Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Wir haben einen Schulsozialfonds eingerichtet, bei dem künftig Schuldirektoren und die Lehrerkollegien die Möglichkeit haben, in sozialen Härtefällen flexibel und unbürokratisch zu helfen. Wenn also Eltern finanziell nicht die Möglichkeit haben, die Kinder an Klassenfahrten zu beteiligen, oder jemand am Schulessen nicht teilnimmt, weil die Eltern finanzielle Probleme haben,

(Empörung bei der Fraktion DIE LINKE)

oder Kinder vernachlässigt werden, ist schnelle unbürokratische Hilfe möglich. Das ist für uns wichtig, und all das wird im Nachtragshaushalt verabschiedet.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Insgesamt gesehen ist deshalb der Nachtragshaushalt in seinem Rahmen vernünftig und vertretbar. Es sind gute und soziale Maßnahmen, die hier verabschiedet werden.

Eines muss ich allerdings auch sagen: Jede finanzielle Mehrausgabe ist schmerzhaft; denn wir wissen, die finanzielle Lage des Landes wird im nächsten Jahrzehnt nicht besser werden. Das ist aufgrund der Veränderungen im Solidarpakt absehbar. Deshalb muss man bezüglich der Mehrausgaben, die die LINKE verlangt hat, ganz klar sagen: Das geht so nicht, das ist nicht seriös, das kann man nicht machen.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Sehr überzeugend!)

Jetzt zum Bürgschaftsrahmen, meine Damen und Herren. Ich möchte eingangs sagen: Ich bin schon verblüfft und schockiert, mit welchen Worten Frau Kaiser die aktuelle Situation beurteilt. Frau Kaiser hat „vom Fass ohne Boden“ gesprochen und hat das Ganze mit der Chipfabrik verglichen.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Ich muss Ihnen sagen, Frau Kaiser: Das ist wirklichkeitsfremd, das ist vollkommen unrealistisch, damit reden Sie ein Projekt schlecht, das wie kein anderes Brandenburg und Berlin gemeinsam nach vorn bringt und zukunftsfähig macht -

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Es geht um Politik und nicht um das Projekt!)

ein Projekt, das der Bund will, das Brandenburg will und das Berlin will. Deshalb muss ich Ihnen sagen: Sie haben damit dem Projekt sowie dem Land und seiner Zukunftsfähigkeit keinen Gefallen getan, das Ganze in ein solches Licht zu rücken.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Sie haben der Regierung kei- nen Gefallen getan; das ist das Problem!)

Der Flughafen Berlin-Brandenburg ist das größte Infrastruk

turvorhaben in Ostdeutschland und eine Frage der Standortqualität der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg.

Seitdem die Brückenfinanzierung steht, wird intensiv an der langfristigen Finanzierung gearbeitet, meine Damen und Herren, und die Erhöhung des Bürgschaftsrahmens ist kein Paradigmenwechsel. Wir haben bereits jetzt 620 Millionen Euro Bürgschaftsrahmen im Haushalt stehen. Wenn sich aufgrund externer Faktoren die Finanzsituation verändert und die Banken in den Verhandlungen zurückhaltender werden und ihre Kredite verteuern, ist es für uns nur vernünftig, abzuwägen. Bis zum III. Quartal 2009 ist die Finanzierung gesichert. Die Langfristfinanzierung wird verhandelt. Wir haben gesagt: Wir wollen aufgrund der veränderten externen Situation den Bürgschaftsrahmen erhöhen, sodass wir zu günstigen Konditionen diese Kredite bekommen können und das Ganze in den Verhandlungen einfacher wird. Deshalb ist es eine vernünftige und nachvollziehbare Maßnahme, meine Damen und Herren.

Die Risiken sind beherrschbar und vertretbar. Im Übrigen ist das Projekt gewollt, und niemand kann sich vorstellen, dass wir auf halbem Wege aussteigen. Von daher ist die Risikoerhöhung auch nur eine theoretische. Wir sagen: Das ist vernünftig und vertretbar. Wir wollen das Projekt BBI zum Erfolg führen. Das unterscheidet uns von den LINKEN. Deshalb werden wir diesem Nachtragshaushalt zustimmen. - Herzlichen Dank.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE - Beifall bei SPD und CDU)

Der Finanzminister spricht für die Landesregierung. Bitte, Herr Speer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich anfangs der Woche einmal entschuldigt für die Kurzfristigkeit der Vorlage. Ich habe mich gestern im Ausschuss das zweite Mal entschuldigt für die Kurzfristigkeit des Anliegens, und ich werde mich heute das dritte Mal entschuldigen für die Kurzfristigkeit des Anliegens.

Die Frage war zu beantworten, Herr Vietze: Ist die Erhöhung des Bürgschaftsrahmens - nicht die Gewährung einer Bürgschaft, Sie suggerieren immer, als ob das ein Akt ist - so schwerwiegend, dass wir ein eigenes Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause in Gang setzen? Meine Einschätzung war: Nein. Diese Einschätzung ist von den Koalitionsfraktionen getragen worden, und ich finde, zu Recht. Denn wir sehen rechnerisch den Unterschied zwischen der 60-, der 80- und 100-%-Bürgschaft, wir sehen die Erhöhung der Aufwendungen im Projekt. Sie alle kennen die Situation der Banken, die braucht man nicht noch einmal hoch und runter zu erörtern, das kann man jeden Tag in allen Zeitungen lesen. Das wird auch weiterhin dazu führen, dass die Banken Liquiditätsprobleme haben und sich am Kreditmarkt nicht so refinanzieren können, dass sie die Kredite zu Konditionen, die wir im März letzten Jahres unterstellt haben, zur Verfügung stellen. Das war die Prognose. Wir haben es im März letzten Jahres unterstellt, und inzwischen ist das weit weggelaufen. Das kann man sich an fünf Fingern abzählen.

Natürlich gibt es Dinge, die zu klären sind, bevor eine Bürgschaftsurkunde ausgereicht wird. Das ist die Frage der EUWettbewerbsrelevanz, die Frage der Gestaltung der Abrufbarkeit der Mittel; auch darüber haben wir gestern im Haushaltsausschuss gesprochen. Also dies ist das Geschäft der Landesregierung, eine vernünftige, beherrschbare, verantwortbare Regelung zwischen dem Gesellschafter Brandenburg mit seinen 37 % und der Flughafengesellschaft, die in dem Sinne dann Bürgschaftsnehmer ist, zu treffen. Das wird ordentlich abgearbeitet - nicht heute und nicht morgen, sondern in Ruhe. Wir brauchen jedoch den Bürgschaftsrahmen, sonst muss man an der Stelle auch nicht weiterarbeiten.

Deswegen halte ich Ihre Einlassung diesbezüglich für ein wenig überzogen. Sie haben sich jedoch gestern warmgelaufen und dies heute hier zum Abschluss gebracht.

Für die Unterstützung insgesamt, die in den Beratungen hinsichtlich des eben noch einmal vom Kollegen Lunacek skizzierten Paketes für Mobilität und soziale Unterstützung im Land erfolgt ist, möchte ich mich bedanken. Ich hoffe, dass wir es vor dem Hintergrund der Aufgabe, die gestern noch einmal skizziert wurde, schaffen, in diesem Jahr eine schwarze Null zu schreiben. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Debatte zu diesem Punkt angelangt. Ich stelle die Beschlussempfehlung des Ausschusses zum Nachtragshaushalt, die Ihnen in der Drucksache 4/6490 vorliegt, zur Abstimmung. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das Nachtragshaushaltsgesetz in 3. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Volksinitiative nach Artikel 76 der Verfassung des Landes Brandenburg „Keine neuen Tagebaue - für eine zukunftsfähige Energiepolitik“

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 4/6472

Wir beginnen die Aussprache zu diesem Thema mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Die Abgeordnete Kaiser spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat die Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue“ stets unterstützt. Dies werden wir auch heute wieder tun. Die Koalition dagegen wird sie ablehnen. Damit ist dann hier im Parlament etwas klargestellt. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, all die dahinter stehenden Fragen bleiben bestehen. Das wissen Sie, das wissen wir, und das wissen auch die Kolleginnen und Kollegen, die Gewerkschafter vor dem Landtag und hier im Saal.

Ein wirklich überraschendes, angenehmes Zeichen für den vor uns stehenden Energiedialog ist es, dass uns das Erinnerungsbrikett der IG BCE gerade in Form alternativer, biologisch-abbaubarer Energie überreicht wurde, das dazu noch ein regionales Produkt ist.

(Zuruf der Abgeordneten Schier [CDU])

Die Volksinitiative ist, wie auch die Proteste der Gewerkschafter, der Arbeiterinnen und Arbeiter „aus der Kohle“ heute vor dem Landtag zeigten, vor allem und in erster Linie eine Reaktion aus der Region, aus der Lausitz, eine Reaktion auf die aktuellen Debatten und auf die anstehenden Entscheidungen zur Zukunft der Braunkohlegewinnung und -verstromung.

Volksinitiative und Proteste der Kolleginnen und Kollegen verdeutlichen insbesondere in ihrer Widersprüchlichkeit, wie kompliziert und komplex die Dinge sind. Niemand wird dem widersprechen. Beide vertreten authentische und völlig berechtigte Interessen aus der Region. Nicht nur das: Sie verbinden sich auch organisch mit konkurrierenden, übergreifenden Interessen wie dem weltweiten Klimaschutz, der Stabilität und Erschwinglichkeit künftiger Energieversorgung sowie der Zukunft von Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft in unserem Land. Meine Fraktion hat von daher in den aktuellen Debatten stets davor gewarnt, einseitig und verkürzt nur für die eine und damit ausschließlich gegen die andere Seite Position zu beziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, bei uns ist die Erinnerung an die Auseinandersetzungen um Horno in den 90er Jahren noch sehr wach. Ein großer Teil dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hat sich seinerzeit um unsere Partei und auch in unserer Partei - damals der PDS-Fraktion - abgespielt. Es fanden zwei Landesparteitage der PDSFraktion statt, auf denen über Horno, auch mit den Lausitzer Kohlekumpeln, diskutiert wurde, die wie heute voller Sorge und auch Zorn angereist waren.

Unsere Überzeugung, dass die Energieversorgung Brandenburgs und Deutschlands nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf Braunkohlebasis erfolgen kann und dass dem Landschaftsverbrauch und vor allem dem ökologischen Schaden mittelfristig ein Ende gesetzt werden muss, haben wir damals und seither auch immer vertreten. Diese Überzeugung hat sich nicht geändert. Je länger und je mehr wir uns mit den Dingen befasst haben, desto sicherer wurden wir. Andere mögen dazu erst Al Gore und die aktuellen Debatten zum Klimaschutz gebraucht haben - okay.

Wir sind also nicht hektisch - weder in unserem aktuellen politischen Verhalten noch in unseren politischen Szenarien. Ich gestatte mir folgende Bemerkung: Wir hängen unser Fähnchen auch nicht nach dem Wind;

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD] Oh! bei CDU und DVU)

denn die andere Seite für meine Partei ist folgende: Anfang der 90er Jahre gab es für uns kein „Weiter so!“ Im Wissen um Geschichte und um Traditionen der Region - vor allem in unserer Verantwortung für die Zeit der DDR - konnte es das für uns nicht geben. Wir haben die Lehren daraus gezogen.

(Frau Hartfelder [CDU]: Dass Sie es sich trauen, bei Ihrer Vergangenheit hier so aufzutreten, ist nicht zu fassen! - Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Genau deshalb haben wir damals drei Dinge getan. Erstens: Wir haben Horno im Kampf ums Überleben unterstützt, weil wir davon ausgingen, dass Menschen, die an ihrem jahrhundertealten traditionellen Siedlungsgebiet festhalten wollten, für eine Technologie, deren Lebensdauer auf einige Jahrzehnte begrenzt sein wird, nicht davon abgebracht werden müssen - zumal es sich um sorbisches Siedlungsgebiet handelt,

(Zuruf des Abgeordneten Werner [CDU])

für das wir hier im Lande auch eine besondere Verantwortung tragen.

(Werner [CDU]: Unmöglich!)

Wir haben diesen Kampf nicht gewonnen. Horno ist weg.

Zweitens: Wir haben in der zweiten Hälfte der 90er Jahre über Jahre öffentlich und gemeinsam mit den betroffenen Menschen vor Ort sowie mit den sächsischen Genossen von der PDSFraktion ein Entwicklungskonzept für die Lausitz erarbeitet, diskutiert und dann in der Partei beschlossen. Dabei ging es uns damals um Alternativen zu dieser Art von Energieproduktion, um Zukunft und um Perspektiven für die Menschen in der Lausitz. Wie das Schicksal von Konzepten der Opposition leider nun einmal ist: Es wurde damals viel beachtet, hat jedoch keine Umsetzung gefunden.

Nun - zehn Jahre später - werden wir es dennoch erneuern, aktualisieren und verbessern. Wir werden es wieder gemeinsam mit den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE in Sachsen tun. Wir sind erneut - wie bereits bei unserer Leitbilddebatte für Brandenburg - an größtmöglicher Breite und öffentlicher Kritik, an gesellschaftlichem Engagement und externem Sachverstand ausdrücklich interessiert.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Drittens: Wir haben uns damals mit der Frage befasst, was denn „mittelfristiger Ausstieg“ eigentlich bedeutet. In unserem Leitbild für Brandenburg haben wir das Jahr 2050 als Zielpunkt für diesen Ausstieg benannt. Es liegen also nach unserer Vorstellung wenn man rechnet - noch gut vier Jahrzehnte Tagebaugeschehen und Braunkohleverstromung in der Lausitz vor uns.