Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Drucksache 4/6445

Die Abgeordnete Wöllert beginnt für die Fraktion DIE LINKE die Debatte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag will die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung dazu auffordern, sich im Bundesrat zu positionieren. Zur Begrenzung des Versandhandels liegt dem Bundesrat ein Antrag Bayerns vor, dem Sachsen und Thüringen beigetreten sind. Zu diesem Antrag wird sich die Landesregierung verhalten müssen, also zustimmen, ablehnen oder sich enthalten müssen. Gegenwärtig ist der Antrag im Gesundheitsausschuss.

Wir möchten, dass Brandenburgs Landesregierung das Anliegen unterstützt. Warum? Der genannte Antrag zielt auf ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Dieser ist zurzeit erlaubt. Wir haben die Frage zu beantworten, welchen Qualitätsanspruch wir an die Arzneimittelversorgung anlegen wollen, gerade in einem Flächenland wie Brandenburg.

Zur Qualität gehört eine kompetente Beratung unbedingt dazu, und das können nur die Apotheken leisten.

(Frau Kircheis [SPD]: Woher wissen Sie das?)

- Das hören Sie gleich.

Der Anteil der über das Internet bezogenen rezeptpflichtigen Arzneimittel steigt permanent. Der entsprechende Umsatz geht den Apotheken verloren, und es ist absehbar, dass der wirtschaftliche Druck die Existenz und Präsenz von Apotheken gerade im ländlichen Raum in Gefahr bringt. Wir möchten diese Apotheken erhalten, weil wir sie für die Versorgung der Bevölkerung brauchen, nicht um ihren Inhabern wirtschaftliche Pfründe zu garantieren. Die inhabergeführte Präsenzapotheke mit einem ausgebildeten Pharmazeuten an der Spitze, Frau Kircheis, und vielen kundigen Angestellten soll auch zukünftig die qualitätsgesicherte und flächendeckende Arzneimittelversorgung in Brandenburg garantieren. Nach einem Ärztemangel, der schon absehbar ist, sollten wir einen Apothekenmangel möglichst zu verhindern suchen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Bedeutung bzw. die Rolle des Apothekers oder der Apothekerin als Heilberuflerin ist angesichts der älter werdenden Bevölkerung und der Komplexität medizinischer Neuerungen bzw. permanenter Veränderungen im Gesundheitssystem eher noch zu stärken als zu schwächen.

Die Freigabe des Versandhandels für alle zugelassenen Arzneimittel ab 2004 war eingebettet in die Kostendämpfungsbemühungen des Gesetzgebers. Sicher haben wir eine Vielzahl von Apotheken, womit wir allerdings „nur“ im europäischen Mittelfeld liegen. Aber die Apotheken sind nicht der Preistreiber bei den permanent steigenden Arzneimittelausgaben. So sind die Ausgaben für Arzneimittel von 1995 bis 2005 von 8,94 Milliarden Euro auf 15,44 Milliarden Euro gestiegen. Im gleichen Zeitraum aber haben sich die Rohgewinne der Apotheken und des Apothekengroßhandels von 5 Milliarden im Jahr 1995 auf 4,94 Milliarden Euro im Jahr 2005 sogar geringfügig reduziert. Kostentreiber sind folglich die Pharmakonzerne, und das sind auch die Gewinner.

Also nicht einmal das Argument der Minderung der Arzneimittelausgaben zieht bei der Ermöglichung des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Sicher werden etliche Menschen auch zum Versandhandel gehen - aus finanziellen Gründen, weil sie teilweise oder gänzlich den Wegfall von Zuzahlungen benötigen. Aber hierzu ist zu sagen: Zuzahlungen passen prinzipiell nicht zur Bereitstellung medizinisch notwendiger Güter in einem solidarischen Gesundheitssystem.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Zuzahlungen müssen weg, nicht die Apotheken. Mit einer solidarischen Bürgerversicherung - vielleicht stimmen Sie mir dann wieder zu, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD würden wir dieses Problem tatsächlich lösen und im Interesse der Versorgung der Bevölkerung in einem Flächenland wie Brandenburg qualitätsgesichert mit verschreibungspflichtigen Medikamenten auch lösen können. - Danke schön.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag von Frau Dr. Münch fort. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Wöllert, ich finde es - zum Ersten - immer wieder bemerkenswert, wie es Ihnen gelingt, bei allen möglichen Themen auf bestimmte Grundforderungen zurückzukommen. Da gibt es berühmte Beispiele: mit der Gurke und Ähnlichem. Trotzdem finde ich es - zum Zweiten - ausgesprochen bemerkenswert, dass Sie sich hier zum Lobbyisten der Apotheken und vor allem auch der Länder Bayern, Sachsen und Thüringen machen.

(Beifall bei der SPD)

Bei aller Wertschätzung für den freien Beruf des Apothekers, meine ich, stände es auch Ihnen gut an, einmal sehr genau hinzugucken, was die Qualität von Apotheken und deren Zahl betrifft. Das sogenannte Apothekensterben lässt sich anhand der

realen Zahlen überhaupt nicht belegen. Ich verweise auf einen Bericht der „Berliner Zeitung“ vom Juni 2008, nach dem die Stiftung Warentest an 40 % der geprüften Apotheken die Note „mangelhaft“ vergeben hat, was die Beratung der Patienten und die Aufklärung über Medikamente und Ähnliches betrifft.

Das soll aber nur eine Randbemerkung sein. Denn Ihr Anliegen, die Begrenzung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, ist ja berechtigt. Wir haben uns auch im Gemeinsamen Ausschuss am 4. April - das ist noch gar nicht lange her - mit diesem Thema beschäftigt und eine Entschließung verabschiedet, die Ministerin zu bitten, einen Brief zu schreiben. Sie selbst haben diesen Brief geschrieben. Darin heißt es, die Zuständigen würden gebeten, den Sachverhalt des Versandhandels mit verschreibungspflichtigten Arzneimitteln kritisch zu überprüfen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Dabei sollte es nicht um ein unüberlegt schnell ausgesprochenes Pauschalverbot gehen, sondern um ein gerechtes Abwägen der relevanten Gesichtspunkte und das Erarbeiten eines ausgewogenen Lösungsvorschlags. - Das sind Ihre eigenen Worte, Frau Wöllert.

Frau Kollegin Münch, würden Sie eine Zwischenfrage von Frau Wöllert zulassen?

Ja, gern.

Dann haben Sie das Wort, Frau Wöllert.

Frau Dr. Münch, stimmen Sie mir denn zu, dass sich die Qualität der Beratung nicht verbessern würde, wenn wir jetzt dem Versandhandel diese Aufgabe übertrügen? Es ist unstrittig, dass die Qualität verbessert werden muss. Dieses Problem haben wir ja immer.

Lesen Sie bitte im Protokoll nach: Es war ein Mehrheitsbeschluss - so ist es dort auch formuliert -, dass wir diesen Brief schreiben und die Ministerin beauftragen. Das habe ich als Ausschussvorsitzende und nicht in meiner Funktion als gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE gemacht.

Aha, gut. Ich nehme zur Kenntnis, dass es eine erhebliche Spaltung in den Intentionen gibt. Ich habe das, was Sie als Vorsitzende geschrieben haben, außerordentlich begrüßt, weil ich auch dahinterstehe und meine, dass das ist der richtige Weg ist.

Wir müssen sehr genau hinschauen: Gibt es dieses Problem? Wenn ja, in welcher Größenordnung? Welche Lösungsvorschläge gibt es? Ich halte es für den besseren Weg, sich gemeinsam darüber Gedanken zu machen, welche Probleme tatsächlich aufgetreten sind. Wir beobachten das bereits seit einigen Jahren und erwarten, dass das zuständige Bundesministe

rium Vorschläge unterbreitet. Deswegen halte ich Ihren Antrag für sehr voreilig. Im Übrigen ist dieser Antrag im Bundesrat zunächst in die Ausschüsse mit genau dieser Intention verwiesen worden.

Ich schlage vor: Wir warten den Brief des Bundesgesundheitsministeriums ab und sprechen anschließend über weitere Möglichkeiten. Ihrem Antrag können wir heute nicht zustimmen. Danke.

Vielen Dank, Frau Kollegin Münch. - Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Fechner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE möchte, dass sich der Bundesrat mit dieser Materie beschäftigt, und zwar läuft es darauf hinaus, dass eine rechtliche Regelung geschaffen werden soll, die den Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel begrenzen soll.

Im Bundestag hat die Fraktion DIE LINKE vor wenigen Tagen am 26. Juni - gefordert, dass sich der Bundestag damit beschäftigen soll, und zwar soll eine rechtliche Regelung geschaffen werden, die den Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel begrenzt. Frau Dr. Münch sagte bereits, dass diese Anträge in den Bundesausschuss überwiesen wurden. Ich würde vorschlagen, wir warten erst einmal ab, was sich dort tut.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD])

Wir halten Ihren Antrag für überflüssig wie einen Kropf und werden ihn deshalb ablehnen.

(Beifall bei der DVU-Fraktion)

Kollegin Schier war soeben hier und hat mitgeteilt, dass Frau Münch hundertprozentig das gesagt hat, was auch sie habe sagen wollen, sodass der Redebeitrag von Frau Schier für die CDU-Fraktion entfällt. Somit erhält für die Landesregierung Frau Ministerin Ziegler das Wort.

Ich kann mich den Rednern der Koalitionsfraktionen selbstverständlich vollumfänglich anschließen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE - Begrenzung des Versandhandels mit Arzneimitteln -, der Ihnen in der Drucksache 4/6445 vorliegt. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Das ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen? Keine. - Demnach wird es keine Begrenzung des Versandhandels geben.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Bundesratsinitiative zur Aussetzung der geplanten Maut-Erhöhung für Lkws

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/6446

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der DVU-Fraktion eröffnet. Frau Hesselbarth erhält das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vom Bundeskabinett gebilligte Mauterhöhung für Lkws ist ein dreister Schlag ins Gesicht der mittelständischen Verkehrsunternehmer.

Nach den Plänen der Bundesregierung müssen die Mautsätze aufgrund der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen und erstellten Wegekostenrechnung 2007 deutlich erhöht werden, und zwar bis zu 90 %. Selbst bei den saubersten Lkws der Emissionsklassen EURO 4, EURO 5 sowie EEV werden höhere Mautsätze von bis zu 40 % anfallen. Grund dafür ist die Tatsache, dass das Berechnungssystem für die Wegekosten im Vergleich zum Jahr 2002 zulasten der deutschen Logistikunternehmen und ihrer Lkws deutlich geändert wurde. Andererseits wurden die seit 2003 zugesagten Harmonisierungsmaßnahmen in Höhe von jährlich 600 Millionen Euro bis heute nicht realisiert.

Im Zuge der geplanten Mauterhöhung ab dem 01.01.2009 wird die deutsche Wirtschaft mit geschätzten 1,5 Milliarden Euro zusätzlich belastet, da der Mindesterhöhungssatz der Maut um 40 % steigt und die Gesamtmauteinnahmen von 3,3 Milliarden Euro auf etwa 5 Milliarden Euro ansteigen. Ein Teil der Maut wird zwar dem Transitverkehr und nicht der verladenden Wirtschaft in Deutschland in Rechnung gestellt; jedoch hat die Erfahrung bei der Mauteinführung im Jahr 2002 bereits gezeigt, dass die Eisenbahn ihrerseits den Preisspielraum für Preisanpassungen genutzt hat, der sich durch die Verteuerung des Verkehrsträgers Straße ergab.

Herr Tiefensee macht also unser Transportgewerbe rücksichtslos platt, um damit andererseits den Börsengang der Deutschen Bahn AG indirekt zu finanzieren.

(Dr. Klocksin [SPD]: Das sind wieder wunderbare Ver- schwörungstheorien!)

Dies ist nach der gewaltigen Erhöhung der Sozialkosten durch die neue EU-Sozialvorschrift für Lkw-Fahrer im Sommer 2007 und nach dem Dieselpreisschock der letzten Monate den Transport- und Logistikunternehmen insbesondere in Brandenburg nicht mehr zuzumuten. Für einen 40-t-Euro-3-Zug mit mehr als vier Achsen und einer realistischen Jahresfahrleistung von 135 000 km würde der Jahresmautbetrag 24 192 Euro betragen. Derzeit beträgt er noch 14 040 Euro. Das entspricht einer Verteuerung um mehr als 10 000 Euro. Bei einem Fuhrpark von lediglich zehn Lkws sind das mehr als 100 000 Euro Mehrkosten pro Jahr. Selbst ein schadstoffarmer Lkw der EU