Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einmal eine Bemerkung zu Frau Große. Natürlich gab es Anfang der 90er Jahre 275 Gesamtschulen in Brandenburg. Nach den Ansichten von Herrn Lafontaine waren allerdings nur 45 davon wirkliche Gesamtschulen, nämlich die, die eine gymnasiale Oberstufe hatten.

Zu Frau Fechner möchte ich sagen: Es ist nicht so, dass hier Gesamtschulen geschlossen werden sollen; vielmehr geht es darum, die gymnasialen Oberstufen nicht weiterzuführen und die Gesamtschulen dann in die Regelschule Brandenburgs, nämlich in die Oberschule, zu überführen. Niemand will also eine Gesamtschule als solche oder gar einen Schulstandort schließen, sondern es geht nur um die Frage, wie es mit den Oberstufen an dem jeweiligen Standort aussieht.

Als wir vor etwa vier Jahren das Schulgesetz geändert haben, um in Brandenburg eine ordentliche Schulstruktur herzustellen, gab es Geburtsfehler. In der gesamtgesellschaftlichen Diskussion war klar, dass wir die Zahl der Schulen bzw. Schulformen reduzieren müssen. Aus diesem Grunde haben wir die Realschule und die Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe zu einer Oberschule zusammengeschlossen.

Außerdem haben wir noch zweierlei gemacht, was dem Ziel der Reduzierung von Schulformen eigentlich entgegensteht. Wir haben nämlich die Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe fortbestehen lassen und haben außerdem noch die Berufsgymnasien eingeführt. Wir haben also eigentlich nichts zu einer Verkleinerung der Strukturen getan. Mit diesem Fakt müssen wir heute leben und umgehen.

Frau Große, wenn Sie jetzt meinen, dass man bis zum letzten

Atemzug an einer gymnasialen Oberstufe an einer Gesamtschule festhalten sollte, dann möchte ich Ihnen zumindest die Zahlen von zwei solcher Schulstandorte nennen. Sie wollen dann künftig eine Ausbildung mit Sek I und gymnasialer Oberstufe mit 55 Schülern organisieren. Das heißt, mit 55 Schülern soll dann noch eine gymnasiale Oberstufe entstehen, und dies an mehreren Schulstandorten. Wer da noch ein Kurssystem gewährleisten kann, der bekommt von mir den Nobelpreis; denn das wird so nicht gehen.

Deshalb wird die CDU-Fraktion Ihrem Antrag heute nicht zustimmen.

Im Übrigen schließe ich mich der Darstellung der strukturpolitischen Gesichtspunkte durch Frau Geywitz an und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Minister Rupprecht spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von mir kommt jetzt kein Lafontaine-Zitat, sondern ein Zitat aus dem Schulstrukturgesetz im Land Brandenburg. In § 2 Abs. 2 des Gesetzes heißt es:

„Gesamtschulen... werden zum August des Jahres in Oberschulen geändert, das dem Schuljahr folgt, in dem keine Jahrgangsstufe 11 eingerichtet wurde!“

Das bedeutet, Frau Große, dass wir dann, wenn wir Ihrem Antrag folgten, das Gesetz ändern müssten. Wir haben uns aber vorgenommen, in dieser Legislaturperiode keine Gesetzesänderung mehr vorzunehmen, und zwar unter anderem auch deshalb, weil ich mir vorstellen kann, was am nächsten Tag in der Zeitung stünde, nämlich ein Zitat von Frau Große: Das ist jetzt die 20. oder 25. Schulgesetznovellierung in 15 Jahren. Wo bleibt die Kontinuität? Was macht der Rupprecht hier nur?

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Auch das wollen wir uns ersparen.

Abgesehen davon läuft Ihr Antrag auch inhaltlich ins Leere; denn eine Schule - das ist leider eine bittere Erfahrung -, die die für die Einrichtung der 11. Jahrgangsstufe notwendige Schülerzahl in einem Jahr sehr deutlich verfehlt, hat im darauffolgenden Jahr noch deutlich schlechtere Chancen, die entsprechende Zahl zu erreichen, wobei dann noch die Frage ist, wie es Frau Hartfelder schon gesagt hat, wie da ein Kurssystem organisiert werden soll.

Es gibt schon heute die Möglichkeit - aus diesem Grunde sage ich, dass der vorliegende Antrag auch überflüssig ist -, dass ein Schulträger im Einzelfall, wenn er nachweisen kann, dass die Schülerzahl im darauffolgenden Jahr wieder steigt, dass die zu niedrige Zahl also ein einmaliger Ausrutscher war, so eine Schule erneut in das Ü11-Verfahren schicken kann. Eine solche Möglichkeit sieht das Schulstrukturgesetz bereits vor. Deshalb ist der Antrag aus meiner Sicht auch überflüssig.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf einen Fall hinweisen. Weil ich diesen Fall hier schon vorgetragen habe, werde ich aber nicht sämtliche Zahlen wiederholen. Da ich weiß, dass Frau Kaiser diese Schule, nämlich die Gesamtschule Strausberg, sehr am Herzen liegt, will ich das hier noch einmal ansprechen. Ich habe damals schon vorgerechnet, wie die Entwicklung in der Region dort ist, dass es leider nicht möglich ist, dort eine gymnasiale Oberstufe zu erhalten, wobei es dort sogar drei gymnasiale Oberstufen wären, wenn wir sie denn alle erhalten würden.

Ich sage es doch noch einmal: Von 520 potenziellen Schülern für die 11. Klasse an der Gesamtschule Strausberg haben wir innerhalb von drei Jahren nur noch 330. Schon mit den 520 war es nicht möglich, 11. Klassen einzurichten. Man muss also sagen, so bitter das auch ist: An diesem Standort geht es nicht. Drei gymnasiale Oberstufen können wir in Strausberg nicht realisieren.

Frau Geywitz hat gerade darauf hingewiesen, dass wir schon einiges dafür getan haben, dass wir Gesamtschulen auch im ländlichen Raum eine Chance geben wollen, und zwar über Ausnahmeregelungen, die sogar noch unter die Zahl von 50 gehen, wenn es ein Einzelstandort ist, wo ein 13-jähriges Angebot in erreichbarer Entfernung nicht zur Verfügung steht. Nach wie vor wollen wir in jedem Landkreis des Landes Brandenburg neben den 12-jährigen Angeboten der Gymnasien mindestens ein 13-jähriges Angebot haben. Das kann natürlich sehr wohl eine Gesamtschule sein.

Als alter „Gymnasialer“ möchte ich zum Abschluss betonen: Ich habe meine Sympathie für die Schulform Gesamtschule nie verhehlt. An dieser Sympathie hat sich nichts geändert. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Schulen dieser Schulform übrig bleiben. Wer mich kennt, der wird mir das auch glauben. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort erhält noch einmal Frau Große von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Kollegin Hartfelder, wie haben berufliche Gymnasien ja nicht wirklich gegründet, sondern wir haben lediglich dem, was an den Oberstufenzentren gymnasiale Oberstufe war, den Namen „berufliches Gymnasium“ gegeben. So einfach war das.

Jetzt möchte ich das Beispiel Strausberg aufnehmen, Herr Minister, und Ihnen sagen, dass es natürlich auch an den Oberstufenzentren Begehrlichkeiten dahin gehend gibt, was ich auch verständlich finde, ebenfalls den allgemeinen Bildungsgang „gymnasiale Oberstufe“ zu bekommen. Dafür soll dann dort die Gesamtschule zugemacht werden.

Herr Minister, wir wollen doch nicht etwa eine Gesetzesänderung. Wir haben ganz deutlich gesagt: per Aussagegenehmigung. - Dass dies möglich ist, haben Sie zum Ende des letzten Schuljahres hin bewiesen. Da waren plötzlich noch ganz andere Frequenzen für die Errichtung 7. Klassen möglich.

Ich will also natürlich nicht eine 18. Schulgesetznovelle; das ist ganz klar. Aber wenn es nur auf diesem Wege geht, dann, bitte schön, lassen sie uns das machen. Es geht schließlich nur darum, die letzten verbliebenen 25 Gesamtschulstandorte zu stabilisieren, ohne dass eine andere Landschaft ins Wanken gerät.

Frau Kollegin Geywitz, Sie haben sich mit dem, was wir hier beantragt haben, nicht wirklich beschäftigt. Das bedauere ich sehr. Es geht hierbei um nichts Besonderes, sondern nur darum, dass für zwei Jahre noch nicht gleich eine Oberschule daraus gemacht werden soll.

Herr Minister, Sie haben gesagt, das werde dann immer ein Selbstläufer, wenn eine Jahrgangsstufe einmal nicht eingerichtet werde. Natürlich gilt das für die Oberschulen. Wenn eine Jahrgangsstufe 7 nicht eingerichtet wurde, dann wird es im darauffolgenden Jahr ganz schwer, das Vertrauen der Eltern in diese Schule noch einmal zu gewinnen. An den Gesamtschulen ist es doch aber so, dass die Schüler bereits da sind. Sie sind in den unteren Klassen schon vorhanden. Es geht nur darum, dass das Vertrauen in den Eltern dahin gehend geweckt werden muss: Wir geben euch, wenn es ausreichend viele sind, die sich an dieser Gesamtschule bewerben, die Chance, auch weiterhin dort die 11., 12. und 13. Klasse zu besuchen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern, Frau Kollegin Hartfelder.

Kann ich davon ausgehen, Frau Große, dass Ihnen die Zahlen für die in Rede stehenden Schulen in Burg, Müncheberg, Strausberg, Beeskow und Neuruppin bekannt sind?

Ja.

Ist Ihnen auch bekannt, dass wir an diesen Schulen noch zwei Klassenstärken haben, nämlich zwischen 40 und 50 Schülern? Wie soll daraus eine gymnasiale Oberstufe organisiert werden?

Wenn wir dort eine gymnasiale Oberstufe vorhalten, dann ist es für die darauffolgenden Jahrgänge ja auch möglich, dass sich mehr Schüler an diesen Schulen anmelden.

(Frau Hartfelder [CDU]: Die gehen doch bis zur 7. Klas- se!)

- Hier leuchtet schon alles; ich habe nicht mehr viel Redezeit. Wir könnten dann noch einmal miteinander besprechen, warum wir meinen, dass es wichtig wäre, diesen Schulen diese Chance zu geben. - Ich sehe hier ganz klar, dass weder Landesregierung noch Koalition diese Chance nutzen wollen. Ich hoffe ja ein bisschen darauf, denn nächstes Jahr finden Landtags

wahlen statt, und da sieht manches schon wieder ganz anders aus.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir sind am Ende der Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt.

Ich stelle den Antrag der Linksfraktion - Drucksache 4/6681 zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Antrag ist bei wenigen Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließ Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Kommunal-Kombi nachbessern und ausweiten

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/6683

Der Abgeordnete Görke eröffnet die Debatte für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion fordert seit zwei Jahren, die aktiven und passiven Mittel zur Betreuung der Langzeitarbeitslosen zusammenzuführen, um sozialversicherungspflichtige gemeinwohlorientierte Arbeit zu fördern. Insofern ist das arbeitsmarktpolitische Instrument Kommunallohn-Kombi ein richtiger Schritt neben vielen falschen; ich sage nur „Mainzer Modell“ oder - heute Vormittag spielte es ja auch schon eine Rolle - „Billigbürgerarbeit à la Bad Schmiedeberg“.

Aber was muss man nach neun Monaten feststellen? Die bundesweite Bilanz des Kommunallohn-Kombis ist ernüchternd. Ich erinnere an die Aussagen: 100 000 Arbeitsplätze sollen in diesen Bereichen in den Jahren 2008 und 2009 geschaffen werden. Da hilft es uns auch nicht weiter, wenn Sie, Frau Ministerin Ziegler, im August verkündeten, dass 1 069 Stellen durch das Bundesverwaltungsamt und damit über 51 % aller bisher bewilligten Stellen des Bundesprogramms auf Brandenburg entfallen.

(Frau Lehmann [SPD]: Darauf können wir doch stolz sein!)

- Richtig, Frau Lehmann, aber bleiben wir bitte auf dem Teppich. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte. Es ist sicherlich nicht die Erfolgsstory, als die Ihr Haus dieses Programm noch vor der Sommerpause bezeichnet hat, und es ist sicherlich auch nicht so, wie in der Presse dargestellt - ich glaube, das Zitat kommt von Ihnen, Frau Dr. Schröder -, dass es ein Flop war. In dieser Hinsicht sollten wir uns auf einen Sprachgebrauch einigen. Es ist ein holpriger Start bei diesem Programm, die Dynamik ist noch überschaubar, und es kann nur noch besser werden.