Nein, meine Damen und Herren, Sie sind noch lange nicht durch mit der Aufarbeitung der Bodenreformaffäre, denn sonst könnten auch Sie, Herr Ministerpräsident, nicht auch heute wieder den Eindruck erwecken wollen, die Rechtsauffassung der Landesregierung sei bis zum Urteil des Bundesgerichtshofs eine von vielen möglichen gewesen und erst durch den Bundesgerichtshof überraschend ausgeschlossen worden. Nein, Herr Ministerpräsident, diese Rechtsauffassung und -praxis waren von Anfang an juristisch fragwürdig und politisch verantwortungslos. Dies zu sagen ist ebenfalls kein Vorgriff auf das Untersuchungsergebnis des Ausschusses. Nein, es ist die logische Konsequenz aus dem BGH-Urteil.
Im Untersuchungsausschuss geht es nicht um die Frage, ob und warum der Bundesgerichtshof so urteilen konnte, wie er geurteilt hat. Im Untersuchungsausschuss wird es darum gehen, zu klären, warum brandenburgische Landesregierungen so handelten, dass solche Urteile am Ende standen, und um die Frage, wie dies künftig auszuschließen ist. Ihre Regierungserklärung hat leider in dieser Richtung nichts erhellt. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Artikel 14 des Grundgesetzes stellt das Eigentum und das Erbrecht unter besonderen Schutz. Enteignungen sind nur gestattet, wenn es um das Wohl der Allgemeinheit geht und wenn eine klare gesetzliche Grundlage existiert. Bei dem Umgang mit Eigentum ist besondere Sorgfalt und strenge Rechtsförmigkeit geboten.
Der Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zivilgericht, urteilte in letzter Instanz, dass die vom Land Brandenburg veranlasste Auflassung der Grundstücke sittenwidrig und nichtig sei. Das Land habe seine selbst verliehene Vertretungsmacht missbraucht, weil der Anspruch auf Auflassung nicht geprüft worden sei. Die Urteilsbegründung schließt damit, dass das Verhalten des Landes - Zitat - „nachhaltig an die Praxis der Verwalterbestellung der DDR“ erinnere.
Diese Aussagen sind bedrückend. So darf sich ein Rechtsstaat nicht verhalten, und es gibt in dieser Hinsicht nichts zu relativieren oder zu beschönigen. Das BGH-Urteil ist eindeutig, und es gilt ohne Wenn und Aber. Dass in den vorinstanzlichen Urteilen teils andere Verfahrensfehler des Landes gerügt wurden, ändert daran nichts. Nein, die Konsequenz aus diesem Urteil muss sein, gründlich, sachorientiert und ohne Polemik nach den Fehlern zu suchen und dann die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Das heißt, umfassende Aufarbeitung und lückenlose Aufklärung sind das Gebot der Stunde und der nächsten Monate.
Der Ministerpräsident hat im Namen der Landesregierung für die begangenen Fehler sein tiefes Bedauern ausgedrückt. Die CDU-Fraktion begrüßt diese Geste ausdrücklich.
Teil einer glaubwürdigen Entschuldigung ist der feste Wille, die Fehler der Vergangenheit aufzuklären, Verantwortlichkeiten und Verantwortliche zu benennen und dafür Sorge zu tragen, dass so etwas in unserem Lande nicht mehr geschieht. Insofern ist diese Erklärung auch eine Selbstverpflichtung.
In den letzten Wochen war von vielen Betroffenen die Rede, die rechtswidrig vom Land Brandenburg enteignet wurden. In all diesen Fällen wird zu Recht gefragt, wie es zu dieser Verfahrensweise kommen konnte, warum es dagegen kaum Widerspruch gab und wer letztlich hierfür die politische Verantwortung trägt. Die Menschen, die zum Teil mehrere Jahre für ihr Recht gekämpft und große finanzielle Risiken auf sich genommen haben, erwarten zu Recht überzeugende Antworten auf diese Fragen.
Ich bin davon überzeugt, dass der Untersuchungsausschuss das geeignete Mittel sein kann, um eine sachliche und systematische Aufklärung über Parteigrenzen hinweg zu betreiben. Der Ausschuss hat im Instrumentarium der parlamentarischen Demokratie einen hohen Stellenwert: Er ist das scharfe Schwert der Abgeordneten und mit umfassenden Rechten ausgestattet.
Sie reichen von der Aktenvorlage über das Vorladen von Sachverständigen bis zur Vernehmung von Zeugen. Es kommt darauf an, sich dieser Werkzeuge offensiv, das heißt engagiert, mit Sachlichkeit und Objektivität zu bedienen. Von allen Beteiligten in der Regierung, der Ministerialverwaltung und der nachgeordneten Bereiche erwarte ich volle Kooperation und die klare Bereitschaft, nach bestem Wissen und Gewissen zur Aufklärung beizutragen. Alle Fakten müssen auf den Tisch, auch wenn das mit hohem Aufwand verbunden ist. Die bisherigen Erfahrungen in Brandenburg zeigen, dass Untersuchungsausschüsse zwar viel Zeit in Anspruch nehmen, aber dafür sorgfältig und gewissenhaft arbeiten. Auch hier gilt der Grundsatz: Genauigkeit geht vor Schnelligkeit.
Untersuchungsausschüsse haben damit eine besondere Qualität und unterscheiden sich deutlich von kurzatmigen tagespolitischen Debatten und Auseinandersetzungen. Sie sind zur gründlichen Aufarbeitung ebenso in der Lage wie zu angemessenen und ausgewogenen Urteilen, die der Komplexität des politischen Geschehens und des rechtlichen Hintergrunds - das hat der Ministerpräsident hier ausführlich erläutert - gerecht werden. Das belegen eindrucksvoll die Abschlussberichte der Untersuchungausschüsse aus der 3. Legislaturperiode.
Von unserer Fraktion werden Wilfried Schrey und Dierk Homeyer in den Ausschuss entsandt, als stellvertretende Mitglieder Roswitha Schier und Frank Werner. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg bei der anspruchsvollen und mühsamen Arbeit, die in den nächsten Monaten vor Ihnen liegt.
Von verschiedenen Seiten ist bereits vor der Einsetzung bezweifelt worden, dass der Untersuchungsausschuss maßgeblich zur Aufklärung beitragen kann. Ich warne ausdrücklich davor, den Untersuchungsausschuss bereits vor der Einsetzung zu beschädigen. Er ist keineswegs ein Vehikel, das vor den anstehenden Wahlkämpfen der parteipolitischen Profilierung dient. Dies können die Beteiligten durch sachliches und konstruktives Verhalten sicherstellen. Schließlich haben wir alle, die Koalitionsfraktionen wie die Opposition, ein gemeinsames Interesse, die rechtswidrigen Vorgänge lückenlos und schonungslos offenzulegen, denn eines ist sicher: Durch die Verwaltungspraxis, die der Bundesgerichtshof in beispielloser Weise kritisiert hat, ist dem Ansehen des Landes und dem Rechtsstaat erheblicher Schaden zugefügt worden. Für das Rechtsempfinden der Bürger und für das Prinzip von Treu und Glauben gegenüber der Verwaltung ist es von entscheidender Bedeutung, dass jetzt bedingungslos aufgeklärt wird, die Verantwortlichen benannt und die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Das klare Signal muss sein, dass der Landtag die Aufklärung vorantreibt und nicht zur Tagesordnung übergeht. Damit kann Schritt für Schritt verlorengegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden.
Meine Damen und Herren, es ist absehbar, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses von zahlreichen Einzelfällen und komplizierten Detailfragen geprägt sein wird. Wichtig ist jedoch, dass dabei der Blick für die historischen Zusammenhänge nicht verlorengeht. Angesichts vieler Äußerungen und Vorwürfe der LINKEN will ich eine Tatsache noch einmal ganz deutlich hervorheben: Das vielschichtige Unrecht im Zusammenhang mit dem sogenannten Bodenreformland begann bereits 1945 und 1946
mit einer flächendeckenden Enteignungspraxis, die gänzlich ohne Entschädigungen erfolgte und die oftmals willkürlich und gewaltsam vonstatten ging. Nicht nur Grundbesitzer mit über 100 ha wurden enteignet, sondern auch viele andere, die politisch verdächtig waren, die denunziert wurden, deren Besitz an Grund und Boden aber unter 100 ha lag.
Dies sollte auch diejenige Partei, die sich derzeit „DIE LINKE“ nennt, nicht vergessen. Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich heute die LINKE, wie dies Frau Kaiser eben gemacht hat, in selbstgerechter Weise zum Anwalt des Eigentums aufschwingt.
Sie vergisst dabei, sich der eigenen historischen Verantwortung zu stellen, die sie für massenhafte Enteignungen, erzwungene Kollektivierung - das war ja der nächste Schritt; Sie wollten es den Menschen damals ja gar nicht als wirkliches Eigentum geben, sondern haben es ihnen wenige Jahre später wieder genommen -, über die Kollektivierung für unterlassene Eigentumspflege und das Herunterwirtschaften von ehemaligem Eigentum trägt.
Auch wurden zu DDR-Zeiten Grundbücher zum Teil grob vernachlässigt, und es gab nicht wenige Fälle, bei denen sie systematisch vernichtet wurden, um die Herkunft zu verschleiern. Das macht alles noch viel schwerer. Bei aller berechtigten Kritik an der gewählten Verwaltungspraxis des Landes Brandenburg sollten sich einige Akteure gerade der LINKEN mit zur Schau getragener Empörung ein wenig zurückhalten.
Gleichwohl ist und bleibt ein Untersuchungsausschuss das Recht der Minderheit, der parlamentarischen Opposition. Untersuchungsausschüsse sind ein Ausdruck der Stärke der parlamentarischen Demokratie. Dafür gibt es sie. Und es ist ein Wesensmerkmal der Demokratie, dass aus Missständen und Fehlern gelernt werden kann und diese korrigiert werden können. Diese Souveränität werden wir auch bei der Aufarbeitung der Bodenreformaffäre beweisen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion hatte das Recht, für heute eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Dieses Recht haben wir auch wahrgenommen. Das Thema dieser Aktuellen Stunde war, dass sich der Landtag mit dem Um
gang dieser Landesregierung mit Bodenreformerben zu befassen hat. Weil diese Landesregierung sich aber prinzipiell nicht mit DVU-Anträgen befasst, haben wir diese Regierungserklärung sozusagen förmlich erzwungen.
Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Die DVUFraktion hat somit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir haben nämlich so die Möglichkeit, uns morgen in der Aktuellen Stunde, beantragt von der DVU-Fraktion, mit den aktuellen Kindestötungen hier in Brandenburg zu befassen.
Mit Verlaub, Frau Kaiser, es wäre mit Sicherheit besser gewesen, Sie hätten heute hier auf Ihren Redebeitrag verzichtet. Ich will die Dinge, die Herr Lunacek angeführt hat, nicht wiederholen. Aber wir kommen heute Abend bei einem Antrag, den die DVU-Fraktion zu dieser Thematik eingereicht hat, noch einmal auf dieses Thema zurück.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Wir alle haben durch die Medien - nicht von Ihnen selbst - in den letzten Wochen und Tagen von Vorgängen Kenntnis erhalten, die unser Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und Vertrauen in diese Demokratie auf das Tiefste erschüttern. Nicht nur, dass gewissenlose und im höchsten Maße kriminelle Manager und Wirtschaftsbosse durch ihr Handeln die Solidargemeinschaft, in der wir leben, zunehmend durch millionenschwere Steuerbetrügereien untergraben, nein, auch diese Landesregierung - und nicht, wie Sie es sagen, die Landesverwaltung - stellt sich in die Reihe derer mit hinein, die durch Ihre nicht rechtsstaatliche Vorgehensweise mit Nachdruck auf sich aufmerksam macht. Bisher gab es in der Bundesrepublik Deutschland noch nie einen Fall, in dem der Bundesgerichtshof einer Landesregierung attestieren musste, dass ihr Handeln eines Rechtsstaates unwürdig und sittenwidrig ist.
Meine Damen und Herren, der Mann, der maßgeblich Verantwortung für diese Landesregierung und ebenso für das Handeln dieser Landesregierung und damit auch für diese Einschätzung des Bundesgerichtshofes trägt, sitzt hier - rechts neben mir - auf der Regierungsbank, heißt Matthias Platzeck und ist Ministerpräsident dieses Landes.
Denn wer, wenn nicht er, verfügt über die Richtlinienkompetenz zur Vorgabe der politischen Handlungsrichtungen? Wer, wenn nicht er, muss wissen, was in seinem Verantwortungsbereich an wesentlichen Entscheidungen getroffen wird?
Am 26. Juni 2002 haben Sie, Herr Ministerpräsident, anlässlich Ihrer Wahl vor diesem Hohen Haus den von der Verfassung unseres Landes vorgeschriebenen Eid geleistet. Jetzt, nach dem Bekanntwerden des sittenwidrigen Handelns dieser Landesregierung, muss jeder Brandenburger berechtigte Zweifel daran hegen, dass Sie den hier geleisteten Eid wirklich zur Richtschnur Ihres Handelns gemacht haben. Ich will und kann
Skandal in unserem Land zu verantworten, und Sie haben sich auch vor den Brandenburger Bürgern bis auf das Hemd blamiert. Noch mehr, meine Damen und Herren: Sie haben das Vertrauen der Brandenburger Bürger schamlos missbraucht.
Sie werfen meiner Fraktion ständig vor, die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht anerkennen zu wollen, wie es Herr Baaske in seinem Königsweg-Pamphlet
beschreibt. Da wird getönt von Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung. Bekommen Sie nicht einen roten Kopf, wenn ausgerechnet Sie, meine Damen und Herren von der SPD, von Rechtsstaatlichkeit reden?
Sind es nicht maßgeblich Träger Ihres Parteiabzeichens, die diesen unerhörten Skandal in Brandenburg zu verantworten haben?