Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. Es spricht die Abgeordnete Hackenschmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das „Energieland Lausitz“ wandelt sich - nicht erst in den letzten Jahren, sondern schon seit der Wende 1989/90.

Angesichts der Entwicklung seither staune ich, wenn von der Fraktion DIE LINKE immer eine „Rettet die Welt!“-Argumentation kommt. Ich konnte vor 14 Tagen in alte Pläne Einsicht nehmen, die genau dieses Kohlegebiet betreffen. Damals hätte es vielleicht eine Meldung von einer Zeile in der Zeitung gegeben. Die Bagger wären gerollt und die Menschen umgesiedelt worden. Eine Entschädigung hätten sie nicht bekommen. Sie wären auch nicht gefragt worden, wohin sie gerne wollen. Irgendwo wäre ein Wohnkomplex entstanden, in den sie hätten einziehen müssen.

(Bochow [SPD]: WBS 70!)

In Finsterwalde gibt es einen solchen Komplex. Sie machen sich dafür stark, dass die Plattenbauten aus den Jahren 1986 bis 1988 nicht abgerissen und die Menschen wieder umgesiedelt werden. Man muss sich irgendwann entscheiden. Die Haltung „Rettet die Welt!“ allein reicht nicht aus.

Frau Steinmetzer-Mann hat auf ihre glückliche Kindheit verwiesen. Eine glückliche Kindheit hatten die betroffenen Menschen alle. Es hat dennoch niemanden interessiert, was mit diesen Menschen passiert. Aus diesem Grund halte ich die von Ihnen angestoßene Diskussion in gewisser Weise für scheinheilig.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Thiel, Sie haben aus Dokumenten der SPD zitiert. Zitieren Sie doch einmal aus Dokumenten der SED! Diese, insbesondere die entscheidenden, waren nicht ohne weiteres öffentlich zugänglich. Meist wurden nur die Schlagzeilen übermittelt. Interessiert hat es am Ende niemanden.

Ich freue mich, dass wir heute eine offene Debatte zum Thema „Energieland Lausitz“ führen. Neben der Braunkohle gewinnen die regenerativen Energieträger immer mehr an Bedeutung.

Ich bin auch für die Braunkohle. Ein Ausstieg kann nur sozialverträglich und langfristig erfolgen; die entsprechenden Parameter müssen erfüllt sein. Das ist der richtige Weg.

Bei allen Betrachtungen zum Thema „Energie“ müssen die Aspekte Versorgungssicherheit und Energiemix im Vordergrund stehen. Auf das Thema „Energiemix“ kommen wir zurück Frau Gregor-Ness hat es schon gesagt -, wenn wir zu dem Antrag sprechen.

Ich muss immer wieder deutlich sagen: Die Lausitz trägt hohe Verantwortung für die zuverlässige Versorgung Brandenburgs, Berlins und vieler weiterer Regionen Deutschlands mit Energie. Wir haben insoweit Verantwortung nicht nur für unser Bundesland. Dennoch gilt es, bei der Konzipierung der Energiestrategie des Landes Brandenburg - wir alle warten gespannt darauf - darauf zu achten, dass durch den verstärkten Einsatz neuer Technologien der Anteil der Braunkohleverstromung abgeschmolzen werden kann.

Aus diesem Grund setzt sich die SPD-Fraktion seit Jahren für den Ausbau des Förderprogramms „Regenerative Energien“ REN - ein. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg. Alternativen müssen angeboten werden. Das genannte Förderprogramm richtet sich sowohl an private Haushalte in ihrer Eigenschaft als Endverbraucher als auch an die Wirtschaft. Wenn das Programm weiterhin intensiv nachgefragt wird - es ist momentan überzeichnet -, dann ist es gleichzeitig ein Wirtschaftsförderprogramm für die Region, für ganz Brandenburg, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die die entsprechenden energiewirtschaftlichen Ziele dann verwirklichen.

Wir suchen nach gangbaren Wegen zu neuen Technologien. Das ist ein Querschnittsthema, das alle Ministerien betrifft, auch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Der entsprechende Haushalt hat den Sparkurs der Landesregierung am wenigsten zu spüren bekommen, um das Finden alternativer Lösungen für Energiegewinnung, -umwandlung, -trans

Das alles geschah trotz des vormaligen Versprechens von Altministerpräsident Stolpe, Horno sei das letzte von Abbaggerung bedrohte Dorf gewesen.

Frau Hackenschmidt, ich bitte Sie: Man braucht doch die Fehler von damals nicht zu wiederholen. Wir haben daraus gelernt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Unterstellen Sie uns bitte nicht Populismus! Herr Ministerpräsident, bei allem Respekt - es kann doch auch nicht in Ihrem Interesse liegen, wenn der Eindruck erweckt wird, die Landesregierung habe keinen Plan oder sie folge einfach, wenn Vattenfall ruft. Oder Sie träfen Ihre Entscheidung auf der Basis völlig offener, im Ergebnis noch unsicherer technischer Forschungen wie der sogenannten CO2-freien Verstromung, die es eben nicht geben wird. Es genügt nicht, die Eckpunkte der Energiestrategie durch das Land zu tragen. Wir müssen abwarten, was bei den Forschungen herauskommt und welche Ergebnisse die Modellprojekte bringen.

(Zuruf von der SPD9 Warum soll das, was Ihre Koalition heute vorschlägt, alterna- tivlos sein? Schon heute, im Voraus, die Pläne des Vattenfall- Konzerns abzusegnen (Unruhe bei der SPD - Frau Gregor-Ness [SPD]: Das macht doch niemand!)

bedeutet ganz einfach, die Katze im Sack zu kaufen; denn es gibt zu viele Unbekannte und Variablen.

Nehmen wir das Thema Arbeitsplätze; ich glaube, es ist sehr einfach zu erfassen. Zwischen Fördermenge, Beschäftigung und Rentabilität gibt es keinen direkten Zusammenhang. Zwischen 1998 und 2004 hat Vattenfall weniger gefördert, Arbeitsplätze sind abgebaut worden, während die Gewinne in die Höhe gegangen sind. Da wir ehrlich bleiben wollen, fordere ich von Vattenfall mehr Investitionen in Forschung für regnerative Energien und in Arbeitsplätze nach der Kohle.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Arbeitsplätze nach der Kohle zu schaffen - das ist eine Verantwortung, die auch die Landesregierung hat.

Warum ist im Augenblick der Widerstand in der Lausitz nicht zu spalten? Warum gibt es weiterhin Proteste? Weil aus wissenschaftlicher, insbesondere aus ökologischer Sicht die von Ihnen, Frau Gregor-Ness, genannte Vorbedingung - ich teile sie für ein CO2-armes Kraftwerk nicht gesichert ist. Damit ist die Alternative ganz klar: Sollten diese Projekte nicht gelingen und damit wirtschaftlich nicht anwendbar sein, ist das Land Brandenburg gezwungen, seine Energiepolitik abrupt umzustellen. Auch das könnte in einem Crash enden. Daher fordere ich von der Landesregierung nicht nur den Plan A, sondern auch den Plan B.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Diese Forderung erhebe ich insbesondere deshalb, weil der Region derzeit keine Rechtssicherheit gegeben werden kann, dass nicht noch weitere Tagebaue aufgeschlossen werden.

port und -speicherung zu unterstützen. Wir sollten den Fachhochschulen und der BTU die Möglichkeit geben, sich künftig ebenfalls mit Nobelpreisträgern zu schmücken und damit unser Land als das Innovationslabor zu kennzeichnen, von dem so oft die Rede ist.

Ich betone noch einmal: Es ist wichtig, dass wir die Debatte hier führen und dass das Thema an niemandem mehr vorbeigehen kann. Ich bitte aber um eine Versachlichung an manchen Stellen. Fachgespräche sollten mit allen Beteiligten zugelassen werden, damit wir gemeinsam vorankommen, uns nicht gegenseitig ausspielen und vermeiden, am Ende nichts gewonnen zu haben. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Bravo!)

Das Wort erhält die Fraktion DIE LINKE. Es spricht Frau Abgeordnete Kaiser.

Meine Damen und Herren! Das Thema scheint sehr wichtig zu sein. Daher mache ich Sie darauf aufmerksam, dass ich die Redebeiträge nicht sehr rigoros bremsen werde. Das geht allerdings auf Kosten der Fragestunde bzw. der Mittagspause.

(Zurufe von der SPD: Auf Kosten der Mittagspause ist okay!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben eine sachliche, vernünftige Debatte eingefordert. Dazu sage ich ausdrücklich Ja.

Sie haben heute de facto eine Regierungserklärung abgegeben. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie solche Tricks nötig haben.

(Unruhe bei der SPD)

Wir wären bereit gewesen, mit Ihnen über eine Energiestrategie der Landesregierung zu beraten, und hätten eine entsprechende angemeldete Regierungserklärung gern zur Kenntnis genommen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Aber eine Energiestrategie des Landes gibt es nicht, und das ist schlecht. Das Vorliegen einer solchen Strategie wäre die Voraussetzung, um Entscheidungen treffen zu können, die jetzt fallen sollen.

Meine Damen und Herren! Mit den Informationen von der Landesregierung und den öffentlichen Debatten der letzten Wochen und Monate wurden die Menschen in den von Abbaggerung bedrohten Orten in der Lausitz bzw. im sorbischen Siedlungsgebiet erneut in Unruhe und Aufruhr versetzt.

(Schippel [SPD]: Warum wohl?)

Das war unnötig und unverantwortlich. Meine Fraktion bedauert das sehr.

(Bischoff [SPD]: Was?)

Wenn wir heute die Genehmigung für weitere Tagebaue erteilen, aber hinterher die gewünschten Ergebnisse der Technologien nicht erzielt werden, dann können wir doch nicht einfach zurück!

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die mitentscheidend dafür sind, inwieweit die Verstromung von Braunkohle auch in Zukunft gewinnträchtig ist, werden nur bedingt in Potsdam, sondern eher in Berlin oder Brüssel gesetzt. Worüber aber hier entschieden werden kann, ist das weitere Schicksal einer ganzen Region. Das Land Brandenburg braucht eine ehrliche Debatte darüber, wohin die Entwicklung der Lausitz gehen soll. Einen Teil dieser Debatte, Herr Ministerpräsident, kann auch die kürzlich gestartete Volksinitiative gegen neue Tagebaue gestalten.

Ich sage Ihnen noch einmal: Unterstellen Sie niemandem in diesem Hause, er wolle den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung! Das will weder die Fraktion DIE LINKE noch die Volksinitiative. Bleiben Sie bei der von Ihnen eingeforderten Seriosität!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Mit einem Entweder-oder oder mit schwarz-weißen Weltbildern kommen wir nicht weiter.

(Lachen bei der SPD)

Die Debatte braucht auch grüne und rote Farben. Lassen Sie sie uns auf dieser Grundlage führen! - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion setzt der Abgeordnete Lunacek diese lebhafte Debatte fort.