Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Beifall bei der DVU)

Es gehört wohl eine gehörige Portion Dummheit im Amt dazu, im Falle des Umgangs mit Bodenreformland so zu verfahren, wie Sie es getan haben, meine Damen und Herren von der Landesregierung. Aber das glauben wir eher weniger. Es ist den Medienberichten zufolge eher naheliegend, dass eine nicht zu unterschätzende kriminelle Energie der Landesregierung dafür notwendig war,

(Holzschuher [SPD]: Also bitte!)

sich dieses Land widerrechtlich anzueignen. Dieser Sachverhalt ist auch viel zu weitreichend, als dass es sich vielleicht ein kleiner Referatsleiter in einem Ministerium ausgedacht hätte. Denn um so zu verfahren, wie es diese Landesregierung getan hat, muss die ministerielle Ebene eingeweiht und auch beteiligt gewesen sein.

Jetzt melden sich auch die ersten Landkreise zu Wort, weisen in diesen Fällen Schuld von sich und verweisen auf die Weisungen aus den Ministerien. So lässt der Landrat des Landkreises Oberhavel über seine Pressesprecherin erklären, dass sich der Landkreis in den Fällen der unrechtmäßigen Aneignung von Bodenreformland in rechtlicher Übereinstimmung mit drei Ministerien des Landes befand. Das ist doch nur eine Umschreibung dessen, was im Klartext nichts weiter bedeutet als: Wir haben nicht selbst geprüft, sondern auf Vorgabe des Landes gehandelt.

Allein diese Antworten eines Landrats lassen den Schluss zu, dass der Sumpf der Verstrickungen noch viel tiefer ist, als derzeit vielleicht bekannt. Wenn Landkreise derartige Vorgehensweisen zugelassen haben, also Einsetzung des Landes als gesetzlicher Vertreter ohne Prüfung und Suche nach rechtmäßigen Erben, dann sind auch die betreffenden Landkreise in diese Machenschaften involviert und haben Schuld auf sich geladen.

Selbst die Stadt Potsdam ist von diesem Skandal betroffen. Bis zum Ablauf der Verjährungsfrist wurde in ca. 60 Fällen auch das Land als gesetzlicher Vertreter von Bodenreformgrundstücken bestellt. Die Umstände dieser rechtswidrigen Aneignung

Ihnen auch nicht ersparen, Ihren Eid zu zitieren, um Ihnen und allen Brandenburgern zu beweisen, wie weit Sie sich in Ihrer Verantwortung von der Realität und von unserer Verfassung entfernt haben.

Herr Platzeck sagte also am 26. Juni 2002 hier an dieser Stelle - ich kann mich noch genau daran erinnern -:

„Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg widmen, ihren Nutzen mehren, Schaden von ihnen wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. - So wahr mir Gott helfe.“

Meine Damen und Herren, stellt man zwischen dem Inhalt dieser Eidesformel und den bisher bekannten Tatsachen der unberechtigten Aneignung von Bodenreformland eine Verbindung her, so hat allein der Ministerpräsident des Landes in mindestens fünf Fällen gegen den von ihm geleisteten Eid gröblichst verstoßen.

Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Von welchem Bürger dieses Landes erwarten Sie jetzt noch Vertrauen in Ihre Person, in diese Regierung und in Verfassung, Recht und Gerechtigkeit?

(Beifall bei der DVU)

Das, was hier leichtsinnig verspielt wurde, ist durch ein smartes Lächeln und gespielte Freundlichkeit nie mehr zu heilen, Herr Ministerpräsident. Warum haben Sie so lange zu diesen Vorwürfen geschwiegen?

Ich kann mir gut vorstellen, dass sehr viele Mitarbeiter damit beschäftigt waren, nach smarten Lösungsmöglichkeiten für Sie und die betroffenen Ministerien zu suchen. Bei den betroffenen Menschen in unserem Land bleiben jedoch Leid und Frust zurück und Fragen über Fragen.

Sie sprechen nun von schneller und gründlicher Aufklärung. Jetzt wird sich ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit diesen Vorgängen befassen.

Wir wissen aus den bisherigen Untersuchungsausschüssen nur zu gut, dass sehr wohl versucht wird, Licht in die dunklen Machenschaften dieser Landesregierung zu bringen. Nur mit den Konsequenzen im Ergebnis derartiger Untersuchungen sieht es dann doch eher bescheiden aus. Ich drücke es deutlicher aus, meine Damen und Herren: Niemand von den Verantwortlichen dieser Landesregierung hat infolge der Ergebnisse bisheriger Untersuchungsausschüsse seinen Platz räumen oder mit dem Staatsanwalt Bekanntschaft machen müssen.

Wir wollen den Ergebnissen einer Untersuchung dieser Vorgänge nicht vorgreifen, aber eines steht jetzt schon fest: In Verantwortung für diese Machenschaften stehen die Brandenburger SPD und auch die CDU.

(Beifall bei der DVU)

Denn, meine Damen und Herren, Sie haben diesen einmaligen

sind in allen Fällen gleichgelagert. Vorsorglich ließ sich die Stadt jedoch in diesen Fällen vom Land für alle Haftungsrisiken freistellen. Der verantwortliche Oberbürgermeister war zum damaligen Zeitpunkt der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck.

Niemand soll uns hier erklären, er habe nichts davon gewusst. Das Thema war zum damaligen Zeitpunkt schon so heiß, dass es nicht in einer kleinen Amtsstube gekocht werden konnte.

Wenn Sie vielleicht auch heute das Gegenteil beteuern möchten, ich sage Ihnen: Sie, Herr Ministerpräsident, haben damals als OB der Stadt Potsdam schon von dieser des Rechtsstaates unwürdigen Praxis gewusst und es auch geduldet.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren, es ist nicht nur so in den Raum gestellt, nein, es ist eindeutig beweisbar: Schon im Jahre 2004 hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in einem Urteil die Aneignungspraxis des Landes für rechtswidrig erklärt. Das Land sah sich jedoch nicht veranlasst, Maßnahmen einzuleiten. Ähnliche Entscheidungen sollen auch durch Landgerichte getroffen worden sein. Das Land hat also nachweisbar deutliche Signale aus der Rechtsprechung erhalten und hätte sehr wohl die Gelegenheit gehabt, seine Praxis im Umgang mit Bodenreformland zu ändern. Es wurden aber keine Veränderungen dieser Praxis vorgenommen, und das lässt zumindest den Anfangsverdacht einer kriminellen Handlung, sprich: Untreue, sehr wohl zu. Aber das ist ausschließlich Angelegenheit der Staatsanwaltschaft.

Meine Damen und Herren, haben Sie sich schon einmal vor Augen geführt, was es überhaupt bedeutet, dass unter den rechtswidrig durch das Land angeeigneten Grundstücken zehn Grundstücke sind, die unmittelbar mit dem Bau des Großflughafens BBI in Zusammenhang stehen? Was wird mit diesen Grundstücken geschehen? - Werden Eigentümer ermittelt, müssen die Grundstücke rein rechtlich rückübertragen werden; dann kann das Land sie dem Eigentümer abkaufen, oder das Land enteignet die rückübertragenen Grundstücke gleich wieder - auch eine gängige Praxis in Brandenburg. Die Bundesrepublik ist Exportweltmeister, und Brandenburg ist Enteignungsweltmeister - eine schöne Bilanz, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der DVU - Unruhe bei der Fraktion DIE LIN- KE - Schulze [SPD]: Und Sie sind Dummheitsweltmeis- ter!)

- Ich komme gleich nach Ihnen, Herr Schulze.

(Beifall bei der DVU)

Wie mögen sich die Eigentümer wohl fühlen, wenn sie ihre Grundstücke ein zweites Mal verlieren? Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

Meine Damen und Herren, jetzt, wo das Kind im Brunnen liegt, wo das Vertrauen der Bürger in diese Landesregierung zutiefst erschüttert ist, jetzt, wo die betroffenen Bürger das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit unseres Landes verloren haben, erst jetzt meldet sich diese Landesregierung zu Wort. Herr Ministerpräsident, ich vermisse in Ihrer Erklärung zu diesen skandalösen Vorgängen in Ihrer Verantwortung deutliche Wor

te, Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen und Konsequenzen für die Schuldigen, von Schuldgefühlen ganz zu schweigen. Ich habe nichts dergleichen von Ihnen vernommen. Das hinterlässt bei mir und auch bei meiner Fraktion den Eindruck, dass Sie es gar nicht so ernst meinen mit der Aufklärung dieser Vorfälle.

Die verbale Entschuldigung hier heute nehmen wir nicht an. Man kann nicht ständig Bäume fällen und sich danach entschuldigen.

(Beifall bei der DVU)

Einmal mag das in Ordnung sein, aber nicht stets und ständig.

Was Sie jetzt veranstalten, ist der untaugliche Versuch einer Schadensbegrenzung für Sie, Ihre Regierung und auch für Ihre Partei. Wenn Sie glauben sollten, dass unsere Bürgerinnen und Bürger das nicht durchschauen, so täuschen Sie sich gewaltig; ganz im Gegenteil: Ich bin mir sicher, Herr Ministerpräsident, Ihre letzten inakzeptablen Aktionen werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler dieses Landes nicht verzeihen - und vergessen schon gar nicht.

(Beifall bei der DVU)

Es dürfte Ihnen, Herr Ministerpräsident, nicht unbekannt sein, was der Bürgerverein Brandenburg-Berlin nach dem Bekanntwerden dieser Machenschaften von Ihnen fordert. Diesen Rücktrittsforderungen können wir uns nur anschließen, Herr Ministerpräsident. Für Sie sollte es eine Frage der Ehre sein, unter diesen Umständen auf Ihren Posten als Ministerpräsident dieses Landes freiwillig zu verzichten.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei Abgeordneten der SPD)

- Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was es da zu lachen gibt.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Der Ministerpräsident hat durch sein Handeln, Frau Alter, unserem Land Brandenburg nach innen und nach außen einen riesengroßen Schaden zugefügt. Er sollte dafür auch die Konsequenzen ziehen. Das erwarten die Bürger von ihm.

(Beifall bei der DVU)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich neue Gäste unter uns. Es sind Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Perleberg. - Herzlich willkommen zur Regierungserklärung und der Debatte dazu!

(Allgemeiner Beifall)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschichte der Bodenreform ist auch eine Geschichte von Ungerechtigkeiten, von gefühlten Ungerechtigkeiten und von tatsächlichen Unge

rechtigkeiten. Nach der politischen Wende in der DDR gab es keinen denkbaren Weg, Ungerechtigkeiten im Umgang mit der Bodenreform zu verhindern.

(Zuruf von der CDU: Erst nach der Wiedervereinigung!)

Seit über zehn Jahren mühen sich bundesdeutsche Gerichte nun, eine DDR-Rechtsmaterie nachzuvollziehen, die der westdeutschen Zivilrechtsordnung fremd war.

Der Bundestag hat im Jahre 1992 mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz versucht, eine dauerhafte und endgültige Regelung zu diesen Grundstücken zu finden. Das Urteil des Bundesgerichtshofs und die danach entbrannte Diskussion zeigen, dass dem Bundestag dies nicht vollständig gelungen ist.