Sehr geehrte Frau Schier, könnten Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es der Respekt gegenüber der Kollegin Kolodzeike gebietet, ihr nichts zu unterstellen, sondern einfach nur ihre Forderungen ernst zu nehmen, die sie aus der Kompetenz der Betroffenheit heraus hier aufgestellt hat?
Das ist richtig. Trotzdem darf man doch wohl einmal auf die Situation zu DDR-Zeiten hinweisen und die Frage aufwerfen, wie damals mit Behinderten umgegangen wurde.
(Beifall bei der CDU und der DVU - Zurufe von der Frak- tion DIE LINKE - Dr. Klocksin [SPD]: Das ist keine Argu- mentation! Ich finde das völlig unangemessen! Schämen sollten Sie sich! - Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)
- Herr Klocksin, jetzt rede ich. - Ich denke, wir alle sollten an der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes arbeiten; wir werden eine Novelle machen. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass wir Gesetze machen können noch und nöcher, dass aber jeder für sich mit behinderten Menschen umgehen muss, Barrieren abbauen muss, damit die Behinderten in der Gesellschaft auch eine Chance haben. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich komme zum Antrag. Der könnte eigentlich lauten: Mit viel Aufwand wenig erreicht.
Seit Jahren, meine Damen und Herren, fabrizieren die UN Konventionen. Da gibt es zum Beispiel seit 1992 die UN-Konvention zum Klimaschutz und zur biologischen Vielfalt. Doch die konnte weder die Klimaerwärmung noch das Artensterben verhindern.
Dann gibt es seit 1989 eine UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Trotzdem werden nach wie vor Kinder als Soldaten in Kriegen eingesetzt.
Dann gibt es noch etliche UN-Konventionen gegen Drogen. Doch die konnten auch nicht verhindern, dass die Zahl der Drogentoten und der Drogenkonsumenten hier im Lande gestiegen ist.
Nun haben also die UN am 13. Dezember 2006 eine weitere Konvention fabriziert, die die Rechte der Behinderten stärken soll. Doch, meine Damen und Herren: Was ganz konkret hat ein behinderter Mensch von dieser Konvention? Die Antwort ist sehr banal: Nichts. Das hat auch die Anhörung im Ausschuss ergeben; denn wie wir erfahren mussten, hat diese UN-Konvention keinerlei Einfluss auf die rechtlichen Belange der Behinderten hier in Deutschland. An den Rechtspositionen der Behinderten hier in Deutschland ändert diese Konvention nichts.
Meine Damen und Herren, ich werde es kurz machen: Der Deutsche Behindertenrat begrüßt diese Konvention, weil die Konvention die Vertragsstaaten verpflichtet, eine andere Denkweise im Umgang mit Belangen behinderter Menschen zu entwickeln. Da der Deutsche Behindertenrat diese Konvention begrüßt und bekanntlicherweise auch die Hoffnung zum Schluss stirbt, werden wir diesem vorliegenden Antrag zustimmen mit der Hoffnung, dass diese Konvention erfolgreicher sein wird als die Konventionen, die ich im Vorfeld erwähnt habe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den vorliegenden Antrag erstmals im Landtag Branden
burg zur Diskussion. Darüber freue ich mich sehr und hoffe, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass wir uns mit der Fragestellung intensiv auseinandersetzen.
Die Konvention ist ein wichtiger Schritt zur weltweiten Stärkung der Rechte behinderter Menschen. Sie ist das erste universelle Rechtsinstrument, durch das bestehende Menschenrechte konkretisiert werden und das sich auf die Lebenssituation behinderter Menschen bezieht. Dabei werden in der Konvention keine Sonderechte formuliert. Es wird aber deutlich gemacht, dass es besonderer Anstrengungen bedarf, um behinderten Menschen den gleichberechtigten Zugang zu den allgemeinen Menschenrechten und Grundfreiheiten zu sichern.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen haben nur etwa 40 Staaten, bei denen es sich in der Regel um Industriestaaten handelt, eine eigene behindertenpolitische Gesetzgebung. 400 Millionen Menschen, also zwei Drittel aller Menschen mit Behinderungen, leben in Entwicklungsländern. Zwischen Behinderungen einerseits und Armut und sozialem Ausschluss andererseits besteht in weiten Teilen der Welt ein unmittelbarer Zusammenhang.
Durch die Ratifizierung wird die UN-Konvention in nationales Recht übertragen. In vielen Ländern wird damit erstmals die Grundlage für Rechtsansprüche der behinderten Menschen gelegt.
Nach Einschätzung der Bundesregierung hat die UN-Konvention für Deutschland keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen. Dazu möchte ich mich auch nicht weiter äußern. Etwas anderes ist mir aber wichtig:
Es mag so sein, dass die Konvention rechtlich nichts Neues bringt, aber inhaltlich enthält sie auch für die Behindertenpolitik der sogenannten entwickelten Länder wichtige Impulse. Sie überwindet das oftmals noch vorherrschende, rein auf die Defizite orientierte Verständnis von Behinderung und erkennt Behinderung als einen Teil der Vielfalt menschlichen Lebens an. Behinderung ist, wie die Konvention deutlich macht, nicht als Schicksal des Einzelnen zu charakterisieren, sondern als Unzulänglichkeit des gesellschaftlichen Lebens. Sie alle kennen den Satz: Behindert ist man nicht, behindert wird man.
Der Auftrag der UN-Konvention, eine Gesellschaft zu gestalten, die tatsächlich jeden einschließt, ist für Deutschland, für Brandenburg eine wirkliche Herausforderung. Dieser Impuls der Inklusion, sozusagen einer inklusiven Gesellschaft, muss uns wichtig sein, darf nicht verloren gehen. Denn Integration ist eben nur das halbe Anliegen. Integration bedeutet, dass Lebensmöglichkeiten von Menschen mit und ohne Behinderung nachträglich zusammengeführt werden. Inklusion dagegen bedeutet, dass Sonderwelten, wo immer dies nur irgend möglich ist, von vornherein vermieden werden.
Gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung bedeutet nicht, dass wir diesen Menschen eine Sonderwelt bauen, die der standardisierten „Normalwelt“ entspricht. Vielmehr be
deutet sie die Teilhabe an der Normalität, in normalen Kindergärten, in der normalen Schule, in der normalen Ausbildung, in der normalen Arbeitswelt, in der normalen Kultur, in den normalen öffentlichen Verkehrsmitteln - diese Reihe ließe sich mit Sicherheit fortsetzen -, eben Teilhabe an allem, was das Leben und den Alltag ausmacht.
Selbstbestimmung bedeutet auch, dass der behinderte Mensch selber entscheiden kann, welchen Weg er geht und was für ihn gut ist. So gestalten wir Menschen ohne Behinderung unser Leben ja auch. Wir wollen uns nicht reinreden lassen. Wir wollen nicht, dass ein Staat oder eine Einrichtung, so gut sie es auch meinen mögen, über unseren Lebensweg und Lebensort entscheidet. Wir wollen das selber tun, und dasselbe Selbstbestimmungsrecht fordern auch Menschen mit Behinderungen ein.
Ich möchte daher für unser Land, dass wir die UN-Konvention und ihre inhaltlichen Impulse offensiv aufgreifen und diese zu einer wesentlichen Grundlage der brandenburgischen Behindertenpolitik machen. Deshalb bin ich auch dafür, in § 1 des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes einen Hinweis auf die UN-Konvention zu verankern. Wir wollen uns dieser Konvention stellen und unsere Politik an ihren Ansprüchen messen lassen. Das wird natürlich auch für uns alle gemeinsam kein einfacher Weg, aber das muss unser aller Weg sein.
Nach meiner Auffassung sollten wir sogar noch einen Schritt weiter gehen. Die Landesregierung sollte in dem novellierten Behindertengleichstellungsgesetz verpflichtet werden, einen Maßnahmeplan zur Umsetzung der Ziele des Gesetzes zu erarbeiten, regelmäßig im Landtag zu berichten und den Plan fortzuschreiben.
Eine zeitgemäße Behindertenpolitik ist nämlich eine Daueraufgabe, für die es einen breiten Konsens geben sollte. Deshalb appelliere ich auch an alle Fraktionen, dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen. Wir haben auch im Landesbehindertenbeirat über die UN-Konvention berichtet. Ich freue mich darüber, dass ein wirklich breiter Konsens hier im Landtag herrscht, dieses Vorhaben voranzubringen. - Vielen Dank.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Es liegt der Antrag der Fraktion DIE LINKE vor. Sie beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/6706 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer diesem Überweisungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diese Überweisung? Wer enthält sich? - Damit ist dieser Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt.
Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Antrag in der Sache. Ihnen liegt der Antrag in der Drucksache 4/6706 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Diesem Antrag ist einstimmig stattgegeben worden. Somit ist er angenommen.
Frau Kolodzeike hat entsprechend § 71 der Geschäftsordnung um eine persönliche Bemerkung und Erklärung zur Abstimmung gebeten. - Bitte schön, ich erteile Ihnen das Wort.
Ich möchte gern mein Verhalten, mich bei der Abstimmung über den Antrag der Koalition zu enthalten, erklären. Den Inhalt trage ich grundsätzlich mit. Dem Antrag habe ich jedoch nicht zugestimmt, weil ich es für unverzichtbar halte, dass ein solcher Antrag an den zuständigen Fachausschuss überwiesen wird, um auf dem Wege einer Anhörung die Kompetenz von Vereinen und Verbänden einzubeziehen.
Damit vergeben Sie sich schon die erste Chance, die betroffenen Verbände in den Prozess einzubinden.
Frau Schier möchte ich ganz kurz sagen: Darüber, wer sich hier wofür schämen muss, sollte sie bitte noch einmal nachdenken. - Danke schön.
Tagesordnungspunkt 14 ist somit geschlossen und damit auch die heutige Sitzung. Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Heimfahrt.