Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Die aktuelle Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber sagt nichts über die Größe eines eventuellen Defizits an Ausbildungsplätzen aus; denn im Gegensatz zum Arbeitsmarkt ist der Ausbildungsmarkt nicht auf einen umgehenden Ausgleich von Angebot und Nachfrage gerichtet. Vielmehr orientieren sich Jugendliche und Ausbildungsbetriebe am regulären Beginn der Ausbildung im August und September. Deshalb gibt es jetzt nur eine Momentaufnahme. Die Stunde der Wahrheit kommt dann im Herbst. Das in der Presse zitierte Zahlenspiel ist also auch angesichts der Funktionsweise des Ausbildungsmarkts nicht sachgerecht.

Gestatten Sie mir ein letztes Wort zu den Ausbildungschancen in Brandenburg. Mit der demografischen Entwicklung und dem mittelfristig steigenden Bedarf an Fachkräften in Brandenburg werden die Ausbildungschancen für Jugendliche hier immer besser. Ihnen stehen qualitativ und quantitativ anspruchsvolle Ausbildungsangebote zur Verfügung. Man muss es ihnen aber auch sagen und sollte sie nicht demotivieren, indem man die Situation auf dem Ausbildungsmarkt schlechtredet.

Die Fragestellerin hat weiteren Informationsbedarf. - Bitte, Frau Lehmann.

Ich möchte mich zunächst einmal für die Beantwortung der Anfrage bedanken, insbesondere dafür, dass Sie dabei noch einmal herausgearbeitet haben, wie der Ausbildungsmarkt funktioniert, weil wir in jedem Jahr - in jedem Jahr! - vor der gleichen Situation stehen: Kurz vor der Sommerpause verkündet DIE LINKE den Untergang des Abendlandes, und jedes Jahr im Oktober können wir dann sagen: Der Ausbildungspakt funktioniert.

(Unruhe bei der Fraktion DIE LINKE - Zurufe: Fragen!)

Meine Frage: Mein Lieblingssender ist Info-Radio - das war der kleine Werbeblock. Auch heute Morgen habe ich wieder Info-Radio gehört. In der Sendung ist der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks mit dem Hinweis zitiert worden, dass die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge bundesweit gestiegen ist - außer in Brandenburg.

Herr Staatssekretär können Sie dazu etwas sagen?

Gern. Auch wir hören Info-Radio

(Heiterkeit - Schulze [SPD]: Herr Präsident, wir verlan- gen die Offenlegung der Werbeverträge! - Erneut Heiter- keit)

und haben diese Meldung heute Morgen auch vernommen. Die Meldung entspricht nicht den Tatsachen. Wir haben das heute

von Bewerbern befindet, die sich schon im letzten Jahr beworben haben und die, aus welchen Gründen auch immer, keinen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben. Diese sind in der Zahl, die ich vorhin vorgetragen habe, aber schon einbezogen.

Vielen Dank. - Wir kommen zu den regulären Kleinen Anfragen und beginnen mit den Fragen 1315 (Niedriglohnland Brandenburg) und 1316 (Rückwärtsgewandte Imagepflege), die sich auf den gleichen Gegenstand beziehen und, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, gemeinsam beantwortet werden. Als Erster stellt der Abgeordnete Dr. Klocksin die Frage 1315.

Die Landesregierung wirbt auf der Internetseite www.capitalregion.de mit dem Hinweis:

„Bei hoher Qualifikation der Arbeitnehmer liegen die Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe um bis zu 38 % niedriger als im Westen Deutschlands...“.

Ich frage die Landesregierung: Ist sie der Auffassung, dass Brandenburg als Niedriglohnland für Unternehmensansiedlungen attraktiver ist?

Der Abgeordnete Görke stellt die Frage 1316.

In einem Zeitungsinterview vom 25. Juni 2007 hat sich Brandenburgs Arbeitsministerin Frau Ziegler kritisch zur Werbung mit Niedriglöhnen durch das Wirtschaftsministerium geäußert. Sie hat sich damit auch unserer Auffassung angeschlossen. Sie fände es schade, so heißt es wörtlich, „wenn das Wirtschaftsressort mit niedrigen Löhnen wirbt und damit eine rückwärtsgewandte Imagepflege betreibt. Das bringt uns nicht weiter.“ Dagegen hat Wirtschaftsminister Junghanns die Darstellung Brandenburgs als Niedriglohnstandort auf der Internetpräsentation seines Ministeriums unter anderem in der Fragestunde der letzten oder vorletzten Landtagssitzung verteidigt.

Ich frage die Landesregierung: Welche der beiden gegensätzlichen Positionen entspricht der offiziellen Auffassung?

Die Meinung der Landesregierung verkündet uns der Wirtschaftsminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Klocksin, sehr geehrter Herr Görke, wir haben uns mehrere Male mit diesem Thema befasst. Es wurde auf der letzten Sitzung des Wirtschaftsrates unter Einbeziehung von Herrn Dr. Stronk als Geschäftsführer der ZukunftsAgentur en detail beleuchtet. Es ist auch kein neuer Umstand oder keine neue Situation hinzugekommen. Ich möchte trotzdem mit dem Zeitungsartikel beginnen.

Wenn Sie es auch nicht glauben, ich arbeite mit meiner Kollegin Ziegler insbesondere bei den Themen Arbeitsmarkt, Ansiedlung, Fachkräftesicherung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit außerordentlich gut zusammen, und es ist ausweislich

Morgen verifizieren lassen, und es wurde festgestellt, dass diese Aussage, die auf eine Äußerung des Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks gegenüber der „Passauer Neuen Presse“ zurückgeht, nicht richtig ist. Vielmehr ist es so: Auch in Brandenburg hat die Zahl der Ausbildungsverträge sowohl nach den Angaben der IHK als auch nach den Angaben des Handwerks zugenommen. Ich kann hier die korrekten Zahlen nennen: Im Handwerk wurde eine Zunahme bis Ende Juni 2007 um 89 - das ist ein Plus von 12,5 % - und in Industrie und Handel um 308 - das ist ein Plus von 11,9 % - festgestellt. Das ist die Wahrheit!

Vielen Dank. Es gibt weiteren Fragebedarf. Der Abgeordnete Görke möchte noch etwas wissen.

Ich hätte viele Nachfragen, Herr Staatssekretär, kann aber nur zwei an Sie richten.

Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass die Zahlen der BA, die Sie eben zu interpretieren versucht haben und die ich heute auch über Info-Radio gehört habe - da ich das einmal schwarz auf weiß haben wollte, habe ich mir diese Statistik der BA heute beschafft -, irreführend sind, dass die Entwicklung bei den gemeldeten Ausbildungsstellen in Brandenburg im Vergleich zu anderen Ländern nicht wie folgt aussieht:

„Brandenburg“

- sehr richtig, Frau Kollegin Lehmann

„minus 15 %, Berlin plus 4,5 %,“

(Zurufe: Fragen!)

„Sachsen-Anhalt Stagnation, Thüringen plus 5,8 % und Sachsen 35,5 %“?

Wie bewerten Sie diese Zahlen?

Dem, was ich bereits vorgetragen habe, habe ich im Grunde genommen nichts hinzuzufügen. Ich möchte aber noch etwas erläutern: Die BA kann nur die Zahlen bekannt geben, die bei ihr eingespielt sind. Dabei müssen Sie bedenken, dass der Einschaltungsgrad der BA in den letzten Jahren ständig zurückgegangen ist. Es gibt hier einen Markt, der gar nicht mehr bei der BA, sondern außerhalb der BA besteht.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Die Abgeordnete Hesselbarth möchte eine Nachfrage stellen.

Wie viele Ausbildungsplatzsuchende gibt es noch aus dem Vorjahr?

Die Altbewerber sind hier mit einbezogen. Selbstverständlich ist es so, dass sich in diesem Markt immer auch eine Anzahl

der wirtschaftlichen Entwicklung, die wir in diesen Tagen schon einmal resümieren konnten, wirklich auch eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Wir bewerben Brandenburg nicht als Billiglohnland. Das ist eine Auslegung, die ich von verschiedenen Seiten schon zum wiederholten Male gehört habe. Mit der Wiederholung wird es nicht besser. Ausweislich der Dokumente, die zitiert werden, und der ausführlichen Diskussion, die wir geführt haben, werben wir mit Kompetenz und mit Standortfaktoren, und zwar in der Studie und auch in der Internetplattform. Die Botschaft unserer Werbung ist, dass wir ein Standort mit Kompetenz und mit Dynamik sind und dass sich Arbeitsplätze in Brandenburg mit einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis realisieren lassen.

Was Sie arbeitskostenseitig/lohnseitig ansprechen, ist kein Hebel, den Arbeitsministerin Ziegler oder Wirtschaftsminister Junghanns in der Hand haben, sondern das ist ausweislich guter nationaler Regelung Gegenstand der Tarifpartner. Auch wenn wir in Brandenburg keine vergleichbare Tarifbindung wie in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen haben, bewegen sich viele, die nicht tarifgebunden sind, in Anlehnung an die tariflichen Regelungen.

Es geht bei dieser Darstellung - ich möchte es noch einmal auf den Punkt bringen - um die Fakten, die im Wettbewerb der Standorte nachgefragt werden. Wir haben ein grundlegendes Interesse daran, die Fakten zusammenzutragen und interessierten Investoren von nah und fern realistisch zu präsentieren.

Wir werben also nicht als Billiglohnland, und wir sind vor allen Dingen auch kein Billiglohnland. Wir sind es ausweislich einschlägiger Statistiken nicht. Wenn Sie sich mit dem Thema des Standortwettbewerbs und den Standortvergleichen nationaler und internationaler Institute befassen, dann werden Sie - die statistischen Angaben haben einen gewissen Nachlauf - bei den einschlägigen Instituten - ich nenne das Institut für Wirtschaft nachlesen können, dass das Land Brandenburg in Ostdeutschland gleichauf liegt mit Italien, Japan, Kanada, Spanien.

Ich habe das Wort Billiglohnland/Niedriglohnland nie benutzt. Warum benutzen Sie solche Begriffe im Zusammenhang mit diesem Thema? Es ist eine Frage des Umgangs mit dieser Situation, welche Worte man benutzt. Man kann bei solchen Themen journalistisch mit diesen Worten begleitet werden; das verstehe ich. Aber wenn sich Politik solche Begriffe zu eigen macht, die einem realistischen Vergleich nicht standhalten, ist das wirklich nicht gut. Insbesondere wenn es um die Solarwirtschaft geht und wir in einen direkten Vergleich mit Spanien gestellt werden, muss ich sagen: Die Standortwettbewerbe der Solarwirtschaft finden in Ostdeutschland, Deutschland, Spanien statt. Da können Sie nicht davon ausgehen, dass wir als Billiglohnland werben. Wir sind in diesem Vergleich auf Augenhöhe. Es sind also andere Faktoren, die erklären, warum die Solarwirtschaft nach Brandenburg kommt. Es können nicht nur die Arbeitskosten sein. Bitte befassen Sie sich also mit diesen Themen!

Es ist eine Frage des sachlichen Umgangs mit Fakten. Jeder, der von außen auf uns schaut, sagt: Ostdeutschland ist ein Gebiet im Umbruch mit großen Verwerfungen und hoher Arbeitslosigkeit. - Wir sagen mit dieser realistischen Darstellung, was Fakt ist. Diese Art und Weise, selektiv herauszuziehen und in

einen Kontext zu stellen, der diffamierend ist, halte ich in einer Zeit, in der wir auch ausweislich der Fünfjahresbilanz der ZukunftsAgentur nachweisen können, dass wir im Land über 20 000 Arbeitsplätze durch Investoren geschaffen haben, für sehr kritisch. Das sind keine Arbeitsplätze, die unter diesem Gesichtspunkt entstanden sind.

Ich bitte Sie, dieses Thema noch einmal in aller Ruhe zu überdenken. Wir können es uns nicht aussuchen, wie diese Themen journalistisch begleitet werden. Es ist nicht Fakt, was gegenwärtig über unseren Wirtschaftsstandort aus diesen Fragestellungen heraus kommentiert wird. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Sie haben den Abgeordneten viel Zeit gegeben, die Nachfrageknöpfe zu drücken. Wir beginnen mit der Nachfrage des Abgeordneten Dr. Klocksin.

Herr Präsident, besteht denn die Möglichkeit, zunächst die Frage des Ministers zu beantworten? Welchen Zeitrahmen würden Sie mir dafür zur Verfügung stellen wollen?

Herr Abgeordneter, Sie haben keine Möglichkeit, Fragen des Ministers zu beantworten. Sie dürfen nur Nachfragen stellen, und zwar in Ihrem Fall als Fragesteller drei an der Zahl.

Gut. Ich will es gar nicht darauf ankommen lassen. - Aber herzlichen Dank, Herr Minister, für die vielen Vorlagen, die Sie jetzt möglich gemacht haben. Ich habe ja auf meine schriftliche Anfrage hin bereits die eine oder andere Anregung bekommen, die mich auch zu dieser heutigen mündlichen Anfrage motiviert hat.

Nach meinem Sprachverständnis ist die Darstellung, wie sie auf der Internetseite gehalten ist, eher ehrabschneidend als motivierend. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, ob Sie es nicht für klug hielten, im Rahmen einer Überarbeitung der zehn Punkte im Internetauftritt die beiden in Rede stehenden Punkte zumindest so formulieren zu lassen, dass Missverständlichkeiten zwischen uns künftig ausgeschlossen sind?