Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

Ich will das kurz an einem praktischen Beispiel darlegen. Frau Kollegin Osten, Sie hatten gerade von der Paulskirche in Frankfurt/Main und den Jahren 1848/1849 gesprochen. Ich will Ihnen einmal ein Beispiel aus dem Jahr 1890 nennen - ich kann es auch kurz vorlesen -, was das bundesstaatliche System noch alles an alten Zöpfen und langen Bärten besitzt, die man sicherlich abschneiden muss.

„Aufgrund der Wiederanwendung der Bestimmungen des am 2.12.1890 zwischen dem Deutschen Reich und Österreich/Ungarn geschlossenen Vertrages über den Anschluss der österreichischen Gemeinde Mittelberg (Klei- nes Walsertal) an das Zollsystem des Deutschen Reiches erhält Österreich eine Abrechnung seines Einnahmeanteils an den Zöllen und Verbrauchssteuern. In dem Abgeltungsbetrag ist auch ein Biersteueranteil enthalten, der dem Bund von den Ländern, denen das Biersteueraufkommen nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 5 GG zusteht, erstattet werden muss. Der Anteil Brandenburgs beträgt 100 Euro.

Die Verrechnung aus diesem Titel erfolgt jährlich gegenüber dem BMF - Bundesministerium der Finanzen.“

Dies steht nicht in einem Anekdotenbüchlein, sondern im Einzelplan 20 des Haushalts 2007. So viel zum Thema „alte Zöpfe“, die auch in einem solch bundesstaatlichen föderalistischen System noch abgeschnitten gehören. Vielleicht gibt es nachher ein Öko-Bier. Deshalb sage ich an der Stelle nur noch: Prost!

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die DVU-Fraktion erhält Herr Schuldt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon im Alten Testament im Buch Hesechiel 13, Vers 9 steht:

„Und meine Hand soll über die Propheten kommen, die Trug reden und Lügen sagen.“

(Beifall bei der DVU)

Das war mein erster Eindruck, als ich den vorliegenden Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion über die geforderte Zusammensetzung der Föderalismuskommission II gelesen habe. Abgesehen davon, dass vorliegender Antrag schlampig ausgearbeitet wurde - er entbehrt jeder Recherche -, versucht die Linkspartei.PDS-Fraktion hier in populistischer Weise, den Bürgerinnen und Bürgern vorzugaukeln, dass nur sie die Länderinteressen im Bund vertrete. Sie möchte sich nun als Protagonistin der bundesstaatlichen Ordnung darstellen. Wer sich aber die Geschichte der Linkspartei.PDS vor Augen hält - namentlich ihre in der jüngsten Diktatur auf deutschem Boden verhaftete Tradition -, dem kommen hier schon erhebliche Zweifel.

Die in der Begründung formulierte Binsenweisheit, dass die Landtage und die kommunalen Spitzenverbände wesentliche Akteure im Rahmen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sind, hilft hier auch nicht weiter. Entlarvt wird vorliegender Antrag schon durch den letzten Satz in der Begründung. Die Brandenburger PDS-Fraktion möchte sich hier zum Steigbügelhalter der katastrophalen Berliner Haushaltspolitik machen, indem sie unverhohlen die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die Klage Berlins auf Bundesergänzungszuweisungen kritisiert.

Hintergrund des vorliegenden Antrags ist nichts anderes als die Einigung der Berliner Koalitionsrunde zwischen den Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD vom 16.10.2006. Dort heißt es ausdrücklich, dass es im Verhältnis zum Bund für Berlin wichtig ist, dass aus den Bereichen Kultur, Sicherheit und Infrastrukturmaßnahmen vieles vom Bund finanziert werden soll.

Außerdem kündigte Klaus Wowereit in diesem Zusammenhang ausdrücklich an, dass er sich an der Föderalismuskommission II, bei der es im Wesentlichen um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen geht, beteiligen will. Worum es ihm geht, ist klar. Er möchte über die Hintertür der Verfassungsreform doch noch die ersehnten Milliarden bekommen. Die DVU-Fraktion lässt sich jedoch nicht täuschen.

Wir erkennen an, dass das Bundesverfassungsgericht zu Recht eine Entschuldung Berlins abgelehnt hat. Vorliegender Antrag entlarvt sich somit als Versuch, eine kameralistisch wie auch inhaltlich völlig verfehlte Haushaltspolitik - getragen von RotRot - zu unterstützen. Solange in Berlin auf der einen Seite Kindertagesstätten geschlossen und Mittel dafür gekürzt werden, auf der anderen Seite aber fragwürdige subkulturelle Veranstaltungen mit schlüpfrigem Inhalt gefördert werden,

(Oh! bei Linkspartei.PDS und SPD)

führt sich jedes Argument für eine Entscheidung selbst ad absurdum.

Der Linkspartei.PDS-Fraktion geht es nicht um die Stärkung der Länder und der Kommunen, sondern um bloße Taktik, um ihr politisches Scheitern in den Ländern zu vertuschen, in denen sie mitregiert hat.

Wir jedenfalls fallen darauf nicht mehr herein, sondern halten es mit Johannes Kapitel 4, Vers 1 im Neuen Testament:

„Prüft die Geister, ob sie von Gott sind. Denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt.“

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der Linkspartei.PDS und SPD)

Mit den vielen falschen Propheten hat Johannes jedenfalls Recht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die CDU-Fraktion erhält nun Frau Richstein das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist etwas schwierig, zu diesem Zeitpunkt - nachdem der Abgeordnete Bischoff so schön in den Parlamentarischen Abend übergeleitet hat und nach zum Teil so unsachlichen Beiträgen zu sprechen und auf das Thema zurückzukommen. Wir behandeln - das ist schade - ein solch wichtiges Thema am Ende der Tagesordnung. Es ist wichtig, weil wir uns bereits in der Umsetzung der Föderalismusreform befinden. Wir haben gerade den ersten Teil beschlossen und setzen ihn hoffentlich sehr innovativ in Brandenburg um. Der zweite Teil steht bevor. Herr Struck hat heute in der Bundestagsdebatte bereits erwähnt, über einen dritten Teil der Föderalismusreform - die Neugliederung der Länder - nachzudenken. Ich bin sehr gespannt, welche Kompetenzen der Bund sich hier heranziehen möchte, um die Länder neu zu ordnen. Das machen wir - wenn überhaupt - selbst.

Hinsichtlich der Föderalismusreform I müssen wir sehen, was die Bundesstaatenkommission geleistet hat. Es waren zähe Debatten, die zum Teil ausgesetzt worden sind. Zudem müssen wir sehen, welche Lehren wir daraus ziehen können. Eine Lehre wird sein, die Kommission nicht zu groß zu gestalten. Wie man so schön sagt, verderben viele Köche den Brei. Heute

wurde auch noch einmal in der Bundesregierung beraten, wie die Beteiligung der Bundesregierung aussehen wird.

Ich glaube, dass es vielleicht nicht zum Voranschreiten der Diskussion auf Bundesebene geeignet ist, wenn die Länderparlamente mit eigenem Antrags- und Rederecht vertreten sind. Mir ist sowohl von der Bundesregierung als auch aus dem Bundestag signalisiert worden, dass man die Landtage und die kommunalen Spitzenverbände in der Tat angemessen beteiligen möchte.

Ich würde mich sehr freuen, wenn es den Ländervertretern dennoch gelingen würde, sich auf einige Verhandlungsführer zu einigen, damit nicht wieder 16 Ländervertreter dort sitzen, die sowieso nur für ihr einzelnes Land streiten. Es geht um die Ebene und nicht um die Kleinstaaterei, die dann möglicherweise irgendwann einmal auftreten könnte. Das hoffen wir natürlich nicht. Von daher bin ich frohen Mutes, dass wir - weil es mir sowohl von der Bundesregierung als auch vom Bundestag zugesichert wurde - angemessen beteiligt werden.

Darüber hinaus haben wir natürlich jederzeit die Möglichkeit, uns im Wege der Selbstbeteiligung mit diesem Thema im Landtag zu befassen. Ich habe großes Vertrauen in die Landesregierung, dass sie uns frühzeitig informieren wird und wir dergestalt dann auch mitwirken können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Landesregierung erhält der Staatssekretär Appel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zwischen dem Empfang des ökologischen Landbaus und Ihnen stehe in der Tat nur noch ich. Deshalb werde ich es kurz machen. Ich glaube, der Stand und der Antrag machen es auch möglich, es relativ kurz zu halten.

In Zeiten des Wandels ist der Ruf nach schnellen Reformen durchaus berechtigt. Wer sich allerdings zu schnell auf den Weg macht, kann ins Stolpern geraten. Mit Blick auf die Reform der Beziehungen zwischen Bund und Ländern halte ich ein Motto für entscheidend, nämlich: Sorgfalt ist hier wichtiger als Schnelligkeit.

Wir haben mit der Föderalismusreform die erste Etappe eines sehr langen Reformweges zurückgelegt. Der bevorstehende

zweite Teil der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ist - lassen Sie es mich einmal persönlich einschätzen wesentlich schwieriger als der erste Teil, weil es um viel Geld geht.

Wie ist der Stand der Dinge bei der Vorbereitung? - Am 22. Juni haben die Regierungschefs von Bund und Ländern hinsichtlich der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine Einigung über eine offene Themenliste von hohem Abstraktionsgrad erzielt.

Auf der Jahreskonferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien im September wurde beschlossen, dass eine länderoffene Arbeitsgruppe die genannte Themensammlung konkretisieren soll. Wir müssen uns - das klang soeben an - mit immerhin 15 Bundesländern und dem Bund auf die Modalitäten des weiteren Vorgehens einigen. Genau aus diesem Grund hat die Arbeitsgruppe vor einer Woche erstmals getagt. Sie wird den Chefs der Staats- und Senatskanzleien einen Verfahrensvorschlag unterbreiten, wie die Themensammlung angegangen werden soll. Am 13. Dezember besprechen dann alle Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, nach welchem Verfahren die Verhandlungskommission tätig werden soll.

Es liegt in der Natur der Sache, dass man keine Ergebnisse vorwegnehmen kann. Außer Frage steht, dass die Belange der Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften berücksichtigt werden müssen. In welcher Form das erfolgt, muss in den kommenden Wochen geklärt werden. Sie sind mit Ihrem Antrag also viel zu früh gesprungen. - Schönen Dank! Ich wünsche noch einen schönen Abend.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir haben die Rednerliste abgearbeitet. Ich stelle hiermit den Antrag in der Drucksache 4/3699 zur Abstimmung. Wer diesem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt worden.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 18 und die heutige Sitzung.

Ich freue mich, Sie morgen früh zu einem kleinen Jubiläum, der 40. Plenartagung des Landtages Brandenburg in seiner 4. Wahlperiode, wiederzusehen.

Ende der Sitzung: 18.12 Uhr