Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/5052 an den Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Überweisung ist einstimmig zugestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

Drucksache 4/5069

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Claus, Sie erhalten das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Von goldenen Kälbern muss man sich trennen, zumal wenn sie völlig überflüssig sind. Mit unserem Gesetzentwurf haben Sie heute die Möglichkeit, einen Beitrag zur Abschaffung überflüssiger Normen und Standards zu leisten.

Das Staatshaftungsgesetz vom 12. Mai 1969 begründete eine verschuldungsabhängige unmittelbare Staatshaftung in der DDR, weil es dort eine dem Bürgerlichen Gesetzbuch vergleichbare Amtshaftung nicht gab. Aufgrund falscher Kompromisse wurde dieses Gesetz im Zuge der Wiedervereinigung im Land Brandenburg erhalten. Entgegen dem ersten Anschein war das DDR-Staatshaftungsgesetz aber nicht einfach in Landesgesetz übergeleitet, sondern in den neuen Ländern sehr unterschiedlich geändert worden. Die Änderungen gingen bis zu einem substanziellen Eingriff. Von Rechtseinheitlichkeit kann da nicht mehr gesprochen werden, meine Damen und Herren. So wurde die Haftung auf das Vermögen als solches sowie auf juristische Personen ausgeweitet.

Nach 1996 kam es in mehreren neuen Bundesländern zu weiteren Modifikationen. Sachsen-Anhalt hat durch eine Gesetzesänderung im Jahre 1992 eine sehr weitreichende Modifikation des Haftungsrahmens vorgenommen, sodass die DDR-Staatshaftung praktisch aufgehoben wurde. In Berlin und Sachsen ist das Staatshaftungsgesetz inzwischen komplett aufgehoben worden. Aber auch im Land Brandenburg verbleibt nur noch ein marginaler Anwendungsspielraum.

Zwischenzeitlich, meine Damen und Herren, überwiegen aus Sicht der Geschädigten, aber auch aus Sicht des Landes und der Kommunen eher die Nachteile dieses Gesetzes. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist das Staatshaftungsgesetz nicht nur überflüssig, sondern eher rechtsschutzhindernd. Bei Amtspflichtverletzungen können sich Geschädigte regelmäßig auf den zivilrechtlichen Amtshaftungsanspruch stützen. Dieser trifft zu, meine Damen und Herren, auch wenn es sich um ein verschuldungsabhängiges Recht handelt, weil in zu entschädigenden Schadensfällen regelmäßig zumindest ein fahrlässiges Verhalten vor den Gerichten bejaht wird. In wesentlichen Fällen im Bereich der Straßenverkehrssicherung sowie für Schäden durch Ordnungsbehörden wird die Anwendung des Staatshaftungsrechts ohnehin per legem ausgeschlossen. Die Fälle, in denen es noch anwendbar ist, kann man im Prinzip schon an einer Hand abzählen. Dort werden jedoch die Geschädigten regelmäßig durch das zwingend erforderliche behördliche Antragsverfahren an der Klage gehindert. Dies verzögert den Rechtsschutz und führt zu erheblichen Unsicherheiten bei den Geschädigten, zumal der Bürger die unterschiedlichen Staatshaftungsgrundsätze in den Ländern nicht einmal mehr kennt.

Meine Damen und Herren, es wird endlich Zeit, sich hier in diesem Land und auch in diesem Landtag von unnötigen DDRRelikten zu trennen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schulze; er spricht für die Koalitionsfraktionen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Der Abgeordnete Claus hat hier etwas vorgetragen, was wir im Sonderausschuss aufgeworfen und diskutiert haben. Es gab dazu auch eine Kleine Anfrage; die Antwort darauf ist Ihnen bekannt.

Zur Frage, ob das Gesetz abgeschafft werden sollte oder nicht, hat es im Sonderausschuss eine intensive Diskussion gegeben; jedoch konnte darüber keine Einigkeit erzielt werden. Deswegen wurde das Thema vertagt und ist nicht in die Beschlussempfehlung und den Bericht aufgenommen worden.

Wenige Wochen, nachdem der Sonderausschuss seine Arbeit beendet hat und die Tinte auf dem Abschlussbericht noch nicht einmal richtig trocken ist, einen solchen Gesetzentwurf einzubringen spricht für sich. Sie haben im Sonderausschuss etwas gehört und versuchen, das nun in eine Initiative umzumünzen. Die Zeit dafür ist jedoch noch nicht reif; deswegen werden wir dem nicht zustimmen. Sie haben im Übrigen noch nicht einmal eine Ausschussüberweisung beantragt. Das zeigt, wie ernst Sie Ihre eigene Gesetzesinitiative nehmen. Wir lehnen das ab. Danke.

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Herr Sarrach. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Beispiel des vorliegenden Gesetzentwurfs der DVU-Fraktion wird wieder einmal deutlich, dass Sie die Einbringung von Gesetzentwürfen als Beschäftigungstherapie für die demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Hause missbrauchen. Dabei sind Sie so vermessen und wollen uns vorgaukeln, von den besetzten rechtspolitischen Themen Ahnung zu haben. Ich bin schon froh, wenn Sie wenigstens die Fachbegriffe richtig aussprechen. Vorliegend schreiben Sie weitgehend ab, was die Landesregierung dem Landtag in Beantwortung der Kleinen Anfrage 1705, Drucksache 4/4484 mitteilte. Allerdings haben Sie die Antwort nur oberflächlich gelesen. Die Einschätzung zu Anwendungsfällen, zur Häufigkeit und zum Erfolg von Staatshaftungsverfahren nach dem Staatshaftungsgesetz beruht auf Vermutungen und alten Statistiken.

Die Bundesregierung stellt in der Bundestagsdrucksache 15/3952 fest: Zu den Erfahrungen einiger neuer Bundesländer liegen keine aktuellen Erkenntnisse vor. - Nichts anderes ist der Antwort der Landesregierung zu entnehmen: Daten zur Anwendung des Staatshaftungsgesetzes liegen nicht vor. Zahlen gibt es zuletzt von 1996. - Auf welcher Grundlage also soll eine Entscheidung getroffen werden? Kaffeesatzleserei in der Gesetzgebung ist mir suspekt.

Völlig unhaltbar ist die Schlussfolgerung, die Sie aus den rechtlichen Unterschieden der Normen des Staatshaftungsge

setzes und der Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes ziehen. Sie behaupten, der Bürger habe wegen des Antragserfordernisses nach dem Staatshaftungsgesetz nicht unerhebliche Rechtsnachteile, ja, wegen des vorzuschaltenden Antrags sei die verschuldensunabhängige, bürgerfreundliche Gefährdungshaftung des Staates praktisch entwertet.

Doch Sie wenden sich nicht dem Antragsverfahren zu, um es zu verbessern, sondern wollen das Staatshaftungsgesetz insgesamt aufheben. Sehr seltsam. Sie unterscheiden einfach nicht nach Form und Inhalt; denn auch die andere Schlussfolgerung zeigt Ihre rechtspolitische Beschränktheit. Sie können nicht ernstlich behaupten, man benötige die verschuldensunabhängige Staatshaftung nicht, denn es gebe doch die verschuldensabhängige Amtshaftung, die umfassenden Rechtsschutz gewährleiste. Aus Sicht des Bürgers, der dann Fahrlässigkeit oder Vorsatz, also Verschulden eines Amtsträgers, vor Gericht aufwendig beweisen muss, was er nach dem Staatshaftungsgesetz eben nicht tun muss, um Schadensersatz zu erlangen, ist dieser DVU-Rechtssachverstand eine Lachnummer.

Lassen wir es also dabei und bemühen wir uns um eine bessere Bewertungsgrundlage des Staatshaftungsgesetzes und seiner Anwendung. Die Gründe dafür, dieses DDR-Staatshaftungsgesetz nach 1990 als Landesrecht fortgelten zu lassen, sind bis heute nicht entkräftet. Der Grund war, die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat zu stärken. - Wir lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sarrach, Sie lesen es so, wie Sie es mit Ihrer linken Ideologie lesen wollen. Herr Kollege Schulze, ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Natürlich haben wir eine Überweisung an den Rechtsausschuss beantragt. Das liegt vor Ihnen auf dem Tisch. - So viel dazu.

Nichts wird es sein mit unserem Gesetzentwurf, nicht auf der Höhe der Zeit, sondern so, wie Sie es wollen. Unabhängig von den ungeläuterten Fakten deckt sich das Ziel unseres Gesetzentwurfs mit der Rechtsauffassung unserer Justizministerin Blechinger; Herr Sarrach sprach es schon an.

(Sarrach [DIE LINKE]: Mann, Mann!)

Die Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Schulze (SPD) mit der Drucksachennummer 4/4484 vom April dieses Jahres lautet wie folgt:

„Die Beibehaltung eines gesonderten Staatshaftungsgesetzes im Lande Brandenburg erscheint nicht unbedingt erforderlich. Nach einer rechtstatsächlichen Erhebung... aus dem 1. Halbjahr 1996 zur Anwendung der Staatshaftungsgesetze in den neuen Ländern... kommt dem Staatshaftungsrecht eher eine marginale Bedeutung zu.“

- Den Rest erspare ich mir; denn darauf stützt sich eigentlich die Begründung unseres Antrags.

Es ist erstaunlich, was der Kollege Sarrach da herausgelesen hat. Ich weiß nicht, was Sie haben, meine Damen und Herren. Insbesondere an die linke Seite des Hohen Hauses darf ich die Frage richten, Herr Sarrach, was Sie sich angesichts der tatsächlichen Rechtslage von der Beibehaltung des Staatshaftungsgesetzes versprechen. Wenn Sie meinen, das dort normierte Verfahren, insbesondere das behördlich vorgeschaltete Antragsverfahren, könnte den Bürgerinnen und Bürgern irgendetwas bringen, dann haben Sie ein schlecht ausgeprägtes Gedächtnis.

(Beifall bei der DVU)

Ein Beispiel. Herr Kollege Christoffers, Sie haben in der 3. Legislaturperiode eine Kleine Anfrage mit der Drucksachennummer 3/845 gestellt, die Landesregierung ausdrücklich nach behördenseitigen Verzögerungen bei der Prüfung von Staatshaftungsansprüchen gefragt. Von der damaligen Ministerin Dr. Simon haben Sie folgende Antwort erhalten:

„Das Staatshaftungsgesetz sieht zwar nach Möglichkeit eine Entscheidung innerhalb eines Monats ab Antragstellung vor. Hierbei handelt es sich jedoch um eine sog. Sollvorschrift, die im Einzelfall eine längere Bearbeitungsdauer zulässt.“

Anlass war, dass es gravierende Fälle gab, in denen die Bürgerinnen und Bürger, die durch die öffentliche Hand vorsätzlich oder fahrlässig geschädigt wurden, gerade deshalb nicht oder zu spät zu ihrem Recht gekommen sind. Wir alle wissen, es gibt mehrere Firmen, die deswegen - ich sage einmal - in Insolvenz gegangen sind.

Wir als DVU-Fraktion sehen auch nicht ein, weshalb Bürgerinnen und Bürger durch ein Antragsverfahren beim Schädiger über längere Zeit daran gehindert werden können, ihre Ansprüche geltend zu machen. Schließlich sind darüber, wie ich schon sagte, viele Unternehmen gerade im Süden Brandenburgs pleite gegangen. Deshalb meine Bitte: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu, damit wir ein Relikt, das wir nicht mehr brauchen, endlich abschaffen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Ich beende die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/5069 an den Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Mit großer Mehrheit ist gegen die Überweisung gestimmt worden.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Drucksache 4/5069 in der Sache. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Mit großer Mehrheit ist gegen den Gesetzentwurf gestimmt worden; er ist somit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zur Signifikanz und zu den Potenzialen der Kulturwirtschaft in Brandenburg

Große Anfrage 29 der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/3903

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/4872

Ich eröffne die Aussprache. Frau Abgeordnete Dr. Münch, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Der russische Schriftsteller Daniil Granin wurde einmal gefragt, wie denn die Menschen in Leningrad die dreijährige Hölle der deutschen Belagerung überleben konnten. Granin antwortete: ,Es mag merkwürdig klingen, aber es war die Kultur dieser Stadt. Kultur ist Leben!‘“