Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Ich eröffne die Aussprache. Der Abgeordnete Jürgens spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.

Die Aufmerksamkeit am heutigen Nachmittag lässt etwas zu wünschen übrig. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf dem Parkplatz des Landtags stehen eine ganze Menge Autos. Ich gehe aber davon aus - einige Mitglieder dieses Hauses, wie Herr Baaske, fahren ja des Öfteren Fahrrad -, dass Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz des hohen Pkw-Anteils in die Problematik unseres Antrags hineinversetzen können.

Zum Problem: Die starken Pendlerströme zwischen Berlin und dem Umland sind Ihnen bekannt. Ein nicht unwesentlicher Anteil dieser täglichen Pendler sind Studierende, die in Berlin wohnen und in Potsdam studieren. Von den rund 20 000 Studierenden der drei Potsdamer Hochschulen kommen über 7 000, also über ein Drittel, aus Berlin. Das schnellste und attraktivste Verkehrsmittel für den Weg von Berlin nach Potsdam und zurück ist der RE 1. Dieser ist - das hat eine Anfrage meiner Berliner Kollegin Matuschek ergeben - in den Spitzenzeiten deutlich überlastet. Jeder, der zwischen 7 und 9 Uhr auf dem Bahnsteig des Potsdamer Hauptbahnhofs steht, kann sich davon überzeugen; nicht selten müssen Menschen auf dem Bahnsteig zurückgelassen werden.

Um gerade für Studierende die Nutzung des ÖPNVs attraktiv zu machen, wurde im Jahr 2001 das Semesterticket eingeführt. Dieses beinhaltete von Beginn an die Fahrradmitnahme im Bereich Berlin ABC in allen Verkehrsmitteln. Das war und ist eine unter ökologischen und verkehrstechnischen Gesichtspunkten optimale Lösung. Herr Dr. Klocksin, ich benutze den Regionalexpress natürlich auch, und ich nehme auch das Fahrrad mit. Zudem ist das Semesterticket auch notwendig. Frau Ministerin Wanka hat gestern zu Recht stolz über die vielen Investitionen in den Wissenschaftsstandort Potsdam gesprochen. Das Problem ist nur: Die Standorte Golm, Neues Palais, Griebnitzsee/Babelsberg und der Campus Pappelallee sind alle nicht gerade

fußläufig beieinander gelegen. Ein Wechsel zwischen den Standorten, der studiumsbedingt oftmals notwendig ist, ist ohne Fahrrad kaum zu bewerkstelligen. Gerade deshalb ist die Fahrradmitnahme im RE 1 eine solche Errungenschaft, gerade deshalb hat sie sich seit Jahren bewährt, und gerade deshalb muss sie auch weiterhin gewährleistet werden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Während der Verhandlungen über das Semesterticket ist nun Folgendes passiert: Die DB Regio will die Fahrradmitnahme aus dem Semesterticketvertrag, das heißt aus dem RE 1, streichen. Angeblich soll es aufgrund der großen Anzahl Fahrräder zu Beschwerden gekommen sein. In der Tat nehmen viele Pendler das Fahrrad mit - das soll ja auch so sein. Aber sind das nur Studierende? - Genaue Zahlen dazu liefert die Deutsche Bahn nämlich nicht.

In dieser gesamten Tendenz wurden nun einerseits die Fahrpreise für die Fahrradkarte erhöht, und andererseits soll die Fahrradmitnahme aus dem Semesterticketvertrag gestrichen werden. Die Studierenden könnten, so die Argumentation der DB Regio, für die Fahrt nach Potsdam doch die S-Bahn benutzen. Aber warum sollen denn dafür ausgerechnet die Studierenden herhalten? - Es ist auf jeden Fall falsch, zu glauben, sie hätten die Zeit für die längere Fahrzeit. Wer die Zeit nicht hat, muss tief in die Tasche greifen: Eine Fahrradkarte kostet pro Monat 15 Euro. Das macht 90 Euro pro Semester und ist damit fast genauso teuer wie das Semesterticket selbst. Viel Geld, nicht nur für Studierende. ÖPNV plus Fahrrad ist der beste Weg hin zu einem umweltschonenden Nahverkehr. Außerdem löst eine Streichung der Fahrradbeförderung im RE 1 das Problem nicht; denn die S7 endet in Potsdam Hauptbahnhof.

Das Fatale an der Situation ist nun, dass die Länder Berlin und Brandenburg vor dem Druck der DB Regio eingeknickt sind und die Streichung der Fahrradmitnahme im RE 1 bereits akzeptiert haben. Wir halten das für einen eklatanten Fehler, der dringend korrigiert werden muss. Darum unsere Aufforderung an die Landesregierung, sich beim VBB in den Verhandlungen für den Fortbestand der Fahrradmitnahme im RE 1 einzusetzen.

Unser Antrag ist mit dieser Forderung auch eine Unterstützung der Studierendenschaft der Potsdamer Hochschulen. Erst vor zwei Tagen hat das Studierendenparlament der Universität Potsdam erneut gefordert, die Fahrradmitnahme im Semesterticket zu erhalten.

Sollten die Pläne der DB Regio umgesetzt werden, wäre das übrigens ein Präzedenzfall. De facto wird aus einer Netzkarte der Leistungsumfang für eine Zuglinie gestrichen. Nach der Logik könnte wegen der starken Nutzung auch die Gepäckmitnahme in der S-Bahn nach Schönefeld gestrichen werden. Das Land Brandenburg als Besteller und die DB Regio haben dafür zu sorgen, dass die Attraktivität des ÖPNV erhalten bleibt und ausgebaut wird. Ein erster Schritt wäre die Beibehaltung der Fahrradmitnahme im RE 1. Erhalten Sie die Vorteile der bisherigen Regelung, Herr Dr. Klocksin, und stimmen Sie unserem Antrag zu. - Vielen Dank.

Herzlichen Dank. - Wir werden sehen, ob Herr Dr. Klocksin die Absicht hat, das zu tun. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt fast sprachlos, weil ich so an Frau Tack gewöhnt bin, wenn es um Verkehrsthemen geht, und kann den erfrischenden Einstieg nur mit schweren, schleppenden Worten aufnehmen. Werter Kollege, wir beide haben vielleicht zunächst einmal einen Nachholebedarf an Wissen. Zumindest ging es mir so, als ich mich vorbereitete. Ich habe dabei gelernt, dass die Verhandlung über das Semesterticket nicht zu den Aufgaben der Landesverwaltung gehört, sondern eine Aufgabe der AStAe ist. Das sollte Ihnen bekannt sein.

Manchmal ist es ja schön, etwas aus der Tiefe des Archivs zu holen; wir hatten es eben schon einmal erwähnt. Im Jahr 2001 hatte die DVU-Fraktion, mit der ich Sie niemals vergleichen würde, damit ja kein falscher Eindruck entsteht, populistisch dazu tendiert sie ja, ganz im Gegensatz zu Ihnen - formuliert: Es müsste den Brandenburger Studierenden ein Semesterticket ausgestellt werden, welches bestimmte Konditionen hat. Daraufhin hat im Jahr 2001 Wolfgang Klein, übrigens mit dem Kollegen Trunschke, der den Antrag dann unterstützt hat, wie folgt formuliert:

„Am 12. Mai 1999 hat das Bundesverwaltungsgericht in Berlin letztinstanzlich entschieden, dass nur die Studierendenvertretungen berechtigt sind, Semestertickets für die von ihnen vertretenen Studierenden zu organisieren.“

An dem Urteil hat sich nichts geändert. Es ist Grundlage der Betrachtung.

Wenn wir uns die Situation vor Augen führen, können wir die von Ihnen zu Recht als unbefriedigend geschilderte Situation beklagen, aber wir müssen auch feststellen, dass die Landesregierung diese Situation zu verändern nicht imstande ist, es sei denn, dass wir innerhalb dieses Hauses imstande sind, eine bessere Ausstattung der Verkehre auf der Relation Potsdam-Berlin zu besorgen.

Ich möchte jetzt aus einem anderen Dokument zitieren:

„In der Relation Berlin-Potsdam ist das fahrende Angebot im RE-Verkehr derzeit in der Hauptverkehrszeit an der Kapazitätsgrenze. Das gilt insbesondere in den Zeiten zwischen 6.30 und 8.30 Uhr sowie 16 und 18 Uhr. Da kann nicht allen Fahrgästen ein Sitzplatz angeboten werden. Bei sehr starker Nachfrage besteht zudem ein Problem mit der Fahrradmitnahme, da der notwendige Platz im Wagen dann nicht mehr zur Verfügung steht. Die Hauptnachfragegruppe für die Fahrradmitnahme auf dem RE 1 zwischen Berlin und Potsdam stellen die Studierenden der Potsdamer Hochschulen dar, deren Semesterticket die unentgeltliche Mitnahme von Fahrrädern im Tarifbereich Berlin ABC ermöglicht.“

So weit die Sachstandsbeschreibung.

Ich glaube, Sie haben sich gern stützen können auf die Antwort des Senats von Berlin auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Matuschek (Die Linke).

(Jürgens [Die Linkspartei.PDS]: Die habe ich genannt!)

- Ja, die haben Sie genannt; das ist sehr gut. Aber Sie haben sie nicht vorgelesen. An der Stelle haben wir genau die Situation.

Wenn wir also imstande sind, aus der wirtschaftlichen Lage des Landes heraus ein Mehr an Verkehr zu bestellen, beispielsweise eine bessere Vertaktung oder eine neue Linienführung über die Stammbahntrasse, wäre uns schon sehr geholfen. Solange das aber nicht gegeben ist und wir nicht imstande sind, weitere Waggons anzuhängen, weil dafür die Bahnsteige verlängert werden müssten, müssen wir Überlegungen über eine Zwischenlösung anstellen. Ich glaube, dass es durchaus nicht befriedigend sein kann, dass es aber als Zwischenlösung zumutbar ist, zu sagen: Dann nehmen wir auch die verfügbaren Wagen der S-Bahn. Auch die können in die Überlegungen einbezogen werden. Das ist auch für den Transport von Menschen mit Fahrrädern denkbar.

Im Übrigen ist das, was Sie als Konkurrenzsituation beschrieben haben, nicht eine solche zwischen Studierenden und Nichtstudierenden, sondern eine solche zwischen all denen, die ein Fahrrad dabei haben, und all denen, bei denen das nicht der Fall ist. Da ich selbst auch auf der Strecke fahre, weiß ich, wie es da aussieht, dass es also etwas schwierig ist.

Vor diesem Hintergrund sage ich noch einmal: Wenn Sie in Ihrem Antrag die Landesregierung auffordern, sich in den Verhandlungen über die Weiterführung des Semestertickets dafür einzusetzen, die Fahrradmitnahme weiterhin zu gewährleisten, ist die Landesregierung definitiv der falsche Adressat. Trotz aller formalen Zuständigkeitsmängel, die aus den nicht richtigen Formulierungen in Ihrem Antrag folgen, bin ich dennoch voller Zuversicht, dass das Land, namentlich das Landesverkehrsministerium in seiner umfassenden Daseinsvorsorge für die Landeskinder, auch an dieser Stelle dabei mitgewirkt hat, optimale Lösungen herzustellen, die im Übrigen, Herr Kollege, von den Studierendenvertretungen im Januar und im Februar auch akzeptiert worden sind. Wir befinden uns zurzeit ja in einer Rollback-Situation, auf die Sie gerade Bezug genommen haben. Vielleicht nehmen Sie also einfach zur Kenntnis, dass es bereits eine Zustimmung zu dem vorgelegten und mit dem Verkehrsträger zu unterzeichnenden Vertrag gegeben hat.

Noch einmal: Anliegen verständlich, Adressat verfehlt. Insofern darf ich Ihnen mit Sympathie sagen: Wir lehnen gern ab.

(Beifall des Abgeordneten Bochow [SPD] und der Abge- ordneten Schier [CDU])

Herzlichen Dank, Herr Dr. Klocksin. - Ich vergaß vorhin, zu bemerken, dass Herr Dr. Klocksin für die Koalitionsfraktionen sprechen würde. - Das Wort erhält jetzt die Abgeordnete Hesselbarth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jürgens, es ist schon sehr bemerkenswert, dass die Linkspartei die verkehrspolitischen Ideen der DVU-Fraktion aufgreift.

(Beifall bei der DVU - Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Denn niemand von Ihnen in diesem Hause kann bestreiten,

dass wir in der 3. Legislaturperiode, und zwar zur 30. Sitzung am Donnerstag, dem 25. Januar 2001, einen Antrag eingebracht haben mit dem Ziel, dieses Semesterticket einzuführen.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Wir hatten uns dafür eingesetzt, dass allen Studierenden im Land Brandenburg zur preisgünstigen Benutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel eine deutliche finanzielle Entlastung gewährt wird, die natürlich auch die kostengünstige Mitnahme von Fahrrädern ermöglichen sollte. Mein Kollege Michael Claus hat in seiner Rede auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Leistungsumfang des Tickets die Fahrradmitnahme und auch die Mitnahme von Kindern bis zum 14. Lebensjahr beinhalten muss.

Die Fraktion der Linkspartei, damals noch genannt PDS, redet hier mit gespaltener Zunge.

(Beifall bei der DVU)

Der damalige PDS-Abgeordnete Dr. Trunschke hat sich gegen die Einführung des Semestertickets ausgesprochen, und das mit völlig fadenscheinigen Ausflüchten. Die PDS hat sich damals den arroganten Ausflüchten von Herrn Klein von der SPD widerspruchslos angeschlossen, und Herr Trunschke hat sich zu dieser Arroganz sogar ausdrücklich bekannt. Das alles können Sie in dem einschlägigen Plenarprotokoll nachlesen, meine Damen und Herren.

Umso befremdlicher, ja lächerlicher ist es, wenn die Linkspartei heute mit dem Antrag kommt, dass die Fahrradmitnahme, die schließlich wir damals auch gefordert haben, unverändert beibehalten werden soll.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

- Im Gegensatz zur Linkspartei.PDS, Frau Tack, sind wir jedoch stets um ernsthafte Sachpolitik und verkehrspolitisch konstruktive Lösungen bemüht.

(Beifall bei der DVU)

Die Bürgerinnen und Bürger werden sich auf die völlig konzeptionslose Verkehrspolitik, welche sich aus dem widersprüchlichen Verhalten der Linkspartei eindeutig ergibt, einen eigenen Reim machen. Angesichts der Tatsache, dass wir im Interesse unserer Brandenburger Studierenden den gegenwärtigen Standard im Hinblick auf das Semesterticket natürlich auch weiter unterstützen, können und werden wir uns gegen die vorliegende Forderung natürlich nicht sträuben.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält jetzt Minister Dellmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Das Semesterticket für die Potsdamer Studentenschaft kostet für ein Semester 131,25 Euro.

(Jürgens [Die Linkspartei.PDS]: Ab nächstem Semester!)

- Ab nächstem Semester. - Dies ist ein ausgesprochen gutes Angebot, sichert es den Studenten doch nicht nur, dass sie damit in Potsdam, sondern in dem von Herrn Jürgens beschriebenen Bereich, insbesondere auch in Berlin, fahren können. Ich bitte zu beachten, dass wir als Land Brandenburg - Berlin übrigens in ähnlicher Dimension - insgesamt mehr als 300 Millionen Euro für die Subventionierung von öffentlichem Personennahverkehr bereitstellen. Das heißt: Wir müssen auch überlegen, wo wir tatsächlich Grenzen haben.

Deutlich mehr als 5 000 Studenten, die in Potsdam ihren Studienplatz haben, wohnen in Berlin. Das ist übrigens vielleicht einmal ein spannendes Thema für die Potsdamer Stadtväter: Wie bekommen wir mehr Studierende nach Potsdam, die in Potsdam auch ihren Hauptwohnsitz haben?

Es gibt ein sehr gutes Angebot zwischen der Landeshauptstadt Potsdam und Berlin, wie Herr Dr. Klocksin das schon ausgeführt hat, und zwar mit dem RE 1 plus einer gut ausgebauten SBahn. Wenn es zwei Verkehrssysteme parallel zueinander gibt, und zwar eine davon nicht so stark belastet, ist zu fragen, ob es nicht angemessen ist, bezüglich Spitzenzeiten darüber nachzudenken, inwieweit man hier eine gewisse Sortierung vornehmen kann.

Wir können es uns zurzeit nicht leisten, den Takt bei der Linie RE 1 zu verdichten. Gerade in Hauptverkehrszeiten ist eine Überlastung zu beobachten. Das geht sogar so weit, dass potenzielle Fahrgäste sagen, sie würden ja gern mit dem RE 1 fahren, aber die Züge seien ihnen schlicht und einfach zu voll, und deshalb benutzten sie das Auto.