Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Ich komme nun zu dem, was Sie eigentlich fordern sollten. Es ist in der Tat so, dass die UN-Kinderrechtskonvention seit 1992 auch in Deutschland verpflichtendes Recht ist. Der zweite Bericht des Ausschusses für die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen hat Deutschland dafür kritisiert, dass die Kinder

rechtskonvention in Deutschland nicht vollständig umgesetzt worden ist.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [Die Linkspartei.PDS])

Das ist der Bericht vom Januar 2004. Das sollte tatsächlich Anlass dazu geben, darüber nachzudenken, was man tun kann. Dieses Nachdenken fängt nicht erst heute an, sondern läuft seit langem in verschiedenen Gremien, auf verschiedenen Ebenen. Insbesondere in den Bundestagsfraktionen denkt man darüber nach, was man tun kann.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Und was ist das Er- gebnis?)

Man kann einiges tun, zum Beispiel ein klares Recht auf Bildung und Ausbildung verankern; da gebe ich Ihnen Recht. Ich habe der mündlichen Begründung des Antrags hier entnommen, dass Sie in diese Richtung zielen; das ist etwas sehr wohl Diskutables. In der brandenburgischen Landesverfassung steht es, im Entwurf der Europäischen Verfassung steht es, in der UN-Kinderrechtskonvention ebenfalls. Darin ist das Recht auf Bildung und Ausbildung verankert. Das könnte man im Grundgesetz regeln; das sehe ich auch so.

Es gibt andere Ansätze, beispielsweise die Frage des Schutzes der Kinder vor Missbrauch, vor Gewalt. Muss sie anders geregelt werden? Auch das - da gebe ich Ihnen Recht - ist im Grundgesetz unbefriedigend geregelt. Da besteht, denke auch ich, Regelungsbedarf, jedoch muss man ihn dann schon konkret herausarbeiten. Es gibt ganz andere, interessante Erwägungen, beispielsweise was die Frage des Wahlrechts angeht. Muss man die Kinder bei der Ausübung des Wahlrechts der Eltern berücksichtigen? Diese Frage ist problematisch, aber immerhin diskutabel.

Des Weiteren wird die Frage diskutiert: Müssen wir einen Nachhaltigkeitsfaktor in die Verfassung aufnehmen? Ein Artikel 20 b - eine nachhaltige Politik zugunsten zukünftiger Generationen als Staatsziel zu verankern - wird diskutiert. Auch daran könnte man also denken.

All das steht aber in Ihrem Antrag nicht. Wir wissen nicht, was Sie eigentlich bezwecken. Was soll dann ein solcher Antrag, außer ein Thema populistisch zu besetzen, statt die komplexen interessanten Bereiche dieses Themas im Einzelnen zu erörtern?

So, wie der Antrag da steht, ist er nicht zustimmungsfähig. Ich will Sie aber davon abhalten, sich jetzt unnötig Arbeit zu machen und etwa neue Anträge zu formulieren. Wir haben auch ein grundsätzliches Problem mit Ihrem Antrag bzw. damit, über den Bundesrat in klassische Bundesangelegenheiten einzugreifen. Das ist nicht Aufgabe eines Landesparlaments. Wir haben nicht die Aufgabe, über Bundesratsinitiativen etwa das Grundgesetz neu zu gestalten. Da haben wohl wir alle hier andere politische Möglichkeiten. Wir, die demokratischen Fraktionen dieses Hauses, haben Ansprechpartner im Bundestag, und wir haben sehr wohl die Möglichkeit, über sie Einfluss zu nehmen. Wir als Sozialdemokraten brauchen das nicht, weil ich weiß: In unserer Bundestagsfraktion gibt es dazu sehr viele Überlegungen. Fragen Sie einfach einmal nach, wie es bei der Linkspartei.PDS im Bundestag ist!

(Zuruf von der Linkspartei.PDS)

Versuchen Sie, da Initiativen in die Wege zu leiten. Wir brauchen dies nicht als Land zu tun; das verpufft, auch wenn Sie es jetzt konkreter formulierten.

Über die Sache selbst wären wir, wenn sie etwas konkreter formuliert wäre, gern bereit, mit Ihnen intensiv zu diskutieren - das haben Sie, glaube ich, gemerkt -, aber bitte mit anderen Anträgen. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank, Herr Holzschuher.

(Der Abgeordnete Vietze [Die Linkspartei.PDS] signali- siert Fragebedarf.)

- Ein Fragesteller hatte sich gemeldet? - Herr Holzschuher, Sie sind bereit, diese Frage noch zu beantworten?

Dann erhält Herr Vietze das Wort.

Herr Holzschuher, wie Sie wissen, werden die Anträge unserer Fraktion zu 99,9 % abgelehnt. Unser Antrag „Kinderrechte in das Grundgesetz“ sollte nicht durch die Koalitionsfraktionen diszipliniert abgelehnt werden, wenn wir auch noch eine detaillierte Aufstellung von möglichen Positionen vorgelegt haben. Das, was jetzt geschrieben steht, ist ein Grundanspruch, dem Sie sich nicht verschlossen haben. Es wäre also empfehlenswert, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, sodass dazu eine Beschlussempfehlung mit Ihren vielen klugen Gedanken zurück ins Parlament käme und möglicherweise die Chance hätte, dass die Regierung beauftragt würde, sich an diesem Diskussionsprozess mit einer klaren Position im Landtag zu beteiligen. Können Sie sich ein solches Verfahren vorstellen?

Auf diese Frage habe ich gewartet; denn bis dahin hatte ich keine Frage erkannt. Die Frage läuft wohl mehr darauf hinaus: Können Sie uns helfen? Wie sollten wir das formulieren, damit es für Sie zustimmungsfähig ist?

(Lachen bei der SPD - Widerspruch bei der Linkspar- tei.PDS)

Da, gebe ich zu, bin ich überfragt. Ich bitte Sie, selbst zu überlegen, wie Sie das angehen könnten. Der vorliegende Antrag ist aus den dargelegten Gründen jedenfalls nicht zustimmungsfähig. - Danke.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Nun erhält die Abgeordnete Hartfelder für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vietze, die PDS greift im vorliegenden Antrag eine Diskussion auf, die schon seit geraumer Zeit geführt wird.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Seit Jahren!)

Überlegungen, die Rechte von Kindern gesondert ins Grundgesetz aufzunehmen, sind nicht neu. Bislang ist man davon ausgegangen, dass Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes - „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ - auch Kinder ausreichend schützt. Wenn wir Kinderrechte gesondert festschreiben wollen, müssen wir uns darüber klar sein, dass wir damit insbesondere das Ziel verfolgen, Kinder vor ihren Eltern zu schützen; denn in Artikel 6 des Grundgesetzes werden ein besonderes Elternrecht und eine besondere Elternpflicht festgeschrieben. Da sich die meisten Eltern nichts zuschulden kommen lassen und ihre Kinder verantwortungsbewusst erziehen, ist hier in der Tat ein schwieriger Abwägungsprozess erforderlich; Herr Holzschuher hat schon darauf Bezug genommen. Eltern sollen ja nicht grundsätzlich verteufelt werden.

Andererseits muss man Kindern, die seelischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt sind, selbstverständlich besseren Schutz gewährleisten. Wir haben in vielen Debatten in diesem Hause darüber gesprochen. Das ist aber nicht mit der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz getan. Dazu sind viele andere Maßnahmen erforderlich. Herr Krause hat einen Teil davon genannt; man könnte dieses Maßnahmenpaket erweitern.

Wenn Kinder ein Recht auf Achtung ihrer Würde und Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben, bewegen wir uns aber noch auf einem anderen Terrain. Wann wird ein Kind beispielsweise nicht ausreichend gefördert, sodass sich seine Persönlichkeit nicht entwickeln kann? - Darüber eine juristische Diskussion zu führen ist schwierig, wenn nicht fast unmöglich.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Inzwischen fordern nicht nur Sozialverbände, dass Kinderschutz in der Verfassung verankert wird. Auch die Bundeskanzlerin hat angekündigt, dass Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen. Gleiches gilt für die Bundesfamilienministerin.

Wenn die Kinderrechte im Grundgesetz verankert sind, sollen sie vor allem diejenigen in ihren Entscheidungen stärken, die heute noch zu zögerlich agieren, wenn es darum geht, Kinder auch vor ihren Eltern zu schützen.

Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz wird Gewalt gegen Kinder, wie gesagt, nicht verhindern, ermöglicht aber - hoffentlich - ein schnelleres Einschreiten und lässt Entscheidungen im Sinne der betroffenen Kinder zu.

Am 20. November letzten Jahres fand in Berlin eine öffentliche

Anhörung zum Thema „Kinderrechte in die Verfassung“ statt. Unter anderem wurde ausgeführt, dass bei einer Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz nicht mehr, wie bisher, das Elternrecht dominieren soll, sondern die Belange und die Interessen der Kinder dem Elternrecht gleichwertig sind. Es wurde auch dargelegt, man könne nicht davon ausgehen, dass Kinder schließlich auch Menschen seien und deshalb von allen Grundrechten - also Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes - umfasst würden. Die Entwicklung der letzten 57 Jahre habe gezeigt, dass die Mitumfassung in Artikel 1 Grundgesetz nicht ausreiche, um Kindern den ihnen gebührenden verfassungsrechtlichen Schutz zu gewährleisten.

Insgesamt ist das Material der Anhörung sehr umfassend. Warum erwähne ich das an dieser Stelle? - Sowohl mit der Anhörung als auch mit der angestoßenen Diskussion wird noch einmal untermauert, dass dieses vielschichtige Thema bereits umfassend beraten wird. Deshalb, Herr Vietze, sehe auch ich keine Notwendigkeit, dass vom Brandenburger Parlament eine gesonderte Initiative ausgeht. Wir im Land Brandenburg sind - das hat Herr Krause schon gesagt - durch den Artikel 27 - Schutz und Erziehung von Kindern und Jugendlichen - umfassend ausgestattet.

Wir werden den vorliegenden Antrag also ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD - Zuruf von der Linkspartei.PDS: Eigentlich schade!)

Das Wort erhält die Abgeordnete Fechner von der DVU-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die umbenannte SED, unter deren Regierungsverantwortung politisch missliebigen Eltern die Kinder weggenommen wurden, will die Rechte der Kinder in der Verfassung verankern. Wieder einmal ein Zeichen, wie wandlungsfähig die linken Genossen sind!

(Zurufe von der Linkspartei.PDS und der SPD)

Die ehemalige DDR-Staatspartei ist sich bei dieser Forderung anscheinend einig mit der bayerischen Staatspartei CSU und unserer CDU-Bundeskanzlerin.

Bei allen positiven Aspekten, die wir diesem Antrag abgewinnen könnten, sehen wir nicht unbedingt die Notwendigkeit, die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern; denn bereits in der Verfassung des Landes Brandenburg sind unserer Meinung nach die Rechte der Kinder umfassend berücksichtigt. Auch in den Verfassungen anderer Länder sind die Kinderrechte verankert.

Doch könnte es nicht schaden, wenn im Grundgesetz verankert wäre, dass die besten Interessen der Kinder bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, berücksichtigt werden müssen. Dann könnte eine Landesregierung nicht mehr so einfach Schulen aus Kostengründen schließen oder die Kosten für Schulbusse einsparen. Allen Brandenburgern ist schließlich klar, dass solche Entscheidungen niemals im besten Interesse der betroffenen Kinder sein können.

Meine Damen und Herren! Unter einer Voraussetzung würden alle sechs Volksvertreter der Deutschen Volksunion diesem Antrag zustimmen, nämlich unter der Voraussetzung, dass nicht nur die Rechte der geborenen, sondern auch die der ungeborenen Kinder im Grundgesetz verankert werden. Unter dieser Voraussetzung würde dieser Antrag meine Zustimmung und die meiner Kollegen erhalten;

(Beifall bei der DVU - Schippel [SPD]: Wir verzichten aber dann!)

denn auch vor ihrer Geburt haben alle Kinder das Recht auf Überleben und auf Entwicklung und ganz besonders das Recht, nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder aus purer Bequemlichkeit ermordet zu werden.

Aus den genannten Gründen wird sich die DVU-Fraktion bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten.

(Beifall bei der DVU)

Das Schlusswort erhält die Landesregierung. Bitte, Herr Minister Rupprecht.