- Liebe Kollegin, die Ergebnisse der Studie können Sie nachlesen. - Gleichzeitig belaufen sich die Belastungen der Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg für 2006 - ich bedanke mich für Ihre Frage, Frau Kollegin Schröder, denn auf unsere Frage hat man nicht so geantwortet - auf immerhin 341 Millionen Euro, obwohl Entlastungen zugesagt waren.
Ausbildung und der Berufsausbildung hat sich aus unserer Sicht nicht bewährt. Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang und müssen deshalb aus einer Hand, am besten von der Arbeitsagentur, realisiert werden. Glauben Sie mir: Auch diese Zweigleisigkeit hat mit zum Desaster der diesjährigen Ausbildungsplatzlücke geführt.
Dies sind nur einige Auswirkungen der so genannten Arbeitsmarktreform. Hartz I bis IV ist ungerecht, volkswirtschaftlich unsinnig und eine Rutschbahn in die Armut. Jetzt erkennen Gott sei Dank auch einige Sozialdemokraten, wie der Kollege Hilsberg, dass die so genannten Hartz-Reformen eine Lebenslüge waren und sind.
Echte Reformen können anders aussehen. Ich werde im Folgenden darstellen, wie wir sie uns vorstellen.
Erstens: Wir schlagen vor, einen Teil des Überschusses in Höhe von 12,5 Milliarden Euro der Bundesagentur zukommen zu lassen, damit sie zur wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein zusätzliches Ausbildungsprogramm auflegen und damit endlich perspektivische Angebote für Jugendliche und Langzeitarbeitslose schaffen kann.
Zweitens: Wir plädieren für die Zusammenlegung der Mittel der Hartz-IV-Problematik im Zusammenhang mit der Ausrichtung auf einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit existenzsichernden Löhnen. Wenn Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und auch die BA mittlerweile davon ausgehen, dass hierzulande die überwiegende Zahl der Arbeitslosen ohne eine öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance und Perspektive hat, dann sollte auch die Landesregierung endlich ihre Vorbehalte ablegen. Ich habe in der heutigen Fragestunde dazu Positives vernommen.
Drittens: Wir wollen Hartz IV durch eine bedarfsorientierte Grundsicherung überwinden. In einem ersten Schritt schlagen wir die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II auf 412 Euro vor. Damit befinden wir uns in guter Gesellschaft mit Gewerkschaften und Sozialverbänden. Wir fordern angesichts der Massenarbeitslosigkeit und des Lohndumpings einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro pro Stunde. Er ist in Brandenburg überfällig. Sie kennen die Beispiele: Ein Angestellter im Gartenbau arbeitet 41 Stunden und verdient 928 Euro brutto; das macht 5,10 Euro pro Stunde. Ein Arbeiter im Fleischerhandwerk arbeitet 40 Stunden und verdient 974 Euro brutto; das sind 5,64 Euro pro Stunde. Ich meine: Wer Vollzeit arbeitet, muss seine Familie davon ernähren können. Mit diesen Löhnen ist dies nicht möglich.
Die Antworten der Landesregierung haben deutlich gemacht, was nicht zuletzt die Debatte um die Studie der FriedrichEbert-Stiftung zur Armutssituation bestätigt: Ein Umsteuern in der sozialen Arbeitsmarktpolitik ist zwingend erforderlich. An dieser Stelle will ich noch einmal den maritimen Wortschatz bemühen: Ein Kapitän, der heutzutage auf ein Navigationsund Rettungssystem verzichtet und stattdessen wie in den Anfängen der christlichen Seefahrt auf Glück und Gottvertrauen setzt, ist eher ein Sicherheitsrisiko für Schiff und Mannschaft, und ich kann Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, den Vergleich nicht ersparen: Sie sind mit Ihrer
Politik von Hartz I, II, III und IV zu einem Zukunfts- und Armutsrisiko für unser Land Brandenburg geworden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weise den Generalangriff der Linkspartei.PDS gegen die Arbeitsmarktreform des Bundes, vor allem gegen Hartz IV, entschieden zurück. Hartz IV ist nicht Ursache für Langzeitarbeitslosigkeit und Armut - das müsste auch Ihnen eingängig sein -, sondern ein Versuch, diese zu überwinden. Es geht nicht darum, Menschen dauerhaft in Grundsicherung zu halten, sondern darum, den Versuch zu unternehmen, sie aus diesen Verhältnissen herauszuholen und wieder in Arbeit einzugliedern. Ich halte es daher für dringend geboten, die Dinge sachlich zu analysieren, Defizite nicht zu verdrängen, sondern sie zu benennen, und dabei nicht politisch in unverantwortlicher Weise mit den Schicksalen der Menschen zu spielen. Das erklärte große Ziel der Reform ist und bleibt die Eingliederung arbeitsloser Menschen in Arbeit durch eine schnelle und passgenaue Vermittlung.
Ich würde gern erst weiter ausführen. - Wirkungsanalysen der Arbeitsförderung müssen eng an den Möglichkeiten von Arbeitsmarktpolitik im Sinne von Beratung, Betreuung, Qualifizierung und Vermittlung orientiert sein. Weder das die Statistik beschönigende Parken von Langzeitarbeitslosen in Maßnahmen noch die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern die Zusammenführung von Arbeitsuchenden und offenen Stellen ist das Ziel und das Machbare einer neuen, modernen Arbeitsmarktpolitik.
Ende September 2006 waren in Brandenburg offiziell 212 751 Arbeitslose bei den Arbeitsagenturen und Grundsicherungsträgern des Landes registriert; 8 811 Menschen weniger als ein Jahr zuvor. Auf den ersten Blick stimmen uns diese Zahlen optimistisch. Auf den zweiten Blick ist diese Freude getrübt, denn dieser ist auf die Art der entstehenden Jobs sowie auf die Struktur von Arbeitslosigkeit in Brandenburg gerichtet. Ich halte es hier mit dem Bundesarbeitsminister, der sich sehr vernünftig - weil verhalten - zu den jüngsten Arbeitsmarktzahlen geäußert hat.
Von dem Wind, der heute Morgen hier im Parlament um die leichte Konjunkturbelebung gemacht wurde, dürften vielen Langzeitarbeitslosen in unserem Land die Haare zu Berge stehen; denn sie sind es, die am wenigsten von diesen Entwicklungen profitieren.
Mittlerweile gelten 67 % aller in Brandenburg registrierten Arbeitslosen als langzeitarbeitslos und beziehen Arbeitslosengeld II. Ende September waren dies 142 814 Menschen - über 6 000
mehr als ein Jahr zuvor. Insbesondere die Zahl der älteren Arbeitslosen über 55 Jahre ist innerhalb eines Jahres um 7 Prozentpunkte gestiegen. Diese Zahlen sind alarmierend und sollten uns nicht eher ruhen lassen, bis wir auf Bundes-, Landesund kommunaler Ebene solche arbeitsmarktpolitischen Instrumente zum Einsatz bringen, die wirksam den Kampf gegen die unhaltbaren Zustände aufnehmen. Hierzu bedarf es auch in Brandenburg einer komplexen Beschäftigungspolitik und - als Bestandteil derer - gut funktionierender Ausgleichsprozesse zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage.
Leider gibt die Drucksache 4/3208 nur einen unzureichenden Einblick in die Wirkung von Arbeitsmarktpolitik „Made in Brandenburg“; denn zahlreiche der 61 Fragen - ja, Herr Görke bleiben unbeantwortet. Auch ich bedauere dies.
Zur Lage der Kinder, die von Sozialgeld leben, liegen der Landesregierung keine Untersuchungen vor. Über den Zusammenhang von Gesundheit und Arbeitslosigkeit sowie über die finanzielle Lage von Bedarfsgemeinschaften, zu denen minderjährige Kinder mit Behinderungen gehören, besitzt die Landesregierung keine spezifischen Erkenntnisse.
Des Weiteren gebe es keine verwertbaren statistischen Angaben zur Vermittlung in Ausbildung. Aussagen zur Anzahl älterer Arbeitsloser, die im Rahmen der Beschäftigungspakte in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse integriert wurden, sowie Aussagen zur Effektivität des Mitteleinsatzes in diesem Bereich können nicht getätigt werden. Über die Chancen von Nichtleistungsbeziehern, über Instrumente des SGB III in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu kommen, liegen ebenfalls keine Erkenntnisse vor.
Anderen Antworten fehlt der aktuelle und landesspezifische Bezug, wenn wir heute über Zahlen und Einschätzungen nicht der Landes-, sondern der Bundesregierung diskutieren sollen, die uns bereits vor Monaten geliefert wurden. Darum plädiere ich dringend für einen eigenständigen Bericht zur sozialen Lage - insbesondere zur Armut - im Land Brandenburg.
Nun zu einigen ausgewählten Kernthemen der Großen Anfrage, zunächst zu den Wirkungen von Hartz I bis III. Die berechtigte Frage nach den Beschäftigungseffekten von Hartz I bis III bleibt unbeantwortet mit dem Vermerk:
Stattdessen liefert das MASGF als Ersatzantwort eine Übersicht zur Inanspruchnahme der wesentlichen Förderinstrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik, Teilnehmer ABM, Inanspruchnahme von Eingliederungs- und Existenzgründungszuschüssen, oder zur Anzahl ausgereichter Vermittlungsgutscheine.
Insbesondere der Vermerk der durch Teilnehmerzahlen erreichten Entlastung des Brandenburger Arbeitsmarktes stößt auf. Auch später in Beantwortung der Frage 56 zu den Beschäftigungseffekten heißt es in der Antwort:
„Die direkten Beschäftigungseffekte lassen sich am besten durch die Zahl der geförderten Personen in den dafür relevanten Programmen beschreiben.“
Im Zuge der Arbeitsmarktreform kann nicht nur die Zahl der Teilnehmer an Maßnahmen der Erfolgsindikator sein. Nicht Teilnahme, sondern Qualifizierungs-, Eingliederungs- und Beschäftigungseffekte sind für den Erfolg oder Misserfolg in der modernen Arbeitsförderung maßgeblich. Alles andere ist altes Denken, welches wir mit den Reformen am Arbeitsmarkt dringend überwinden wollten.
Dem mit Hartz I bis III überschriebenen Komplex fehlt gänzlich der Bezug zu Hartz III, dem Umbau der Bundesanstalt zur Bundesagentur für Arbeit, und damit die Bewertung, inwieweit sich auch in unserem Bundesland die angestrebten Strukturen eines modernen Dienstleisters entwickelt haben. Wieso gibt es zu diesem Kernthema der Reform weder Fragen noch Antworten? Hat die Fraktion der Linkspartei.PDS Angst vor Erfolgsmeldungen? - Das stimmt mich nachdenklich; denn vor allem zur Umstrukturierung und zur Arbeit der Arbeitsagenturen im SGB-III-Bereich hätten wir uns heute auch über Fortschritte austauschen können.
Kommen wir zu dem wichtigen Komplex „Kosten der Unterkunft - Hartz IV“: Ein nicht nur landes-, sondern bundesweites, ein soziales, aber auch juristisches Problem sind derzeit die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose.
Vielleicht könnten Sie uns kurz den Erfolg von Hartz IV nennen. Ich warte auch auf diese Botschaft. Jedoch bezieht sich meine Frage auf Ihre Äußerung, dass man mit der problematischen Lage der Armen im Land politisch nicht spielen darf. Ich frage Sie deshalb auch nach Ihren Äußerungen von gestern Abend, dass Sie die Situation der Betroffenen sehr genau kennen und für eine eigenständige Arbeitsmarktpolitik im Land plädieren. Hätten Anträge der Fraktion der Linkspartei.PDS, die soziale Lage der Betroffenen zu verbessern - Aufstockung der Bedarfssätze, Nichtanrechnung des Kindergeldes oder auch die Anpassung an die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Sie beschlossen haben -, jetzt bei Ihnen eine Chance? Könnten Sie ihnen nach Ihren derzeitigen Erkenntnissen zustimmen? Könnten Sie unserer Forderung - unseren Anträgen aus der Debatte über den Haushalt 2005/2006 - nach einer eigenständigen Arbeitsmarktpolitik des Landes jetzt zustimmen?
Fehler. Sie diskutieren Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsförderung hauptsächlich finanzpolitisch. Sie sprechen von mehr Regelleistung, von Mehrwertsteuernichterhöhung usw.
Auch in Ihrer Großen Anfrage vermisse ich schmerzlich die Fragen nach Förderung, Instrumenten und Effektivität von Instrumenten. Das ist das Entscheidende der modernen Arbeitsmarktpolitik, die der Bund angeschoben hat. Konzentrieren Sie sich bitte darauf.
Ich komme zurück zu den Kosten der Unterkunft. Nicht wenige Landkreise oder kreisfreie Städte wollen die tatsächlichen Kosten nicht bzw. lediglich anteilig übernehmen und lehnen Anträge mit der Begründung ab, die Kosten seien unangemessen. Strittig sind Richtwerte, die aus Sicht der Betroffenen mit dem realen Leben nichts zu tun haben. Immer wieder müssen Gerichte in die Regelung bezüglich der Kosten der Unterkunft eingreifen.