Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Auch das liefert dieses Konzept, denn wir wollen nicht für alle Schulen das Gleiche, sondern wir wollen Vielfalt für die Schulen, aus der sie sich bedienen und vor Ort entscheiden können. Die Zeiten der Bedienung von oben sind vorbei, die Vielfalt der Möglichkeiten ist angesagt.

Zweitens: Wir brauchen einen guten Koch. Ich denke, die Große Koalition - auch wenn Sie es nicht mehr hören können - ist dafür maßgebende Grundlage.

(Bischoff [SPD]: Viele Köche verderben den Brei!)

Jetzt komme ich zu der entscheidenden Antwort. Am Ende müssen es die Schulen vor Ort selbst machen, und wenn auf der ersten Seite - wie es heute gesagt wurde - steht, dass fast 100 % der Schulen angegeben haben, dass sie Kontakte mit der Wirtschaft vor Ort pflegen, dann ist das doch ein gutes Beispiel dafür, dass wir es im Land Brandenburg geschafft haben, dass diese Dinge auch eine Rolle spielen. Ich denke, dass wir es damit auch geschafft haben, dass angefangen von der Grundschule bis zu Klasse 10, 12 oder 13 - Abitur - die Unternehmen und damit die Berufsgrundlage eine Rolle spielen.

Natürlich darf Schule nicht allein auf den Beruf vorbereiten, aber dies darf doch Bestandteil sein. Wir dürfen und müssen dieses Thema stärker betonen und unterstützen, ob mit Praktika, Betriebsbesuchen, Praxislernen, Berufswahl, Schülerfirmen usw. - all dies ergibt eine gute Mischung. Wir brauchen vor allen Dingen - das ist gesagt worden - gute Lehrerinnen und Lehrer, die auch das Thema für sich selbst erkannt haben. Deswegen ganz deutlich der Hinweis aus meiner Sicht: Der Punkt, dass Lehrer verstärkt mit der Wirtschaft Kontakt aufnehmen müssen, um zu erfahren, wie die Abläufe im Unternehmen sind, ist sehr wichtig. Den sollten wir verstärkt diskutieren.

Meine Damen und Herren, ich habe es gesagt: Wir wollen nicht für alle das Gleiche, sondern allen Schülerinnen und Schülern vor Ort die Möglichkeit bieten, das für sie Beste zu wählen. Deswegen gebe ich noch einmal drei Hinweise, die in dem Konzept auch beschrieben worden sind, aber noch einer Erörterung bedürfen.

Das erste ist das Thema IOS, die Frage, wie Oberschulen in Brandenburg hin zu mehr Berufsorientierung, auch mit Blick auf die Frage der Hauptschulabschlüsse, entwickelt werden können. Da sage ich ganz klar: Das Programm IOS ist gut, es ist vielfältig, es ist auch millionenschwer, aber die Schulen klagen schon ein wenig über die bürokratischen Auflagen, die sie zu erfüllen haben. Vielleicht können wir gemeinsam dafür sorgen, dass dieser Bürokratismus etwas reduziert wird.

Ein weiteres Thema: Abitur nach 12 Jahren. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass das Abitur dazu dienen soll, die allgemeine Studierfähigkeit zu erwerben. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam noch ein wenig an der Verordnung arbeiten, um die allgemeine Studierfähigkeit zu entwickeln und nicht bereits in den Klassen 10, 11 und 12 eine Spezialisierung notwendig werden zu lassen.

Der dritte Punkt ist, dass wir verstärkt auch die Eltern einbeziehen. Es geht in dem Prozess ja auch darum, Eltern, Schüler, Lehrer und Wirtschaft einzubeziehen, um das Ganze voranzubringen. Herzlichen Dank für das Konzept, für die gefundenen Möglichkeiten und weiterhin viel Erfolg bei der Erweiterung der Vielfalt, denn das brauchen die Schulen vor Ort und wollen die Schulen auch haben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich beende die Aussprache. Das Konzept der Landesregierung in der Drucksache 4/6140 ist zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Stärkung der deutschen Sprache innerhalb der EU

Antrag der Fraktion der DVU

Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Nonninger, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Allein innerhalb der Europäischen Union sprechen fast 100 Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache. Keine Sprache ist damit innerhalb der EU so weit verbreitet wie die deutsche. Doch die Brüsseler Bürokraten schieben die deutsche Sprache zusehends aufs Abstellgleis. Innerhalb der EU wird Deutsch nach wie vor in der Praxis gegenüber dem Englischen und dem Französischen benachteiligt.

Gegen diesen Trend haben im letzten Monat bereits die Bundesländer Bayern, Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hessen, die Stadt Hamburg, sämtliche österreichischen Bundesländer, Südtirol, der deutschsprachige Teil Belgiens sowie zwei Landkreise in Rumänien mittels einer Resolution protestiert, welche am 10. April dem für Sprachen zuständigen EU-Kommissar Leonard Orban übergeben wurde. Denn obwohl Deutsch die meistgesprochene Sprache innerhalb der EU ist, werden Vorlagen der EU-Kommission nicht oder immer seltener ins Deutsche übersetzt. Zunehmend stuft man auch wichtige Dokumente zu Arbeitspapieren oder Anhängen herab, da in diesen Fällen die bindende Verpflichtung zu vollständiger Übersetzung entfällt. Unterlagen über die Auswirkungen von Rechtsakten gibt es nur noch in Englisch. Lediglich die Zusammenfassungen liegen auf Deutsch vor. Das wichtigste Dokument über die Vergabe von Außenhilfsprogrammen wurde nur auf Englisch vorgelegt. Beihilfeausschreibungen und Förderprogramme sind auf Deutsch nicht verfügbar. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Diese Sprachdiskriminierung von fast 100 Millionen Menschen innerhalb der EU muss ein Ende haben. Die Förderung der deutschen Sprache ist ein zentraler Baustein, um in der Europäischen Union mehr Bürgernähe zu schaffen, die Akzeptanz

der EU zu erhöhen und die Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft zu beseitigen. Dabei gilt das Interesse insbesondere den kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land. Sie dürfen nicht dadurch vom Markt ausgeschlossen oder in ihren wirtschaftlichen Aktivitäten benachteiligt werden, dass sie von Ausschreibungen und Angeboten auf europäischer Ebene faktisch ausgeschlossen sind, weil diese eben nicht auf Deutsch vorliegen.

Auch für die Bürgerinnen und Bürger, die Verwaltungen und nicht zuletzt die Organe der Legislative in Brandenburg und ganz Deutschland - also Landtage, Bundestag sowie Kommunalparlamente - ist grundlegende Voraussetzung für eine aktive Teilnahme am europäischen Leben, dass die Informationen, die benötigt werden, auf Deutsch zur Verfügung gestellt werden. Es ist einfach ein Unding, dass trotz starker Zunahme der Deutschsprechenden eine stetige Abnahme der Verwendung des Deutschen im Sprachgebrauch der EU-Institutionen zu verzeichnen ist. Die jüngsten Äußerungen von EU-Sprachkommissar Orban, dass die EU-Kommission in Zukunft ihre Übersetzertätigkeiten noch stärker einschränken werde - und dies zulasten der deutschen Sprache -, ist schlicht und ergreifend eine nicht hinnehmbare Diskriminierung.

Wir können uns als DVU-Fraktion daher nur dem für die Erklärung von 18 Regionen zur Stärkung der deutschen Sprache in der EU verantwortlichen hessischen Staatsminister Hoff vollinhaltlich anschließen, der erklärte, dass es bei der Förderung der deutschen Sprache um Gleichrangigkeit und um die Verminderung von Wettbewerbsnachteilen und die Erhöhung der Bürgernähe in der Europäischen Union gehe. Staatsminister Hoff wörtlich:

„Wenn die Kommission tatsächlich Wert auf die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie auf einen fairen Wettbewerb legt, dann darf sie die deutsche Sprache nicht benachteiligen.“

Genau darum geht es in unserem vorliegenden Antrag, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, in diesem Sinne in Brüssel und auf Bundesebene tätig zu werden, und in dem wir weiterhin fordern, dass sich auch unser Land Brandenburg der gemeinsamen Erklärung der 18 Regionen, welche auf Initiative Hessens zustande kam, anschließt.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dombrowski. Er spricht für die Koalitionsfraktionen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Die Koalitionsfraktionen werden diesen Antrag ablehnen. Er ist vom Ziel her im Grunde genommen gut gemeint und wohl auch richtig, aber so nicht erfolgversprechend. Es gibt auch einiges mehr dazu zu sagen.

Richtig ist, dass 100 Millionen Mitbürger der Europäischen Union Deutsch als ihre Muttersprache sprechen. Es gibt 23 Amtssprachen in der Europäischen Union, drei sind die Arbeitssprachen. Dazu gehört auch die deutsche Sprache.

Die Praxis ist nicht zufriedenstellend, aber es ist sichergestellt, dass in jedem Fall, wenn die EU-Kommission eine Ausschreibung nur in Englisch oder Französisch abgibt, entsprechende Anträge auch in deutscher Sprache angenommen werden.

Ich sage aber gerade in Richtung DVU - vielleicht auch als Appell an uns alle -: Es ist richtig, dass wir uns um Deutsch als Amts- und Arbeitssprache in der EU bemühen. Wir haben aber zur Pflege der deutschen Sprache im eigenen Lande einiges beizutragen, denn auch das, was hier im Landtag oftmals gesprochen wird, ist vom Inhalt her keine Zierde.

Deshalb lassen Sie mich einen Bogen schlagen, was Sprache eigentlich bedeutet. Nach meiner Auffassung lebt und verändert sich Sprache, nicht in Jahresfristen, doch aber in Jahrzehnten. Wenn man einen Blick in das letzte Jahrhundert wirft, kann man sagen: Sprache ist auch das Spiegelbild der Verfasstheit einer Nation. Daher hat sich Sprache verändert. Denken wir einmal zurück, in welcher Tonart zum Beispiel die Wörter „Deutsch“ oder „Deutschland“ ausgesprochen werden können: Sie können gebrüllt werden; das kann bedrohlich wirken. Sie können von einem Schriftsteller oder Literaten so ausgesprochen werden, dass es sich liebevoll anhört, getragen von Liebe zu den Menschen und Liebe zur Heimat. Es kann auch eine Art Soljanka sein, wie hier Kollegin Gerrit Große gesagt hat.

Sprache kann etwas darstellen. Die Inhalte, die darin versteckt sind, können zwar insgesamt schmecken, aber sie können minderwertig sein. Auch eine wohlschmeckende Soljanka kann, wenn die Zutaten aus dem bestehen, was vom Teller auf den Boden gefallen ist, sogar schädlich sein.

Was ist die deutsche Sprache eigentlich nach dem heutigen Verständnis? Unser Deutschland, dieses wunderbare Land, hat sich zu einem Land entwickelt, vor dem niemand mehr Angst haben muss. Die Menschen in unserem Land können stolz darauf sein, was sie gemeinsam aufgebaut und geschaffen haben. Sie können stolz auf Toleranz sein, die wir in unserem Land ganz überwiegend haben. Wir können auf die Achtung stolz sein, die unsere Nation im Ausland genießt. Wir sind eine starke Nation. Eine starke Nation muss aber nicht durch Überbetonung ständig darauf aufmerksam machen, wie kräftig sie ist. Wer stark ist, muss nicht ständig seine Muskeln zeigen. Im Übrigen gibt es den einen oder anderen Mitbürger, der glaubt, wirtschaftliche Überlegenheit sei gleichzusetzen mit kultureller Überlegenheit. Das alles sind Dinge, die für uns Demokraten gar nicht zur Diskussion stehen. Wir sind gegen Versuchungen gefeit.

Unser Deutschlandbild - das vermitteln wir mit unserer Sprache in der Europäischen Union und darüber hinaus - bedeutet schlicht und ergreifend, dass wir im Wissen um unsere Stärke hilfsbereit für andere sind. Das heißt, Toleranz jeden Tag zu leben.

Wenn der eine oder andere das Wort „Deutschland“ - wie es gerade der eine oder andere von der DVU-Fraktion gern macht derart laut betont, klingt das für mich bedrohlich. Es ist vielleicht nicht so gemeint, kann aber so verstanden werden. Im Parlament ist es üblich, dass auf jedem Redemanuskript steht: „Es gilt das gesprochene Wort.“ So mancher Antrag, der sich ganz vernünftig liest und vorgetragen wird, entwickelt eine Eigendynamik, zu der man sagen kann: Auch wenn das Anliegen als solches wohl gerechtfertigt und unterstützenswert ist, so

kann man angesichts dessen, wie es vorgetragen wird - dafür war die Diskussion zum Tagesordnungspunkt „Tolerantes Brandenburg“ ein Beispiel -, nicht dazu bereit sein, dem zuzustimmen.

(Dr. Klocksin [SPD]: Bei dem Antragsteller auch nicht!)

Daher werden die Koalitionsfraktionen diesen Antrag ablehnen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Herr Abgeordneter Hammer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde das Modell „Koch-Show“ nicht fortsetzen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Danke!)

Ich habe in Paris einen Freund, der Jacques heißt. Er wollte im April nach Deutschland kommen. Wir hatten uns schon telefonisch vereinbart, da sagte er mir ab, und zwar mit den Worten: „Du weißt ja, es ist eine Frage des Geldes.“

Das, was mein Jacques sprach, war ein perfekter Genitiv. Wir können uns die Protokolle seit 1999 angucken. Das ist ein Fall, den Sie weder kennen noch beherrschen. Insofern empfehle ich, in der Volkshochschule ein bisschen nachzusitzen. Eignen Sie sich die deutsche Sprache gut an! Da mein Jacques Lehrer ist, tut er mehr für die deutsche Sprache in der Europäischen Union als Sie. - Danke schön.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Die Landesregierung verzichtet. - Herr Abgeordneter Nonninger, Sie haben wiederum das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Worum geht es in unserem Antrag? Worin ging es in meinem soeben Gesagten? Die deutsche Sprache muss innerhalb der EU den Stellenwert bekommen, der ihr gebührt, der ihr zusteht - nicht mehr, nicht weniger.

Es kann nicht angehen, dass - nur um ein Beispiel zu nennen die Internetseite, auf der der EU-Sprachenkommissar Orban für seine Übersetzungsdienste wirbt, nur auf Englisch oder Französisch gelesen werden kann oder dass Informationen über das milliardenschwere 7. Forschungsprogramm der EU nicht auf Deutsch verfügbar sind.

Diese Liste ließe sich, wie ich bereits im ersten Teil meiner Rede zeigte, beliebig fortsetzen. Dass EU-Institutionen ausgerechnet die Sprache, die mehr als ein Fünftel ihrer Bürger als Muttersprache angibt, ausgrenzt, ist ein Armutszeugnis.

Nun haben sich erstmals 18 deutschsprachige Regionen aus fünf Staaten zu einem Protest zusammengetan. Zu Recht, denn gerade auf der Ebene der Länder, Städte und Gemeinden muss verständlich sein, was die EU beschließt. Verweigert sich Brüssel in dieser Sache, so begeht ausgerechnet die Kommission einen Rechtsbruch. In dem neuen Reformvertrag von Lissabon ist das Recht der Bürger, mit der EU in ihrer Heimatsprache zu kommunizieren, klar festgeschrieben. Genau dies wollen wir bezogen auf die Bürgerinnen und Bürger, die Verwaltungen sowie die Legislativorgane in Brandenburg und in ganz Deutschland mit den Punkten 1 und 2 unseres vorliegenden Antrags erreichen.

Unter Punkt 3 fordern wir nicht mehr und nicht weniger, als dass sich auch Brandenburg der auf Initiative des Bundeslandes Hessen zustande gekommenen gemeinsamen Erklärung von 18 Regionen zur Stärkung der deutschen Sprache in der EU anschließt. Was unseren Nachbarländern Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Bayern, Hessen, dem Saarland und der Freien und Hansestadt Hamburg recht ist, sollte uns Brandenburgern gerade vor dem Hintergrund unserer mittelständisch geprägten, zunehmend exportorientierten Wirtschaft schließlich billig sein.