Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf Ihren Vergleich eingehen, dass arme Patienten früher sterben. Wir wissen, dass das so ist. Da sind wir in der Analyse auch gar nicht so weit voneinander entfernt. Das aber in Verbindung mit der Gesundheitsreform zu bringen ist zynisch, Frau Wöllert. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die Gesundheitsreform bemüht sich in ihrer Weichenstellung, genau dieses Problem in den Griff zu bekommen, indem man tatsächlich keine weiteren Zuzahlungen fordert, indem man die ambulante Versorgung ausbaut, indem man verstärkt auf Prävention setzt.

Das Grundproblem, das wir haben, ist, dass arme Menschen natürlich einen geringeren Bildungsstatus haben und dass sie weniger bereit sind, für ihre eigene Gesundheit Vorsorge zu treffen. Insofern ist es völlig richtig, dass es ein Problem ist, Arbeitsplätze zu schaffen - das ist ein Problem der Wirtschaftspolitik -, und daran sind wir intensiv. Wir als SPD haben das sehr wohl erkannt. Das Problem, das soziale Unten oder das

Prekariat zu entlasten, besteht darin, dass wir Arbeit für alle schaffen müssen. Das ist ein ausgemachtes Ziel unserer Regierung. Die Gesundheitsreform ist ein Schritt dahin, gerechte Gesundheit, gleiche Gesundheit, gleichen Zugang für alle zu gewährleisten. Deswegen begrüßen wir diese Gesundheitsreform. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir fahren in der Aussprache mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst Hartz IV und nun die Gesundheitsreform - wie allgemein üblich in Deutschland verfallen die Regierenden von einem Extrem ins andere. Das einzige, was hier in Deutschland Bestand hat, ist: Es geht im sozialen und gesundheitlichen Bereich immer mehr bergab und die Hauptleidtragenden sind die so genannten Otto Normalbürger.

Kernstück der neuen Gesundheitsreform ist die Einführung eines Gesundheitsfonds. Jede Krankenkasse soll für jeden Versicherten eine pauschale Zuwendung aus diesem Fonds erhalten. Kommt eine Krankenkasse mit den zugewiesenen Mitteln nicht aus, kann sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. Nach langem Hin und Her hat man beschlossen, diesen Fonds erst 2009 einzuführen.

Man muss nicht besonders pessimistisch sein, um vorhersagen zu können, dass auch diese Reform letztlich wieder einmal auf dem Rücken der Otto Normalbürger ausgetragen wird. Leistungskürzungen und höhere Beiträge werden zwangsläufig die Folge sein. Das sehen nicht nur wir von der Deutschen Volksunion so, das sehen auch etliche Mitglieder der Regierungsfraktionen so

(Frau Hackenschmid [SPD]: Ich dachte der SPD!)

und fordern eine Verschiebung dieser Reform, zumal ja auch im Jahr 2009 die Bundestagswahl ansteht. Nun befürchtet man, dass die Wähler die dafür Verantwortlichen abstrafen werden.

Eine Reformierung des Gesundheitswesens ist nötig. Doch warum werden wieder einmal nur die Arbeitnehmer, Arbeitslosen und Rentner geschröpft? Ist wirklich kein Geld für die Gesundheit unserer Staatsbürger da?

Mittlerweile wurde bekannt, dass die Steuereinnahmen steigen und die Bundesagentur für Arbeit für dieses Jahr mit einem Überschuss von 12 Milliarden Euro rechnet. Die Bundesregierung denkt aber nicht daran, die Mehreinnahmen zur Sanierung der Sozialsysteme einzusetzen. Bundeskanzlerin Merkel hat bereits eine andere Verwendung im Sinn: Die Bundeswehr müsste künftig wesentlich mehr Geld bekommen, um für weitere Auslandseinsätze gewappnet zu sein. Während für die Alten, Kranken, Schwachen in Deutschland kein Geld da ist, will Merkel Kriege finanzieren, die nicht im deutschen Interesse liegen,

(Beifall bei der DVU)

unserem Volk nur Feinde in aller Welt schaffen und die Terrorgefahr in Deutschland erhöhen.

Meine Damen und Herren, was weder die etablierten Politiker noch die Medien zu thematisieren wagen, sind milliardenverschlingende Skandale und Missbräuche, die maßgeblich an der Finanznot der Kassen beteiligt sind. Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an den Abrechnungsbetrug einiger weniger Ärzte, aber auch an den Chipkartenmissbrauch hier lebender ausländischer Bürger.

(Lachen bei der SPD)

Aber nicht nur durch Abrechnungsbetrug, Chipkartenmissbrauch, unnötigen Bürokratismus und ineffiziente Verwaltungsstrukturen entstanden die großen Finanzlücken bei den Krankenkassen. Auch der demografische Wandel trägt zur zusätzlichen Belastung der Gesundheitskassen bei.

(Zwischenrufe bei der SPD)

Doch warum werden die gewaltigen Einsparpotenziale... Hören Sie lieber aufmerksam zu! Ich biete Ihnen hier Möglichkeiten an, wie Sie Ihr Gesundheitssystem reformieren können.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der SPD)

So gibt es zum Beispiel gewaltige Einsparpotenziale im Gesundheitswesen, doch deren Nutzung wird von der Bundesregierung nicht in Angriff genommen. Ich nenne Ihnen einige. So frage ich mich zum Beispiel, welchen wirksamen Beitrag die Pharmaindustrie zur neuen Gesundheitsreform leistet.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Das ist eine gute Frage!)

Warum gibt es immer noch so viele Krankenkassen mit ihren kostspieligen Verwaltungsapparaten und gut bezahlten Vorständen? Warum setzt man hier den Rotstift nicht konsequenter an?

Doch alles Herumdoktern an der Finanznot nicht nur der Kranken-, sondern auch der Rentenkassen wird so lange vergeblich sein, solange nicht das Grundübel beseitigt ist: die Massenarbeitslosigkeit.

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Wir brauchen mehr Beitragszahler, Frau Lehmann, mehr Leute, die in die Sozialkassen einzahlen.

(Frau Lehmann [SPD]: Wer hat Ihnen bloß diese Rede ge- schrieben?)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Reform der Sozialsysteme nötig ist, doch wenn wir den solidarischen Charakter unseres Gesundheitswesens erhalten wollen, dann müssen wir es den neuen Bedingungen anpassen und seine Schwächen und Mängel beheben und auch ehrlich benennen dürfen. Wir brauchen keine überproportional verdienende Pharmaindustrie und wir brauchen auch nicht Hunderte von Krankenkassen mit ihren kostenintensiven Vorständen und Verwaltungen. Was wir brauchen, sind Arbeitsplätze und eine bestmögliche Gesundheitsversorgung, unabhängig vom Geldbeutel der Patienten.

(Beifall bei der DVU)

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Schier.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesundheitsreform ist unumstritten eine der größten Reformen der Bundesrepublik Deutschland. Sie umfasst ja eigentlich vier Reformen: die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, die der privaten Krankenversicherung, eine Reform der Finanzierung und eine Strukturreform.

In der Bundesrepublik Deutschland wurden beispielsweise im Jahr 2004 234 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben. Der größte Ausgabenträger ist dabei die gesetzliche Krankenversicherung, der ca. 90 % der Versicherten angehören. Deutschland wird für sein Gesundheitssystem gelobt und dieses ist im Vergleich mit anderen Ländern tatsächlich gut.

Wir haben keine Wartelisten bei dringenden Operationen, der Zugang zur Hochleistungsmedizin hängt nicht vom Geldbeutel ab, um nur zwei Argumente zu nennen.

International liegt die Bundesrepublik mit 10,6 % der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt an dritter Stelle nach den Vereinigten Staaten von Amerika und der Schweiz. Das Problem sind allerdings die explodierenden Kosten. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung stellen die sinkenden Einnahmen und die steigenden Ausgaben ein Problem dar.

Mit der Reform soll der qualitativ hohe Standard für alle Menschen in unserem Land gehalten werden. In der Begründung zur Aktuellen Stunde wird vor allem auf die soziale Lage, den Gesundheitsstatus und die Lebenserwartung hingewiesen und in typischer Manier der PDS vorausgesagt, dass nun alles schlechter wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der PDS, in Brandenburg sei alles schlecht, es gehe allen schlecht und es werde permanent alles schlechter. Frau Wöllert hat dieses Lied in den höchsten Tönen gesungen. So kann man ein Land und seine Menschen auch diffamieren.

(Beifall bei der CDU)

Die Gesundheitsreform ist ein Schritt in die richtige Richtung. Gerade wir im Osten Deutschlands, also auch wir Brandenburger, werden von ihr profitieren.

Nehmen wir einmal den Gesundheitsfonds. Derzeit erhalten die Krankenkassen in den einzelnen Ländern die Beiträge der Versicherten nach deren Einkommen. Da die Einkommen hier niedriger sind, sind auch die Einnahmen der Kassen geringer. Im Schnitt sind es 22 % weniger Einnahmen als in den alten Bundesländern. Das wird sich mit dem Fonds zu unseren Gunsten ändern.

Jeder - ich sage es noch einmal: jeder - Versicherte, ob Rentner, Arbeitslosengeld-II-Empfänger oder Kind wird gleichwertig behandelt. Für jeden gibt es einen einheitlichen Betrag aus dem Fonds in die jeweilige Krankenkasse. Die Situation der Krankenkassen wird sich ändern, da sie nicht mehr auf die so genannten Geberländer angewiesen sind.

Für die vielen alten und kranken, vor allem chronisch kranken Menschen wird mit der Gesundheitsreform Sorge getragen. Es wird einen gesonderten Beitrag als Morbiditäts-Risikostrukturausgleich geben.

Frau Wöllert, wir haben gestern beim Verband der Angestellten-Krankenkassen zusammengesessen. Die Krankenkassen haben einen total neutralen Vortrag gehalten. Sie haben gesagt, was gut und was schlecht ist. Eine Aussage war, dass, wenn der Risikostrukturausgleich so kommt, der Beitrag, diese 1 %, durchaus nicht erhoben werden wird.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Das haben sie nicht ge- sagt!)

- Das haben sie gesagt. Sie haben zwei Plätze von mir entfernt gesessen. Ich weiß nicht, warum das bei Ihnen nicht angekommen ist.

(Jürgens [Die Linkspartei.PDS]: Sie haben auch die Rede von Frau Wöllert falsch verstanden!)

Der Beitragseinzug wird optimiert. Zurzeit gibt es etliche 100 Einzugsstellen der einzelnen Kassen bundesweit. Damit verbunden sind Personalkosten, bezahlt aus den Mitgliedsbeiträgen der Versicherten.

Die örtliche Versorgung in unserem Land ist durch Ärztemangel, besonders in den ländlichen Regionen, bedroht. Auch hier wird die Gesundheitsreform gegensteuern. Für unterversorgte Gebiete können Zuschläge und für überversorgte Gebiete Abschläge vereinbart werden. Ich persönlich hoffe sehr darauf, dass es mit diesem System gelingt, die fehlenden und die demnächst frei werdenden Arztstellen zu besetzen.

Womit ich bei den Ärzten und ihren Honoraren bin. Sie alle können sich bestimmt an die vielen Ärzteproteste erinnern. Die zentralen Forderungen waren eine angemessene Vergütung, ein einfaches Honorarsystem, feste Preise in Euro und Cent. Genau diese Forderungen sind bei der Gesundheitsreform berücksichtigt. Die Gesamtvergütung ist abhängig von der Morbidität. Bei Anstieg der Morbidität ist eine Überschreitung der Grenze der geforderten Honorare möglich. Wer also besonders viele Patienten mit schweren Erkrankungen betreut, kann die Honorargrenze überschreiten.

Der Gesundheitsfonds wird zum 1. Januar 2009 eingeführt. Bis dahin müssen sich alle Krankenkassen entschuldet haben. Es ist nicht überschaubar, wie viele Kassen dies tatsächlich schaffen werden. Deshalb wird es zwingend zu Fusionen der Krankenkassen und somit zur Reduzierung der Anzahl von derzeit 252 Krankenkassen kommen. Das war eine Forderung. Das finde ich auch richtig.