Ich möchte einige Beispiele nennen. Erstens, das Programm für Familien- und Kinderfreundlichkeit. Dass Familien und Kinder in Brandenburg Vorrang haben, wurde am 18.10.2005 vom Kabinett beschlossen. Konkretisiert und finanziell untersetzt wurde dieser Beschluss mit dem am 20.12.2005 vom Kabinett verabschiedeten Maßnahmenpaket für Familien- und Kinderfreundlichkeit; Stichwort: Prävention.
Wir haben das Kinder- und Jugendhilfegesetz präzisiert und damit Klarheit in eine rechtlich unübersichtliche Situation gebracht. Das heißt, das Jugendamt kann auch tätig werden, wenn Eltern keine konkrete Hilfe beantragt haben.
Wir haben im März letzten Jahres ein Programm zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit im Land Brandenburg beschlossen. Neben der Verbesserung der Mitarbeiterkompetenzen im Umgang mit Fällen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung zielt dieses Programm auf präventive Angebote im Bereich der Familienbetreuung. Dazu zählen natürlich auch die Eltern-Kind-Zentren.
Wir haben das Kita-Gesetz geändert. Damit bleibt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auch im Falle, dass die Eltern ihre Arbeit verlieren, bestehen. Auch das ist Prävention und bedeutet konkreten Kinderschutz. Die kompensatorische Sprachförderung ist schon angesprochen worden.
Es wurden Änderungen im Schulgesetz vorgenommen. Es wurden die stärkere Zusammenarbeit von staatlichen Schulämtern, Jugendämtern und Schulen bei Verdachtsmomenten festgelegt und die Grundschulverordnung so geändert, dass jedes Kind der Schule persönlich vorgestellt werden muss, wenn es das vorschulfähige Alter hat.
Wir haben das Bündnis „Gesund aufwachsen in Brandenburg“. Staatliche und nichtstaatliche Akteure beobachten und analysieren die gesundheitliche Lage; das ist eine Art Frühwarnsystem. Sie sind in der Lage, schnell und vor allem frühzeitig auf
Wir brauchen - das ist, denke ich, Konsens in diesem Hause mehr langfristig angelegte Präventionsmaßnahmen. Aus diesem Grund fördert die Landesregierung zum Beispiel die drei Netzwerke „Gesunde Kinder“ in der Niederlausitz, im Havelland und in der Eberswalder Region. Alle drei Netzwerke arbeiten nach dem gleichen Präventionskonzept. Herausragendes Merkmal ist das Zusammenführen aller familienunterstützenden und präventiven Angebote sowohl des Gesundheitswesens als auch der Jugendhilfe in der Region und die passgenaue Vermittlung an junge Familien. Geschulte ehrenamtliche Patinnen und Hebammen besuchen diese Familien regelmäßig in den ersten drei Lebensjahren des Kindes. Sie beraten in Gesundheitsfragen, sie informieren über wichtige kindliche Entwicklungsphasen, und sie helfen bei der Lösung von Alltagsproblemen. Gerade Letzteres ist wichtig zu erwähnen; denn oftmals fehlt in den Familien der Zusammenhalt. Großeltern, Onkel oder Tanten, die früher Empfehlungen und Ratschläge geben konnten, fehlen heute in vielen Familien. Ganz nebenbei entdecken die Patinnen und Hebammen Verzögerungen in der kindlichen Entwicklung, vielleicht sehen sie auch Anzeichen von Vernachlässigung oder gar Misshandlung. Ich gehe jedoch davon aus, dass es dank dieses engmaschigen Netzes gar nicht zu solchen Ausfällen kommt. Im Übrigen vermitteln sie Hilfe, wenn das nötig ist, in den dem lokalen Netzwerk angeschlossenen Einrichtungen - das ist ein weiteres, ganz wesentliches Merkmal -, nämlich zum Beispiel den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, den Frauen- und Kinderärzten, den Hebammen, der Jugendhilfe und dem Gesundheitsamt.
Nach einem Jahr können wir wohl allesamt erfreut feststellen: Die Projekte laufen gut. Die Angebote richten sich an alle jungen Familien mit kleinen Kindern. Auch das ist ein wichtiger Grund für die hohe Akzeptanz, die die regionalen Netzwerke inzwischen finden: Niemand, der an diesem Projekt teilnimmt, wird als „schwierige Familie“ stigmatisiert. Deshalb werden die erfolgreich gestarteten Projekte ausgedehnt, und ab dem nächsten Jahr werden wir drei weitere fördern. Dies kann allerdings nicht dirigistisch von oben nach unten gemacht werden; vielmehr brauchen wir dafür auch die Initiative und das Engagement der lokalen Akteure.
Darüber hinaus werden wir den Kinderschutz weiter stärken. Heute war ja schon mehrfach vom öffentlichen Gesundheitsdienst die Rede. Im Alter zwischen 30 und 42 Monaten sollen die Kinder durch den öffentlichen Gesundheitsdienst untersucht werden, und zwar alle Kinder, vor allem auch die, die zu Hause betreut werden und die deshalb bisher vielleicht durch das Raster der regelmäßigen Untersuchungen gefallen sind. Bei der zuletzt genannten Gruppe von Kindern besteht ein weitaus größeres Risiko, dass Entwicklungsstörungen zu spät oder gar nicht erkannt werden.
Einmalig ist bisher auch die verpflichtende nachsorgende Betreuung von Kindern mit auffälligen Befunden durch den öffentlichen Gesundheitsdienst. Künftig wird der öffentliche Gesundheitsdienst dafür sorgen, dass die betreffenden Kinder auch wirklich in den Genuss der notwendigen Fördermaßnahmen und Therapien kommen.
Führend ist Brandenburg ebenfalls bei dem neu einzuführenden System der Einladung zu den Früherkennungsuntersuchungen der niedergelassenen Ärzte. Wir wissen, dass mit zunehmendem Alter der Kinder die Quote der Teilnahme an diesen Untersuchungen leider sinkt. Deshalb werden wir für alle
Defizite in der Entwicklung oder im Verhalten von Kindern zu reagieren. Frau Wöllert hat das ÖGD angesprochen. Ich bin mir ihr diesbezüglich nicht einer Meinung. Frühwarnsystem heißt für mich, Defizite in der kindlichen Entwicklung aufzuspüren, und das hat für mich etwas mit Kinderschutz zu tun.
Ich könnte noch viele andere Instrumente nennen, die sich im Land Brandenburg etabliert haben: Familienpass, lokale Bündnisse etc. Abschließend sage ich: Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die die Bezeichnung „kinderfreundlich“ zu Recht trägt. Ich meine, wir befinden uns auf einem guten Weg.
Der Antrag der CDU-Fraktion zu dieser Aktuellen Stunde basiert auf dem Gesetzentwurf, der heute schon eine große Rolle gespielt hat, und soll dazu beitragen, dass Maßnahmen entwickelt werden, die eine erhöhte Verantwortungsbereitschaft der Kommunen und der Justiz mit sich bringen. Wenn Sie den aktuellen „Pressespiegel“ gelesen haben, wird Ihnen aufgefallen sein, dass die Stadt Cottbus, die eine schwarze Geschichte im Bereich des Kinderschutzes hat, einer der Wegbereiter in diese Richtung ist. Ich zitiere aus dem Artikel:
„Schwerpunkte des jetzt vorgelegten Papiers sind unter anderem die Einrichtung eines zentralen Kinderschutztelefons, die Schaffung eines Informationsportals für aktuelle Beratungs-, Vermittlungs- und Hilfseinrichtungen sowie ein Netzwerk zur Bündelung der präventiven Arbeit von öffentlichen und freien Trägern.“
Das afrikanische Sprichwort „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ lässt sich auch auf den Kinderschutz übertragen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder zu schützen und ihnen eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen ist Anliegen und Aufgabe aller. Dass darin Konsens besteht, konnten wir heute von allen Fraktionen in diesem Hause hören.
Kinder sind selten akut, sozusagen von heute auf morgen, gefährdet. Meist ist es ein schleichender Prozess, der Gefährdungen auslöst. Oft sind es familiäre Spannungen, die sich irgendwann krisenhaft entladen. Gesundheitlicher Kinderschutz bedeutet auch, junge Familien von Anfang an zu begleiten, zu beraten, zu unterstützen, und zwar - Herr Werner, das sage ich besonders in Ihre Richtung - bevor familiäre Probleme eskalieren und gesundheitliche Risiken für die Kinder entstehen. Das ist kein Widerspruch, aber das ist für mich der Punkt zu sagen: Wir müssen uns rechtzeitig kümmern.
Kinder im Alter zwischen 9 und 66 Monaten - das sind die Untersuchungen U 6 bis U 9 - unabhängig vom Versicherungsstatus ein zentrales Einladungssystem etablieren, in dessen Rahmen zu regelmäßigen Arztbesuchen aufgefordert wird.
Kinderschutz hat in unserem Land eine hohe Priorität. Unabhängig von ihrer jeweiligen sozialen Lage sollen alle Kinder die gleichen Chancen auf eine gesunde Entwicklung bekommen. Dafür haben wir das System früher Hilfen aufgebaut und werden es weiter ausbauen. Die Elternbildungsarbeit wird breiter angelegt. Es gibt die Eltern-Kind-Zentren. Seit dem Jahre 2005 gibt es die Fachstelle Kinderschutz zur Beratung der Jugendämter und seit 2006 gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden die Empfehlungen zur Verbesserung des Kinderschutzes. Alle Kinder sollen vom öffentlichen Gesundheitsdienst erfasst und untersucht werden, und alle, die für die Gesundheit der Kinder Verantwortung tragen, sollen noch mehr als bisher kooperieren. Wir haben vieles auf den Weg gebracht, was in diesem Sinne wirkt und den Kinderschutz insgesamt stärken wird.
Wie heute bereits mehrfach gesagt worden ist, ist aber auch klar, dass all unsere Systeme der Hilfe und der Prävention nur dann erfolgreich sein können, wenn sich alle in der Gesellschaft dafür mitverantwortlich fühlen. Kinderschutz ist eben nicht nur eine Aufgabe für Jugend- oder Gesundheitsämter oder - am Ende der Kette - der Justiz; vielmehr brauchen wir mehr Menschen, die hinschauen, wie Kinder leben und was mit ihnen geschieht. Mitverantwortung müssen also alle übernehmen. - Vielen Dank.
Zum Schluss der Debatte erhält die antragstellende Fraktion noch einmal das Wort. Es spricht die Abgeordnete Hartfelder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Fechner, Ihre Aussage, dass Kinderschutz nicht aktuell sei, hat mir wirklich Nerven geraubt. Wir wissen nämlich, dass jeden Tag in Brandenburg Kinder in die Kitas kommen und mit großen Augen auf das Butterbrot der Erzieherinnen schauen, weil sie zu Hause nichts gegessen haben. Schon allein dieser kleine Fakt macht deutlich, dass das Thema Kinderschutz und Kindeswohl jeden Tag aktuell ist.
Die Vertreter der Fraktion DIE LINKE haben in dieser Aktuellen Stunde nach meinem Verständnis richtig danebengegriffen.
Ich fange mit dem weniger Schlimmen an, nämlich mit den Ausführungen des Kollegen Sarrach. Er sagte, die Vernetzung des Kinderschutzes werde wieder in den Mittelpunkt gestellt. Seit mehr als fünf Jahren bearbeiten die Fraktionen von SPD und CDU alle Facetten von Kinderschutz. Die Kollegin Lieske und die beiden Ministerinnen haben sehr deutlich gesagt, wo
- Ich sage ganz deutlich: auch Weichen neu gestellt haben, und zwar gerade bei der Vernetzung von Mitarbeitern verschiedener Institutionen, die im Bereich des Kinderschutzes tätig sind.
Frau Fraktionsvorsitzende Kaiser, Herr Sarrach, Frau Wöllert, wer Ihre Ausführungen heute hier gehört hat, der muss denken, dass wir in diesem Plenum heute das erste Mal über das Thema Kindeswohl gesprochen haben.
In Wirklichkeit ist das in den letzten fünf Jahren aber mindestens fünf oder sechs Mal der Fall gewesen. Die Fraktion DIE LINKE bzw. PDS hat dazu aber nicht einen selbständigen, eigenen Antrag gestellt.
Die Anträge zum Thema Kinderschutz wurden von den Fraktionen der SPD und der CDU, also von der Großen Koalition, gestellt.
Die Kollegin Wöllert hat sehr danebengegriffen, als sie sagte, dass der Kollege Werner hier Stammtischparolen verbreitet habe. - In Wahrheit hat Herr Werner ganz einfach über pathogene Bindungen gesprochen, und das wird nicht am Stammtisch, sondern in einschlägigen wissenschaftlichen Gremien diskutiert.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine Professorin zitieren, Frau Prof. Dr. Zens, die Folgendes gesagt hat:
„Ich versuche, zu vermitteln, dass die neuere Bindungsforschung längst unterscheidet zwischen verschiedenen Qualitäten von Bindung und dass es auch pathogene, krankmachende, Bindungen gibt. Angstbindungen und die desorganisierten Bindungen fallen darunter.“
Frau Wöllert, niemand und schon gar nicht jemand in der Fraktion der SPD oder der CDU macht den Menschen im Lande etwas vor. Wir alle wissen, dass Kinderschutz nicht umfassend sein kann, dass es also immer Ausnahmen geben wird. Das Ringen um jedes Kind muss aber im Fokus von Politik stehen und stehen bleiben, was im Übrigen schon seit vielen Jahren der Fall ist. Frau Lieske und die Ministerinnen Ziegler und Blechinger haben sehr gut geschildert, was von Landesseite unternommen worden ist.