Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

In Österreich sind bekanntlich die Chefs aller Bundesländer dafür. Der Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien hat die Erklärung ebenso unterzeichnet wie der Landeshauptmann von Südtirol und die Kreisräte der rumänischen Kreise sowie 50 Mitglieder des Europäischen Parlaments. Sie sehen, das ist nicht nur ein Anliegen der DVU-Fraktion.

Lassen Sie uns als Brandenburger nicht abseitsstehen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und von den Koalitionsfraktionen, wenn es um eine so wichtige Entscheidung wie die Gleichstellung der deutschen Sprache auf EU-Ebene geht.

(Bischoff [SPD]: Sie können nicht einmal frei reden!)

Wir als DVU-Fraktion können dem von mir bereits zitierten federführenden hessischen Staatsminister Hoff nur zustimmen, wenn er gegenüber der Presse erklärt:

„Darüber hinaus halte ich es aber für wichtig, dass nicht nur die deutschen Länder, sondern auch die deutschsprachigen Regionen in anderen Mitgliedsstaaten sich gemeinsam mit uns für die Stärkung der deutschen Sprache einsetzen, und zwar je mehr, umso besser.“

Machen wir es also den Hessen nach. In diesem Sinne fordere ich Sie noch einmal auf, meine Damen und Herren: Stimmen Sie unserem vorliegenden Antrag zu! - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Die Aussprache ist damit beendet, und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der DVU-Fraktion, der Ihnen in der Drucksache 4/6216 – Neudruck - vorliegt. Wer dieser Drucksache seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das

ist nicht der Fall. Damit ist mehrheitlich gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Wiedereinführung der Entfernungspauschale

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/6223

Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Görke, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein im Jahr 2006 sind 227 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger - über ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten - über die Landesgrenzen hinweg zur Arbeit gependelt, viele davon täglich. Ein etwa gleich großer Anteil der Brandenburger ist im gleichen Jahr innerhalb des Landes zur Arbeit gependelt. Das war im Jahr 2006.

Heute - im Jahr 2008 - haben sich unter den Bedingungen des Aufwuchses der Zeit- und Leiharbeit, der drastisch ausgeweiteten Zumutbarkeitsregeln der Bundesagentur bei der Jobaufnahme oder auch der Neuausrichtung der Förderstrategie die Pendlerbewegungen noch verstärkt; sie sind in unserem Flächenland noch größer geworden.

Zudem - das ist kein Geheimnis - haben sich durch die „duften“ Arbeitsmarktreformen die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Beschäftigten kontinuierlich verschlechtert. Der Leitsatz: „Sozial ist, was Arbeit schafft!“, spiegelt in keiner Weise mehr die Realität auf dem Arbeitsmarkt in Brandenburg wider. Trotz konjunktureller Aufhellungen ist sie dem Phänomen „Armut trotz Arbeit“ gewichen. Jeder fünfte Beschäftigte in Brandenburg erhält mittlerweile - so die Statistiker - einen Lohn von weniger als 6,50 Euro. Zugleich galoppieren die Preise zur Aufrechterhaltung der Mobilität ins Uferlose. Preissteigerungen an den Fahrkartenschaltern bzw. den Zapfsäulen sind derzeit sichtbar. Die Entwicklung ist nicht nur besorgniserregend, sie ist verheerend.

Meine Damen und Herren, wir haben bereits im Frühjahr des Jahres 2006 anlässlich der Diskussion um das Steueränderungsgesetz in diesem Haus vor der Absenkung bzw. Beseitigung der Pendlerpauschale gewarnt - nicht, weil wir den enormen Preisanstieg vorausgesehen haben, sondern weil wir das eingeführte „Werkstorprinzip“ kategorisch abgelehnt haben. Dieser Paradigmenwechsel im Steuerrecht ist aus unserer Sicht nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern zutiefst unsozial. Daran änderte auch die Härtefallregelung für Fernpendler nichts, mit der die Möglichkeit eröffnet wurde, Fahrtkosten ab dem 21. Kilometer nach wie vor pauschal abzusetzen. Die Festlegung war übrigens willkürlich und hat so manchen zum Nachdenken gebracht. Man muss nur daran denken, dass der Gesetzgeber noch nicht einmal auf die Idee kommt, vom Kaufpreis einer Maschine für ein Großunternehmen die ersten 100 000 Euro abzuziehen und diese vielleicht nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen. Das hat man nicht gehört. Inso

fern war diese Diskussion damals nicht nachvollziehbar; sie ist es heute immer noch nicht.

Meine Damen und Herren, insbesondere in dem Flächenland Brandenburg war und ist die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für die Wege zur Arbeit für viele Menschen von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung. Die Landesregierung und Sie als Koalitionsfraktionen haben damals die drastische Abschmelzung in diesem Haus verteidigt. Der Minister der Finanzen erklärte im Mai 2006 Folgendes:

„Die Haushaltskonsolidierung ist nicht ohne wahrnehmbare Veränderungen erreichbar. Gleichwohl sind die belastenden Maßnahmen aus Sicht der Landesregierung an den Kriterien und Maßstäben der individuellen Leistungsfähigkeit und der Verteilungsgerechtigkeit ausgerichtet und im Ergebnis zumutbar ausgestaltet.“

Apropos „zumutbar ausgestaltet“: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns natürlich, dass sich unsere Bedenken von damals jetzt auch hier im Haus niederschlagen. Zumindest gibt es aus den Reihen der CDU-Fraktion Stimmen, die die Rückkehr zur alten Regelung der Pendlerpauschale einfordern und damit eine veränderte Sichtweise belegen. Es sind nicht irgendwelche Stimmen, sondern es ist die Stimme des Vorsitzenden der CDU-Fraktion. In einem Redaktionsgespräch - Sie konnten es letzte Woche lesen - mit der „MOZ“ wird er zitiert, dass sich Brandenburg beim Bund für die Wiedereinführung der alten Regelung zur Pendlerpauschale stark machen müsse. Diese Forderung ist überfällig und letztlich auch richtig; denn seit dem Regierungsantritt von Schwarz-Rot im Bund, aber auch hier in diesem Haus fehlte es nicht an Appellen in Richtung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mehr Flexibilität und auch Mobilität an den Tag zu legen. Insofern wäre die Wiedereinführung überfällig.

Meine Damen und Herren, es sind gerade die mehr als 400 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger, die mit dem Pendeln vom Wohnort zum Arbeitsplatz genau diese Flexibilität jetzt leben. Deshalb muss die Kürzung der Pendlerpauschale rückgängig gemacht werden.

Gestatten Sie mir im ersten Teil meiner Rede noch eine Bemerkung: Bevor die Koalitionsfraktionen hier ihren Standpunkt darstellen werden, möchte ich noch auf das Argument eingehen - Sie werden es sicherlich bringen -, dass man erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten sollte. Dazu möchte ich sagen: Die Kürzung der Pendlerpauschale war eine politische Entscheidung. Deshalb muss diese politische Fehlentscheidung auch wieder auf politischem Weg korrigiert werden. Dazu gibt unser heutiger Antrag den parlamentarischen Anstoß. - Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Bischoff das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Görke, einer Initiative der Fraktion DIE LINKE bedarf es

an der Stelle nicht. Es gibt eine breite Debatte in unserem Land, wie man Bürgerinnen und Bürgern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die täglich zur Arbeit pendeln, angesichts der galoppierenden Benzinpreise ein Stück weit entgegenkommen bzw. sie entlasten kann. Ich füge ausdrücklich hinzu: Wir, die SPD Brandenburgs, setzen uns dafür ein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - unabhängig von ihrem Einkommen - ab dem ersten Kilometer durchaus die Möglichkeit einer Anrechenbarkeit auf ihr Einkommen erhalten.

Ich will Ihnen an wenigen Punkten erläutern, warum Sie sich in Ihrem Antrag mit dem Konzept der Pendlerpauschale offenbar nicht ernsthaft auseinandergesetzt haben. Bis zu 20 % des Nettolohns zahlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer derzeit, um zur Arbeit zu kommen. Das liegt natürlich an den großen Sprüngen beim Öl bzw. Benzin. Das ist jedoch heute nicht Gegenstand der Diskussion. Ich will einmal etwas unterstellen und sage provozierend: Der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE ist sozial unausgewogen.

Herr Görke, zudem habe ich in Ihrer Rede mehrere Punkte völlig vermisst. Ich will Ihnen das einmal kurz an einigen Beispielen erläutern: Sie stellen hier die These in den Raum - diese kann ich als Mensch natürlich nachvollziehen -, die steuerliche Nicht-Absetzbarkeit der Aufwendungen für die ersten 20 Kilometer sei sozial total ungerecht. Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Wenn Menschen in Brandenburg mit knapp 1 000 Euro brutto von der Arbeit kommen, zahlen sie seit RotGrün unter Gerhard Schröder keine Lohnsteuer mehr. Wenn diese Menschen versuchen, die Aufwendungen für den Weg zur Arbeit abzusetzen, bekommen Sie kein Geld zurück. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Ich habe wirklich gebangt und gehofft, dass Sie zumindest an einer Stelle sagen, worin das Problem liegt. Das vermisse ich in Ihrem Antrag und auch in Ihrer Rede.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Dann schlagen Sie doch et- was Besseres vor!)

- Lassen Sie mich bitte ausreden; ansonsten können Sie um Worterteilung bitten.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Schlagen Sie doch etwas vor!)

- Gehen Sie bitte ans Mikrofon. Bitte, denken Sie an meine Redezeit.

(Baaske [SPD]: Benennen Sie das Problem, Frau Kaiser!)

- Ja, benennen Sie einmal das Problem!

Erstens stellt sich die Frage: Wie berücksichtigen Sie eigentlich Menschen, die ein geringes Einkommen beziehen? - Sagen Sie mir das bitte.

Zweitens: Ich habe das Thema „Mindestlöhne“ vermisst. Eigentlich ist das Ihr Standardprogramm, aber vielleicht sagen Sie auch, die SPD habe das Thema besetzt und werde sich schon darum kümmern. Wenn man ehrlich will, dass Menschen von ihrer Arbeit einigermaßen fit an die Tankstelle gehen, die Preise bezahlen und diese Aufwendungen dann auch steuerlich absetzen können, dann müssen sie erst einmal Steu

ern zahlen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie einen anständigen Lohn für ihre Arbeit bekommen. Kein Wort von Mindestlöhnen findet sich in Ihrem Antrag, kein Wort von Mindestlöhnen ist in der Debatte zu hören.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, Herr Vietze hat Ihr Flehen erhört und möchte gern eine Frage stellen. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Das war kein Flehen, sondern ein Winseln.

Ich bin nur aufgestanden, um Ihnen die Frage zu stellen. - Herr Bischoff, die Sozialdemokratische Partei hat zunächst in der Konstellation Rot-Grün regiert und ist jetzt Regierungspartner in einer Großen Koalition.

(Dr. Klocksin [SPD]: Das ist korrekt!)

Sie haben hier zu Recht auf ein ernsthaftes soziales Problem verwiesen, nämlich dass jene, die unterhalb der 1 000-EuroGrenze verdienen, natürlich nichts von einer Pendlerpauschale haben, weil sie nichts absetzen können. Das ist eine soziale Benachteiligung.

Da Sie auch auf der Ebene des Bundes so lange in der Regierungsverantwortung stehen und sich als Sozialdemokrat engagiert mit Ihrer Meinung einbringen, können Sie mir vielleicht folgende Frage beantworten: Was hat die SPD-Fraktion in diesen nunmehr fast 20 Jahren daran gehindert, eine sozial gerechte Lösung dieses Problems zu finden?

Das habe ich schon gesagt; ich kann es aber wiederholen. Nie zuvor hatte es eine solche Erhöhung der Steuerfreibeträge gegeben wie zwischen 1998 und 2008. Nie zuvor in Deutschland haben Menschen mit geringem Einkommen so wenig Lohnsteuer bezahlt wie jetzt. Gerhard Schröder hat die größte Steuersenkung - die übrigens noch heute wirksam ist - für kleine und mittlere Einkommen vorgenommen. Dazu stehen wir auch.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wenn Sie die Rückkehr zum alten Konzept fordern - Abzug von der Lohnsteuer -, dann entsteht das auch von uns erkannte Problem, dass Menschen, die keine Lohnsteuer zahlen, nicht von der Abzugsmöglichkeit profitieren. Die Lohnsteuerfreibeträge sind hochgesetzt worden; wenn man Kinder hat, liegen sie übrigens deutlich über 1 000 Euro brutto.