Von der Zerschlagung der ostdeutschen Industrieforschung durch die Treuhand hat sich die hiesige Wirtschaft immer noch nicht erholt. Nur jeder zehnte in der Wirtschaft Beschäftigte arbeitet für Forschung und Entwicklung. Die Aufwendungen für die Industrieforschung liegen unter 5 %. Wachstum, Wirtschaftsleistung und Exportkraft der ostdeutschen Wirtschaft liegen deutlich unter dem Stand im Westen.
Das hat Ursachen. Sie haben sie benannt, wir haben sie benannt. Aber das hat auch mit der Politik der letzten Jahre zu tun. Die Einheit ist und bleibt für uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen, also eine Aufgabe. Die alten Mauern sind zum Glück weg. Aber lassen Sie uns nicht alte und neue Gräben vertiefen.
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, zu alledem kommt nun die Finanzmarktkrise. Es ging hier schon gestern um diese eine Umfrage, nach der 52 % der Ostdeutschen auf Distanz zu dieser Art Marktwirtschaft gehen. Zu diesen 52 % gehören ja auch Sie, Herr Ministerpräsident, wie wir gestern gehört haben, sonst hätten Sie nicht die Notwendigkeit eines
dritten Weges erörtert. Und dazu gehört - wenn auch vielleicht aus anderen Gründen - unsere Fraktion DIE LINKE.
Aber, meine Damen und Herren von der CDU, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die alle die alte DDR wiederhaben wollen? Es muss doch Gründe haben - diese Frage können wir uns stellen -, dass die Finanzkrise gerade bei den Ostdeutschen solche Wirkungen zeigt, dass gerade die Ostdeutschen besonders um ihre Ersparnisse fürchten, dass gerade die Ostdeutschen die Stützung der Zocker-Banken mit Steuergeldern ablehnen. Das muss auch mit den Erfahrungen der Leute in unserem Land in den letzten 18 Jahren zu tun haben, die offenbar nicht dem entsprachen, was Kohl versprochen hatte und was Sie vielleicht gern sehen möchten. Oder nicht?
Meine Damen und Herren! Wir vertreten aus Erfahrung und Überzeugung die Auffassung, dass es am Ende der DDR zu Recht breiteste Übereinstimmung in der Gesellschaft nicht nur zur Demokratie, sondern auch zum Übergang zur Marktwirtschaft gab. Das war die grundlegende Lehre aus dem Scheitern des Staatssozialismus. Wenn heute die Demokratie auf Skepsis, die Marktwirtschaft gar auf Ablehnung stößt, dann hat das etwas damit zu tun, wie Letztere eingeführt und umgesetzt wurde, wie sie sich entwickelt hat, wie sie reguliert oder dereguliert wurde, welche Anreize gesetzt und welche Potenziale gefördert wurden bzw. wo Anreize und Förderungen unterblieben sind.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren von der CDU, möchte ich betonen, dass wir uns in der Fraktion DIE LINKE bemühen, Ihr Dilemma der letzten Wochen zu verstehen. Erst versprach Ihr Übervater Helmut Kohl 1990 den Ostdeutschen blühende Landschaften. Und schnell sollte es gehen.
Vorige Woche aber verkündete ausgerechnet Angela Merkel in Dresden beim Ost-Kongress der CDU „die Chancengleichheit in wesentlichen Teilen“ erst zum 40. Jahrestag der Einheit. Auf die Zukunft vertrösten, ausgerechnet auf den 40. Jahrestag dass sich das wiederholt, hätten selbst wir nicht erwartet!
Aber, Herr Ministerpräsident, im Bund wie im Land hat nicht nur die CDU regiert. Der Dritte Weg führt ja nicht von Bankenplatz zu Bankenplatz. Wenn er kommen sollte, führt er auch mitten durch Brandenburg. Die Antwort auf die gesellschaftliche Vertrauenskrise kann nicht nur in der Regulation internationaler Finanzmärkte liegen. Dazu wird auch ein Umbau der Politik in Brandenburg gehören; denn zu Recht wurde gestern hier erörtert, dass es sich nicht nur um eine Finanzmarktkrise, sondern auch um eine Vertrauenskrise in Politik und Demokratie handelt. Das gefällt uns natürlich genauso wenig.
Gestern haben Sie hier an dieser Stelle den Abgesang auf den Neoliberalismus angestimmt. Zu Recht, das passt genau hierher. Ich höre da selbstkritische Töne heraus, denen hoffentlich Taten folgen. Denn gerade in den sogenannten neuen Bundesländern wurden ab 1990/91 dem Neoliberalismus Spielwiesen eröffnet.
18 Jahre lang konnte man hier auch besichtigen, was Neoliberalismus pur bedeutet: Marktradikalität ohne Wenn und Aber,
Marktbereinigung um reale und potenzielle Konkurrenten, Niedriglohnpolitik, Massenarbeitslosigkeit, Niedergang von Regionen.
Der Aufschwung ab Mitte der 90er Jahre blieb begrenzt und konnte das alles nicht mehr kompensieren. Ich denke, das sollte das Lehrstück in Sachen Neoliberalismus gewesen sein. Ich finde, das reicht.
Zur Bejahung der Marktwirtschaft gehört mehr, als einfach nur Ja zu sagen. Demokratisch regulierte, soziale Marktwirtschaft einerseits und Kapitalismus neoliberaler Prägung andererseits sind nicht nur sprachliche Varianten, sondern sie bezeichnen entgegengesetzte gesellschaftliche Leitbilder.
Genau diesen Gegensatz haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, gestern auf die Bühne des Landtages gebracht. Ich wage noch keine Prognose, ob das ein Zwischenspiel war oder der Auftakt zum Finale.
Meine Damen und Herren, die Debatte um Markt und Regulation, Gesellschaft und Staat, Neoliberalismus und Dritten Weg, entfesselten Kapitalismus und demokratischen Sozialismus hat es hierzulande vor zwanzig Jahren schon einmal mit großer Heftigkeit gegeben. Viele von uns - Sie haben es erwähnt - waren dabei. Es ging und geht uns, der PDS bzw. der Linken, und auch mir persönlich dabei nie um Theorien oder um das Rechthaben. Es ging damals und es geht noch heute um die Frage: Was kann man politisch tun, was können wir politisch tun, damit Menschen gut, ohne Angst, ohne allgegenwärtige Kontrolle leben und arbeiten können?
Wenn die Debatte heute dazu dient, diese Fragen noch im Weiteren zu erörtern, dann freue ich mich auf die nächsten Beiträge.
Ich empfinde die gestrige und die heutige Debatte als sehr erfrischend. Wir alle waren und sind Zeugen sich wandelnder Zeiten. Das, was wir in den letzten 18 Jahren erlebt haben, ist ein erheblicher Sprung in unserem Leben gewesen. Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass es diese Entwicklung noch geben würde. Inzwischen können wir jedoch festhalten, dass wir Zeitzeugen sind.
Deutsche können in dieser Republik inzwischen frei, friedlich und relativ wohlhabend leben. Ich glaube, das hätten wir alle uns so nicht träumen lassen. Zudem können wir festhalten, dass es uns heute wesentlich besser geht - wesentlich besser
Man kann diese einzigartige und schöne Erfahrung, die wir miteinander teilen, nicht oft genug betonen. Es gibt genügend Menschen, die herumnörgeln und versuchen, die Menschen nach unten zu ziehen. Deshalb ist es wichtig, heute vielleicht auch einmal ein Resümee dessen, was geschafft wurde, zu ziehen. Ich fand es nicht schlecht, dass der Kollege Lunacek auch gesagt hat, wie es vorher war.
Die Kraft der Freiheit und die Würde des Einzelnen, die sich in den ersten 19 Artikeln unseres Grundgesetzes entfalten, machen unser Land lebens- und liebenswerter. Ich finde, das Leben in diesem Land bereitet heute hundertmal mehr Spaß als vor 20 Jahren. Da können Sie mir erzählen, was Sie wollen.
Wenn man um den 09.11. unterwegs ist - egal, ob mit Kumpels oder auf irgendeiner Versammlung -, wird immer wieder gefragt: Was hast Du eigentlich am 09.11.1989 abends getan? Was hast Du am nächsten Tag gemacht? - Die Erinnerungen schwirren uns immer wieder durch den Kopf, weil es damals eben eine aufregende Zeit war und heute wieder ist.
Dass der Aufbau unseres Landes gelingt, war für viele nicht selbstverständlich. Manch einer hat sich erhofft oder gewünscht, dass es nicht so gelingt; manch einer hat gemeint, ein anderer Weg wäre richtig gewesen - ich gebe zu, dass man darüber vielleicht auch noch einmal diskutieren sollte -; eines jedoch haben wir uns fast alle gewünscht und erhofft, nämlich, dass es eine Brandenburger Identität gibt, dass die Brandenburger irgendwann einmal mit Stolz sagen: Ich bin Brandenburger. Ich wohne gern hier. Ich sehe meine Zukunft in diesem Land. Diese Hoffnung, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat nicht getrogen. Sie hat sich erfüllt. Egal, wohin ich komme, nehme ich dies so wahr.
Man kann sagen, was man will: Die Städte waren im Jahr 1989 heruntergekommen. Sie waren grau und dreckig.
Die Umweltbelastungen waren damals massiv. Ich habe vorhin das Wort Bitterfeld gehört. Heute sieht man über Bitterfeld wieder blauen Himmel. Man kann die Wäsche draußen aufhängen. Selbst in Wolfen ist dies möglich. Die Veränderungen haben in der Region Jobs gekostet. Das ist unstrittig. Jedoch entstehen jetzt wieder neue Jobs. Das Chemiedreieck ist im Wachsen. Ähnlich ist es auch an anderen Standorten in dieser Republik.
Inzwischen - ich hätte das nie für möglich gehalten - gibt es wieder Lachse, und zwar nicht nur in der Elbe, sondern auch in der Stepenitz. Ich kenne diese Flüsse. Ich weiß, wie schmutzig sie damals waren. Man wollte keinen Finger in diese Flüsse stecken. Inzwischen ist es jedoch tatsächlich so, dass dort in hochempfindlichen Biotopen wieder Fische wachsen und gedeihen.
Wir haben schmucke Dörfer und schmucke Städte. Es gibt Radwege - diese gab es früher nicht -, auf denen Kinder und Erwachsene gefahrlos durch das Land radeln und ihre Umwelt genießen können.
Wir haben super Telefonverbindungen. Heute streiten wir uns darüber, dass man hier und da noch nicht an das DSL-Netz angeschlossen ist. Diesbezüglich kann ich nur Wilhelm Busch zitieren: „Ein jeder Wunsch sobald erfüllt kriegt augenblicklich Junge.“ Na klar, so ist es. Erinnern Sie sich doch einmal daran, wie es früher war, welche Beziehungen Sie bemühen mussten, um ein Telefon zu bekommen.
Wenn Sie krank waren, gab es Medikamente oft nur aus dem Westen. Wer gute Beziehungen hatte, kam zur Behandlung vielleicht ins Regierungskrankenhaus, aber eben nicht jeder. Auch das gehört zur Wahrheit und sollte hier ruhig erwähnt werden.
Was den Grad der Motorisierung angeht, so muss ich sagen, ich weiß nicht, ob wir so viele Autos haben müssen, wie es sie derzeit im Lande gibt, aber immerhin braucht man heutzutage nicht mehr zehn Jahre auf ein Auto zu warten. Heutzutage kann man sich relativ zügig - wenn man mobil bleiben will - ein Auto kaufen.
Frau Kaiser, sogar als Hartz-IV-Empfänger darf man ein Auto besitzen. Das sollte vielleicht noch einmal erwähnt werden.