Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/6898 an den Ausschuss für Wirtschaft - federführend - und den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist diesem Überweisungsantrag ohne Enthaltungen mit großer Mehrheit nicht gefolgt worden.
Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 4/6898 in der Sache abstimmen. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag ohne Stimmenthaltungen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt worden.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede zwei Zitate. Das erste hat der Kollege Schulze am gestrigen Tag gebracht:
Es ist das achte Gebot. Damit Sie Ihre Bibelfestigkeit belegen können, lasse ich das Blatt hier vorn für Sie zurück.
„Leiharbeit wandelt sich vom Instrument einer kurzfristigen Reaktion auf einen Nachfrageboom zu einem Instrument der dauerhaften Kostensenkung. Dies ist durchaus problematisch: Trotz zunehmender Tarifbindungen in Zeit
arbeitsfirmen erreichen die Stundenlöhne zum Teil nur 50 % der durchschnittlichen Tariflöhne regulär Beschäftigter.“
Das Zitat stammt aus dem neuesten Betriebspanel für Brandenburg aus dem Hause der Ministerin Ziegler.
Worin liegt die Ursache für die Situation in dieser Branche? Mit dem sogenannten Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aus dem Jahr 2003 wurde durch die rot-grüne Bundesregierung die Tariföffnungsklausel eingeführt, die es ermöglichte, dass Unternehmen Leiharbeiter niedriger als die Stammbelegschaft entlohnen, wenn ein Leiharbeitsvertrag vorliegt. Damit konnte und wurde letztlich die Grundregel des deutschen Arbeitsrechts, das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, ausgehebelt. In Deutschland gibt es, wie Sie wissen, drei große Tarifverträge mit Stundenlöhnen von 5,70 Euro für Ostdeutschland - ausgehandelt unter anderem von christlichen Gewerkschaften -, gepaart mit schlechten Kernarbeitsbedingungen bezüglich der Arbeitszeit, der Gewährung von Pausen, Urlaub, Sozialschutz. Das ist alles bekannt.
Seit der letzten Debatte darüber hier in diesem Haus vor rund einem Jahr ist wieder Zeit ins Land gegangen. Leider ist - trotz Ankündigung, unter anderem der Sozialdemokraten - auf parlamentarischer Ebene in Deutschland nichts Greifbares zur Verbesserung der Bedingungen der Leiharbeitnehmer passiert. Dafür hat sich umso mehr auf der europäischen Ebene getan. Deshalb begrüßt meine Fraktion den Gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments, die rechtliche Stellung, den Status und die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer in der EU zu verbessern. Ich hoffe, Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, sehen das ähnlich.
Die Richtlinie über die Leiharbeit sieht vor, dass Angestellte von Leiharbeitsfirmen die gleichen Rechte wie die Stammbelegschaft haben sollen, und zwar vom ersten Tag an. Die Gleichstellung betrifft insbesondere Gehalt, Mutterschutz, Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden und Nachtarbeit. Die Gewährung war für das Europäische Parlament von besonderer Bedeutung und soll die allgemeine Regel sein.
Um der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden, können - nicht: müssen die Mitgliedsstaaten den Sozialpartnern gestatten, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, sofern nicht das Gesamtschutzniveau für Leiharbeitnehmer gewahrt bleibt.
Stichwort „Gesamtschutzniveau“: Damit steht fest, dass das Einfallstor - sprich: die Tariföffnungsklausel im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das diese Dumpinglöhne erst ermöglicht hat - verändert werden muss. Im Übrigen lässt die Richtlinie das Recht der Mitgliedsstaaten unberührt, Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern über Tarifverträge zu fördern oder zuzulassen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstiger sind.
Gestatten Sie mir noch folgende Bemerkung: Es geht nicht darum, Leih- bzw. Zeitarbeit in Bausch und Bogen abzulehnen. Die Linke ist nicht grundsätzlich gegen dieses Instrument. Leih
bzw. Zeitarbeit soll eine flexible Beschäftigungsform sein, um Produktionsspitzen abzufangen. Sie darf nicht als Regelinstrument, um Kostensenkungsprogramme in Unternehmen durchzusetzen, missbraucht werden.
Leiharbeit soll als Brücke in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis dienen, aber keine Umgehung des Normalarbeitsrechtsverhältnisses erlauben. In diesem Sinne wollen wir mit unserem Antrag auch Sie, meine Damen und Herren der Koalition, bitten, unserem Antrag zuzustimmen, mit dem die Landesregierung aufgefordert werden soll, im Bundesrat zeitnah den nunmehr europäischen Rückenwind zu nutzen, um gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Leiharbeit in Deutschland eine flexible, aber faire Beschäftigungsform im Sinne der EU-Richtlinie wird. Der Rat und das Europäische Parlament haben eine Übergangsfrist von drei Jahren für die Umsetzung der Richtlinie gesetzt. In Anbetracht des Ausmaßes der Verwerfungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, wo Leiharbeitnehmer zum Teil mit lediglich der Hälfte des Lohnes abgespeist werden, ist es nach unserer Auffassung notwendig, unverzüglich zu handeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leiharbeit, Zeitarbeit, Personal-Leasing, Arbeitnehmerüberlassung - all diese Termini stehen für eine Arbeitsform, die seit Mitte der 80er Jahre ein erhebliches Wachstum erfährt. Schon in der Begriffsvielfalt kommt die seit Jahren bestehende gesellschaftliche Kontroverse um das arbeitsrechtliche Dreiecksverhältnis zwischen Leiharbeitnehmern, Zeitarbeitsfirma und Entleihbetrieb zum Ausdruck. Die Diskussion läuft polarisiert. Von Menschenhandel, der verboten gehöre, reden die einen, von der Wertschätzung des Instruments flexibler Personalwirtschaft reden die anderen. Für meine Partei stelle ich fest, dass eine Polarisierung dem Thema nicht angemessen ist und auch nicht Schritt hält mit der Entwicklung solcher Beschäftigungsverhältnisse in unserer Arbeitswelt.
Derzeit sind bundesweit mehr als 700 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Leiharbeit beschäftigt, mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2003. Das entspricht knapp 2 % der Gesamtarbeitnehmerschaft. Zum Vergleich: In Brandenburg betrug der Anteil der Leiharbeitnehmer an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen im vergangenen Jahr, 2007, 1,2 %.
Die ursprüngliche Einsatzlogik von Leiharbeit, Auftragsspitzen in der Wirtschaft und damit anfallende temporäre Personalbedarfe abzufangen, ist legitim. Politisch problematisch wird es, wenn Leiharbeit bei normaler Auftragslage in Unternehmen gezielt eingesetzt wird, um sukzessive Kernbelegschaften in Randbelegschaften umzuwandeln. Insoweit sind wir der gleichen Auffassung. Wenn die größte Hoffnung einer Leiharbeitskraft dar
in besteht, Stammarbeitskraft zu werden, und die größte Angst einer Stammarbeitskraft, Leiharbeiter zu werden, dann steckt hierin betriebswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sprengstoff. Insbesondere der davon ausgehende Druck auf das allgemeine Lohnniveau und verschlechterte Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfordern politische Intervention.
Schon seit dem Jahr 2002 wird auf EU-Ebene um einen neuen Rahmen für Leiharbeit gerungen. Nun endlich im Oktober 2008 wurde die Richtlinie über Leiharbeit vom Europäischen Parlament verabschiedet. Da das Ziel der Richtlinie darin besteht, für den Schutz der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, ist dies ein großer Erfolg im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping auf europäischer Ebene. Eine mehr als sechsjährige Diskussion in der EU findet hiermit ihren - so sage ich einmal vorläufigen Abschluss. Insbesondere hatte sich bekanntlich Großbritannien bis zuletzt geweigert, Leiharbeitnehmern gleichen Lohn und gleiche Rechte zuzugestehen.
Mit der verabschiedeten Richtlinie sollen Leiharbeitnehmer EUweit in den Unternehmen, in denen sie arbeiten, die gleichen Rechte und insbesondere die gleiche Bezahlung erhalten, und zwar vom ersten Arbeitstag an, wie in diesen Unternehmen fest angestellte Arbeitnehmer. Meine Partei und insbesondere der Bundesarbeitsminister haben diesen Kompromiss ausdrücklich begrüßt. Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt in Deutschland bereits seit dem Jahre 2004. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind bei uns allein über Tarifvertrag möglich. Diese Ausnahme, also Tarifautonomie, Herr Görke, lässt also auch die EU-Richtlinie ausdrücklich zu.
Da das deutsche Recht, festgeschrieben im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, den Vorgaben der Richtlinie weitestgehend entspricht, ist davon auszugehen, dass der Anpassungsbedarf hier in Deutschland überschaubar ist. Selbstverständlich wird die Bundesregierung ihre Hausaufgaben machen und innerhalb der vorgeschriebenen Zeitspanne von drei Jahren, also bis zum Jahre 2011, das deutsche Arbeitsrecht dahin gehend anpassen. Dazu bedarf es wahrlich nicht der Aufforderung der Linken, egal, ob im Bundestag oder in einem Landtag. Auch bedarf es keiner Einbindung des Bundesrates. Ihr Antrag ist überflüssig.
Herr Görke, an der Öffnungsklausel, nach der Arbeitgeber und Gewerkschaften Löhne für Leiharbeitnehmer vereinbaren, die auch niedriger als die üblichen Löhne der Stammbelegschaft sein können, wird sich durch die EU-Richtlinie nichts ändern. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. Somit richtet sich die Verantwortung nicht mehr nur an die Bundesregierung, an die Politik, sondern vornehmlich an die Arbeitgeber und die Gewerkschaften, vor allem die christlichen Gewerkschaften, in der Zeitarbeitsbranche. Diese bestimmen letztlich auch nach dem Willen der EU - auch nach dem Willen der EU, Herr Görke - die Tarife für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer.
Das Augenmerk der Politik ist also weiterhin auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und neuen flexiblen Arbeitsformen zu richten, dabei - das sage ich hier ausdrücklich für die SPD - unbedingt auch auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Arbeitsformen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal versucht die Brandenburger Linke, das Volk zu linken und sich als alleiniger Sachwalter der Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darzustellen.
Ihr wahres Gesicht haben Sie selbst hier im Plenum schon oft gezeigt, zum Beispiel bei den wiederholten Anträgen zur frühzeitigen Öffnung des Brandenburger Arbeitsmarktes gegenüber den neuen EU-Staaten. Die Linke wollte hierbei Brandenburger Arbeitsplätze mit osteuropäischen Arbeitslosen und Arbeitskräften besetzen, da sie die deutschen Arbeitslosen für zu unqualifiziert und für unqualifizierbar hielt. Zum Glück konnte dies durch einen Konsens der demokratischen Parteien im Landtag verhindert werden.
Erinnern möchte ich hier auch an den von der Linken abgelehnten DVU-Antrag zur Einführung von Mindestlöhnen. Sie haben sich ausdrücklich hier im Plenum gegen die Einführung von Mindestlohn gewandt.
Wir brauchen keinen Extrabeschluss des Hohen Hauses, dass wir die am 22. Oktober 2008 vom Europäischen Parlament verabschiedete Richtlinie über Leiharbeit zur Kenntnis nehmen. Unsere DVU-Fraktion geht davon aus, dass dies durch die wahren Volksvertreter längst geschehen ist. Auch bedarf es nicht explizit einer Aufforderung an die Landesregierung, dass sie auf eine Einführung bzw. Veränderung entsprechender gesetzlicher Grundlagen beim Bund hinzuwirken habe.
Wir hoffen, auch die Genossen von links außen haben die neue EU-Richtlinie wirklich genau gelesen. Richtig ist nämlich: Die Unternehmen müssen Zeit- und Leiharbeitnehmern künftig die gleichen Arbeitsbedingungen gewähren wie ihrer Stammbelegschaft. Die Arbeitnehmer in den sogenannten atypischen Beschäftigungsformen sollen besser geschützt und die Leiharbeit verbessert werden. Allerdings haben die Eurokraten auch diesmal entsprechende Schlupflöcher gelassen. Ähnlich wie in der deutschen Regelung zur Arbeitnehmerüberlassung existiert auch in der neuen EU-Richtlinie eine Tariföffnungsklausel, die den Gleichstellungsgrundsatz untergräbt. Gewerkschaften und Arbeitgeber können Tarife abschließen, die eine niedrigere Entlohnung der Leiharbeitnehmer im Vergleich mit der Stammbelegschaft ermöglichen. Damit sind auch weiterhin Dumpingtarife von Pseudogewerkschaften möglich.
Es kann nicht sein, dass etwa jede sechste Leiharbeitskraft ihren Lohn mithilfe des Staates aufstocken muss, um überhaupt über die Runden zu kommen. Unsere DVU-Fraktion steht für eine wirklich existenzsichernde Entlohnung aller Beschäftigten einschließlich der Leiharbeitnehmer. Dazu sind Mindestlöhne unerlässlich. Dazu muss sich auch die Linke bereit erklären.