Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Ich habe mir in den letzten Wochen zu Gemüte geführt, wie viele Bundesratsinitiativen in der 4. Wahlperiode beantragt

worden sind. Bis zum 19. April dieses Jahres waren es 87, davon ungefähr die Hälfte von der DVU-Fraktion. Wenn man sich überlegt, was es bedeutet hätte, wenn der Landtag Brandenburg mit 87 Angelegenheiten, die keine Landeskompetenz beinhalten, den Bundesrat belastet hätte, wäre das Land Brandenburg der Lächerlichkeit preisgegeben. Über Bundesratsinitiativen sollten wirklich nur wichtige und bedeutende Dinge eingebracht werden, die auch im Interesse der Länder sind.

Warum tut die DVU-Fraktion das? Schlicht und einfach deshalb, weil es bei Schächten und Tierschutz um Bundesrecht geht und die DVU-Fraktion weder im Bund noch im Land Brandenburg eine maßgebliche politische Kraft ist, um etwas initiieren zu können. Das ist auch gut so.

In diesem Antrag versteckt sich wieder ganz subtil - der Herr Abgeordnete Schuldt hat das auch durchblicken lassen -, was die Ursachen und Hintergründe sind. Er hat sie nur nicht klar beim Namen genannt. Es versteckt sich eine ganz subtile Form von Ausländerfeindlichkeit, getarnt mit dem unschuldigen Tier. Ich finde die Subtilität schon ziemlich bemerkenswert. Aber nichtsdestotrotz ist sie natürlich erkannt worden.

Dieser Antrag der DVU-Fraktion sollte abgelehnt werden. Die DVU-Fraktion macht sich die Argumente von Tierschützern zu eigen, die sich vermutlich sehr bedanken werden, von dieser Seite Unterstützung zu bekommen.

Gegen eine Befürwortung des Tierschutzes ist gar nichts einzuwenden, jedoch wendet die DVU-Fraktion die Argumente der Tierschützer gegen andersgläubige Menschen, das ist auch deutlich zum Ausdruck gekommen, und zwar insbesondere gegen die Religionsfreiheit.

Der Abgeordnete Schuldt hat ausgeführt, dass nach der Einführung des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz nunmehr die entsprechenden Staatsziele und Grundrechte gegeneinander abgewogen werden müssen. Nun müssen wir uns aber deutlich vor Augen führen, an welcher Stelle im Grundgesetz welche Dinge verankert sind. Die Religionsfreiheit in Artikel 4 steht aus gutem Grunde ganz weit vorn im Grundgesetz. Nach dem Gleichheitsgrundsatz und der Menschenwürde kommt gleich die Religions- und Glaubensfreiheit, weil sie ein wichtiges und bedeutendes Fundament dieser Republik ist. Denn dieses Grundgesetz ist entstanden aus den Erkenntnissen der Weimarer Republik und den menschenverachtenden Praktiken im Dritten Reich, im Nationalsozialismus, wo Religions- und Glaubensfreiheit keine Rolle spielte, ganz im Gegenteil, Rassismus und Religionsfeindlichkeit ungeahnter Form zutage traten. Deswegen war es den Vätern und Müttern des Grundgesetzes wichtig, die uneingeschränkte Religions- und Glaubensfreiheit im Grundgesetz zu verankern.

Was versucht nun die DVU-Fraktion? Sie versucht, über den Tierschutz die Religions- und Glaubensfreiheit anzugreifen, obwohl das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahre 2002 diese ausdrücklich gestärkt und befürwortet hat.

Meine Damen und Herren, wer heute die Glaubens- und Religionsfreiheit angreift und einzuschränken versucht, bröckchenweise infrage stellt, der wird morgen auch die Demokratie angreifen, bröckchenweise infrage stellen und am Ende ab

schaffen. Aus diesem Grunde sollten wir diesen Weg nicht beschreiten. Grundrechte, die im Grundgesetz verbürgt sind, sind nicht gegeneinander aufzuwiegen, sie sind nicht abzuschaffen, sondern zu verteidigen. Das ist ein ganz wichtiges Element unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Ich bedanke mich und möchte Sie ganz herzlich bitten, in einer klaren Ablehnung zum Ausdruck zu bringen, dass wir diese Spielchen der DVU-Fraktion nicht mitspielen.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Wehlan. Sie spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.

Bevor sie hier ist, möchte ich die Gelegenheit nutzen, die Schülerinnen und Schüler der Theodor-Fontane-Gesamtschule Cottbus zu begrüßen, die heute bei uns zu Gast sind. Ich wünsche einen angenehmen Nachmittag.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag für eine Bundesratsinitiative zum Verbot des Schächtens ist ein erneuter Versuch der DVU, im Schafspelz daherzukommen - heute zum Thema Tierschutz. Ich sage es Ihnen gleich vorweg: Auch dieser Antrag hat keine Chance, dass wir Ihnen diese Verkleidung, auch nicht zu diesem Thema, durchgehen lassen. Denn wessen Geistes Kind Sie sind, hat Ihr gestriger Redebeitrag im Rahmen der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde zum Verhältnis zwischen Brandenburg und der Republik Polen deutlich gezeigt.

Ihr Dreh- und Angelpunkt ist die sogenannte Ausländerfrage, die nach DVU-programmatischen Abhandlungen der Zukunft des deutschen Volkes und der Entlastung von Kriminalität, Drogen, Gewalt und Massenarbeitslosigkeit entgegensteht.

Sie täuschen uns nicht; denn Ihre vermeintlich sozialen, politischen und nun auch dem Tierschutz verpflichteten Fragen werden durch diese Anschauungen prismatisch gebrochen. In diesem Sinne ist die Lesart Ihres Antrages sicherlich auch nur den deutschen warmblütigen Tieren verpflichtet.

Zum Sachverhalt: Nach dem Tierschutzgesetz sind warmblütige Tiere vor dem Schlachten zu betäuben. Die zuständige Behörde kann jedoch eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung, das Schächten, erteilen, damit Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften die für sie geltenden zwingenden religiösen Vorschriften befolgen können. Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen durch die hierfür zuständige Behörde für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung im Land Brandenburg kann nur nach sorgfältiger Prüfung entsprechender Anträge erfolgen. Dabei verpflichtet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2002 die zuständige Behörde, durch Nebenbestimmungen die Belange des Tierschutzes so weit wie möglich zu wahren.

Die rechtliche und fachliche Prüfung der in den zurückliegenden Jahren in Brandenburg gestellten Anträge ergab, dass im Land

Brandenburg bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Ausnahmegenehmigung zum Schlachten ohne Betäubung erteilt wurde.

Da die Antragsteller vielfach nicht mit dem Konzept des zweistufigen Schlachtverfahrens vertraut sind, wonach das Schlachttier zunächst betäubt und erst anschließend durch Entbluten getötet wird, ist im Rahmen des Antragsverfahrens, insbesondere gegenüber Angehörigen des muslimischen Glaubens, darauf hingewiesen worden, ebenso auf den Fakt, dass verschiedene Islamwissenschaftler die Elektrokurzzeitbetäubung von Tieren als mit den islamischen Rechtsvorschriften vereinbar ansehen. Die Möglichkeit der Elektrokurzzeitbetäubung, um den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften zu entsprechen, ist bereits nach der Tierschutz-Schlachtverordnung gegeben.

Ihrer Antragstellung hat es also weder in der Vergangenheit bedurft, noch bedarf es dieser heute. Mit der Bundesratsinitiative des Landes Hessen wird eine bundesweit einheitliche Lösung in dieser Frage angestrebt, die von der Landesregierung, wie ich erfahren habe, auf meine Anfrage hin nicht nur begrüßt, sondern bereits unterstützt wird.

Die Bundesratsinitiative des Landes Hessen hat zum Ziel, Tierschutz und Religionsfreiheit beim Thema Schlachten von Tieren vereinbar zu gestalten. Vorgeschlagen wird, ein sowohl von Religionsgemeinschaften als auch von Tierschutzverbänden anerkanntes Verfahren zur Kurzzeitbetäubung gesetzlich zu verankern. Genau diesen Ansatz versuchen Sie von der DVU jedoch im Antragstext auszuhebeln. Es wird zwar in der Antragsbegründung die Elektrokurzzeitbetäubung erwähnt, jedoch zielt die eigentliche Gesetzesänderung auf ein völliges Verbot des sogenannten Schächtens - einschließlich der Erhöhung des Strafmaßes.

Zusammengefasst zeigt der Antrag der DVU einmal mehr, dass es hier nicht im Sinne der hessischen Initiative um Religionsfreiheit und Tierschutz geht, sondern darum, die Religionsfreiheit einzuschränken und den Tierschutz als Vehikel dazu zu benutzen.

(Bochow [SPD]: Sehr richtig! - Beifall bei der Links- partei.PDS)

Die Landesregierung verzichtet. - Herr Schuldt, Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Christ steht für mich fest: Die Tiere sind unsere von Gott gegebenen Mitgeschöpfe

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

und nicht irgendwelche Sachen, mit denen man machen kann, was man will.

Daher bestimmt auch Artikel 20a unseres Grundgesetzes:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ord

nung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

(Frau Alter [SPD]: Die Bibel sagt: Du sollst nicht töten.)

Tierquälerei und deren Duldung und Unterstützung sind schlicht und ergreifend grundgesetzwidrig.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Dies betrifft unter anderem auch die Propagierung des Schächtens. - Auf Ihre völlig unqualifizierten und geradezu lächerlichen Vorwürfe von wegen Ausländerfeindlichkeit von Multikultibefürwortern von Schwarz bis Dunkelrot gehe ich hier überhaupt nicht ein. Sie, Herr Schulze tun mir einfach nur noch leid.

(Beifall bei der DVU - Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Fakt ist: Wer Tierschutz will, muss das Schächten verbieten, und zwar konsequent und ohne Ausnahme

(Schulze [SPD]: Wer Menschen schützen will, muss...)

mehr denn je nach dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das für bestimmte Bevölkerungsgruppen geradezu ein Anrecht für die Durchführung des Schächtens begründete. Wir befinden uns als DVU-Fraktion in voller Übereinstimmung mit allen deutschen, aber auch europäischen Tierschutzorganisationen.

So erklärte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Herr Wolfgang Apel, nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts:

„Diese Entscheidung ist eine Niederlage für den aktiven Tierschutz in Deutschland. Jedes Schlachten ohne Betäubung ist mit erheblichen und vermeidbaren Qualen für das Tier verbunden.“

(Frau Wehlan [Die Linkspartei.PDS]: Er würde sich um- drehen, von Ihnen zitiert zu werden.)

„Dieses Urteil hat zur Folge, dass tausendfaches Tierleid nun auch noch den obersten richterlichen Segen hat.“

(Schulze [SPD]: Sie stellen Ihre Meinung über die des obersten deutschen Gerichtes - sehr interessant!)

Ich kann Herrn Apel auch weiter zitieren, wenn Sie das möchten.

„Das Gericht“,

„misst dem im Grundgesetz verankerten Tierschutz nach Auffassung des Deutschen Tierschutzbundes nicht die Bedeutung zu, die er verdient und für die wir jahrelang zum Wohl der Tiere gekämpft haben. Bei allem Respekt vor Religion und Bräuchen anderer Kulturen: Das betäubungslose Schlachten ist eine enorme Tierquälerei.“

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])