlich zu erforschen und geeignete wirksame und unschädliche Heilmittel und Heilweisen zu ihrer ursächlichen Behandlung zu finden.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien im In- und Ausland belegen inzwischen eindeutig, dass Tierversuche zur Erprobung von Arzneimitteln, Kosmetika oder auch zu Schulungszwecken völlig ungeeignet sind. So untersuchte die französische wissenschaftliche Kommission Pro Anima im Auftrag des französischen Gesundheitsministeriums die Relevanz von tierexperimentell gewonnenen Ergebnissen für die Bewertung der Verbraucher- und Patientensicherheit.

Die Studie des französischen Gesundheitsministeriums kam zu dem Ergebnis, dass zusätzlich zur jährlichen Marktrücknahme zahlreicher zugelassener Medikamentenformulierungen, die für den Menschen als hochgiftig eingestuft wurden, etwa 40 % der Medikamente keinen nachweisbaren medizinischen Effekt hatten.

Daneben machte die Studie Medikamentennebenwirkungen für jährlich mehr als 1,3 Millionen Krankenhauseinweisungen und den verfrühten Tod von etwa 20 000 Patienten verantwortlich.

Ausgehend von diesen Daten ergab sich die Schlussfolgerung, dass die Giftigkeitsprüfung von Medikamenten und anderen Chemikalien äußerst unzuverlässig und die Zuverlässigkeit einiger Hunderttausend Medikamente und Chemikalien, welche innerhalb der EU in Produkten des täglichen Bedarfs enthalten sind, äußerst fragwürdig sind.

Tatsächlich musste die EU zugeben, dass bei 99,9 % dieser alltäglich verwendeten Chemikalien die Wirkung auf den Menschen unbekannt ist. Doch all diese Stoffe - Medikamente und sonstige Chemikalien - wurden zuvor in Tierversuchen getestet.

Die Studie kam sodann zu folgenden Schlussfolgerungen über Tierversuche, von denen ich nur zwei nennen möchte. Erstens: Es ist nicht sinnvoll, das Tier als biologisches Modell für den Menschen anzusehen. Zweitens: Es ist unmöglich, unter Verwendung des Tiermodells langfristige oder chronische Gesundheitsrisiken sowie menschliche Krankheitszustände zu beurteilen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler gibt es in der Zwischenzeit wesentlich bessere und komplexere Methoden zum Test von Medikamenten und anderen Chemikalien als Tierexperimente.

Weitere unserer Fraktion vorliegende Studien - unter anderem des britischen Gesundheitsdienstes vom Juni 2006, der Regierung von Unterfranken aus dem Jahr 2005, der Universitäten Bristol, Edinburgh, London sowie Washington aus dem Jahr 2004 - kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Aus all den genannten Gründen und aufgrund der Vielzahl vorliegender Forschungsergebnisse können Tierversuche auch nach der Logik nicht reglementiert werden. Daher müssen sie sofort und für alle Zeiten verboten werden.

Der vorliegende Antrag auf eine Bundesratsinitiative ist unverzichtbar. Dazu gibt es auch keine Alternative. Zudem erfordert die Implementierung einer solchen Gesetzesänderung keinerlei

Kosten. Vielmehr werden - nach Berechnung von Tierschutzverbänden - durch das Totalverbot der Tierversuche in der Bundesrepublik Deutschland jährlich etwa 1 Milliarde Euro an öffentlichen und privaten Mitteln für eine echte Wissenschaft und humane Forschung frei.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen erhält der Abgeordnete Helm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schulze, Ihre Fraktion hätte es einfacher haben können, wenn Sie nur den Antrag, Tierversuche abzulehnen, formuliert hätten. Damit hätten Sie sich die Auflistung der Paragraphen ersparen können; denn diese müssten automatisch geändert werden.

Mit Ihrem Antrag versuchen Sie, Tierversuche generell zu verbieten. Ein generelles Verbot von Tierversuchen ist aber derzeit nicht vertretbar. Sie haben Wissenschaftsmeinungen zitiert. Es gibt genauso viele andere, die für Tierversuche sind, aber nur dann, wenn es verantwortbar ist.

Die Annahme Ihres Antrages würde nicht zuletzt verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen und zum Beispiel Artikel 5 Grundgesetz, Freiheit von Forschung und Lehre, berühren, wobei jedoch durch die vom Gesetzgeber inzwischen beschlossene ausdrückliche Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz dem Tierschutz bei Abwägungsentscheidungen mit anderen Grundrechten künftig stärkeres Gewicht zukommt.

Die Kritik an Tierversuchen hat schon frühzeitig dazu geführt, dass gesetzliche Regelungen für den Einsatz von Tieren in der Forschung erlassen worden sind. Diese werden seitdem ständig verbessert. Heute verfügen alle europäischen Länder über detaillierte Vorschriften für die Durchführung von Tierversuchen. Die Durchführung ist national im Tierschutzgesetz und in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift dazu geregelt. Das deutsche Tierschutzgesetz zählt zu den restriktivsten weltweit. Es stellt sicher, dass Tierversuche nur in einem von der Gesellschaft akzeptierten Umfang erfolgen und staatlichen Kontrollen unterliegen. Nach den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes dürfen Tierversuche nur durchgeführt werden, wenn sie für einen der im Gesetz abschließend aufgeführten Versuchszwecke nach dem aktuellen Wissensstand unerlässlich und im Hinblick auf die angestrebten Ergebnisse ethisch vertretbar sind. Durch die strengen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes ist gewährleistet, dass jedes vorgesehene Versuchsvorhaben an Wirbeltieren einer intensiven Kontrolle im Hinblick auf Unerlässlichkeit, ethische Vertretbarkeit und auf Möglichkeiten der Belastungsminderung für die eingesetzten Tiere unterzogen wird.

Bevor die Genehmigung für einen Tierversuch erfolgt, wird eine Tierversuchskommission angehört, in der neben Fachwissenschaftlern auch Vertreter von Tierschutzverbänden ihren Sitz haben. Diese Kommission beurteilt im Rahmen einer Güterabwägung neben der wissenschaftlichen Erforderlichkeit des Tierversuchs vor allem seine ethische Vertretbarkeit.

In Anbetracht der Sicherheitsbestimmungen zum Schutz des Menschen und der Umwelt sind in zahlreichen nationalen, EGrechtlichen und internationalen Rechtsvorschriften Tierversuche direkt oder indirekt vorgeschrieben. Die Harmonisierung dieser Rechtsvorschriften ist weitgehend abgeschlossen und hat wesentlich dazu beigetragen, dass in diesem Bereich heute weniger Tiere benötigt werden als noch vor einigen Jahren. Obwohl in der biomedizinischen Forschung zunehmend mit InVitro-Methoden gearbeitet wird, kann nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft auf Tierversuche nicht generell verzichtet werden. Sie sind jedoch auf das unerlässliche Maß zu beschränken.

Herr Schulze, an dieser Stelle sei mir die Frage erlaubt: Wie oder an wem sollen alternativ Schädlichkeit, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit oder das Gegenteil davon festgestellt werden? Fortschritte in der biomedizinischen Forschung wären ohne die Durchführung von Tierversuchen nicht denkbar. Nur mit ihrer Hilfe können physiologische Zusammenhänge im Organismus näher aufgeklärt werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es in bestimmten Bereichen derzeit nicht möglich ist, die häufig kritisierten, aus fachlichen und rechtlichen Gründen aber notwendigen Tierversuche vollständig durch Alternativmethoden zu ersetzen. Neu entwickelte, tierversuchsfreie Methoden müssen jedoch experimentell validiert werden, um zu erreichen, dass diese Modelle auch von internationalen Institutionen akzeptiert werden. Vor dem Hintergrund, dass in verschiedenen Bereichen nach wie vor Tierversuche notwendig sind, ist der raschen Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Im Übrigen wird von der Wissenschaft nicht behauptet, die Ergebnisse aus Tierversuchen lieferten absolute Sicherheit und seien voll auf den Menschen übertragbar. Wo noch keine Alternativmethoden verfügbar sind, ist die Wissenschaft aber auf im Tierversuch gewonnene Erkenntnisse, zum Beispiel über die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen einer Substanz, angewiesen, um Risiken zu erkennen und abzuschätzen.

Würde der Gesetzgeber den Forderungen nach einem Verbot von Tierversuchen folgen, so würden dadurch in erster Linie die Menschen, die an schweren, zum Teil noch unheilbaren Krankheiten leiden, getroffen; denn jetzt und in Zukunft werden viele Menschen, die an solchen Krankheiten leiden, auch auf die Ergebnisse der Forschung mit Tieren angewiesen sein.

Noch ein Hinweis sei erlaubt: Die Ergebnisse, die in Tierversuchen für die Medizin gewonnen werden, können vielfach auch in der Veterinärmedizin verwendet werden. Sie sind demnach auch im Interesse des Tierschutzes.

Aus diesen Gründen werden wir Ihren Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Helm und gebe das Wort an Frau Abgeordnete Steinmetzer-Mann weiter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende