Sie werden natürlich fragen, wie die Fraktion DIE LINKE denn eine insgesamt bessere finanzielle Basis für die soziale Aufgabe „Pflege“ erreichen will. Wir halten - so viel ist klar geworden - eine spürbare Erhöhung der Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung für unverzichtbar. Um eine solidarische und humane Absicherung von Pflege und Assistenz zu gewährleisten und um vor allem eine nachhaltige Finanzierung zu sichern, halten wir auch für die Pflege den Weg zur Bürgerversicherung für richtig und notwendig.
In diese Bürgerversicherung sind alle Einkommen einzubeziehen. In den Anhörungen zum Pflegeweiterentwicklungsgesetz haben Sachverständige den Finanzbedarf für eine sachgerechte und nachhaltige Pflegefinanzierung in einen Beitragssatz von
4 % bis 7 % übersetzt, der dann nötig wäre. Gegenüber der jetzt beschlossenen Anhebung auf 1,95 % - bzw. 2,2 % für Kinderlose - wäre dies noch einmal erheblich mehr. Das wäre also die Perspektive, wenn man weiter auf die Finanzierung allein aus den Löhnen bzw. Lohnersatzeinkommen wie Renten setzt.
Das Modell der Bürgerversicherung zielt demgegenüber bekanntlich darauf ab, auf der einen Seite alle Bürger in die soziale Pflegeversicherung einzubeziehen und auf der anderen Seite auch alle Einkommen, also auch Vermögenseinkommen, in die Finanzierung einzubeziehen. Der Beitragsanstieg ließe sich dann auf 2,5 % bis 4 % begrenzen. Ein erster Schritt müsste der schon erwähnte Ausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung sein.
Wie haben wir uns in Brandenburg auf veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen, aber auch auf die demografische Entwicklung einzustellen? Das MASGF hat eine Pflegeinitiative gestartet, „Später beginnt jetzt“, eine Initiative, die auf anstehende Probleme und vor allem auch auf die Möglichkeit ihrer Lösung hinweist. Diese Initiative ist zu unterstützen. Wir alle, die damit zu tun haben, wissen, dass das nicht die alleinige Lösung des Problems ist. Das hat keiner gesagt. Es ist einfach ein möglicher Weg. Wir werden da weiter dranbleiben.
Das neue Heimgesetz - Frau Lehmann hat es schon gesagt steht sozusagen auf der Tagesordnung. Durch den Entscheid der Föderalismuskommission hat sich unser Land selbst damit zu beschäftigen. Auch dazu haben wir bereits erste Gedanken ausgetauscht.
Ich glaube, ich kann mir eine wissenschaftliche Begründung an dieser Stelle ersparen. Der Pflegebedarf in Brandenburg wird steigen. Wir dürfen aber auch einen zweiten Effekt der demografischen Entwicklung nicht unterschlagen. Die Abwanderung junger Leute wird dazu führen und führt jetzt schon dazu, dass familiäre Strukturen, um Pflege von Angehörigen zu übernehmen, nicht mehr in dem gleichem Maße vorhanden sind wie früher. Wer nach Bayern der Arbeit hinterherzieht, kann nicht seine Eltern pflegen, die in der Uckermark bleiben. Wir können selbst bei relativ verbesserten Leistungen für ambulante, also häusliche Pflege nicht in jedem Fall davon ausgehen, dass stationäre Pflege nicht mehr nachgefragt werden wird.
Nicht zu vernachlässigen ist, dass Pflege durch höhere Lebenserwartung später einsetzt. Das zieht nach sich, dass pflegende Angehörige auch älter sind, was häusliche Pflege unter Umständen schwer oder unmöglich machen kann. Wir fordern die Landesregierung auf, nicht beim Erreichten stehen zu bleiben, sondern sich für eine weitere Ausgestaltung des Gesetzes einzusetzen, die auch finanziell eine andere sein muss. Nach der Reform sei vor der Reform, hat Frau Lehmann vorhin gesagt. Wir werden nicht auf das Prinzip Hoffnung setzen, sondern wir bieten Ihnen unsere Vorstellungen zur weiteren Ausgestaltung der Reform der Pflegeversicherung, ganz besonders auch bezüglich der Finanzierung und des Pflegebegriffs, an. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 wurde die Sozialversicherung um eine fünfte Säule ergänzt. Neben Krankenversicherung, Berufsunfallversicherung, Renten- und Arbeitslosenversicherung gab es von diesem Zeitpunkt an die Möglichkeit, auch für den Pflegefall vorzusorgen. Die rechtlichen Grundlagen sind im SGB XI - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - verankert.
Eingeführt wurde die Pflegeversicherung, weil die Möglichkeit, Familienangehörige zu pflegen, zum damaligen Zeitpunkt stark eingeschränkt war. Jemand, der gepflegt hat, war finanziell nicht abgesichert. Doch nicht nur das. Vor der Einführung der Pflegeversicherung mussten Pflegekosten selbst bezahlt werden. Wenn die eigenen Mittel nicht mehr ausreichten, musste entsprechend Sozialhilfe beantragt werden. Mit der Einführung der Pflegeversicherung waren somit nicht nur die zu Pflegenden und die Pflegenden besser gestellt, sondern auch die Kommunen, die von Sozialhilfeausgaben entlastet wurden.
Die Pflegeversicherung hat von Anfang an eine Vielzahl von Leistungen angeboten. Die Zahl der Leistungsempfänger steigt aufgrund der demografischen Entwicklung kontinuierlich an. Wenn man nur einmal die Jahre 2004 bis 2006 zugrunde legt, ist sie bundesweit von 1,900 Millionen im Jahr 2004 auf 1,969 Millionen im Jahr 2006 gestiegen. Gleichzeitig sind die Ausgaben für Pflege von 17,6 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf 18 Milliarden Euro im Jahr 2006 angestiegen.
Auch für das Land Brandenburg lässt sich ein Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen feststellen. Im Jahr 2005 erhielten 74 600 Personen Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Gegenüber dem ersten Jahr der Erhebung der Daten zur Pflegeversicherung, dem Jahr 1999, ist das eine Steigerung um 15,9 %.
Am Jahresende 2005 erhielten 36 424 Brandenburger Pflegegeld. 2 531 Personen kombinierten dabei die Möglichkeit von Geld- und Sachleistungen. Der Rest beanspruchte die reine Geldleistung. Die Pflegebedürftigen, die ausschließlich Pflegegeld in Anspruch nahmen, wurden grundsätzlich von Familienangehörigen oder Bekannten und Nachbarn in ihrer Umgebung betreut und gepflegt. Das ist eine schwere und verantwortungsvolle Aufgabe, die uns allen großen Respekt abverlangt.
Wie rasant sich die Pflegebedingungen verbessert haben, zeigt eine durch das MASGF in Auftrag gegebene Analyse zum Zustand der Pflegeheime. Nach der Wende waren 255 von 258 Heimen in Brandenburg in einem mehr oder wenigen schlechten Zustand. Nur drei der Einrichtungen entsprachen dem Stand der Heimmindestbauverordnung. Wer sich in den Einrichtungen auskannte, weiß, dass die Belegung sehr gemischt war, das heißt, geistig Behinderte und Suchtkranke waren zum Teil ebenfalls in den Einrichtungen für ältere Menschen untergebracht. Diese Situation war nicht haltbar. Zum damaligen Zeitpunkt wurde ein Bedarf von 9 400 Pflegeplätzen in den Pflegestufen III und IV ermittelt.
Ende 2005 gab es im Land Brandenburg 320 stationäre Pflegeeinrichtungen. Darunter waren Einrichtungen für ältere Menschen, für Behinderte, für psychisch Kranke und Pflegeheime für Schwerkranke und Sterbende. Die überwiegende Zahl der
Pflegeheime befindet sich in gemeinnütziger Trägerschaft. Das gesamte Fördervolumen für das Investitionsprogramm Pflege umfasst für Brandenburg 1,36 Milliarden Euro.
Ende 2005 hatten im Land Brandenburg 509 ambulante Pflegedienste mit den Pflegekassen Verträge abgeschlossen. Sie betreuten 20 640 pflegebedürftige Personen. Circa 73 % der Pflegeleistungen werden im Land durch Pflege im häuslichen Bereich, das heißt entweder durch die Angehörigen oder durch ambulante Pflegedienste, erbracht. Das ist ein hoher Anteil.
Ich denke, die Leistungen der Pflegeversicherung waren auch in den zurückliegenden Jahren enorm. Dennoch war inzwischen eine Pflegereform notwendig, da sich mit dem demografischen Wandel nach nunmehr 13 Jahren auch die Anforderungen an die Pflegeversicherung verändert haben. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird bis zum Jahr 2040 auf 3,4 Millionen steigen. Der wachsende Personenkreis, der Pflegeleistungen beansprucht, hat es erforderlich gemacht, dass man sowohl über die Leistungen als auch über Finanzierungsquellen neu befindet. Im Land Brandenburg werden bis zum Jahr 2020 knapp 300 000 ältere Menschen auf Unterstützung angewiesen sein. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2003 noch knapp 70 000 Personen.
Im März 2008 hat der Bundestag umfangreiche Änderungen in der Pflegeversicherung beschlossen. Die vielfältigen neuen Regelungen sollen größtenteils ab 01.07.2008 gelten. Dazu muss der Bundesrat die Pflegereform noch im April verabschieden.
Ich möchte nicht auf alle Neuregelungen eingehen. Erwähnt seien aber an dieser Stelle die Pflegestützpunkte. Sie sind in die bestehenden Strukturen zu integrieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Für die Angehörigen war es bislang schwierig, Pflege zu organisieren und die Entscheidungen einzelner Sozialleistungsträger und die Zusage von Pflegediensten oder Pflegeheimen einzuholen. Mit der Einrichtung der Pflegestützpunkte sollen die Pflegenden jetzt umfangreiche Unterstützung erhalten. Die Mitarbeiter sollen gegebenenfalls die Versicherten und deren Angehörige im häuslichen Umfeld aufsuchen.
Auch die Neuregelung der ärztlichen Versorgung ist ein Schritt in die richtige Richtung. So sollen stationäre Pflegeeinrichtungen Kooperationsverträge mit niedergelassenen Ärzten abschließen und können bei Bedarf auch selbst Ärzte einstellen. Damit wären wir wieder bei der Heimarztregelung. Ich halte sie für gut, denn die Heimärzte kennen ihre Patienten. Es ist ein vertrauensvolleres Miteinander als bei häufig wechselnden Arztkontakten möglich. Insbesondere in den neuen Bundesländern sehe ich die Regelung auch vor dem Hintergrund des Ärztemangels als positiv an. Sie bietet die Möglichkeit, junge Ärztinnen und Ärzte mit Familie auch verkürzt zu beschäftigen.
Wichtig finde ich, dass mit der Reform der Pflegeversicherung die neuen Wohnformen, über die wir schon mehrfach diskutiert haben, dahin gehend unterstützt werden, dass in Wohn- oder Hausgemeinschaften die Ansprüche auf Sachleistungen mehrerer Versicherter zusammengefasst werden können.
Die Beiträge für das Pflegegeld und die Sachleistungen in der ambulanten Pflege erhöhen sich ab 01.07.2008. Eine weitere Erhöhung erfolgt ab 01.01.2010 und ab 01.01.2012.
Mit der Reform wird sich nicht nur die ambulante Pflege verbessern. Auch in der stationären Betreuung wird sie sich positiv für die zu Betreuenden auswirken, wenn für 25 Heimbewohner eine Pflegekraft zusätzlich tätig wird. Die jährliche Kontrolle, die in der Regel unangemeldet durchgeführt wird, soll der weiteren Qualitätsverbesserung dienen. Das halte ich für außerordentlich wichtig. Für die Pflegekräfte finde ich wichtig, dass die Pflegeheime sie nach den ortsüblichen Vergütungen entlohnen müssen. Damit wird Lohndumping für das Personal verhindert.
Es fehlt mir leider die Zeit, auf alle einzelnen Regelungen einzugehen. Auch wenn es bereits wieder Ansätze gibt, die Pflegereform zu zerreden, sollte man den umfassenden Neuregelungen eine Chance geben. Ich denke an den Redebeitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Grundtenor ist: Der Ansatz ist richtig, aber wir brauchen eigentlich viel mehr Geld. - Das ist Polemik. Das ist der grundsätzlich falsche Ansatz.
Ich glaube, dass die Reform eine bessere Pflege sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich gewährleisten und pflegende Familienangehörige stärken wird. Damit stellen wir uns den demografischen Herausforderungen der kommenden Jahre und gewährleisten den zu Betreuenden ein würdevolles Leben im Alter auch bei hochgradiger Pflegebedürftigkeit.
Hier blinkt die rote Lampe. Herr Präsident, bitte noch einen Satz, denn ich möchte es nicht versäumen, mich bei allen, die in der Pflege tätig sind, zu bedanken: bei den vielen Familienangehörigen und Freunden, bei den beruflich Tätigen, ob im ambulanten oder im stationären Bereich. - Herzlichen Dank.
Während die Abgeordnete Fechner von der DVU-Fraktion zum Rednerpult kommt, begrüße ich die zweite Gruppe von Kameradinnen und Kameraden der Alters- und Ehrenabteilung der Feuerwehr des Amtes Temnitz bei uns im Landtag zu Brandenburg und wünsche Ihnen einen interessanten Vormittag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Demnächst soll im Bundestag die Pflegereform verabschiedet werden. So steht es in der Antragsbegründung zu dieser Aktuellen Stunde. Ganz korrekt ist das nicht, Frau Lehmann. Es wird nicht über die Pflegereform abgestimmt, sondern über den Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, kurz Pflegeweiterentwicklungsgesetz genannt.
„Auf der Bundesebene steht die Pflegereform kurz vor der endgültigen Verabschiedung. Das Vorhaben ist im Bundesrat, wo Ende April eine abschließende Beratung ansteht, nicht zustimmungspflichtig.“
Nach Meinung der SPD-Genossen ist das Pflegeweiterentwicklungsgesetz also noch nicht verabschiedet. Allerdings kann ich mich erinnern, dass der Presse am 14. März zu entnehmen war, dass dieses Pflegeweiterentwicklungsgesetz verabschiedet worden ist. Hier ist das also auch nicht ganz korrekt.
Weiter schreiben die SPD-Genossen in der Begründung des Antrags auf diese Aktuelle Stunde, die Aktuelle Stunde solle auch die Möglichkeit bieten, auf das Wirken der von der Landesregierung auf den Weg gebrachten Pflegeinitiative Brandenburg, die später beginnt, jetzt einzugehen. Auch hier stellt sich die Frage: Was denn nun? Sollen wir über die Landespflegeinitiative oder über das Pflegeweiterentwicklungsgesetz debattieren?
Nach Meinung der DVU-Fraktion gibt es hier im Land wesentlich aktuellere Landesthemen. So konnten wir zum Beispiel feststellen, dass mittlerweile über 10 % der Brandenburger Schüler die Schule ohne einen ordentlichen Schulabschluss verlassen. Vor wenigen Jahren lag diese Quote noch bei 8 %.
Wir hätten auch darüber diskutieren können, dass in Brandenburg ein überproportional hoher Anteil an Privatinsolvenzen existiert. In keinem anderen Bundesland gibt es mehr Privatinsolvenzen als in Brandenburg.
Es würde sich noch ein weiteres Landesthema anbieten, und zwar das Absinken des Nettoeinkommens der Brandenburger. Aber, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich kann durchaus verstehen, dass Sie diese Themen nicht wählen. Denn in dem Moment müssten Sie das Scheitern Ihrer Politik zugeben.