Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschafts- und Finanzkrise auf der einen Seite, Diätenerhöhung auf der anderen Seite. Das passt irgendwie nicht zusammen. Nach dem Zehnten Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz sollen die Diäten zum 1. Januar um weitere 65,85 Euro auf 4503,74 Euro steigen. Auf der anderen Seite wächst sich die Finanzkrise zu einer Krise der Realwirtschaft aus, die über kurz oder lang alle Menschen in unserem Land erfassen wird.

Obgleich wir wiederholt in diesem Landtag mit unserem Gesetzentwurf, der Ihnen in der Drucksache 4/6874 vorliegt, eine Absenkung der Diäten auf ein verträgliches Niveau verbinden und eine den tatsächlichen sozialen Verhältnissen entsprechenden sozialen Anpassungspraxis fordern, haben wir nun wieder über den von den Koalitionsfraktionen - auch über den von der Fraktion DIE LINKE - selbst gestrickten Erhöhungsmechanismus zu debattieren. Damit geht die verbundene Anhebung sowohl der Grunddiät als auch der Kostenpauschale auf das Achte Änderungsgesetz aus dem Jahre 2006 zurück.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte den damaligen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in einem

Interview vom 11. Februar 2006 in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“. - Der Kritik kann ich nur zustimmen -:

(Schulze [SPD]: Aber sich in der Anhörung der Diskus- sion zu stellen war er zu feige!)

„Dieses Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz ist nichts anderes als ein haushalterisches Täuschungsmanöver, und diese Täuschung war beabsichtigt.“

In einer sehr perfiden Art und Weise wurde mit den Stimmen der Landtagsmehrheit die Anpassung der Grunddiäten an einen Maßstab einer völlig unrealistischen Einkommensentwicklung - unter Ausklammerung von Geringverdienern, Rentnern und Hartz-IV-Empfängern - beschlossen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Herr Schulze, hat dies in der Öffentlichkeit zynischerweise auch noch mit den Begriffen „Privilegienabbau bei Politikern“ und „Beendigung der Selbstbedienungsmentalität“ zu verkaufen versucht.

(Schulze [SPD]: Dass Sie diese Demokratie immer durch den Dreck ziehen, ist doch klar!)

Wenn ich die zwiespältige Einstellung der SPD-Fraktion zu diesem prekären Thema betrachte und angesichts der drohenden Wirtschaftsrezession - mit verheerenden Auswirkungen für nahezu alle Bürger - den vorliegenden Gesetzentwurf des Landtagspräsidenten debattieren muss, kann ich nicht verhehlen, dass mir sprichwörtlich schlecht wird.

(Frau Schier [CDU]: Nun ist aber gut! - Oh! bei SPD und CDU)

Aber auch die Heuchelei der Linken, mit der Sie versuchen, in der Öffentlichkeit - mit einer sogenannten Nullrunde - auf Stimmenfang zu gehen, ist nicht minder perfide; denn schließlich wurde das Achte Änderungsgesetz, das für den skandalösen Selbstbedienungsmechanismus ursächlich ist, auch mit den Stimmen der Linken beschlossen.

Daher kann ich nur jeder Kollegin und jedem Kollegen in diesem Hause raten, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu verweigern. Alles andere würde ein merklich schlechtes Licht auf dieses Parlament werfen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Die Landesregierung verzichtet. - Der Abgeordnete Schulze, Christoph erhält nun das Wort und hat noch eine Redezeit von zweieinhalb Minuten.

Frau Präsidentin! Es wird vermutlich wenig Sinn haben, nach links oder nach rechts - zur Linken oder zur DVU-Fraktion mit dem fünften Gebot „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten“ zu schauen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das ist nicht das fünfte!)

- Das ist das fünfte.

Vielmehr werden wir uns hier offen damit auseinandersetzen. Herr Görke, ich bin leider nicht überrascht, muss es jedoch in aller Deutlichkeit sagen: „Weißer Mann spricht mit gespaltener Zunge.“ Ihre Rede war bigott. Ich möchte auch erklären, warum. Ich kann einen Vergleich zwischen Ihnen und mir anstellen. Ich habe das Privileg, dass ich bereits seit 1990 Landtagsabgeordneter bin. Was heißt Privileg? - Zumindest wurde ich viermal wiedergewählt. Man muss dafür arbeiten, um wiedergewählt zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Direkt wiedergewählt zu werden heißt, dass man mit seinem Handeln nicht sehr weit weg von den Bürgerinnen und Bürgern ist. Zudem hat es auch etwas zu bedeuten, wenn man mehr Erst- als Zweitstimmen hat.

Herr Kollege Görke, liebe Abgeordnete der Linksfraktion, ich möchte an Folgendes erinnern: Seit 1992 haben Sie in nahezu jeder Debatte über eine Abgeordnetenentschädigung gegen eine Erhöhung gestimmt und jedes Mal gebetsmühlenartig erklärt, Sie würden den jeweiligen Mehrbetrag für gemeinnützige Zwecke spenden.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [DIE LINKE])

- Hören Sie genau zu, Frau Tack.

Im Jahr 1992 lagen die Abgeordnetendiäten bei ca. 1 800 DM, dies entspräche heute ca. 900 Euro. Nunmehr liegen sie bei 4 439 Euro. Meine Damen und Herren, ich frage Sie - ich erwarte auch, dass Sie das nachweisen und den Kollegen hier aufzeigen -, wohin Sie, jeder Einzelne, Ihre 3 400 Euro pro Monat als Spende geben; denn Sie haben in jeder Diskussion über die Erhöhung der Abgeordnetendiäten gesagt: Wir werden den Mehrbetrag spenden. - Allein das zeigt die Bigotterie auf. Auf uns zeigen Sie mit dem Finger. Ich sage: Drei Finger zeigen auf Sie selbst zurück.

(Beifall bei SPD und CDU)

Worüber sprechen wir hier eigentlich? - Wir sprechen über 4 439 Euro zu versteuerndes Bruttoeinkommen. Ich weiß nicht, wer in Ihrer Fraktion noch gesetzlich versichert ist. Ich bin es auf jeden Fall. Ich zahle einen monatlichen Krankenkassenbeitrag von 600 Euro, die wir vom Bruttoeinkommen abziehen können. Zudem zahle ich meine Steuern. Nach Abzug dieser beiden Beträge sehe ich überhaupt nicht mehr, dass ich enorm überbezahlt bin. Das sage ich in aller Deutlichkeit.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Ich finde, dies muss man in Relation setzen. Sie verknüpfen hier Dinge wie Aufwandsentschädigung und Rente miteinander, die nicht mit dem heutigen Gesetzentwurf zu verknüpfen sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner letzten Entscheidung unter anderem zu den Abgeordnetenentschädigungen und den Wahlkreispauschalen festgestellt, dass die Aufgabe eines Abgeordneten etwas Besonderes ist. Ja, das ist etwas Besonderes. Wir sind das Bindeglied zwischen der Bevölkerung und

dem Staat, der Verwaltung und der Regierung. Wir üben jeden Tag eine Pendeldiplomatie aus. Wir hören uns vor Ort an, was die Bürgerinnen und Bürger zu sagen haben, und versuchen dann, dies in konkretes Regierungs- und Verwaltungshandeln umzusetzen.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Wenn ich meine Rede zu Ende gebracht habe. Ich habe noch eine Minute.

Abgeordneter zu sein ist zugegebenermaßen ein schwieriger Job. Ich möchte aber nicht in Abrede stellen, dass auch die Krankenschwester, der Busfahrer oder der Ingenieur ordentliche Arbeit in diesem Land leisten. Es werden auch alle ordentlich bezahlt.

Ich habe aus Ihrer Fraktion keinen Protest gehört, als die IG Metall 8 % mehr Lohn gefordert, jedoch lediglich 4,2 % bekommen hat. Ich habe keinen Protest aus Ihrer Fraktion gehört, als ver.di und der Hartmannbund - wie sie alle heißen - für die Krankenhäuser 3 Milliarden Euro mehr und auch entsprechende Tarifsteigerungen durchgesetzt haben. Daran orientiert sich letztlich auch das, was wir bekommen. Wir bekommen etwa 2 % mehr. Da machen Sie ein Fass auf, sodass ich einfach sagen muss: Damit, mit Ihrem Agieren kündigen Sie auch eine Verabredung auf, eine Verabredung, die Institutionen dieses Staates - wie das Abgeordnetenmandat - nicht permanent durch den Dreck zu ziehen. Ich finde das nicht in Ordnung. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Liebe Kollegen von der Linksfraktion, es gibt nie einen richtigen Zeitpunkt. Das Jahr 2006 war für Sie eventuell weit genug weg von irgendeiner Wahl, um zu sagen: Wir können den anderen Kollegen jetzt vielleicht ein wenig entgegenkommen. - Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie uns das in einer Art und Weise vorhalten, als ob wir der reiche Selbstbedienungsladen wären. Wenn man die Zahlen betrachtet, erkennt man, dass es eben nicht so ist.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das hat auch nie- mand gesagt!)

Herr Görke, nun noch etwas zu dem Entschließungsantrag, den Sie zitiert haben. In dem Entschließungsantrag steht - man muss diesbezüglich bei den Tatsachen, Worten und Beschlüssen bleiben -, dass noch in dieser Wahlperiode geprüft wird, was die anderen Parlamente in Deutschland getan haben. Ich möchte das einmal vorwegnehmen, weil ich die Sache seit dem Jahr 2006 sehr aufmerksam verfolge und wir diesbezüglich auch im Gespräch gewesen sind. Ich bin auch mit Heinz Vietze über diese Dinge im Gespräch gewesen. Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass wir da Dinge tun können. Dafür brauchen Sie jedoch die Mehrheit in diesem Haus und in der Gesellschaft. Diese betet man nicht herbei, und man bekommt sie auch nicht, wenn man andere vor den Kopf stößt.

Was ist Ihre Falschdarstellung? - Sie besteht darin, dass im Ent

schließungsantrag steht, dass analysiert wird, was die anderen Länder getan haben. Nichts haben die anderen Länder getan. Nach NRW hat nur noch Schleswig-Holstein etwas getan, und das in einer sehr pikanten Art und Weise, sodass ich sage: Wenn wir hier den Antrag einbringen würden, die Abgeordnetendiäten auf 9 000 Euro zu erhöhen, dann wären Sie die Ersten, die sich in die Büsche schlagen und sagen würden: Dieses Schleswig-Holstein-Modell ist unmöglich.

(Beifall bei SPD und CDU - Baaske [SPD]: Genau!)

Das meine ich mit Bigotterie. Man kann eben nicht rechts blinken und links fahren, sondern ein Wort ist ein Wort.

Ich sage sehr deutlich: In dieser Frage haben Sie das Wort gebrochen und letztlich die anderen Kollegen vorgeführt. Das ist nicht in Ordnung. Ich bin darüber auch sehr enttäuscht. Das ist keine Basis für eine gute Zusammenarbeit. An diesen Stellen zeigt sich auch, wie die Zusammenarbeit funktioniert, wenn man sich bei den heiklen Themen in die Büsche schlägt und einen auf Sozialrevolutionär macht. Ich finde das sehr schade.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die Frage als Nachfrage habe ich nicht mehr zugelassen. Zur Erinnerung an Sie alle: Es gibt Zwischenfragen - so steht es in unserer Geschäftsordnung -, aber keine Nachfragen. Es gab jedoch von Herrn Görke den Hinweis, dass er eine Kurzintervention wünscht. Diese Chance hat er nunmehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Schulze, ja, es würde eine angemessene Erhöhung der grundsätzlichen Entschädigung der Abgeordneten mit sich bringen. Aus den Gesprächen, die mir übermittelt wurden und an denen Sie beteiligt waren, schlussfolgere ich, dass es sich dann brutto um eine monatliche Grunddiät von 7 900 Euro für einen Abgeordneten in diesem Land handelt. Das wäre im Grunde genommen die logische Konsequenz, wenn all die versteckten Privilegien, die wir jetzt haben, abgebaut würden. Das nur zur Klarheit.

(Zuruf der Abgeordneten Schier [CDU] - Frau Lehmann [SPD]: Ein Schwindler! Sie Lügner!)

Zur Spendenproblematik: Da ich die Frage nicht stellen konnte, möchte ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Linksfraktion seit Oktober 2004 - nur die Fraktion, das sind noch nicht die individuellen Spenden der Abgeordneten im Wahlkreis - 26 408 Euro gespendet hat. Ich bitte Sie, dies zu akzeptieren.

(Baaske [SPD]: Nach der Vorhersage müsste das eine Monatsspende sein!)

Herzlichen Dank für diese Kurzintervention. - Wir kommen damit zur Abstimmung.

Die Fraktion DIE LINKE beantragt die Überweisung des Ge