Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Noch ein Satz zum Schlagwort „Fachkräftemangel“, das auch von Herrn Platzeck sehr gern benutzt wird. Der Herr Ministerpräsident ging anlässlich einer Rede bei der ILB sogar so weit, davon zu sprechen, dass fehlende Fachkräfte mittlerweile das Hauptproblem für die Unternehmen in Brandenburg darstellen würden. Wenn man bei weit über 400 000 Arbeitslosen in der Region Berlin-Brandenburg von „Fachkräftemangel“ spricht, verhöhnt man diese Menschen. Wenn in Einzelfällen kein passendes Personal zu bekommen ist, dann liegt das - erstens - an den Firmen selbst, die nicht ausgebildet haben oder nicht ausbilden wollen, und - zweitens - an den Leuten, die an den Schalthebeln in der Regierung sitzen, da sie es nicht geschafft haben, Steuerungen und Anreize zu setzen, um entsprechendes Personal umzuschulen bzw. auszubilden.

Dieser Antrag jedenfalls wird von unserer DVU-Fraktion abgelehnt. Kümmern Sie sich endlich erst um die vielen Branden

burger, die dringend einen ordentlich bezahlten Arbeitsplatz benötigen! - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält Frau Abgeordnete Schulz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade wieder einen richtig „schönen“ europafeindlichen Redebeitrag gehört. Ich muss einmal in Richtung der Kollegen von Rechts sagen: Sie haben wahrscheinlich noch nicht mitbekommen, dass es schon eine außerordentlich gute und intensive Zusammenarbeit zwischen deutschen und polnischen Unternehmen gibt.

(Zuruf von der DVU: Dagegen ist auch nichts zu sagen!)

Diese wünschen sich eigentlich nichts mehr, als dass sie mit weniger Bürokratie besser zusammenarbeiten können.

Vielleicht haben Sie auch das noch nicht mitbekommen: Es gibt mittlerweile sogar eine ganze Reihe von deutschen Mitarbeitern, die in Polen arbeiten. Vielleicht nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zuruf von der DVU: Aber nicht für 2 Euro die Stunde!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Antragseinreicher, mein Eindruck ist, Sie haben den Antrag eingereicht, um in diesem Hause die Mindestlöhne wieder einmal zu thematisieren. Das ist Ihr gutes Recht. Ich kann Ihnen leider auch heute keine neue Meinung dazu vortragen.

Bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit gebe ich Ihnen insofern recht, als dass man wirklich genau auf die Rahmenbedingungen schauen muss. Insbesondere muss man natürlich darauf achten, dass in diesem Zusammenhang nicht noch mehr Bürokratie verursacht wird.

Ihrer Forderung, Mindestlöhne zur Bedingung zu machen, kann ich natürlich nicht beipflichten. Sie kennen meine und unsere Meinung zu Mindestlöhnen: Es ist möglich, diese zu beantragen. Das wissen Sie. Wir alle sind schon sehr gespannt, was im März auf uns zukommt. Branchen können Mindestlöhne beantragen. Das ist vernünftig. Die Bundesregierung hat das in Meseberg besprochen und vereinbart. Ich bin nach wie vor der Meinung, wir Politiker sollten uns aus der Lohnfindung heraushalten. Das ist Sache der Tarifpartner.

Wenn dann beklagt wird, dass wir im Osten eine so geringe Tarifbindung haben, dann kann ich nur sagen: Vielleicht bewegt sich jetzt etwas und die Gewerkschaften werden noch aktiver. Vielleicht haben auch die Gewerkschaften an dieser Stelle ein bisschen verpennt, wenn ich das einmal so sagen darf.

Ich möchte Ihnen gern ein Beispiel erzählen: Kürzlich war ich in der Lausitz in einem Lebensmittelbetrieb mit 170 Mitarbeitern. Der Unternehmer hat mir klar gesagt: Wenn wir Mindestlöhne von 7,50 Euro anlegen, dann kann ich meine Produkte

für den bisherigen Preis nicht mehr anbieten. Entweder ich verteuere sie - dann werde ich sie aber nicht mehr los -, oder ich gehe woandershin.

Der Unternehmer ist einen anderen Weg gegangen und hat gemeinsam mit der Belegschaft einen Weg gefunden, eine Vereinbarung zu treffen, wie man in dem Betrieb miteinander umgeht, welche Löhne gezahlt werden und was zusätzlich möglich ist, wenn es dem Betrieb besser geht. Solche Vereinbarungen zwischen Belegschaft und Unternehmer sind mir allemal lieber, als wenn wir, die Politik, den Unternehmen vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben, insbesondere bei der Lohnfindung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Schulz. - Das Wort erhält Frau Ministerin Ziegler. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Görke, leider muss auch ich dafür plädieren, dass dieser Antrag abgelehnt wird, obwohl Sie fast alles genauso gesagt haben, wie es unserer Auffassung entspricht. Aber Ihr Antrag ist schlichtweg überflüssig.

(Frau Lehmann [SPD]: Genau!)

Die Punkte, die Sie angesprochen haben, sind längst festgestellt und auf den Weg gebracht worden.

Die Osterweiterung im Mai 2004 war ein entscheidender Schritt hin zu einem ungeteilten Europa. Die Landesregierung hat diesen Prozess, insbesondere den Beitritt Polens, stets mit großem Nachdruck unterstützt.

Nur ein kleiner Schlenker nach ganz rechts: Wer glaubt, dass heute noch ein Pole für 2 Euro oder nur wenig mehr hier arbeiten würde, der irrt sich gewaltig und hat die Entwicklung noch nicht mitbekommen.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Diese Unterstützung erfolgt nicht erst, seit wir das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit diskutieren, sondern es steht auch bundesweit längst auf der Agenda, wie es nach Auslaufen der Übergangsfristen ab Mai 2009 weitergehen soll.

Frau Dr. Schröder hat es gesagt: Letztlich entscheidet allein die Bundesregierung. Dies braucht keine Zustimmung des Bundesrates. Dennoch ist das Thema natürlich auch für uns auf Landesebene sehr bedeutsam, und wir werden unsere Vorstellungen in die bundespolitische Debatte sehr wohl einbringen.

Fakt ist: Spätestens zum 1. Mai nächsten Jahres muss die Bundesregierung entschieden haben, wie mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Mitglieder zu verfahren ist. Voraussetzung für die weitere Verlängerung der Übergangsfristen um letztmalig zwei Jahre ist, dass schwerwiegende Störungen auf dem Arbeitsmarkt vorliegen oder drohend bevorstehen. Die Arbeits

und Sozialminister haben sich auf ihrer Konferenz im November 2007 dazu positioniert, im Übrigen bei Enthaltung meines Hauses. Sie sehen mehrheitlich keine Veranlassung, sich derzeit bezüglich des weiteren Verfahrens festzulegen, denn man muss die Arbeitsmarktsituation im Frühjahr 2009 abwarten. Von der heutigen Situation ausgehend Prognosen zu erstellen ist schwierig. Aber ich habe gemeinsam mit meinen Kollegen aus den Ländern Schleswig-Holstein und Berlin eine Protokollerklärung abgegeben, in der wir betonen, dass eine Verlängerung der Übergangsfristen über den 30. April 2009 hinaus aus unserer Sicht keine Vorteile für den deutschen Arbeitsmarkt bieten würde.

Die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit ist das letzte noch fehlende Element zur Herstellung der europäischen Grundfreiheiten. Wir müssen allerdings Wege und Instrumente finden, Lohndumping zu verhindern. Es ist so: Mit Dumpinglöhnen lassen sich Wachstum und Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft in keinem Falle steigern.

Sie kennen die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Landesregierung. Die SPD ist für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die CDU noch nicht. Aber ich muss sagen: Die Diskussion innerhalb der Parteien ist da längst noch nicht abgeschlossen. Genauso ist es innerhalb der Unternehmerverbände. Wenn man sieht, dass sich die IHK Potsdam ausdrücklich für gesetzliche Mindestlöhne ausspricht, bemerkt man, dass sehr viel Bewegung in dieser Diskussion ist.

Meine Damen und Herren, wer Europa will, der darf sich auch nicht abschotten. Der Kontinent findet nicht zusammen, wenn wir nicht bald elementare Grundrechte für alle sichern.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE sowie des Abgeord- neten Gujjula [SPD])

Die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem Jahre 2009 - sozial und wirtschaftlich ausgewogen - ist ein wichtiger Schritt dahin. Ich bin dankbar, dass Sie das Thema noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt haben. Die Entscheidung darüber ist aber überflüssig. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Nun erhält Herr Abgeordneter Görke noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Nonninger, Sie haben vorhin das Wort „Unheil“ gebraucht. Ihre menschenverachtende, antieuropäische und vor allem antidemokratische Art, die Sie in diesem Haus schon seit Wochen loszuwerden versuchen, ist das Unheil, das hier deutlich zu benennen ist.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Genau! - Schulze [SPD]: „Chauvinismus“ trifft es besser! - Nonninger [DVU]: Sie können mich nicht beleidigen!)

Sehr geehrte Frau Dr. Schröder! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Kollegin Schulz, die CDU wirbt ja in Eintracht mit den Wirtschaftsverbänden für die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das ist okay. Aber darüber, wie dann soziale Mindeststandards

in Deutschland geschaffen werden können, hört man aus Ihrer Ecke zu wenig. Ich glaube, mit der Frage sind wir bereits bei dem Thema, das wir in diesem Haus schon diskutiert haben, als wir über die Werbung auf der Homepage des Wirtschaftsministers geredet haben, auf der ein Niedriglohnland suggeriert wurde. Dann wurde zurückgerudert, weil erhebliche Kritik aus der SPD und von der ganz linken Seite kam.

(Dr. Klocksin [SPD]: Habe ich doch gesagt!)

- Richtig! - Deshalb will ich dieses Thema in diesem Zusammenhang aufrufen. Wenn Sie jetzt keine flankierenden Maßnahmen auf den Weg bringen, riskieren Sie, dass Brandenburg wirklich zum Niedriglohnsektor bzw. zu einem Teil Deutschlands wird, in dem Niedriglohn die Tür geöffnet wird. Deshalb muss man dies hier noch einmal deutlich formulieren.

Frau Dr. Schröder, Sie haben gesagt, Sie streiten aktiv für den gesetzlichen Mindestlohn. Das sehen wir auch so. Aber anstatt, dass nun SPD bzw. CDU - die sich momentan in einer schwierigen Situation befindet; sie will die Arbeitnehmerfreizügigkeit, bekommt sie aber nicht, weil im Grunde genommen der gesetzliche Mindestlohn als Thema in Deutschland formuliert wird - gerade in dieser Zeit den Druck sowohl in diesem Haus als auch in Berlin erhöhen, dreht der Dampfer SPD ab. Ihr Arbeitsminister Olaf Scholz nimmt einen anderen Kurs und vertagt diese Entscheidung.

Ich glaube, es ist wichtig, dass die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, die kommen muss, im nächsten Sommer und nicht erst im Jahre 2010 oder 2011 mit dem gesetzlichen Mindestlohn kombiniert wird. Wir brauchen diese Lösung jetzt. - In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Die Aussprache ist damit beendet und wir kommen zur Abstimmung.

Ihnen liegt der Antrag in der Drucksache 4/5831 - Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2009 ohne Sozialdumping - vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Enthält sich jemand? - Bei einer Enthaltung ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Bericht zum Flughafenprojekt BBI

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/5872