Protokoll der Sitzung vom 15.10.2008

Herr Senftleben erhält Gelegenheit, die Frage 1953 (Förder- schulabschluss von Arbeitsagentur nicht anerkannt) zu stellen.

Ich bin nicht für die Antwort, sondern nur für die Frage zuständig. Deswegen versuche ich, sie kurz zu halten.

Es war in der Öffentlichkeit zu lesen, dass eine Schülerin die Förderschule erfolgreich abgeschlossen und damit die einfache Berufsbildungsreife erlangt hat, was dem Abschluss der Klasse

9 einer Regelschule entspricht und zum sofortigen Lehrbeginn berechtigt. Sie hat einen Ausbildungsplatz als Verkäuferin in Aussicht gestellt bekommen. Aber der jungen Frau wurde, obwohl der Leiter der Außenstelle der Arbeitsagentur zwischenzeitlich versichert hatte, dass der Aufnahme einer regulären Lehre nichts im Wege stehe, eine Behindertenausbildung als Maurer oder Metallarbeiter vermittelt.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Wie bewertet sie diesen Vorgang, unter anderem auch in Bezug auf die Anerkennung von Schulabschlüssen für Förderschüler im Land Brandenburg?

Bitte, Frau Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Sehr verehrte Abgeordnete! Wie Sie wissen, sind die Dienststellen der BA unabhängig. Das Land hat weder die Rechtsaufsicht noch ein Weisungsrecht. Ich selbst konnte daher zu dem in der Frage beschriebenen Einzelfall keine Prüfung veranlassen und kann auch nicht die Entscheidung der BA infrage stellen. Ich will trotzdem einige Anmerkungen dazu machen.

Jeder junge Mensch kann nach Beendigung der Schule einen Ausbildungsvertrag auf dem ersten Arbeitsmarkt abschließen, sofern hierfür die notwendigen Voraussetzungen nach dem Berufsbildungsgesetz und der jeweiligen Ausbildungsordnung des gewählten Berufs vorliegen und keine Unterstützungsleistungen der BA benötigt werden. Die BA prüft im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Berufsberatung und Berufsorientierung, ob eventuell Unterstützungsleistungen nach dem SGB III das Ziel einer erfolgreichen Ausbildung befördern helfen.

Wir alle wissen, dass es junge Menschen gibt, die zwar einen Schulabschluss in der Tasche haben, aber dennoch Unterstützung brauchen, um eine Ausbildung erfolgreich absolvieren zu können. Die BA ist in diesem Einzelfall nach Prüfung dieser individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu der Auffassung gekommen, dass zunächst eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nötig erscheint, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Ich gehe davon aus, dass diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen worden ist, denn für die BA ist das mit Geld verbunden. Deshalb denke ich, dass sie das sehr sachgerecht gemacht hat - auch im Sinne der Betroffenen.

Ich halte es für richtig und für angemessen, dass die BA bei jeder Maßnahme die Erfolgsaussichten ordentlich bewertet und diese Entscheidung auch im Interesse der jungen Menschen trifft. Wir alle kennen die Abbrecherquoten bei der Berufsausbildung. Genau das sollte auch ein Instrument dafür sein, dass diese Berufsausbildung erfolgreich verläuft.

Ich möchte abschließend sagen: Die Jugendliche ist in eine entsprechende berufliche Maßnahme integriert worden, also nicht mehr in eine Reha-Maßnahme oder eine Maßnahme für Behinderte, wie die Kritik lautete. Es ist auch nicht bekannt, dass sie einen „ordentlichen“ Arbeitsvertrag oder Ausbildungsvertrag in Aussicht gestellt bekommen hat. - Danke.

Vielen Dank. - Damit ist auch die zweite Stunde des heutigen Sitzungstages um. Ich entlasse Sie in die Mittagspause bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.02 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.04 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Nachmittagssitzung und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Straßengesetzes, des Brandenburgischen Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/5725

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Infrastruktur und Raumordnung

Drucksache 4/6703

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält Frau Abgeordnete Tack.

(Schulze [SPD]: Ist hier gebimmelt worden?)

Lieber Herr Parlamentarischer Geschäftsführer, ich möchte Sie bitten, Ihren Kollegen mitzuteilen, dass die Präsidentin dreimal gebimmelt hat.

(Schulze [SPD]: Das ist Ihr Punkt!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir die Reihenfolge ändern und unseren Änderungsantrag gleich zur Abstimmung stellen könnten, würden wir gewinnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Görke [DIE LIN- KE]: Man würde zweifach gewinnen: Wir die Abstim- mung und Sie an Erfahrung!)

Aber ich muss den Antrag ja erst einmal kurz begründen.

Bei der Novelle des Brandenburgischen Straßengesetzes handelt es sich um ein Artikelgesetz mit der großen Herausforderung, Änderungen an drei Gesetzen vorzunehmen, nämlich am Straßengesetz, am Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung und am Naturschutzgesetz. Ziel der Landesregierung war es, mit dem Gesetzentwurf dem Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung nach Verfahrensbeschleunigung und Bürokratieabbau gerecht zu werden. Dieser hohe Anspruch - darüber hatten wir uns schon ausgetauscht musste zwangsläufig zu Interessenkonflikten führen, und es wird Benachteiligte geben, deren Rechte geschwächt werden.

In Wahrheit gehen die geplanten Gesetzesänderungen zulasten der Kommunen, der Bürgerbeteiligung und damit auch der vom Straßenbau negativ Betroffenen. Bereits in der 1. Lesung hatten wir erhebliche Bedenken zum Straßengesetz geäußert, die in der öffentlichen Anhörung im April 2008 bestätigt wurden. Insbesondere Bürgerbeteiligung und Alleenschutz standen im Mittelpunkt unserer Kritik und der Kritik der Anzuhörenden gegenüber der Landesregierung. Zum einen war es die Bürgerbeteiligung, zum Beispiel der Wegfall des Planfeststellungsverfahrens für den Bau von Kreis- und Gemeindestraßen, zum anderen der Alleenschutz, der Wegfall von Raumordnungsverfahren bei der Planung von neu zu bauenden Straßen, die Anhebung von Grenzwerten für die Umweltverträglichkeitsprüfung, der Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht für selbstständige Geh- und Radwege und andere Punkte mehr.

Die Fraktion DIE LINKE brachte deshalb entsprechende Änderungsanträge in den Umweltausschuss und den Infrastrukturausschuss ein. Die Vertreter der Koalitionsfraktionen - Sie werden sich erinnern - lehnten die Änderungsanträge ab und brachten, wir sagen dazu: „halbherzige Änderungsanträge“ zum Gesetzentwurf zur Abstimmung ein. Sie versuchten, die massiven Bedenken, die in der Anhörung zum Ausdruck kamen, auf diese Art und Weise auszuräumen. Das ist Ihnen nicht gelungen.

Zwar - das will ich erwähnen - wurde wieder in das Gesetz aufgenommen, dass den anerkannten Naturschutzverbänden die Planungsunterlagen für Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren in gleicher Weise zur Verfügung gestellt werden wie den Trägern öffentlicher Belange - das ist auch gut so -, aber das ändert nichts daran, dass die Beteiligung an Straßenplanungsverfahren insgesamt stark reduziert wird. Planfeststellungsverfahren sollen künftig nur noch für Landesstraßen zwingend sein. Kreis- und Gemeindestraßen können ohne Planfeststellungsverfahren gebaut werden. Damit gibt es für die Betroffenen, die anderer Meinung sind und ihren Widerspruch zum Ausdruck bringen wollen, praktisch keine Möglichkeit mehr, gegen den Bau der Straße, sprich: gegen den Planfeststellungsbeschluss, zu klagen. Entscheiden sich Kommunen dennoch im Interesse der Bürgerbeteiligung für ein Planfeststellungsverfahren, so müssen sie zukünftig die Kosten des Verfahrens selbst tragen.

Mit der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung des Infrastrukturausschusses vom 25.09.2008 wird die Kritik der Fraktion DIE LINKE am neuen Straßengesetz nicht berücksichtigt; kann auch nicht, weil sich die Mehrheit anders entschieden hat. Deshalb bringen wir heute noch einmal einen Änderungsantrag ein, der uns besonders wichtig ist. Er bezieht sich auf Artikel 1 Nr. 7 c, es geht um den Alleenschutz. Wir wollen damit erreichen, dass bei der Unterhaltung von Alleen, auch bei Einzelmaßnahmen wie dem Fällen von Bäumen, auch weiterhin eine Genehmigung bzw. bei Ausnahmegenehmigung diese mit einer Nachpflanzpflicht verbunden wird.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Damit soll gesichert werden, dass die zuständigen Naturschutzbehörden die Nachpflanzpflicht gemäß Naturschutzgesetz durchsetzen können. Das wollen wir mit dem Änderungsantrag erreichen. Er ist uns und den Kollegen des Landkreistages sowie der Umweltverbände sehr wichtig. Wir wollen damit eine nachhaltige Beeinträchtigung der Brandenburger Alleen durch

Straßenbaumaßnahmen für die Zukunft ausschließen, und ich denke, diesem Anliegen können Sie sich guten Gewissens anschließen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Sollten Sie unserem Änderungsantrag nicht folgen, heißt unser Fazit: Das Gesetz bringt nur geringfügige Gewinne für die Verwaltungsarbeit, aber erhebliche Kompetenzverlagerungen zulasten der Bürgerinnnen, Bürger und Kommunen und damit letztendlich zulasten der Umwelt. Nutznießer ist unseres Erachtens ausschließlich die Verwaltung, in dem Fall der Landesbetrieb für Straßenwesen. Dann müssten wir das Gesetz ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Gregor-Ness.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser geschätzter Kollege Dr. Klocksin ist noch nicht wieder verwendungsfähig - auch ich bin nicht hundertprozentig einsatzfähig -, deshalb müssen Sie mir erlauben, dass ich den Versuch unternehme, Ihnen unsere Änderungsanträge zum Straßengesetz nahezubringen. Ich hoffe bei dem Gesetzentwurf auf Ihr Vertrauen, Ihre Zustimmung und Ihre Unterstützung.

Das Straßengesetz ist sehr lange in der Diskussion gewesen. Wir haben uns dazu im Umweltausschuss verständigt, Beschlüsse gefasst und abschließend im Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung darüber diskutiert. Es gab eine ausführliche Anhörung. Das Anliegen der Koalition war es eindeutig, die dort vorgebrachten Bedenken, Änderungsvorschläge und Anregungen ernst zu nehmen.

Für uns und unseren Änderungsantrag gilt Folgendes: Baumund Alleenschutz haben wir in den Mittelpunkt unserer Bemühungen gerückt und dementsprechend auch die notwendigen Schritte unternommen, um im Gesetzestext wieder Klarheit zu schaffen. Obwohl das Straßengesetz unter der Prämisse, den Vorgaben des SANS zu folgen - keine Doppelungen, keine Bezüge auf andere geltende Gesetze -, novelliert und damit ein relativ kompaktes Gesetz geschaffen werden sollte, haben wir uns dem nicht gebeugt, sondern explizit die Verweise auf das Naturschutzgesetz wieder angeführt. Dadurch sind die Alleen im Land weiter geschützt. Wir haben den Verweis in das Gesetz aufgenommen und dafür gesorgt, dass die Nachpflanzung von Alleen, die in Anspruch genommen worden sind, zeitnah und auskömmlich gesichert wird. Diesbezüglich gilt es, alle Maßnahmen aus dem Bereich Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen vorrangig einzusetzen. Wir haben ein Alleenkonzept im Land verabschiedet und uns in dem Verfahren, wie wir in Zukunft unsere Alleen gestalten wollen, selbst gebunden.

Das, was gerade suggeriert wurde, sind pure Behauptungen, die mitnichten etwas mit unserem Gesetz zu tun haben.

(Frau Tack [DIE LINKE]: Die Beschneidung von Beteili- gungsrechten ist keine Behauptung!)

- Doch, Frau Tack, Sie haben mehr Behauptungen aufgestellt als Beweise angeführt.

Auch die Bedenken der Naturschutzbehörde haben wir sehr ernst genommen und deshalb die Beteiligungsrechte für die anerkannten Naturschutzverbände im Land ohne Wenn und Aber wieder in den Gesetzestext eingeführt. Wir haben die Gleichbehandlung mit allen anderen Trägern der öffentlichen Belange wiederhergestellt. Wir haben vor allen Dingen für die Kommunen etwas Wichtiges erreicht, indem wir verhinderten, dass es zu einer Fristverlängerung von planfestgestellten Straßen kommt; das war nämlich vonseiten des Ministeriums und der Landesregierung so angedacht. Wir waren der Meinung, damit torpediert man die Planungshoheit der Kommunen und verhindert womöglich Entwicklungen. Denn man kann nicht über 15 Jahre eine planfestgestellte Straße bzw. Trasse brachliegen lassen, ohne dass es zu einer Realisierung kommt; das muss innerhalb von zehn Jahren möglich sein.

Wir haben im Falle der Umwidmung von Straßen dafür gesorgt, dass den Kommunen eine angemessene und ausreichende Beteiligungsfrist zugestanden wird. Ursprünglich war dafür nur ein Monat vorgesehen, und ich sage: Innerhalb dieser kurzen Frist kann keine Gemeindevertretung und kein Kreistag beteiligt werden; deshalb haben wir die Frist auf drei Monate verlängert, was natürlich auch nicht Gegenstand von Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung ist.

Wie Sie alle wissen, bin ich nicht der glühendste Befürworter aller Vorschläge des SANS, und wir haben heute Morgen ja gelernt, dass ein bisschen mehr staatliche Kontrolle gelegentlich ganz nützlich ist, und an dieser Stelle, wo es im Straßengesetz um Planfeststellungsverfahren geht, wollen wir das durchsetzen.

Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, dass wir das auf Landesebene weiter durchführen. Gerade die Fraktion DIE LINKE fordert immer das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung ein. Ich finde, dass die Verantwortung im Bereich von Kreisund Gemeindestraßen in das entsprechende Gremium gehört.

Plangenehmigungen sind immer durchzuführen, wenn Belange Dritter betroffen sind. Das kann man überhaupt nicht ausschließen. Ich möchte noch einmal sagen: Plangenehmigungen bei Straßenbauvorhaben kommen dann zur Anwendung, wenn feststeht, dass Rechte anderer nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben.